Bundessozialgericht, Urteil vom 14.03.2018, Az. B 12 KR 13/17 R

12. Senat | REWIS RS 2018, 12368

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - GmbH-Geschäftsführer - Sperrminorität - Kapitalbeteiligung - Erwerbsoption auf Gesellschaftsanteile - Rechtsmacht - keine Berücksichtigung von außerhalb des Gesellschaftsvertrags zustande gekommenen Abreden - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit


Leitsatz

1. Geschäftsführer einer GmbH, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind (sog Fremdgeschäftsführer), sind ausnahmslos abhängig beschäftigt.

2. Gesellschafter-Geschäftsführer sind aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung nur dann selbstständig tätig, wenn sie mindestens 50 vH der Anteile am Stammkapital halten oder ihnen bei geringerer Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine "echte"/"qualifizierte" Sperrminorität eingeräumt ist.

3. Eine "echte"/"qualifizierte" Sperrminorität setzt voraus, dass sie nicht auf bestimmte Angelegenheiten der Gesellschaft begrenzt ist, sondern uneingeschränkt die gesamte Unternehmenstätigkeit umfasst.

4. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) zustande gekommene, das Stimmverhalten regelnde Vereinbarungen (Abreden) sind bei der Bewertung der Rechtsmachtverhältnisse nicht zu berücksichtigen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 10. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Geschäftsführer der von ihm und seinem [X.] (A) durch Gesellschaftsvertrag vom 30.10.2006 gegründeten, zu 1. beigeladenen GmbH. Nachdem am [X.] mit der [X.] ([X.]) sowie der [X.] ([X.]) geschlossen worden war, wurde das [X.]tammkapital durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom selben Tag um 8212 Euro auf 34 212 Euro erhöht. Davon halten der Kläger 15 600 Euro (45,6 vH), sein Bruder 10 400 Euro (30,4 vH) und [X.] sowie [X.] jeweils 4106 Euro (12 vH). Der von der Gesellschafterversammlung zugleich geänderte Gesellschaftsvertrag sieht für eine Beschlussfassung grundsätzlich die einfache Mehrheit, für bestimmte, ausdrücklich bezeichnete Gegenstände eine Mehrheit von [X.] der abgegebenen [X.]timmen vor. In einer zum 1.1.2012 getroffenen "[X.]timmbindungsabrede" verpflichtete sich A, nur im "[X.]inne und nicht gegen den Willen" seines Bruders abzustimmen. Der am [X.] mit Wirkung zum 1.10.2012 vereinbarte "[X.]" sieht vor, dass dem Kläger ein monatliches Bruttogehalt von 5500 Euro gezahlt (§ 4 [X.] 1), ein Dienstwagen zur [X.]erfügung gestellt (§ 4 [X.] 6), im Fall der Arbeitsunfähigkeit das Grundgehalt für sechs Wochen weitergezahlt (§ 5) und bezahlter Jahresurlaub von 26 Arbeitstagen gewährt wird (§ 6).

2

Der Kläger beantragte im Dezember 2012 die Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen [X.]tatus als geschäftsführender Gesellschafter. Die Beklagte stellte daraufhin fest, dass seit dem 1.10.2012 die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und [X.]ersicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GR[X.]) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.]).

3

Während des Klageverfahrens ist dem Kläger von seinem Bruder durch notariellen [X.]ertrag vom 11.8.2014 über "Option und Angebot zum Erwerb von Geschäftsanteilen" für die Zeit vom 1.5.2014 bis zum 1.8.2017 das unwiderrufliche Angebot unterbreitet worden, 1849 Geschäftsanteile zu je einem Euro zu erwerben. Das [X.]G Berlin hat die [X.]erwaltungsentscheidungen der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger wegen selbstständiger Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht der [X.]ersicherungspflicht in der GR[X.] und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege (Urteil vom 24.6.2015). Das L[X.]G Berlin-Brandenburg hat das Urteil des [X.]G aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht selbstständig tätig. Er verfüge nicht über mindestens die Hälfte des [X.]tammkapitals und habe damit keinen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft. [X.]eine [X.]perrminorität beziehe sich nicht auf sämtliche den Geschäftsführer selbst betreffenden Angelegenheiten. Die [X.]timmbindungsabrede habe sowohl ordentlich als auch aus wichtigem Grund gekündigt werden können. Ein beherrschender Einfluss in der Gesellschafterversammlung ergebe sich schließlich nicht aus dem Angebot zum Erwerb von 1849 Geschäftsanteilen (Urteil vom 10.5.2017).

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die [X.]erletzung der §§ 2, 7 und 7a [X.]GB I[X.], der §§ 103, 128 und 170 Abs 2 [X.]GG sowie der §§ 35, 38 Abs 2, 45 und 46 GmbHG. Das L[X.]G sei unter [X.]erstoß gegen den Grundsatz der [X.]orhersehbarkeit unzutreffend von einer nicht umfassenden [X.]perrminorität ausgegangen. Es habe eine Bindung an Weisungen der Gesellschafterversammlung angenommen, ohne die nach dem Gesellschaftsvertrag zustimmungsbedürftigen Angelegenheiten festzustellen und auszuführen, bei welchen konkreten Maßnahmen keine [X.]perrminorität bestehen würde. Da er - der Kläger - einer [X.]ertragsänderung zustimmen müsse, könne er sämtliche ihn betreffenden Weisungen verhindern. Auch seine Abberufung als Geschäftsführer bedürfe einer Mehrheit von [X.] der abgegebenen [X.]timmen. Eine außerordentliche Kündigung der [X.]timmbindungsabrede sei nicht möglich. [X.]olange das Unternehmen nicht verkauft sei, stelle die Kaufoption einen beherrschenden Einfluss sicher. Die angegriffene Entscheidung verstoße schließlich gegen die Rechtsprechung des B[X.]G und sei [X.] zustande gekommen. Das L[X.]G habe die Regelungen zur Beweiserhebung, Amtsermittlung sowie Beweiswürdigung verletzt und mit seinen überraschenden Ausführungen zum [X.] gegen den Grundsatz des fairen [X.]erfahrens verstoßen.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 10. Mai 2017 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.]ozialgerichts Berlin vom 24. Juni 2015 zurückzuweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

7

[X.]ie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

8

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 [X.] [X.]G).

Das [X.] hat zu Recht das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach einer Gesamtwürdigung der vom [X.] für den [X.] bindend festgestellten Tatsachen (dazu 1.) war der Kläger als Geschäftsführer in der [X.] (Beginn des [X.]) bis zum [X.] (Tag der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]) Beschäftigter der Beigeladenen zu 1. und damit versicherungspflichtig in der [X.] und nach dem Recht der Arbeitsförderung (dazu 2.).

1. Der [X.] ist nach § 163 [X.]G an die Tatsachenfeststellungen des [X.] gebunden, weil sie nicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Der Kläger hat entgegen § 164 Abs 2 S 3 [X.]G nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Verfahrensmangel ergeben.

Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 103 [X.]G), muss der Revisionskläger die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das [X.] von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem [X.] hätte aufdrängen müssen. Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten und dass hieraus die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne den geltend gemachten Verfahrensfehler anders entschieden hätte (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] 4-2400 § 7 [X.] Rd[X.]4 mwN, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen). Diesen Anforderungen ist nicht mit dem Vorbringen genügt, das [X.] habe nur unzureichend die vertraglichen Regelungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. festgestellt.

Auch die Rüge des [X.], die Entscheidung des [X.] beruhe auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Er hätte darlegen müssen, dass das Berufungsgericht die Grenzen seiner ihm durch § 128 Abs 1 [X.] [X.]G eingeräumten Befugnis verletzt hat, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, weil gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend berücksichtigt worden ist (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] 4-2700 § 9 [X.] RdNr 29 mwN). Daran fehlt es hier. Soweit ein Verstoß gegen Denkgesetze hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs "umfassend" behauptet wird, ist nicht dargetan, dass das [X.] nur eine Folgerung hätte ziehen können, jede andere nicht folgerichtig "denkbar" ist und das Gericht die allein in Betracht kommende nicht gesehen hat (vgl B[X.] aaO Rd[X.] mwN).

Schließlich ist der gerügte Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens infolge einer Überraschungsentscheidung nicht hinreichend dargelegt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 [X.]G) soll zwar verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten. Daher darf ein Urteil nicht auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden, die bisher nicht erörtert worden sind, wenn dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt. Allerdings ist das Gericht nicht verpflichtet, die Beteiligten auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (B[X.] Urteil vom 26.9.2017 - B 1 KR 31/16 R - [X.] 4-7862 § 7 [X.] Rd[X.] mwN, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen). Weshalb dem [X.] gleichwohl eine unangekündigte Auseinandersetzung mit dem vom Kläger selbst vorgelegten Beteiligungsvertrag verwehrt gewesen sein soll, hat die Revision nicht aufgezeigt.

2. Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der [X.] und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 [X.] [X.] [X.]B VI in der Fassung des [X.] vom [X.] , § 25 Abs 1 [X.] [X.]B III in der Fassung des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10.12.2001 ) der Versicherungspflicht. Der Kläger war in diesem Sinn in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. abhängig beschäftigt.

Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 [X.]B IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis ([X.]). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers ([X.]). Nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB B[X.] Urteil vom 16.8.2017 - [X.] KR 14/16 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] Rd[X.]7 mwN und B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] 4-2400 § 7 [X.] Rd[X.] mwN, jeweils auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen; B[X.] Urteil vom 30.4.2013 - [X.] KR 19/11 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] Rd[X.]3 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl [X.] Beschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - [X.] 3-2400 § 7 [X.]1). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (B[X.] Urteil vom 23.5.2017 - [X.] KR 9/16 R - [X.] 4-2400 § 26 [X.] Rd[X.] mwN, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen).

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (B[X.] Urteil vom 18.11.2015 - [X.] KR 16/13 R - B[X.]E 120, 99 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]7 mwN).

Diese Maßstäbe gelten auch für Geschäftsführer einer GmbH (vgl zuletzt B[X.] Urteil vom 11.11.2015 - [X.] KR 10/14 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] Rd[X.]5 ff; B[X.] Urteil vom 29.7.2015 - [X.] KR 23/13 R - B[X.]E 119, 216 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]7 ff), und zwar ungeachtet der konkreten Bezeichnung des der Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegenden Vertrags. Dem steht nicht die Vorschrift des § 5 Abs 1 S 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) entgegen (dazu a). Vielmehr kommt es für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit zunächst darauf an, dass der Geschäftsführer am [X.]skapital beteiligt ist (sog [X.]er-Geschäftsführer). Ein Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung (sog Fremdgeschäftsführer) ist ausnahmslos abhängig beschäftigt (dazu b). Selbstständig tätige [X.]er-Geschäftsführer müssen zudem über eine Mindestkapitalbeteiligung von [X.] oder eine "echte" Sperrminorität verfügen (dazu c). Außerhalb des [X.]svertrags (Satzung) zustande gekommene, sich auf die Stimmverteilung auswirkende Abreden sind für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ohne Bedeutung (dazu d). Gemessen daran ist der Kläger abhängig beschäftigt (dazu e).

a) Eine abhängige Beschäftigung von Geschäftsführern ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil nach § 5 Abs 1 S 3 ArbGG Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder [X.]svertrags allein oder als Mitglieder des [X.] zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht. Der Zugehörigkeit zu den Beschäftigten der juristischen Person steht auch nicht entgegen, dass Geschäftsführer im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (B[X.] Urteil vom 18.12.2001 - [X.] KR 10/01 R - [X.] 3-2400 § 7 [X.] f).

b) Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet eine selbstständige Tätigkeit generell aus (B[X.] Urteil vom 18.12.2001 - [X.] KR 10/01 R - [X.] 3-2400 § 7 [X.]). Die frühere sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach ein Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch ein Angestellter unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den [X.]ern familiär verbunden ist, ausnahmsweise als selbstständig angesehen worden ist, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der [X.] nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn die [X.]er daran hinderten, hat der [X.] ausdrücklich aufgegeben. Die Maßgeblichkeit des rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhaltens der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten, während im Fall eines [X.] die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (B[X.] Urteil vom 29.7.2015 - [X.] KR 23/13 R - B[X.]E 119, 216 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], RdNr 29 f mwN; B[X.] Urteil vom 29.8.2012 - [X.] KR 25/10 R - B[X.]E 111, 257 = [X.] 4-2400 § 7 [X.]7, RdNr 32).

c) Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als [X.]er am Kapital der [X.] beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die [X.] ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein [X.]er-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine [X.]erstellung hinaus die [X.] besitzen, durch Einflussnahme auf die [X.]erversammlung die Geschicke der [X.] bestimmen zu können. Eine solche [X.] ist bei einem [X.]er gegeben, der mehr als [X.] der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt [X.] der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem [X.]svertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige [X.]er-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von [X.]erbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der [X.]erversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche [X.] zu vermitteln (vgl B[X.] Urteil vom 11.11.2015 - [X.] R 2/14 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] Rd[X.] mwN; B[X.] Urteil vom 11.11.2015 - [X.] KR 10/14 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] Rd[X.] mwN; B[X.] Urteil vom 29.6.2016 - [X.] R 5/14 R - Juris RdNr 39 ff; B[X.] Urteil vom 24.9.1992 - 7 [X.] - [X.] 3-4100 § 168 Nr 8 [X.]6).

d) Die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige [X.], die den [X.]er-Geschäftsführer in die Lage versetzt, die Geschicke der [X.] bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der [X.]erversammlung verhindern zu können, muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein. Außerhalb des [X.]svertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen (vgl hierzu B[X.] Urteil vom 29.7.2015 - [X.] KR 23/13 R - B[X.]E 119, 216 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]; B[X.] Urteil vom 29.8.2012 - [X.] KR 25/10 R - B[X.]E 111, 257 = [X.] 4-2400 § 7 [X.]7, Rd[X.]; B[X.] Urteil vom 29.8.2012 - [X.] R 14/10 R - Juris Rd[X.]), [X.] (vgl hierzu B[X.] Urteil vom 11.11.2015 - [X.] KR 13/14 R - B[X.]E 120, 59 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]) oder Veto-Rechte (vgl hierzu B[X.] Urteil vom 11.11.2015 - [X.] KR 10/14 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] Rd[X.]) zwischen einem [X.]er-Geschäftsführer sowie anderen [X.]ern und/oder der GmbH sind nicht zu berücksichtigen. Sie vermögen die sich aus dem [X.]svertrag ergebenden [X.] nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben. Unabhängig von ihrer Kündbarkeit genügen die das Stimmverhalten regelnden Vereinbarungen nicht dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände. Im Interesse sowohl der Versicherten als auch der Versicherungsträger ist die Frage der (fehlenden) Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit oder abhängiger Beschäftigung schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil es darauf nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger und die Leistungsansprüche des Betroffenen ankommt (B[X.] Urteil vom 11.11.2015 - [X.] KR 13/14 R - B[X.]E 120, 59 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.] mwN).

e) Nach Maßgabe dieser Grundsätze war der Kläger nicht selbstständig tätig, sondern abhängig beschäftigt. Er war zwar [X.]er-Geschäftsführer, als Minderheitsgesellschafter mit [X.] der [X.]santeile aber nicht in der Lage, seine minderheitsbedingte Weisungsgebundenheit aufzuheben oder abzuschwächen. Die ihm eingeräumte ("unechte") Sperrminorität erstreckte sich ausschließlich auf bestimmte Bereiche und nicht allumfassend auf die gesamte Unternehmenstätigkeit, sodass er nicht jegliche Weisungen durch die Mehrheitsgesellschafter hätte verhindern können. Die mit seinem Bruder getroffene "[X.]" ist schon unbeachtlich, weil es sich hierbei nicht um eine durch [X.]svertrag zustande gekommene Vereinbarung handelt. Dasselbe gilt für die unwiderrufliche Option zum Erwerb von Geschäftsanteilen. Unabhängig davon ist nicht eine "optionale" Stimmführerschaft, sondern die im zu beurteilenden Zeitraum faktisch verteilte [X.] maßgebend.

Im Übrigen wird die bereits aus der Stellung als Minderheitsgesellschafter ohne "echte" Sperrminorität resultierende Zuordnung als abhängig Beschäftigter durch den zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. abgeschlossenen "[X.]" bestätigt, der typische Regelungen einer Beschäftigung enthält. Danach wird dem Kläger für seine Geschäftsführertätigkeit ein monatliches Bruttogehalt von 5500 Euro gezahlt und ist ein Urlaubsanspruch von jährlich 26 Tagen sowie bei Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung für sechs Wochen vorgesehen.

3. [X.] beruht auf § 193 Abs 1 [X.] [X.]G.

Meta

B 12 KR 13/17 R

14.03.2018

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Berlin, 24. Juni 2015, Az: S 28 KR 2121/13, Urteil

§ 62 SGG, § 103 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 163 SGG, § 164 Abs 2 S 3 SGG, Art 103 Abs 1 GG, § 25 Abs 1 S 1 SGB 3, § 7 Abs 1 SGB 4, § 1 S 1 Nr 1 SGB 6, § 5 Abs 1 S 3 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 14.03.2018, Az. B 12 KR 13/17 R (REWIS RS 2018, 12368)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12368

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 12 R 5/16 R (Bundessozialgericht)


B 12 KR 37/19 R (Bundessozialgericht)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - GmbH-Geschäftsführer - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit - Rechtsmacht - Voraussetzungen …


B 12 R 6/19 R (Bundessozialgericht)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - Geschäftsführer in einer GmbH & Co KG - Rechtsmacht - Kommanditbeteiligung …


B 12 R 19/19 R (Bundessozialgericht)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerin einer GmbH - erweiterte Rechtsmacht - abhängige Beschäftigung - selbstständige …


B 12 R 17/18 R (Bundessozialgericht)

Sozialversicherungspflicht - Gesellschafter-Geschäftsführer einer Berufsausübungsgesellschaft in Form einer GmbH - Rechtsmacht - Ausübung einer freiberuflichen, …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.