Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.07.2016, Az. 9 AZR 352/15

9. Senat | REWIS RS 2016, 8421

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) ARBEITSVERTRAG WERKVERTRAG ZEITARBEIT

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Gegenstand

Werkvertrag - verdeckte Arbeitnehmerüberlassung


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 7. Mai 2015 - 6 [X.]/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.

2

Die Klägerin war seit dem 9. Februar 2004 aufgrund des zwischen ihr und der [X.] unter dem 4. Februar 2004 geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrags als CAD-Konstrukteurin im Werk [X.] tätig. Grundlage für den Einsatz der Klägerin waren zwischen der [X.] und der [X.] als Werkverträge bezeichnete Vereinbarungen. Die Klägerin war zuletzt mit 20 Stunden wöchentlich in der Abteilung T der [X.] beschäftigt. Über den 31. Dezember 2013 hinaus wurde sie von der [X.] nicht mehr bei der [X.] eingesetzt, nachdem zwischen der [X.] und der [X.] für die [X.] nach dem 31. Dezember 2013 keine Verträge mehr geschlossen worden waren. Die [X.] kündigte deshalb ihr Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31. Januar 2014. Sie verfügt seit 1995 über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, die mit Bescheid vom 22. April 1998 unbefristet verlängert worden war.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe nicht aufgrund eines Werkvertrags, sondern aufgrund Arbeitnehmerüberlassung bei der [X.] gearbeitet. Es habe sich auch nicht nur um eine vorübergehende Überlassung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.] gehandelt. Die Beklagte könne sich gemäß § 242 BGB nicht auf eine erlaubte Arbeitnehmerüberlassung durch die [X.] berufen. Die Beklagte und die [X.] hätten sich widersprüchlich verhalten, indem sie mit dem Ziel und dem Erfolg der Täuschung die Arbeitnehmerüberlassung getarnt als Werkvertrag praktiziert hätten. Die erteilte Erlaubnis sei unerheblich.

4

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass zwischen den Parteien seit dem 9. Februar 2004 ein Arbeitsverhältnis besteht;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie als CAD-Konstrukteurin entsprechend ihrer bisherigen Tätigkeit in der [X.], Technischer Anwendungssupport, Abteilung T, zu beschäftigen.

5

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei in ihrem Betrieb aufgrund eines Werkvertrags für die [X.] tätig gewesen. Selbst wenn von einer Eingliederung der Klägerin in ihren Betrieb auszugehen sei, wäre kein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Klägerin zustande gekommen. Eine Überlassung wäre erlaubt gewesen. Eine analoge Anwendung von § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] komme nicht in Betracht. Auch die Berufung auf Treu und Glauben könne nicht zu einem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin führen.

6

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

A. Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

8

I. Die Feststellungsklage ist zulässig.

9

Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO liegt vor. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann ein Arbeitnehmer mit der allgemeinen Feststellungsklage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf der Grundlage der Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (§ 9 Nr. 1 iVm. § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]) geltend machen (zB [X.] 18. Januar 2012 - 7 [X.] - Rn. 14 mwN).

II. Die Klage ist unbegründet. Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Ein solches folgt weder aus § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] noch aus § 242 BGB. Soweit das [X.] angenommen hat, ein Arbeitsverhältnis sei weder durch ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung zwischen den Parteien noch aufgrund Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zustande gekommen, hat die Klägerin dies mit der Revision nicht angegriffen. Ausführungen hierzu erübrigen sich deshalb. Da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis besteht, ist auch der [X.] der Klägerin unbegründet.

1. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] zustande gekommen ist. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin aufgrund eines Werkvertrags oder aufgrund verdeckter Arbeitnehmerüberlassung bei der Beklagten tätig war.

a) § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] fingiert das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses bei Fehlen einer Erlaubnis des Verleihers zur Arbeitnehmerüberlassung. Nach dieser Vorschrift gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen, wenn der [X.] und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 [X.] unwirksam ist, wobei im Falle der Unwirksamkeit nach Aufnahme der Tätigkeit das Arbeitsverhältnis mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Unwirksamkeit fingiert wird. Gemäß § 9 Nr. 1 [X.] sind Verträge zwischen Verleihern und [X.] sowie zwischen Verleihern und [X.] unwirksam, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 [X.] erforderliche Erlaubnis hat.

b) Nach den Feststellungen des [X.]s verfügte die [X.] seit dem 9. Mai 1995 und damit während der gesamten Dauer der Tätigkeit der Klägerin bei der Beklagten über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung iSd. §§ 1, 2 [X.]. Die Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann daher nicht eintreten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin der Beklagten im Falle einer Arbeitnehmerüberlassung entgegen § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht nur vorübergehend überlassen wurde. Eine einem Verleiher vor dem 1. Dezember 2011 erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 [X.] war nicht auf die vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern beschränkt. Da bis zum 30. November 2011 eine zeitlich unbeschränkte Überlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher nach dem [X.] zulässig war, umfasste eine vor dem 1. Dezember 2011 erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung auch eine nicht nur vorübergehende Überlassung von [X.]. Das Erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung vom 28. April 2011 ([X.], im Folgenden [X.]) enthält keine Regelungen, die vor dem 1. Dezember 2011 erteilte Erlaubnisse zur Arbeitnehmerüberlassung beschränken. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 [X.] kann die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Erlaubnisbehörde aufgrund einer geänderten Rechtslage berechtigt wäre, die Erlaubnis zu versagen. Daraus wird deutlich, dass eine geänderte Rechtslage nicht per se die Unwirksamkeit einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bewirkt oder die Erlaubnis einschränkt ([X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 21, [X.]E 146, 384).

c) Dem steht nicht entgegen, dass keiner der „Werkverträge“ offen als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bezeichnet wurde.

aa) Entgegen der Ansicht der Klägerin reicht auch im Falle der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung nach der zutreffenden und - soweit ersichtlich - heute nahezu einhelligen Ansicht im Schrifttum die erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung aus, um die Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] auszuschließen ([X.] 2016, 136; [X.]. in [X.]/[X.] [X.] 4. Aufl. § 1 Rn. 114; [X.]/Ibes RdA 2014, 213; Deinert RdA 2014, 65, 73; [X.] [X.] 2014, 114, 115; [X.] [X.] 2014, 28, 30; [X.] NZA 2013, 1312, 1317; [X.] NZA 2013, 1305, 1310 f.; [X.] NZA 2013, 1192; [X.] NZA 2013, 176, 177; sh. auch [X.]. 687/13 S. 9: „Die z.T. auf Vorrat beantragte und erteilte Erlaubnis … verhindert, auch wenn sie nie zweckentsprechend eingesetzt werden sollte, sondern nur für den Fall der Aufdeckung des Rechtsmissbrauchs vorgehalten wird, die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher“; [X.]D. [X.] [X.] 2. Aufl. Einleitung Rn. 46; [X.]/J. [X.] [X.] 4. Aufl. Einleitung [X.] Rn. 89; für eine Änderung de lege ferenda: etwa [X.]/[X.] NZA 2014, 569, 572; Deinert RdA 2014, 65, 73).

bb) Eine erteilte Erlaubnis stellt grundsätzlich einen wirksamen Verwaltungsakt dar, der, bevor er mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 [X.]) oder - ebenfalls mit Wirkung ex nunc - widerrufen (§ 5 Abs. 1 [X.]) wird, Geltung beansprucht. Dem Gesetz sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die Erlaubnis nur für die offene Arbeitnehmerüberlassung Wirkung entfalten soll.

cc) Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass im Falle eines [X.] dieser gemäß § 117 Abs. 1 BGB als solcher nichtig wäre, wobei nach § 117 Abs. 2 BGB der Vertrag sodann an den Maßstäben des [X.] zu messen und in Ermangelung der formalen Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] nach § 134 BGB bzw. § 125 Satz 1 BGB nichtig wäre (vgl. [X.] NZA-Beilage 2014, 3, 9; [X.] 2012, 1729, 1730). Dies kann jedoch nicht zu der Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] führen. Denn die Vorschrift verlangt gerade die Unwirksamkeit des Vertrags zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer und nicht des Vertrags zwischen Verleiher und Entleiher und dies zudem nicht aus jeglichem Unwirksamkeitsgrund, sondern einzig wegen Fehlens der Erlaubnis nach § 9 Nr. 1 [X.].

dd) § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann auch nicht analog herangezogen werden.

(1) Zur [X.] Gesetzesanwendung durch Analogie bedarf es einer besonderen Legitimation. Die analoge Anwendung einer Norm setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke vorliegt und diese Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Andernfalls könnte jedes Schweigen des Gesetzgebers - also der Normalfall, wenn er etwas nicht regeln will - als planwidrige Lücke aufgefasst und diese im Wege der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden. Analoge Gesetzesanwendung erfordert darüber hinaus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswi[X.]prüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die [X.] erfassten Fälle. Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass ein Gericht seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt. Die Aufgabe der Rechtsprechung beschränkt sich darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes auch unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des [X.] und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein ([X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 23, [X.]E 146, 384).

(2) Für eine entsprechende Anwendung der Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] im Falle einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Senat hat hinsichtlich der Frage der Rechtsfolge bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bereits ausgeführt, dass im Gesetzgebungsverfahren zum [X.] die Erweiterung der Rechtsfolge aus § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] über die Fälle des Fehlens der Erlaubnis hinaus diskutiert und von Sachverständigen angemahnt wurde ([X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 27, [X.]E 146, 384 mit Verweis auf [X.]. 17/5238 S. 9 und der dort dargestellten Kritik von [X.], der Gesetzentwurf sei „nicht effektiv genug“, da er „die vorgesehene Rechtsfolge für die anderen Fälle der gesetzwidrigen Arbeitnehmerüberlassung aus[spare]“). Das Problem der Legalisierungswirkung einer Vorratserlaubnis war zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren offen angesprochen (vgl. [X.] [X.] 17/2011 [X.]. 1; [X.]. [X.] 5/2009 [X.]. 2; [X.]. [X.] 32/2005 [X.]. 4; [X.]/J. [X.] [X.] 4. Aufl. Einleitung [X.] Rn. 89). Dennoch ist eine Regelung im [X.] unterblieben. Deshalb kann von einer unbewussten Untätigkeit des Gesetzgebers nicht ausgegangen werden. Erst nach § 9 Abs. 1 Nr. 1a des am 1. Juni 2016 vom [X.] beschlossenen Gesetzentwurfs zur Bekämpfung des Missbrauchs bei Leiharbeit und Werkverträgen idF vom 20. Mai 2016 ([X.]-E) sollen Arbeitsverträge zwischen Verleihern und [X.] unwirksam sein, wenn entgegen § 1 Abs. 1 Satz 5 und Satz 6 [X.] die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem zwischen Verleiher und Entleiher für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält.

(3) Einer analogen Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] steht darüber hinaus entgegen, dass die Situation bei einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung nicht mit der Situation eines ohne Erlaubnis überlassenen Arbeitnehmers, für den § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher fingiert, vergleichbar ist. Der Senat hat im Zuge der Problematik einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bereits ausgeführt, dass die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderlich ist, weil bei Fehlen der nach § 1 [X.] erforderlichen Erlaubnis der [X.] mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 1 [X.] unwirksam ist ([X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 30, [X.]E 146, 384). Damit der Arbeitnehmer in diesem Fall überhaupt in einem Arbeitsverhältnis steht, fingiert § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] ein solches zum Entleiher. Genauso wenig wie das Arbeitsverhältnis des nicht nur vorübergehend überlassenen Arbeitnehmers zum Verleiher unwirksam ist, ist das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zum [X.]unternehmer (Verleiher) unwirksam.

(4) Die Auswechslung des Arbeitgebers aufgrund einer analogen Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] wäre darüber hinaus wegen des Entzugs des vom Arbeitnehmer gewählten Arbeitgebers auch verfassungsrechtlich bedenklich (ausf. [X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 31, [X.]E 146, 384). Eine derart weitreichende Rechtsfolge bedarf einer hinreichend klaren Regelung durch den Gesetzgeber, wie sie in § 9 Abs. 1 Nr. 1a [X.]-E mit dem Wi[X.]pruchsrecht des Arbeitnehmers vorgesehen ist.

(5) Letztlich ist eine analoge Anwendung auch europarechtlich nicht geboten. Wegen der Vielzahl möglicher Verstöße gegen Vorschriften des [X.] durch Verleiher und Entleiher sowie möglicher Sanktionen ist die Auswahl wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen iSv. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, sondern Sache des Gesetzgebers (ausf. für den Fall einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung [X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 32 ff., [X.]E 146, 384).

2. Im Falle eines [X.] kann das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses auch nicht aus § 1 Abs. 2 [X.] hergeleitet werden (so aber [X.]/J. [X.] [X.] 4. Aufl. Einleitung [X.] Rn. 89). Nach Streichung des § 13 [X.] aF gibt es in den Fällen der nach § 1 Abs. 2 [X.] vermuteten Arbeitsvermittlung keine gesetzliche Grundlage mehr für das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher (ausf. [X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 25 mwN, [X.]E 146, 384).

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, selbst wenn die Beklagte und die [X.] eine Arbeitnehmerüberlassung der Klägerin bewusst als Werkvertrag getarnt hätten.

Rechtsmissbrauch setzt voraus, dass ein Vertragspartner eine an sich rechtlich zulässige Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm oder des [X.] nicht vorgesehen sind ( [X.] 15. Mai 2013 - 7 [X.]  - Rn. 27 ). Hat sich der Gesetzgeber aber entschieden, einen solchen Verstoß nicht mit der Sanktion des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zu versehen, darf diese Rechtsfolge nicht über § 242 BGB herbeigeführt werden. Dies würde bedeuten, sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegzusetzen und unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers einzugreifen ([X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 38, [X.]E 146, 384). Das [X.] sieht für - durch eine Vorratserlaubnis legitimierte - Scheinwerkverträge eine solche Rechtsfolge nicht vor.

B. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Heilmann    

        

    Jacob    

                 

Meta

9 AZR 352/15

12.07.2016

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 12. August 2014, Az: 5 Ca 751/14, Urteil

§ 1 Abs 1 S 1 AÜG, § 1 Abs 2 AÜG, § 10 Abs 1 S 1 AÜG, § 9 Nr 1 AÜG, § 242 BGB, § 1 Abs 1 S 2 AÜG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.07.2016, Az. 9 AZR 352/15 (REWIS RS 2016, 8421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8421

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