Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.11.2020, Az. III ZR 156/19

3. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1330

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Gegenstand

Arbeitnehmerüberlassungsvertrag: Wirksamkeit einer Vermittlungshonorarklausel; Übernahme eines Leiharbeitnehmers im Anschluss an die Überlassung - Arbeitnehmerüberlassung, Wirksamkeit einer Vermittlungshonorarklausel


Leitsatz

Arbeitnehmerüberlassung, Wirksamkeit einer Vermittlungshonorarklausel

Eine in einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag enthaltene Vermittlungshonorarklausel ist wirksam, wenn das Honorar maximal zwei Bruttomonatsgehälter beträgt und sich entsprechend der Dauer der erfolgten Arbeitnehmerüberlassung für jeden vollen Monat um ein Zwölftel reduziert. Daran ändert nichts, dass zunächst der Verleiher das Arbeitsverhältnis mit dem Leiharbeitnehmer durch Kündigung beendet und dieser anschließend ein Arbeitsverhältnis mit dem (vormaligen) Entleiher begründet (Fortführung von Senat, Urteile vom 7. Dezember 2006 - III ZR 82/06, NJW 2007, 764, vom 11. März 2010 - III ZR 240/09, NJW 2010, 2048 und vom 10. November 2011 - III ZR 77/11, WM 2012, 947).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] - 1. Zivilkammer - vom 25. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des [X.] zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, die Rechtsnachfolgerin der [X.] ist, nimmt die Beklagte auf Zahlung von Vermittlungshonorar aus einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag in Anspruch.

2

Am 30. Oktober 2014 schloss die Beklagte mit der [X.], bei der es sich um eine über eine unbefristete Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ([X.]) verfügende Personaldienstleisterin handelte, einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Dieser bezog sich auf die Überlassung des [X.] als Montagehelfer an die Beklagte. In dem Vertrag findet sich unter anderem folgende Regelung (nachfolgend auch: Vermittlungshonorarklausel):

"Endet das Arbeitsverhältnis des überlassenen Mitarbeiters mit der [X.]  und begründet dieser anschließend ein Arbeitsverhältnis mit dem Kunden oder einem mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, so ist dieses durch Vermittlung bzw. Nachweis von [X.]    entstanden. Der Kunde verpflichtet sich in einem solchen Fall, ein Vermittlungs- bzw. Nachweishonorar zu zahlen.

Dieses beträgt zwei Bruttomonatsgehälter und reduziert sich entsprechend der Dauer der erfolgten Arbeitnehmerüberlassung für jeden vollen Monat um ein [X.]

Für den Fall, dass zwischen der Begründung des Arbeitsverhältnisses und dem Ende der Überlassung eine Zeitspanne von maximal 6 Monaten liegt, wird vermutet, dass die Begründung des Arbeitsverhältnisses auf die Überlassung zurückzuführen ist, so dass der [X.]    das vorstehend vereinbarte Vermittlungs- bzw. Nachweishonorar auch zusteht, soweit der Kunde oder das mit ihm verbundene Unternehmen diese Vermutung nicht widerlegt. Diese Vereinbarung endet nach neun Monaten nach Beginn des [X.] …".

3

[X.] wurde bis zum 31. Dezember 2014 im Betrieb der [X.] eingesetzt. Die [X.]           GmbH beendete das Arbeitsverhältnis mit [X.] im Wege der betriebsbedingten Kündigung zum 23. Februar 2015. Am 6. März 2015 begründete die Beklagte ein Arbeitsverhältnis mit [X.] Daraufhin stellte die [X.] der [X.] ein Vermittlungs- bzw. Nachweishonorar für [X.] in Höhe von 3.748,50 € in Rechnung. Die Klägerin ist der Ansicht, ihr Anspruch auf Zahlung der [X.] ergebe sich aus dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag.

4

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr in Höhe von 3.402,75 € zuzüglich Zinsen stattgegeben und die Revision zugelassen "hinsichtlich der Frage, ob dem geltend gemachten Vermittlungshonorar entgegensteht, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem ursprünglichen Leiharbeitnehmer und der [X.] erst begründet wurde, als das Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und der Klägerin schon beendet war". Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Amtsgerichts.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist, da sich die vom Berufungsgericht als klärungsbedürftig erachtete Rechtsfrage nicht auf einen abtrennbaren Teil des [X.] bezieht (vgl. Senat, Urteil vom 27. Juni 2019 - [X.], NVwZ 2019, 1696 Rn. 7), als unbeschränkt zugelassen anzusehen. Das Rechtsmittel ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für den [X.] von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die [X.], die nach ihrem Wortlaut auch den vorliegenden Fall erfasse, in dem der frühere Entleiher nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen Verleiher und Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer begründet habe, sei wirksam, insbesondere stehe ihr nicht die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 [X.] entgegen. Der von der Beklagten angeführte Umstand, dass das neue Arbeitsverhältnis zwischen [X.] und der Beklagten erst nach Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Verleiher begründet worden und diesem daher kein auszugleichender wirtschaftlicher Nachteil durch den Verlust (s)eines Arbeitnehmers entstanden sei, führe nicht zur Unwirksamkeit der Klausel. Es gebe nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit einer Vergütungsvereinbarung davon habe abhängig machen wollen, ob und gegebenenfalls durch [X.] das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Arbeitnehmer vor der Einstellung durch den Entleiher beendet worden sei. Ansonsten hätte in § 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 [X.] vorgesehen werden müssen, dass eine Vermittlungsprovision ausgeschlossen sein solle, [X.]n das Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitnehmer durch den Verleiher oder auf Veranlassung desselben beendet worden sei. Da dies nicht geschehen sei, sei daraus - im Umkehrschluss - abzuleiten, dass eine Arbeitgeberkündigung die Zulässigkeit einer Vermittlungsprovision gerade nicht sperren solle. Der Verleiher habe durch die Überlassung des Zeitarbeitnehmers an den Entleiher und den dadurch hergestellten Kontakt die Vermittlung überhaupt erst ermöglicht. Diese Dienstleistung könne sich der Verleiher auch dann noch vergüten lassen, [X.]n der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kunden und dem Zeitarbeitnehmer eine arbeitgeberseitige Kündigung vorausgegangen sei.

8

Auch der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des [X.] bis zu sechs Monate nach dem Ende der Überlassung vermutet werde, die Übernahme sei auf die vorangegangene Überlassung zurückzuführen, spreche dafür, dass der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Ende der Überlassung und der anschließenden Einstellung bei der Beurteilung einer solchen Klausel von Bedeutung sei, und [X.]iger die Frage, ob das Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher zu diesem Zeitpunkt noch bestehe.

9

Die Voraussetzungen der [X.] seien erfüllt.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

Das Berufungsgericht hat die Klage zutreffend als im Wesentlichen begründet angesehen. Die Klägerin verlangt von der Beklagten zu Recht auf der Grundlage der [X.] das vorinstanzlich zuerkannte Honorar.

1. Das Berufungsgericht hat richtig gesehen, dass die Klausel den vorliegenden Fall erfasst.

a) Bei der [X.] handelt es sich um eine von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung, deren Inhalt durch Auslegung zu bestimmen ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten [X.] verstanden werden. Dabei sind die Vorstellungen und [X.] eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Ver[X.]ders zugrunde zu legen (stRspr; zB Senat, Urteil vom 19. April 2018 - [X.]/17, NJW 2018, 2117 Rn. 18 mwN). Ansatzpunkt für die bei einer [X.] gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist dabei in erster Linie ihr Wortlaut (Senat aaO mwN). [X.], die theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind und nicht ernstlich in Betracht kommen, bleiben außer Betracht (zB Senat, Urteil vom 5. Mai 2010 - [X.], [X.], 310 Rn. 14 mwN). Die Auslegung inländischer Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in der Revisionsinstanz uneingeschränkt nachprüfbar (st Rspr; zB [X.], Urteile vom 9. Juni 2010 - [X.], NJW 2010, 2877 Rn. 11 und vom 13. November 2012 - [X.], [X.], 995 Rn. 15; [X.]/[X.], [X.], 79. Aufl., § 305c Rn. 20; jew. mwN).

b) Nach diesen Grundsätzen erstreckt sich die [X.]

"Endet das Arbeitsverhältnis des überlassenen Mitarbeiters mit der [X.]und begründet dieser anschließend ein Arbeitsverhältnis mit dem Kunden oder einem mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, …"

auch auf den Fall, dass das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Verleihers "endet" (hier geschehen am 23. Februar 2015) und der Mitarbeiter "anschließend" mit dem Kunden ein Arbeitsverhältnis begründet (hier geschehen am 6. März 2015). Denn der Wortlaut der Klausel unterscheidet nicht danach, durch [X.] oder auf welche Weise "das Arbeitsverhältnis des überlassenen Mitarbeiters mit der [X.] " (ge-)"endet" (hat).

Ein anderes ergibt sich entgegen der Revision nicht aus der Ver[X.]dung des Wortes "anschließend". Anders als die Beklagte meint, indiziert dieses bereits in sprachlicher Hinsicht als Voraussetzung für den Honoraranspruch nur den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des (Leih-)Arbeitnehmers mit dem Verleiher und der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses zwischen dem vormaligen Entleiher und dem Arbeitnehmer (vgl. Senat, Urteil vom 10. November 2011 - [X.], [X.], 947 Rn. 13). Dass allein die zeitliche Korrelation für die Honorarverpflichtung von Bedeutung ist, legt überdies der systematische Zusammenhang mit der nachfolgenden Klausel "Für den Fall, dass zwischen der Begründung des Arbeitsverhältnisses …" nahe. Danach wird die Kausalität der Arbeitnehmerüberlassung für die Begründung des Arbeitsverhältnisses mit dem vormaligen Entleiher widerleglich vermutet, [X.]n seit dem Ende der Überlassung und dem Zustandekommen des neuen Arbeitsverhältnisses maximal sechs Monate verstrichen sind. Eine Differenzierung danach, welche Seite das Arbeitsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Arbeitnehmer gekündigt hat, enthält auch diese Klausel nicht.

Eine weitergehende Bedeutung kommt dem Wort "anschließend" nicht zu. Die Annahme der Revision, dass dieser Begriff auch für einen "Handlungszusammenhang" stehen könnte - nämlich dahingehend, dass die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Mitarbeiter ausgegangen sein müsse mit der Folge, dass die Klausel bei Eigenkündigung des Verleihers nicht einschlägig sei -, würde den Wortinhalt semantisch fast schon überdehnen. Für eine solche den Begriff "anschließend" extrem ausweitende Auslegung gibt es aber keinen objektiven Anhaltspunkt.

Daraus folgt zugleich, dass die [X.] entgegen der Ansicht der Revision nicht unklar ist und daher auch kein Anlass für die An[X.]dung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 [X.] besteht.

2. Das Berufungsgericht hat die [X.] mit Recht auch für wirksam erachtet. Sie verstößt nicht gegen § 9 Nr. 3 [X.] (in der hier einschlägigen, vom 30. April 2011 bis 31. März 2017 gültigen Fassung des [X.] zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vom 28. April 2011, [X.]l. I S. 642).

a) Nach Halbsatz 1 dieser Bestimmung sind Vereinbarungen unwirksam, die dem Entleiher untersagen, den Leiharbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Verleiher nicht mehr besteht. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2004 hat der Gesetzgeber § 9 Nr. 3 Halbsatz 2 [X.] eingefügt, wonach die gegenüber Einstellungsverboten geltende [X.] die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung zwischen Verleiher und Entleiher für die nach vorangegangenem Verleih oder mittels vorangegangenem Verleih erfolgte Vermittlung nicht ausschließt (Art. 93 Nr. 1a des [X.] ["[X.]"] vom 23. Dezember 2003, [X.]l. I S. 2848 [2909]). Für die hiernach grundsätzlich zulässige Vereinbarung eines [X.] bei Arbeitnehmerüberlassung ist weder eine Individualvereinbarung noch ein gesonderter [X.] erforderlich (Senat, Urteile vom 7. Dezember 2006 - [X.], [X.], 764 Rn. 13; vom 11. März 2010 - [X.]/09, NJW 2010, 2048 Rn. 11 und vom 10. November 2011 aaO Rn. 15). Die Angemessenheit der Vergütung ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der - gegebenenfalls auch formularmäßigen - Vermittlungshonorarvereinbarung (Senat, Urteil vom 10. November 2011 aaO). Die vorliegend streitige Klausel entspricht dieser Anforderung.

b) Dem steht, anders als die Revision meint, nicht entgegen, dass die [X.] auch dann einschlägig ist, [X.]n zunächst der Verleiher das Arbeitsverhältnis mit dem Leiharbeitnehmer durch Kündigung beendet und dieser anschließend ein Arbeitsverhältnis mit dem (vormaligen) Entleiher oder einem mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen begründet.

aa) Allerdings wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ([X.], Urteil vom 18. Januar 2018 - 1 O 1939/17, juris Rn. 28 ff; ihm folgend das hier im Rechtszug erstinstanzlich ergangene Urteil des [X.] vom 26. April 2019 - 12 C 893/18; offengelassen vom [X.], Urteil vom 29. Oktober 2019 - 19 C 537/18, juris Rn. 10) auch der gegenteilige Standpunkt eingenommen und eine derartige Klausel für unwirksam gehalten.

bb) Demgegenüber nehmen andere Instanzgerichte ([X.], Urteil vom 6. April 2018 - 8 O 243/17, juris Rn. 22 ff; [X.], Urteil vom 17. Mai 2019 - 1 C 874/18, juris Rn. 38 ff) und das Schrifttum (vgl. [X.] in [X.] Arbeitsrecht, Stand 1. September 2020, § 9 [X.] Rn. 51; [X.], [X.], 13 [16]; Bissels/Falter, [X.], 8 [9]; dies., [X.] 18/2018 [X.]. 5; dies., [X.] 34/2019 [X.]. 7; dies., [X.] 36/2020 [X.]. 6) den Rechtsstandpunkt ein, dass die Tatsache der Nichtdifferenzierung nach unterschiedlichen Beendigungsgründen in keiner denkbaren Konstellation zur Unwirksamkeit der [X.] führe (vgl. [X.] aaO Rn. 19 und 38). Eine Unterscheidung nach unterschiedlichen Beendigungsgründen widerspräche vielmehr dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] und sei auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung nicht erforderlich (vgl. [X.] aaO Rn. 39; [X.] aaO; [X.] aaO; Bissels/Falter, [X.] 18/2018 [X.]. 5).

cc) Dieser Rechtsansicht ist beizupflichten.

(1) Zwar mögen im Ausgangspunkt Billigkeitsgesichtspunkte dagegen sprechen, einem Personaldienstleister, der aus eigenem Entschluss den Arbeitsvertrag mit einem Leiharbeitnehmer kündigt und damit die zukünftige Zusammenarbeit beendet, ein Entgelt zuzugestehen, [X.]n ein Kunde den vormals an diesen überlassenen Mitarbeiter in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernimmt. Der Dienstleister verliert in einem solchen Fall durch die Übernahme des Mitarbeiters nichts, was er durch den Ausspruch der Kündigung nicht auch verlieren wollte. Insoweit unterscheidet sich die Situation von den Fällen, in denen der Leiharbeitnehmer gegen den Willen des Personaldienstleisters, etwa nach einer Eigenkündigung, vom Kunden übernommen und dadurch bei seinem bisherigen Arbeitgeber "eine Lücke gerissen" wird, die er im Zweifel durch eigene [X.] wieder ausgleichen muss.

(2) Diese Erwägungen - die, griffen sie durch, die Vertragsfreiheit im unternehmerischen Rechtsverkehr beschränkten - haben jedoch in § 9 Nr. 3 [X.] ([X.]) und in dem ihm zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahren keinen Niederschlag gefunden.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift hängt die Zulässigkeit der Vereinbarung eines Honoraranspruchs des [X.] nicht davon ab, dass nicht er, sondern der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis beendet hat.

Auch nach dem Zweck des § 9 Nr. 3 [X.] ([X.]), wie er sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, setzt der Honoraranspruch des Verleihers dies nicht voraus. Der Gesetzgeber ließ sich davon leiten, dass die entgeltliche Arbeitsvermittlung eine erlaubte Tätigkeit darstelle und Arbeitnehmerüberlassung häufig mit dem Ziel der Personalgewinnung nach vorangegangenem Verleih erfolge. Verleih und Vermittlung könnten ineinander übergehende Geschäfte sein, die von der Privatautonomie geschützt seien. Solange die Höhe des zwischen Verleiher und Entleiher vereinbarten [X.] nicht faktisch den sozialpolitisch durchaus erwünschten Wechsel eines [X.] zum Entleiher erschwere, müssten derartige vertragliche Abreden zulässig sein (Senat, Urteil vom 7. Dezember 2006 aaO Rn. 12 unter Hinweis auf Beschlussempfehlung des [X.], BT-Drucks. 15/1728 S. 146 und Bericht dieses [X.]. 15/1749 S. 29). Die Arbeitnehmerüberlassung führt in nicht seltenen Fällen zum selben Ergebnis wie die Arbeitsvermittlung, nämlich zur Übernahme des [X.] in die Stammbelegschaft des entleihenden Unternehmers (sog. "Klebeeffekt"). Dies war der Grund dafür, die Vereinbarung eines [X.] bei Arbeitnehmerüberlassung anzuerkennen (Senat, aaO Rn. 14 und Urteil vom 10. November 2011 aaO Rn. 17). Der positive beschäftigungspolitische Effekt der Arbeitnehmerüberlassung soll "honoriert" werden. Die Übernahme des [X.] in ein normales Arbeitsverhältnis ist sozialpolitisch erwünscht und damit "honorarwürdig" (Senat jew. aaO). Dieser Zweck wird auch erfüllt, [X.]n es - wie hier - nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Verleiher zu einer solchen - auf der Arbeitnehmerüberlassung beruhenden - Übernahme kommt.

(3) Die von der Revision skizzierten Unterschiede zwischen Arbeitsvermittlung und Arbeitnehmerüberlassung sind dementsprechend nach der Zielsetzung des Gesetzes nicht geeignet, zur Unangemessenheit der in der [X.] vorgesehenen Vergütung im Sinne des § 9 Nr. 3 Halbsatz 2 [X.] ([X.]) zu gelangen.

(4) Die in der Klausel bestimmte Vergütung der Klägerin ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie enthält die nach der Rechtsprechung des Senats erforderliche degressive Staffelung nach der Verweildauer, die der Einstellung durch den Entleiher vorangegangen ist (siehe hierzu Senat, Urteile vom 11. März 2010 aaO Rn. 13 ff und vom 10. November 2011 aaO Rn. 18). Hiergegen erhebt die Revision im Ausgangspunkt auch keine Rügen.

Sie beanstandet jedoch, es sei offensichtlich, dass eine vereinbarte [X.] nicht mehr angemessen im Sinne des § 9 Nr. 3 Halbsatz 2 [X.] ([X.]) sei, [X.]n sie auch nach einer Eigenkündigung des Verleihers "in unverminderter Höhe" anfallen solle, weil von einem ausgleichsbedürftigen ungeplanten Wechsel des Arbeitnehmers zum Entleiher mit entsprechenden Nachteilen für den Verleiher keine Rede mehr sein könne, [X.]n der Verleiher von sich aus das Arbeitsverhältnis gekündigt habe. Dies verfängt jedoch nicht. Der Zulässigkeit der [X.] liegt - neben anderem - zwar auch zugrunde, dass der ungeplante Wechsel des [X.] zum Entleiher erhebliche wirtschaftliche Nachteile für den Verleiher bringen "kann" (vgl. Senat, Urteil vom 10. November 2011 aaO Rn. 17); dass ein Wechsel dem Verleiher auch im jeweiligen Einzelfall wirtschaftliche Nachteile bringt, setzt sie hingegen nicht voraus. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, dass der sozialpolitisch erwünschte Wechsel des Arbeitnehmers in ein reguläres Arbeitsverhältnis erfolgt und der vormalige Entleiher einen wirtschaftlichen Vorteil erhält, indem er einen offensichtlich geschätzten Arbeitnehmer zu günstigeren Konditionen als zuvor beschäftigen kann, den er bereits während der Überlassung erfolgreich erprobt hat (Senat aaO).

(5) Die [X.] ist, anders als die Revision meint, auch nicht wegen unangemessener Benachteiligung des Entleihers nach § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.] unwirksam. Die von der Revision für eine unangemessene Benachteiligung des Entleihers angeführten Gründe - Missachtung der gesetzlichen Limitierung der [X.] gemäß § 9 Nr. 3 Halbsatz 2 [X.] ([X.]) und Kompensation von Kosten über die [X.], die der Verleiher schon durch seine Kündigung des Arbeitnehmers erspart habe - sind nicht gegeben.

3. Besondere Gründe, welche die Klägerin nach § 242 [X.] ausnahmsweise daran hinderten, sich auf die [X.] zu berufen, zeigt die Revision nicht auf und sind auch sonst nicht ersichtlich.

[X.]     

      

[X.]     

      

Reiter

      

Kessen     

      

Herr     

      

Meta

III ZR 156/19

05.11.2020

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Tübingen, 25. Oktober 2019, Az: 1 S 55/19

§ 9 Nr 3 AÜG, § 307 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.11.2020, Az. III ZR 156/19 (REWIS RS 2020, 1330)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 243-244 WM 2022, 481 REWIS RS 2020, 1330

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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