Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.12.2012, Az. 30 W (pat) 556/11

30. Senat | REWIS RS 2012, 358

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "SpeakUp" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis -


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke [X.] 014 468

hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 13. Dezember 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des [X.] am Amtsgericht Backes

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 IR des [X.] vom 19. Oktober 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Um Schutz in der [X.] wird nachgesucht für die international registrierte Marke [X.] 014 468

2

SpeakUp

3

die für folgende Dienstleistungen eingetragen ist:

4

“Klasse 35:

5

Information and reporting services, [X.] in the context of dealing with profit and non-profit organisations and the employees of these organisations as regards infringements of business principles, [X.]; [X.], [X.] organisations.

6

Klasse 42:

7

Information and reporting services, [X.]; [X.], [X.], unethical conduct and the commission of crimes; [X.], [X.] issues.

8

Klasse 45:

9

Information and reporting services, [X.]; [X.], [X.], unlawful conduct, unethical conduct and the commission of crimes; [X.], [X.] issues.”

Die Markenstelle für Klasse 45 IR des [X.] hat den Schutz in der [X.] mit Beschluss vom 19. Oktober 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert. Die Wortkombination „SpeakUp“ werde von den angesprochenen Verkehrskreisen, in erster Linie international tätige Unternehmen, aufgrund der ihnen zu unterstellenden [X.]kenntnisse ohne weiteres im Sinne einer Aufmunterung zum Sichaussprechen verstanden, nicht aber als Unternehmenskennzeichen. „SpeakUp“ sei als zum [X.] Anfängerwortschatz gehörende Aufforderung „speak up“ zu erkennen und im Sinne von „laut(er) sprechen“, „sich einsetzen für“, „frisch von der Leber weg sprechen“ bzw. als Redewendung „heraus mit der Sprache“ zu übersetzen. Es sei als Aufforderung zu verstehen, sich über eine Plattform zu einem der im Dienstleistungsverzeichnis genannten Themen auszusprechen und über entsprechende Verfehlungen zu berichten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin mit der Begründung, die beanspruchten Dienstleistungen richteten sich an Unternehmen jeder Größe und deshalb auch an kleine oder mittelständische Unternehmen und natürliche Personen, die allein in [X.] tätig seien. Diese verstünden „SpeakUp“ mangels ausreichender [X.]kenntnisse und aufgrund der sprachunüblichen Zusammenschreibung mit Binnengroßschreibung allenfalls als Übersetzung von „Sprechen Auf“, was hinsichtlich der Dienstleistungen keinen Sinn ergebe. Deshalb sähen sie es als [X.] an. Zudem sei das Zeichen im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen mehrdeutig und interpretationsbedürftig. Es sei kein Synonym für „Whistleblowing“ und werde auch nicht im Zusammenhang damit genutzt. Selbst wenn es im Sinne der Aufforderung „laut(er) sprechen“ in übertragener Bedeutung als „etwas aufzeigen“ verstanden würde, bedürfte es noch mehrerer gedanklicher Schritte, um es mit den beanspruchten Dienstleistungen in Verbindung zu bringen.

Sie beantragt sinngemäß,

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat auch in der Sache Erfolg. Der [X.] kann der Schutz nicht nach §§ 119, 124, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. [X.] [X.], 228, Nr. 33 - [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 220, Nr. 27 - BioID; [X.], 935, Nr. 8 - [X.]; [X.], 138, Nr. 23 - [X.]; [X.], 850, 854, Nr. 18 - [X.]). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen.

Hiervon ausgehend sind Wortmarken von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann (vgl. [X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.], 1100 Rn. 23 - [X.]!; [X.], 850, 855 Rn. 28 f. - [X.]; [X.], 465, 468 - Bonus).

An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen ([X.] GRUR Int. 2012, 914, Nr. 25 - [X.] [X.]; [X.], 228, Nr. 36 - [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] GRUR 2004, 1027, 1029, Nr. 32 - DAS [X.] DER BEQUEMLICHKEIT; [X.], 949, Nr. 12 - [X.]; [X.], 778, Nr. 12 - [X.]). Es wäre daher unzulässig, besondere Kriterien aufzustellen, die das Kriterium der Unterscheidungskraft ersetzen oder von ihm abweichen ([X.] [X.], 228, Nr. 38 - [X.] [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027 Nr. 35 und 36 - DAS [X.] DER BEQUEMLICHKEIT), etwa dergestalt, dass die sloganartige Wortfolge phantasievoll sein und ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Überraschungs- und damit Merkeffekt zur Folge habe, aufweisen müsse ([X.] [X.], 228 Nr. 39 - [X.] [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027, Nr. 31, 32 - DAS [X.] DER BEQUEMLICHKEIT; [X.], 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Nicht unterscheidungskräftig sind demgegenüber spruchartige Wortfolgen, die lediglich in sprach- oder werbeüblicher Weise eine beschreibende Aussage über die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen enthalten oder sich in Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art erschöpfen (vgl. [X.] GRUR 2004, 1027 Nr. 35 - DAS [X.] DER BEQUEMLICHKEIT; [X.], 1047, 1049 - [X.], [X.]; [X.], 735, 736 - Test it).

Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist davon auszugehen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen. Ein der Annahme der Unterscheidungskraft entgegenstehender Aussagegehalt der Marke muss deshalb so deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass er für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass die eine oder andere Sachaussage durch die Marke vermittelt werden könnte, reicht zum Verneinen der Unterscheidungskraft nicht aus (vgl. [X.], 270, Nr. 12 - Link economy). Insoweit muss in einer auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen bezogenen Einzelfallbeurteilung festgestellt werden, dass das betreffende Zeichen auf dem einschlägigen Gebiet als beschreibende Angabe benutzt und verstanden werden kann (vgl. für Buchstabenfolge: [X.] 2012, 283, 284 - B&P m. w. N.).

2. Nach diesen Grundsätzen kann der Marke „SpeakUp“ die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Als Wortkombination bzw. Wortfolge wird es von den angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar und ohne gedankliche Analyse als schlagwortartige Aufforderung im Sinne von „sprich [X.] mit der Sprache“ verstanden. Angesprochen sind in erster Linie Unternehmen, denen entsprechende Kenntnisse der [X.] unterstellt werden können. Das gilt aufgrund der zunehmenden Verbreitung [X.] Begriffe im Sprachgebrauch der Wirtschaft auch für mittelständische und kleinere Unternehmen in [X.]. Die von der Markeninhaberin genannte Bedeutung „sprechen auf“ ist dagegen sprachlich fernliegend. Die Wortfolge „speak up“ wird in gängigen Wörterbüchern und Internetdiensten durchweg mit „sprich lauter“ übersetzt (vgl. Anlage 1b zum angegriffenen Beschluss; [X.] Großwörterbuch [X.], 3. Aufl., S. 1565; [X.], Großwörterbuch [X.], 2008, S. 804; [X.] Großwörterbuch [X.], 2010, Teil 1, [X.]; [X.], Großwörterbuch [X.]/[X.], 2008, S. 933; aktuelle Abfrage von [X.] und dict.leo.org), in vielen auch als „heraus mit der Sprache“ (vgl. [X.] a. a. O.; [X.] a. a. O.; [X.]). Diesem Verständnis stehen weder das Zusammenschreiben der Worte „speak“ und „up“ noch die verwendete Groß- und Kleinschreibung entgegen. Ersteres verändert den Sinngehalt nicht. Letztere ist eine werbeübliche Hervorhebung der [X.], die darauf hinweist, dass es sich um eine Kombination aus mehreren Worten handelt (vgl. BPatG 30 W (pat) 536/12 - MobileFamilyTree).

So verstanden ist das Zeichen jedoch nicht beschreibend für die beanspruchten Dienstleistungen. Bei diesen handelt es sich um Informations- und Berichtsdienste zu verschiedenen Themenbereichen, die dem Begriff „Whistleblowing“ unterfallen. Sie umfassen das Bereitstellen und Weiterleiten von Informationen, nicht aber das originäre Einsammeln derselben von Betriebs- oder Organisationsangehörigen („Whistleblowern“). Hierfür wäre die Aufforderung „sprich lauter“ bzw. „heraus mit der Sprache“ aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs zwischen der Aufforderung an eine Person, sich auszusprechen, und dem [X.] von Informationen auf diesem Weg beschreibend. Ein enger sachlicher Bezug bestünde deshalb auch zum allgemeinen Sammeln von Informationen. Das ist jedoch nicht beansprucht. Zu den beanspruchten Dienstleistungen besteht hingegen kein enger sachlicher Bezug. Das Vorhalten, Bereitstellen und Weiterleiten von Informationen setzt nämlich nicht voraus, dass die Informationen selbst durch Befragen Dritter erlangt oder sonst gesammelt worden sind. Sie können ebenso gut über zugängliche Quellen erlangt oder angekauft worden sein. Insoweit liegt der Fall anders als die von der Markenstelle in Bezug genommene, zurückgewiesene Anmeldung der Gemeinschaftsmarke Nr. 005 803 515. Dort war das Zeichen „[X.]“ für ein anders gefasstes Dienstleistungsverzeichnis angemeldet worden, das auch das Sammeln von Informationen umfasst hat.

3. Bei dieser Sachlage kann auch kein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] festgestellt werden.

Der angegriffene Beschluss war deshalb aufzuheben.

Meta

30 W (pat) 556/11

13.12.2012

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.12.2012, Az. 30 W (pat) 556/11 (REWIS RS 2012, 358)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 358

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