Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.02.2015, Az. IX R 23/14

9. Senat | REWIS RS 2015, 15803

STEUERRECHT BUNDESFINANZHOF (BFH) EINKOMMENSTEUER ZWANGSVERWALTUNG

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zwangsverwaltung - Einkommensteuer - Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters


Leitsatz

1. Der Zwangsverwalter hat auch die Einkommensteuer des Vollstreckungsschuldners zu entrichten, soweit sie aus der Vermietung der im Zwangsverwaltungsverfahren beschlagnahmten Grundstücke herrührt (Änderung der Rechtsprechung).

2. An der Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters ändert sich nichts, wenn während der Zwangsverwaltung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 29. November 2013  4 K 3607/10 E aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 9. Februar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. September 2010 wird mit der Maßgabe geändert, dass die [X.] des [X.] als Insolvenzverwalter auf den Betrag von 186 € herabgesetzt wird.

Die gegen den Beigeladenen festgesetzte Einkommensteuer bleibt der Höhe nach unverändert.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

A. Im Revisionsverfahren ist nur noch streitig, ob der Insolvenzverwalter die Einkommensteuer des Insolvenzschuldners vorab aus der Masse entrichten muss, soweit sie aus der Vermietung von unter Zwangsverwaltung stehenden Grundstücken herrührt.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beigeladenen.

3

Im Vermögen des Beigeladenen befanden sich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens drei Grundstücke und ein Erbbaurecht, die unter Zwangsverwaltung standen. Der Grundbesitz war vermietet. Im Streitjahr (2008) betrug der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben aus der Vermietung der vier Objekte 23.614 €.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte u.a. die aus diesen Einkünften resultierende Einkommensteuer gegen den Kläger fest und wies den dagegen gerichteten Einspruch als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht ([X.]) hat der Klage stattgegeben, soweit die festgesetzte Einkommensteuer den Betrag von 4.910 € übersteigt. Im hier noch streitigen Punkt hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger habe u.a. die anteilig auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entfallende Einkommensteuer (4.724 €) als Masseverbindlichkeit zu entrichten.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 9. Februar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. September 2010 dahin abzuändern, dass die ihn treffende [X.] auf den Betrag von 186 € herabgesetzt wird.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Der Beigeladene hat sich am Revisionsverfahren nicht aktiv beteiligt.

Entscheidungsgründe

9

B. I. Die Revision ist zulässig. Dem Kläger wird wegen Versäumung der Frist zur Revisionseinlegung und -begründung antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, weil er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzlichen Fristen einzuhalten (§ 56 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Der Kläger hat die versäumten Rechtshandlungen innerhalb der Antragsfrist nachgeholt, nachdem der [X.] ihm als Partei kraft Amtes für die Revision Prozesskostenhilfe bewilligt hat.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O).

Nicht der Insolvenzverwalter, sondern der Zwangsverwalter hat die Einkommensteuer des [X.] zu entrichten, soweit sie aus der Verwaltung des der Zwangsverwaltung unterfallenden Vermögens herrührt; er hat insbesondere die Einkommensteuer zu entrichten, soweit sie aus der Vermietung der im [X.] beschlagnahmten Grundstücke herrührt. Das gilt auch, wenn während der Zwangsverwaltung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird, solange die Zwangsverwaltung nicht aufgehoben ist. Das [X.] hat deshalb den Kläger als Insolvenzverwalter insoweit zu Unrecht in Anspruch genommen. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden.

1. Der Zwangsverwalter hat die Einkommensteuer des [X.] zu entrichten, soweit sie aus der Vermietung der im [X.] beschlagnahmten Grundstücke herrührt.

a) Durch den Beschluss über die Anordnung der Zwangsverwaltung wird dem Vollstreckungsschuldner die Befugnis zur Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung --[X.]--). Der Beschluss gilt zugunsten des Gläubigers als Beschlagnahme des Grundstücks (§ 146 Abs. 1, § 20 Abs. 1 [X.]). Das Recht, das Grundstück zu verwalten und zu benutzen, geht auf den Zwangsverwalter über. Er ist gemäß § 152 [X.] verpflichtet, das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen. Die Anordnung der Zwangsverwaltung lässt das Eigentum des [X.] an dem Grundstück unberührt; ihm verbleibt auch die dingliche Verfügungsbefugnis über das Grundstück. Die Beschlagnahme führt aber dazu, dass der unter Zwangsverwaltung stehende Grundbesitz von dem übrigen Vermögen des Schuldners getrennt wird und ein Sondervermögen bildet, welches den die Zwangsverwaltung betreibenden Vollstreckungsgläubigern zur Sicherung ihres Befriedigungsrechtes zur Verfügung steht (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 29. Januar 2009 V R 67/07, [X.], 172, [X.], 1029).

b) Als Vermögensverwalter [X.] von § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) hat der Zwangsverwalter nicht nur die im [X.] geregelten Pflichten, sondern daneben auch die steuerlichen Pflichten des [X.] zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. § 34 Abs. 3 [X.] enthält insofern eine außerhalb des [X.] stehende Verpflichtungsgrundlage. Als Vermögensverwalter tritt der Zwangsverwalter als weiterer Steuerpflichtiger (§ 33 Abs. 1 [X.]) neben den Steuerschuldner.

aa) Steuersubjekt und damit Schuldner der Einkommensteuer bleibt der Vollstreckungsschuldner. Ihm sind insbesondere die steuerpflichtigen Einkünfte aus der Verwaltung des beschlagnahmten Vermögens persönlich zuzurechnen, obwohl er infolge der Beschlagnahme den Besitz an dem vermieteten Grundstück und die Verwaltungs- und [X.] darüber verloren hat. Gleichwohl erfüllt er den objektiven Tatbestand der Vermietung und Verpachtung auch während der Zwangsverwaltung, denn die Handlungen, die der Zwangsverwalter im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben (§ 150, § 152 Abs. 1 [X.]) vornimmt, werden dem Vollstreckungsschuldner auch mit steuerlicher Wirkung als eigene zugerechnet (vgl. [X.]surteile vom 16. April 2002 IX R 53/98, [X.], 1152; vom 11. März 2003 IX R 65-67/01, [X.] 2003, 778; ferner schon [X.], Urteil vom 22. Mai 1889 [X.]. I 106/89 [X.], 302; Urteil des [X.] --BGH-- vom 9. Dezember 2011 V ZR 131/11, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2012, 1293).

bb) Daneben hat der Zwangsverwalter als Vermögensverwalter die steuerlichen Pflichten des Schuldners als eigene zu erfüllen (§ 34 Abs. 3 i.V.m. § 33 [X.]), soweit seine Aufgaben und Befugnisse reichen. Für Inhalt und Umfang der steuerlichen Pflichten, die der Zwangsverwalter demgemäß zu erfüllen hat, verweist § 34 Abs. 3 letzter Halbsatz [X.] vorrangig auf die Vorschriften des [X.] ("soweit die Verwaltung reicht"); inhaltlich ergeben sich die steuerlichen Pflichten aus den Steuergesetzen. Die Verweisung auf die Aufgaben und Befugnisse nach dem [X.] hat für die Anwendung des § 34 Abs. 3 [X.] vor allem zweierlei Bedeutung.

(1) Gegenständlich ist der Aufgabenkreis des [X.] begrenzt durch den Umfang der vollstreckungsrechtlichen Beschlagnahme. Nur Sachverhalte, die mit dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Vermögen in Zusammenhang stehen, lösen die Rechtsfolgen des § 34 Abs. 3 [X.] aus.

(2) Zeitlich sind die Rechte und Pflichten des [X.] begrenzt durch die Dauer des Verfahrens. Sie enden grundsätzlich mit dessen Aufhebung (§ 161 [X.]; vgl. [X.] vom 25. Mai 2005 VIII ZR 301/03, Monatsschrift für Deutsches Recht 2005, 1306).

cc) Hat der Zwangsverwalter als Vermögensverwalter Steuern des [X.] gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 [X.] zu entrichten, so richtet sich der Anspruch des Fiskus nur gegen das liquide Verwaltungsvermögen (Nutzungen des Grundstücks; vgl. § 155 Abs. 1 [X.]). Zur Verfügung über das der Verwaltung unterliegende Grundstück ist der Zwangsverwalter nicht befugt. Mit seinem Privatvermögen haftet er allenfalls gemäß § 69 [X.] bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihn treffenden [X.].

c) Als Vermögensverwalter hat der Zwangsverwalter gemäß § 34 Abs. 3 [X.] die Einkommensteuer des [X.] zu entrichten, soweit sie aus der ordnungsgemäßen Verwaltung des beschlagnahmten Grundvermögens herrührt.

aa) Voraussetzung dafür ist, dass der Zwangsverwalter im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben und Befugnisse handelt und dass die Einkommensteuer einen hinreichenden Bezug zu dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Vermögen aufweist (vgl. [X.]-Urteil vom 13. April 2011 II R 49/09, [X.], 97, [X.], 944; ferner Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2009  8 [X.] 9/09, NJW 2010, 2152 beide zu § 55 der Insolvenzordnung --[X.]--). Beides ist hier der Fall.

(1) Die Anordnung der Zwangsverwaltung lässt bestehende Miet- oder [X.] unberührt (§ 152 Abs. 2 [X.]). Setzt der Zwangsverwalter die bei Anordnung der Zwangsverwaltung bestehenden Mietverhältnisse fort, handelt er demzufolge im Rahmen der ihm nach dem [X.] übertragenen Aufgaben und Befugnisse.

(2) Erzielt der Zwangsverwalter aus der Vermietung oder Verpachtung der seiner Verwaltung unterliegenden Grundstücke gemäß § 21 des Einkommensteuergesetzes steuerpflichtige Einnahmenüberschüsse, ist die darauf entfallende Einkommensteuer des Schuldners unmittelbar durch die Verwaltung verursacht und veranlasst, denn der Verwalter übt die den [X.] erfüllende Tätigkeit (entgeltliche Überlassung des Grundstücks zur Nutzung) im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung selbst aus. Durch seine verwaltende Tätigkeit entsteht die Steuer; nur er kann die steuerpflichtige Tätigkeit beenden und die Entstehung des Steueranspruchs verhindern.

bb) Aus dem [X.] ergibt sich nichts anderes. Nach § 155 Abs. 1 [X.] hat der Zwangsverwalter aus den Nutzungen des Grundstücks vorweg die Ausgaben der Verwaltung und die Kosten des Verfahrens zu bestreiten. Nach § 156 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind die laufenden Beträge der öffentlichen Lasten vom Verwalter ohne weiteres Verfahren zu berichtigen. Aus dem Wortlaut der Vorschriften ergibt sich kein Argument gegen die Verpflichtung des Verwalters, die Einkommensteuer des Schuldners anteilig zu entrichten. Insbesondere § 156 Abs. 1 Satz 1 [X.] regelt weder positiv noch negativ, welche Steuern der Zwangsverwalter zu entrichten hat. Dies ergibt sich aus § 34 Abs. 3 [X.] i.V.m. den Steuergesetzen. Die Bedeutung von § 156 Abs. 1 Satz 1 [X.] liegt vor allem darin, dass er die steuerliche [X.] des Verwalters im Interesse der Gläubiger ihrem Umfang nach auf die laufenden Beträge beschränkt. Dem ist genügt, wenn der Verwalter die Einkommensteuer des Schuldners anteilig nur für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entrichten muss, die während seiner Verwaltungszeit aus der Verwaltung des beschlagnahmten Grundbesitzes entstanden sind.

cc) Der gegenteiligen Auffassung des [X.] (Urteil vom 22. August 1958 VI 157/57, Der Betrieb --[X.]-- 1958, 1203) folgt der [X.] nicht.

(1) Der [X.] hat dort entschieden, der Zwangsverwalter hafte nicht für die auf einen Überschuss aus der Zwangsverwaltung entfallende Einkommensteuer des Grundstückseigentümers. Zur Begründung hat der [X.] ausgeführt, die dinglichen Rechte der Gläubiger erstreckten sich auf die [X.] (§ 1123 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--); die Gläubiger müssten sich nur einen Abschlag von den [X.] für die Verwaltungs- und Verfahrenskosten gefallen lassen. Persönliche Schulden des Eigentümers seien ihnen gegenüber, an[X.] als im Konkurs, nicht bevorrechtigt. Die Einkommensteuer des Grundeigentümers gehöre deshalb nicht zu den Ausgaben der Verwaltung (zustimmend z.B. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, [X.]. 72, November 1972, § 104 R[X.] Rz 3).

(2) [X.] ist überholt und verfängt auch nicht. Das frühere [X.] (vgl. § 61 Nr. 2 der Konkursordnung --KO--), auf welches der [X.] im Jahr 1958 seine Begründung gestützt hat, ist mit der Einführung der Insolvenzordnung aufgehoben worden. Seitdem gilt im Insolvenzverfahren der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger. Das Fehlen einer Vorrangregelung im [X.] kann deshalb nicht gegen die [X.] des [X.] hinsichtlich der durch seine Verwaltungstätigkeit verursachten Einkommensteuer eingewandt werden. Im Übrigen ergibt sich die Vorrangigkeit von [X.] im [X.] aus § 156 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 34 Abs. 3 und Abs. 1 [X.] und den Steuergesetzen.

(3) Auch aus § 1123 BGB lässt sich nicht herleiten, dass die Einkommensteuer, soweit sie aus der Tätigkeit des Verwalters herrührt, nicht aus den vom Verwalter erzielten Nutzungen des Grundstücks zu entrichten ist. Zwar erstreckt sich die Hypothek nach § 1123 BGB auf die Miet- oder Pachtforderungen und nicht nur auf die [X.]. Dieses Recht kann in der Zwangsverwaltung aber nur nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften durchgesetzt werden. Es wird insofern vor allem durch die Vorschriften des [X.] beschränkt, die vorsehen, welche Abzüge der Zwangsverwalter vor Auszahlung des Überschusses an die betreibenden Gläubiger vornehmen muss (vgl. § 155 Abs. 1 [X.]; § 156 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Wie bereits dargelegt, ergibt sich aus diesen Vorschriften weder, dass die Einkommensteuer des Schuldners abgezogen werden muss noch dass dies nicht geschehen darf. Ergänzend müssen insofern § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 [X.] und die Steuergesetze herangezogen werden. Soweit sich daraus steuerliche [X.]en des Verwalters ergeben, begrenzen auch diese den Anspruch der Gläubiger [X.] von § 1123 BGB.

(4) Im steuerlichen Schrifttum wird, soweit ersichtlich einhellig die Auffassung vertreten, der Zwangsverwalter habe die Einkommensteuer des Schuldners nicht zu entrichten ([X.] in [X.], § 34 [X.] Rz 84; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 34 [X.] Rz 26; [X.], Abgabenordnung, 3. Aufl., § 34 D.; [X.] in [X.], [X.] § 34 Rz 35; [X.] in [X.], [X.], § 34 Rz 17). Zur Begründung wird jedoch lediglich auf das [X.]-Urteil von 1958 (in [X.] 1958, 1203) Bezug genommen.

(5) Auch das zivilprozessuale Schrifttum geht davon aus, dass der Zwangsverwalter die Einkommensteuer des Schuldners nicht entrichten müsse (vgl. Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 20. Aufl. § 152 Rz 15.1 und 15.6; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl. § 152 Rz 65; [X.]/Wutzke/[X.]/Hintzen, Zwangsverwaltung, 5. Aufl., § 155 Rz 9; [X.]/[X.]/ [X.]/[X.]/[X.], Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl. § 152 [X.] Rz 22; [X.], NJW 2014, 1855, 1860; vgl. [X.]/Reck, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2012, 1969; [X.], [X.], 97). Zur Begründung wird insoweit ergänzend auf eine Entscheidung des [X.] Bezug genommen (Beschluss vom 14. Februar 1967  3 W 5/67, Der [X.] 1967, 418). Streitig war dort, ob das [X.] ([X.]) dem Zwangsverwalter zu Recht aufgegeben hatte, für den Vollstreckungsschuldner Bilanzen aufzustellen. Das hat das [X.] verneint und die Entscheidung des [X.] aufgehoben. Den Zwangsverwalter treffe (gemäß § 104 der Reichsabgabenordnung --R[X.]--) eine Verantwortlichkeit nur für die Steuern und Abgaben, die aus der [X.] zu entrichten seien. Für Einkommen-, Vermögen- und Körperschaftsteuern, für die der Schuldner allein verantwortlich bleibe, hafte der Zwangsverwalter nicht. Diese Ausführungen enthalten indes keine Begründung, sondern setzen dasjenige voraus, was sie zu begründen vorgeben, ob nämlich der Zwangsverwalter die Einkommensteuer aus der [X.] zu entrichten habe.

dd) Die [X.] des [X.] für die anteilig auf seine Tätigkeit entfallende Einkommensteuer des Schuldners liegt auf einer Linie mit der neueren Rechtsprechung des [X.] zur [X.] des [X.] bezüglich der Umsatzsteuer und der Kfz-Steuer im Zusammenhang mit seiner Verwaltungstätigkeit.

(1) Für die Umsatzsteuer ist höchstrichterlich geklärt, dass der Zwangsverwalter als Steuerpflichtiger gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 [X.] neben dem Steuerschuldner zur Entrichtung der Umsatzsteuer verpflichtet ist, soweit seine Verwaltung reicht. Insoweit sind Umsatzsteuerbescheide an ihn zu richten; führt der Schuldner außerhalb des Unternehmensbereichs, auf den sich die Beschlagnahme erstreckt, Umsätze aus, ist die hieraus entstandene Umsatzsteuer allein durch einen an den Schuldner gerichteten Umsatzsteuerbescheid geltend zu machen (vgl. [X.]-Urteil vom 18. Oktober 2001 V R 44/00, [X.]E 196, 372, [X.], 171; Beschluss vom 28. Juni 2011 XI B 18/11, [X.] 2011, 1931).

(2) Die Kfz-Steuer ist im Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit vom Insolvenzverwalter zu entrichten, wenn das Fahrzeug Teil der Insolvenzmasse ist (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 97, [X.], 944; vom 8. September 2011 II R 54/10, [X.]E 235, 1, [X.], 149 zur Freigabe). Es muss nach der Rechtsprechung des II. [X.]s außerdem der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegen. Fehlt es daran, weil bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Zwangsverwaltung über ein Grundstück angeordnet ist und weil das Fahrzeug als Zubehör des Grundstücks vorrangig der Zwangsverwaltung und insoweit der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnis des [X.] unterfällt, hat der Zwangsverwalter und nicht der Insolvenzverwalter als Vermögensverwalter die Kfz-Steuer zu entrichten ([X.]-Urteil vom 1. August 2012 II R 28/11, [X.]E 238, 319, [X.], 131). Diese Erwägungen sind auf die Nutzung des Grundstücks entsprechend übertragbar.

ee) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des [X.] nicht daraus, dass die Einkommensteuer eine Subjektsteuer ist.

Für Insolvenzverwalter ist allgemein anerkannt, dass sie als Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 [X.] und den Steuergesetzen auch die Einkommensteuer des Insolvenzschuldners zu entrichten haben, soweit es sich um eine Masseverbindlichkeit handelt. Die zunächst einheitlich ermittelte Einkommensteuer wird in einem zweiten Schritt aufgeteilt. Soweit sie Masseverbindlichkeit ist (§ 55 [X.]), ist sie gegen den Insolvenzverwalter als [X.] durch Steuerbescheid festzusetzen. Soweit sie Insolvenzforderung ist, darf sie vom [X.] nicht festgesetzt, sondern muss zur Tabelle angemeldet werden. Soweit sie auf die Nutzung des insolvenzfreien Vermögens des Schuldners entfällt, ist sie durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzschuldner festzusetzen. Entsprechendes muss auch für den Zwangsverwalter gelten.

(1) Zwar unterliegt seiner Verwaltung nur ein bestimmter Teil des [X.], während im Insolvenzverfahren grundsätzlich das gesamte Vermögen des Schuldners dem Insolvenzbeschlag unterfällt (§ 80 Abs. 1 i.V.m. § 35 [X.]). Darin liegt jedoch nur ein gradueller und kein prinzipieller Unterschied, denn auch im Insolvenzverfahren gibt es [X.] (z.B. nicht pfändbares oder vom Insolvenzverwalter freigegebenes Vermögen), aus dessen Nutzung sich während des Insolvenzverfahrens eine nur vom Steuerschuldner persönlich zu tragende Einkommensteuer ergeben kann (vgl. [X.]-Urteil vom 18. September 2012 VIII R 47/09, [X.] 2013, 411 zur Duldung der freiberuflichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter).

(2) Ohne Bedeutung ist ferner der Umstand, dass die Aufgabe des [X.] in der Verwertung der Nutzungsmöglichkeit liegt, wohingegen der Insolvenzverwalter grundsätzlich die Substanz des Vermögens zu werten hat. Aus beiden Tätigkeiten können sich Einkommensteueransprüche gegen den Schuldner ergeben, die dann vom jeweils zuständigen Verwalter zu entrichten sind.

2. An der [X.] des [X.] ändert sich nichts, wenn (wie im Streitfall) während der Zwangsverwaltung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird.

a) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gemäß § 80 Abs. 1 [X.] das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 35 [X.]) zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Dieser hat als Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 [X.] auch die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Als Vermögensverwalter ist der Insolvenzverwalter Steuerpflichtiger (§ 33 Abs. 1 [X.]) und richtiger [X.] von Steuerbescheiden, mit denen eine Finanzbehörde bestehende Masseverbindlichkeiten geltend macht ([X.]-Urteile in [X.], 97, [X.], 944; in [X.]E 235, 1, [X.], 149; in [X.]E 238, 319, [X.], 131).

b) Treffen die Zwangsverwaltung und die Insolvenzverwaltung für einen Schuldner zeitlich zusammen, ergibt sich aus § 34 Abs. 3 letzter Halbsatz [X.], dass beide Verwalter die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen haben, soweit ihre Verwaltung jeweils reicht. In der [X.] ist eindeutig geregelt, dass eine früher angeordnete Zwangsverwaltung grundsätzlich Vorrang vor der Insolvenzverwaltung hat.

aa) Dies ergibt sich zunächst aus § 80 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Danach bleiben die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung von dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Insolvenzverwalter unberührt. § 80 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist die Grundlage dafür, dass eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnete Zwangsverwaltung neben diesem wirksam bleibt (Windel in Jaeger, [X.], § 80 Rz 289). Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht danach zwar die an das Eigentum geknüpfte Verfügungsbefugnis des Schuldners an den der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstücken auf den Insolvenzverwalter über. Die Befugnis, das Grundstück zu verwalten und zu benutzen und insbesondere der Besitz an dem Grundstück verbleiben aber bei dem Zwangsverwalter.

bb) Auch aus § 153b Abs. 1 [X.] ergibt sich, dass die Insolvenzeröffnung als solche keinen Einfluss auf die fortbestehende Verwaltungs- und [X.] des [X.] über bereits wirksam beschlagnahmte Sachen hat. Gemäß § 153b Abs. 1 [X.] wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Insolvenzverwalters die einstweilige vollständige oder teilweise Einstellung der Zwangsverwaltung angeordnet, wenn der Insolvenzverwalter glaubhaft macht, dass durch die Fortsetzung der Zwangsverwaltung eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert wird. Damit ist der Vorrang der Verwaltungsrechte des Insolvenzverwalters vor denen des [X.] nur unter der Voraussetzung gesetzlich vorgesehen, dass dies die Verwertungsmöglichkeiten des [X.] verbessert. Mit der einstweiligen Einstellung des [X.]s nach § 153b [X.] geht die Verwaltungs- und Benutzungsbefugnis des [X.] über die beschlagnahmten Sachen in dem Umfang, den die Einstellung hat, auf den Insolvenzverwalter über ([X.]/ [X.], Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht 2008, 134, 139; Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 20. Aufl., § 153b Rz 4.3 und Rz 7; [X.]., [X.]-Handbuch, 9. Aufl. 2010, Rz 670c). Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die fortbestehende Verwaltungs- und [X.] des [X.] über die beschlagnahmten Sachen nicht berührt (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 238, 319, [X.], 131).

c) Aus § 55 [X.] ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift regelt, welche Forderungen im Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeit vorab aus der Masse zu bedienen sind. Sie setzt dabei voraus, dass die Forderung, um die es geht, in die Insolvenz fällt. Daran fehlt es aber, wenn sie in einem vorrangigen [X.] vom dortigen Zwangsverwalter zu bedienen ist. Das übersieht auch die Gegenansicht, wonach die Einkommensteuer aus der Nutzung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstands stets zu einer Insolvenzforderung (§ 38 [X.]) führen soll (Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl. S. 160 ff.; [X.]/Ruh in [X.] Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 3, 3. Aufl. [X.], B. Besonderes [X.], Rz 59, 61).

d) Die [X.] des [X.] für die anteilige Einkommensteuer des Schuldners ordnet die Steuerlast derjenigen Vermögensmasse zu, aus deren Zwangsverwertung sie entstanden ist. Dies dient der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger und vermeidet Verzerrungen, die ansonsten entstehen, wenn die Insolvenzmasse mit Steuern belastet wird, die im Zusammenhang mit Einnahmen stehen, welche nicht der Insolvenzmasse, sondern dem Zwangsverwalter zuzurechnen sind. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die absonderungsberechtigten Gläubiger aus der Zwangsverwaltung die [X.] vereinnahmen und die anderen Insolvenzgläubiger die darauf entfallende Einkommensteuer tragen sollten.

3. Eine Vorlage an den Großen [X.] des [X.] gemäß § 11 Abs. 3 [X.]O ist nicht geboten. Der [X.] weicht von dem [X.]-Urteil (in [X.] 1958, 1203) nicht ab. Das Urteil ist zur R[X.] und zur KO und damit zu einer nicht mehr geltenden Rechtslage ergangen.

4. Das [X.] ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Feststellungen des [X.] ausreichen, um der Klage im Rahmen des [X.] stattzugeben. Der [X.] teilt die Einkommensteuer des Streitjahres entsprechend dem Vorgehen des [X.] auf, das von keinem Beteiligten in Frage gestellt worden ist. Das [X.] hat den Kläger danach nur in Höhe der auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen entfallenden Einkommensteuer von 186 € zu Recht auf die Entrichtung der Steuer aus der Insolvenzmasse in Anspruch genommen. Die Klage hat danach in Höhe von weiteren 4.724 € mit der Maßgabe Erfolg, dass die [X.] des Klägers als Insolvenzverwalter in dieser Höhe herabgesetzt wird, nicht jedoch die gegen den Beigeladenen festgesetzte Einkommensteuer.

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O. Das [X.] ist letztlich in vollem Umfang unterlegen und hat deshalb die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Meta

IX R 23/14

10.02.2015

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 29. November 2013, Az: 4 K 3607/10 E, Urteil

§ 34 Abs 3 AO, § 34 Abs 1 AO, § 33 Abs 1 AO, § 69 AO, § 156 Abs 1 S 2 ZVG, § 155 Abs 1 ZVG, § 153b Abs 1 ZVG, § 152 ZVG, § 150 ZVG, § 148 Abs 2 ZVG, § 161 ZVG, § 1123 BGB, § 55 InsO, § 80 Abs 2 S 2 InsO, § 80 Abs 1 InsO, § 35 InsO, § 38 InsO, § 21 EStG 2002, § 11 Abs 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.02.2015, Az. IX R 23/14 (REWIS RS 2015, 15803)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 2524 REWIS RS 2015, 15803

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

005 L 001/13 (Amtsgericht Medebach)


IX B 79/18 (Bundesfinanzhof)

Einkommensteuer: Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters


II R 28/11 (Bundesfinanzhof)

Kraftfahrzeugsteuer für ein im Wege der Zwangsverwaltung als Zubehör beschlagnahmtes Kraftfahrzeug bei späterer Insolvenzeröffnung - …


IX ZR 289/14 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzanfechtung: Verpflichtung des Vollstreckungsgläubigers zur Rückgewähr von anfechtbaren Zahlungen des späteren Insolvenzschuldners an den Zwangsverwalter


IX ZR 289/14 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

6 T 6/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.