Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.01.2019, Az. IX B 79/18

9. Senat | REWIS RS 2019, 11835

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Gegenstand

Einkommensteuer: Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters


Leitsatz

NV: Der Zwangsverwalter hat die Einkommensteuer des Vollstreckungsschuldners zu entrichten, soweit sie aus der Vermietung der im Zwangsverwaltungsverfahren beschlagnahmten Grundstücke herrührt .

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des [X.] vom 10. Juli 2018  3 V 1143/18 A ([X.]) aufgehoben.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des [X.]inkommensteuerbescheides vom 20. November 2017 wird abgelehnt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) als Zwangsverwalter verpflichtet ist, die auf die Einkünfte aus einem vermieteten, der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstück entfallende (und durch materiell bestandskräftigen Bescheid festgesetzte) Einkommensteuer an den Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --[X.]--) abzuführen.

2

Der Antragsteller wurde durch Beschluss vom 24. August 2015 durch das Amtsgericht (AG) in dem [[X.].] über ein Grundstück in [X.] zum Zwangsverwalter bestellt. Mit Bescheid vom 20. November 2017 setzte der Antragsgegner die anteilige Einkommensteuer 2016 gegenüber dem Antragsteller "als Zwangsverwalter des Grundstücks (Grundstückseigentümerin: [X.])" fest. Die Einkommensteuer wurde auf der Grundlage einer vom Antragsteller eingereichten Einkommensteuererklärung ("Anlage V") in Höhe von 360,19 €, der Solidaritätszuschlag in Höhe von 19,81 € und Kirchensteuer in Höhe von 32,42 € festgesetzt. Der Antragsgegner stützte die Festsetzung gegenüber dem Antragsteller auf das Urteil des [X.] ([X.]) vom 10. Februar 2015 I[X.] R 23/14 ([X.]E 249, 202, [X.], 367) und die Ausführungen im Schreiben des [X.] vom 3. Mai 2017 IV A 3-S 0550/15/10028, 2017/0384389 (BStBl I 2017, 718).

3

Unter dem 18. Dezember 2017 legte der Antragsteller gegen den Einkommensteuerbescheid vom 20. November 2017 Einspruch ein, den er u.a. damit begründete, er sei vom AG durch Beschluss vom 8. Januar 2018 angewiesen worden, keine Zahlung auf die private Einkommensteuer der Schuldnerin zu leisten. Der Einspruch wurde vom [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 23. März 2018 als unbegründet zurückgewiesen. Die vom Antragsteller beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Einkommensteuerbescheides lehnte das [X.] ab.

4

Über die gegen den Einkommensteuerbescheid vom 20. November 2017 gerichtete Anfechtungsklage des Antragstellers, die beim Finanzgericht ([X.]) unter dem [X.]. 3 K 1129/18 anhängig ist, ist noch nicht entschieden. Ein beim [X.] gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) gestellter [X.] hatte indes Erfolg; das [X.] vertrat die Auffassung, an der Rechtmäßigkeit des an den Antragsteller als Zwangsverwalter adressierten Einkommensteuerbescheides bestünden ernstliche Zweifel. Zwar habe der [X.] in seinem Urteil in [X.]E 249, 202, [X.], 367 entschieden, dass der Zwangsverwalter die Einkommensteuer des [X.] zu entrichten habe, soweit sie aus der Vermietung der im [[X.].] beschlagnahmten Grundstücke herrühre, jedoch sei der Antragsteller durch Beschluss des AG vom 8. Januar 2018 angewiesen worden, keine Zahlungen auf die Einkommensteuer zu leisten. Dieser Beschluss sei nicht erkennbar nichtig; auch von anderen Amtsgerichten werde die --vom [X.] ([X.]) noch nicht abschließend beurteilte-- Rechtsfrage, ob der Zwangsverwalter die steuerlichen Pflichten des Schuldners als eigene zu erfüllen habe, anders beurteilt als vom [X.].

5

Hiergegen richtet sich die Beschwerde das [X.], der das [X.] nicht abgeholfen hat. Das [X.] vertritt die Auffassung, an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides vom 20. November 2017 bestünden keine ernstlichen Zweifel. Der Bescheid entspreche den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ([X.]-Urteil in [X.]E 249, 202, [X.], 367) aufgestellten Grundsätzen. Der Beschluss des AG, mit dem der Antragsteller angewiesen wurde, keine Zahlung auf die private Einkommensteuer des Schuldners zu leisten, sei mangels Ermächtigungsgrundlage erkennbar nichtig und damit unwirksam. Auch der [X.] habe in den Gründen seines Urteils vom 19. Oktober 2017 I[X.] ZR 289/14 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2018, 706) keinen Zweifel daran gelassen, dass die Rechtsprechung des [X.] zutreffend sei. Selbst wenn man den Beschluss des AG als wirksam ansehen wollte, könne dessen Inhalt die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung nicht infrage stellen.

6

Das [X.] beantragt,
den Beschluss des [X.] vom 10. Juli 2018  3 V 1143/18 A (E) aufzuheben und den Antrag auf AdV des Einkommensteuerbescheides vom 20. November 2017 als unbegründet zurückzuweisen.

7

Der Antragsteller hat keine Stellungnahme abgegeben.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss des [X.] ist aufzuheben; der Antrag, die Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides vom 20. November 2017 auszusetzen, wird abgelehnt.

9

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 [X.]O kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O). Das ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 25. April 2018 IX B 21/18, [X.]E 260, 431, BStBl II 2018, 415, m.w.N.).

2. Nach der im vorliegenden Verfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts.

a) Zutreffend ist das [X.] im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ([X.]-Urteil in [X.]E 249, 202, [X.], 367) davon ausgegangen, dass der Antragsteller --als [X.] die (anteilige) Einkommensteuer der Grundstückseigentümerin ([X.]) zu entrichten hat, soweit sie aus der Vermietung des im [X.] beschlagnahmten Grundstücks herrührt. Denn der Zwangsverwalter hat --als Vermögensverwalter i.S. von § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.])-- nicht nur die im Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung ([X.]) geregelten Pflichten, sondern daneben --im Rahmen seiner Verwaltungsbefugnisse-- auch die steuerlichen Pflichten des Vollstreckungsschuldners zu erfüllen. Als Vermögensverwalter tritt der Zwangsverwalter mithin als weiterer Steuerpflichtiger (§ 33 Abs. 1 [X.]) neben den Steuerschuldner; § 34 Abs. 3 [X.] enthält insoweit eine außerhalb des [X.] stehende Verpflichtungsgrundlage ([X.]-Urteil in [X.]E 249, 202, [X.], 367).

Zwar bleibt der Vollstreckungsschuldner auch nach Anordnung der Zwangsverwaltung Steuersubjekt und damit Schuldner der auf seine steuerpflichtigen Einkünfte entfallenden Einkommensteuer. Ihm sind auch die Einkünfte aus der Verwaltung des beschlagnahmten Vermögens persönlich zuzurechnen, obwohl er infolge der Beschlagnahme den Besitz an dem vermieteten Grundstück und die Verwaltungs- und [X.] darüber verloren hat. Der Zwangsverwalter hat indes --unbeschadet der weiterhin bestehenden Steuerschuldnerschaft des [X.] die steuerlichen Pflichten des Schuldners als eigene zu erfüllen, soweit seine Aufgaben und Befugnisse reichen (§ 34 Abs. 3 i.V.m. § 33 [X.]).

Hinsichtlich der steuerlichen Pflichten, die der Zwangsverwalter zu erfüllen hat, verweist der Wortlaut des § 34 Abs. 3 ("... soweit ihre Verwaltung reicht ...") vorrangig auf die Vorschriften des [X.]; inhaltlich ergeben sich die steuerlichen Pflichten aus den Steuergesetzen. Der Anspruch des Fiskus aus dem Steuerschuldverhältnis richtet sich insoweit (nur) gegen das liquide Verwaltungsvermögen; die Einkommensteuer ist, soweit sie aus der Tätigkeit des Verwalters herrührt, von diesem aus den erzielten Nutzungen des Grundstücks (vgl. § 155 Abs. 1 [X.]) zu entrichten ([X.]-Urteil in [X.]E 249, 202, [X.], 367).

b) Die vorstehenden (geänderten) Grundsätze der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung haben in der höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung sowie im Schrifttum Zustimmung erfahren ([X.] in NJW 2018, 706, unter [X.] der Gründe; [X.]/[X.], [X.] --FR-- 2015, 596; [X.], Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2015, 2488; [X.], Betriebs-Berater 2015, 1763, 1764; [X.], [X.]-Steuerberater 2015, 222, 223; Schmittmann, Zeitschrift für Immobilienrecht --[X.]-- 2015, 545), andererseits aber auch Kritik hervorgerufen ([X.]/[X.], [X.] 2016, 700; [X.], Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht 2015, 581; [X.], NJW 2015, 2528; [X.]., Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht 2016, 518; [X.]., Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung 2017, 889; [X.], [X.], 1297, 1300 f.; [X.]., [X.] 2015, 577; [X.], Zeitschrift für Miet- und Raumrecht 2015, 739; Carlé, [X.] Steuer-Zeitung 2015, 587; [X.], Rechtspfleger 2015, 525).

Der erkennende [X.] hält die im Schrifttum geäußerte Kritik für nicht durchgreifend und hält an seiner im [X.]-Urteil in [X.]E 249, 202, [X.], 367 geäußerten Rechtsauffassung fest.

c) Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller darauf, dass er das im angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 20. November 2017 enthaltene Leistungsgebot nicht befolgen und mithin die festgesetzte Einkommensteuer nicht zahlen dürfe, da dem eine gegenläufige Weisung des AG entgegenstehe und eine Missachtung dieser Weisung zu Schadenersatz, Zwangsgeld und Entlassung führen könne. Der [X.] entscheidet im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen, gegenüber dem Antragsteller ergangenen Steuerfestsetzung. Diese hängt nicht davon ab, ob dem Antragsteller die zur Steuerentrichtung benötigten Zahlungsmittel zur Verfügung stehen (vgl. [X.] München, Urteil vom 24. August 1989  14 K 116/89, [X.], 1606).

3. Da der angefochtene Beschluss des [X.] den vorstehenden, unter [X.]) der Gründe genannten Maßstäben der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung nicht entspricht, ist er aufzuheben. Die Sache ist spruchreif; der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden. Da nach den vorstehend genannten Erwägungen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht bestehen, ist der Antrag des Antragstellers auf AdV des Einkommensteuerbescheides vom 20. November 2017 abzulehnen.

4. Gründe dafür, dass die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1  2. Halbsatz, Abs. 2 Satz 2 [X.]O), sind weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Beschwerdeverfahren behauptet worden und sind auch nach Aktenlage nicht ersichtlich.

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

IX B 79/18

07.01.2019

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 10. Juli 2018, Az: 3 V 1143/18 A (E), Beschluss

§ 33 Abs 1 AO, § 34 Abs 1 AO, § 34 Abs 3 AO, § 69 Abs 2 S 2 FGO, § 69 Abs 2 S 3 FGO, § 69 Abs 2 S 4 FGO, § 69 Abs 2 S 5 FGO, § 69 Abs 2 S 6 FGO, § 69 Abs 3 S 1 FGO, § 155 Abs 1 ZVG, § 21 EStG 2009, § 69 AO, EStG VZ 2016

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.01.2019, Az. IX B 79/18 (REWIS RS 2019, 11835)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11835

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