Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.07.2016, Az. 9 AZR 359/15

9. Senat | REWIS RS 2016, 8354

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Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 18. Juni 2015 - 6 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der Kläger war aufgrund des zwischen ihm und der [X.] unter dem 21. März 2001 geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrags im Betrieb N der [X.] tätig. Grundlage für den Einsatz des [X.] waren ua. zwischen der [X.] und der [X.] geschlossene „Werkverträge“. Nach dem 31. Dezember 2013 wurde der Kläger von der [X.] nicht mehr bei der [X.] eingesetzt, da für die [X.] nach dem 31. Dezember 2013 keine Verträge zwischen dieser und der [X.] mehr geschlossen worden waren. Die [X.] kündigte deshalb ihr Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. Juni 2014. Sie verfügt seit dem 1. April 1976 über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, die die [X.] ab dem 1. April 1984 unbefristet verlängerte.

3

Der Kläger ist nicht Mitglied der [X.]. Die Beklagte ist Mitglied im [X.]

4

In dem zwischen dem [X.] und der [X.], [X.], geschlossenen Tarifvertrag Leih-/[X.]arbeit vom 19. Mai 2012 (im Folgenden TV [X.]) heißt es ua. wie folgt:

        

„4.     

Betriebe ohne Betriebsvereinbarung

        

4.1     

Besteht keine Betriebsvereinbarung gemäß Ziffer 3 gilt Folgendes:

                 

-       

Nach 18 Monaten Überlassung hat der Entleiher zu prüfen, ob er dem Leih-/[X.]arbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten kann.

                 

…“    

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, mit der [X.] sei ein Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] zustande gekommen. Die Beklagte habe mit der [X.] Scheinwerkverträge geschlossen. Tatsächlich sei er an sie gewerbsmäßig überlassen worden. Er habe seit Jahren dieselbe Tätigkeit bei der [X.] verrichtet, sei dort eingegliedert gewesen und habe Anweisungen von Mitarbeitern der [X.] erhalten. Diese habe auch seinen Urlaub genehmigt. Auch sei das Verhalten der [X.] und der [X.] treuwidrig und verstoße gegen § 242 BGB. Er habe zumindest nach Ziff. 4.1 TV [X.] Anspruch darauf, dass die Beklagte prüfe, ob sie ihm einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten könne.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht;

        

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, zu prüfen, ob sie ihm einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten hat.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei in ihrem Betrieb ua. aufgrund von Werkverträgen für die [X.] tätig gewesen. Die Mitarbeiter der [X.] hätten dem Kläger allenfalls projektbezogene Weisungen im Sinne des Werkvertragsrechts erteilt. Die jeweiligen Leistungen seien durch ein Ticketsystem abgerufen worden. Selbst wenn von einer Eingliederung des [X.] in ihren Betrieb auszugehen wäre, sei wegen der der [X.] erteilten Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger zustande gekommen. Eine analoge Anwendung von § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] komme nicht in Betracht. Auch die Berufung auf § 242 BGB könne nicht zu einem Arbeitsverhältnis mit dem Kläger führen.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

A. Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Haupt- und Hilfsantrag sind unbegründet. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis. Die [X.] ist nicht verpflichtet zu prüfen, ob sie dem Kläger einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten hat.

I. Die Feststellungsklage ist zulässig.

Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO liegt vor. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann ein Arbeitnehmer mit der allgemeinen Feststellungsklage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf der Grundlage der Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (§ 9 Nr. 1 iVm. § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]) geltend machen (zB [X.] 18. Januar 2012 - 7 [X.] - Rn. 14 mwN).

II. Der Hauptantrag ist unbegründet. Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Ein solches folgt weder aus § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] noch aus § 242 BGB.

1. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] zustande gekommen ist. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger aufgrund von Werkverträgen oder aufgrund verdeckter Arbeitnehmerüberlassung bei der [X.]n tätig war.

a) § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] fingiert das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses bei Fehlen einer Erlaubnis des Verleihers zur Arbeitnehmerüberlassung. Nach dieser Vorschrift gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen, wenn der [X.] und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 [X.] unwirksam ist, wobei im Falle der Unwirksamkeit nach Aufnahme der Tätigkeit das Arbeitsverhältnis mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Unwirksamkeit fingiert wird. Gemäß § 9 Nr. 1 [X.] sind Verträge zwischen Verleihern und [X.] sowie zwischen Verleihern und [X.] unwirksam, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 [X.] erforderliche Erlaubnis hat.

b) Nach den Feststellungen des [X.]s verfügte die [X.] seit dem 1. April 1976 und damit während der gesamten Dauer der Tätigkeit des [X.] bei der [X.]n über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung iSd. §§ 1, 2 [X.]. Die Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann daher nicht eintreten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger der [X.]n im Falle einer Arbeitnehmerüberlassung entgegen § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht nur vorübergehend überlassen wurde. Eine einem Verleiher vor dem 1. Dezember 2011 erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 [X.] war nicht auf die vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern beschränkt. Da bis zum 30. November 2011 eine zeitlich unbeschränkte Überlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher nach dem [X.] zulässig war, umfasste eine vor dem 1. Dezember 2011 erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung auch eine nicht nur vorübergehende Überlassung von [X.]. Das Erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung vom 28. April 2011 ([X.], im Folgenden [X.]) enthält keine Regelungen, die vor dem 1. Dezember 2011 erteilte Erlaubnisse zur Arbeitnehmerüberlassung beschränken. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 [X.] kann die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Erlaubnisbehörde aufgrund einer geänderten Rechtslage berechtigt wäre, die Erlaubnis zu versagen. Daraus wird deutlich, dass eine geänderte Rechtslage nicht per se die Unwirksamkeit einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bewirkt oder die Erlaubnis einschränkt ([X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 21, [X.]E 146, 384).

c) Dem steht nicht entgegen, dass keiner der „Werkverträge“ offen als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bezeichnet wurde.

aa) Entgegen der Ansicht des [X.] reicht auch im Falle der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung nach der zutreffenden und - soweit ersichtlich - heute nahezu einhelligen Ansicht im Schrifttum die erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung aus, um die Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] auszuschließen ([X.] 2016, 136; [X.]. in [X.]/[X.] [X.] 4. Aufl. § 1 Rn. 114; [X.]/Ibes RdA 2014, 213; Deinert RdA 2014, 65, 73; [X.] [X.] 2014, 114, 115; [X.] [X.] 2014, 28, 30; [X.] NZA 2013, 1312, 1317; [X.] NZA 2013, 1305, 1310 f.; [X.] NZA 2013, 1192; [X.] NZA 2013, 176, 177; sh. auch [X.]. 687/13 S. 9: „Die z.T. auf Vorrat beantragte und erteilte Erlaubnis … verhindert, auch wenn sie nie zweckentsprechend eingesetzt werden sollte, sondern nur für den Fall der Aufdeckung des Rechtsmissbrauchs vorgehalten wird, die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher“; [X.]D. [X.] [X.] 2. Aufl. Einleitung Rn. 46; [X.]/J. [X.] [X.] 4. Aufl. Einleitung [X.] Rn. 89; für eine Änderung de lege ferenda: etwa [X.]/[X.] NZA 2014, 569, 572; Deinert RdA 2014, 65, 73).

bb) Eine erteilte Erlaubnis stellt grundsätzlich einen wirksamen Verwaltungsakt dar, der, bevor er mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 [X.]) oder - ebenfalls mit Wirkung ex nunc - widerrufen (§ 5 Abs. 1 [X.]) wird, Geltung beansprucht. Dem Gesetz sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die Erlaubnis nur für die offene Arbeitnehmerüberlassung Wirkung entfalten soll.

cc) Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass im Falle eines [X.] dieser gemäß § 117 Abs. 1 BGB als solcher nichtig wäre, wobei nach § 117 Abs. 2 BGB der Vertrag sodann an den Maßstäben des [X.] zu messen und in Ermangelung der formalen Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] nach § 134 BGB bzw. § 125 Satz 1 BGB nichtig wäre (vgl. [X.] NZA-Beilage 2014, 3, 9; [X.] 2012, 1729, 1730). Dies kann jedoch nicht zu der Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] führen. Denn die Vorschrift verlangt gerade die Unwirksamkeit des Vertrags zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer und nicht des Vertrags zwischen Verleiher und Entleiher und dies zudem nicht aus jeglichem Unwirksamkeitsgrund, sondern einzig wegen Fehlens der Erlaubnis nach § 9 Nr. 1 [X.].

dd) § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann auch nicht analog herangezogen werden.

(1) Zur [X.] Gesetzesanwendung durch Analogie bedarf es einer besonderen Legitimation. Die analoge Anwendung einer Norm setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke vorliegt und diese Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Andernfalls könnte jedes Schweigen des Gesetzgebers - also der Normalfall, wenn er etwas nicht regeln will - als planwidrige Lücke aufgefasst und diese im Wege der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden. Analoge Gesetzesanwendung erfordert darüber hinaus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswi[X.]prüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die [X.] erfassten Fälle. Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass ein Gericht seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt. Die Aufgabe der Rechtsprechung beschränkt sich darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes auch unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des [X.] und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein ([X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 23, [X.]E 146, 384).

(2) Für eine entsprechende Anwendung der Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] im Falle einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Senat hat hinsichtlich der Frage der Rechtsfolge bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bereits ausgeführt, dass im Gesetzgebungsverfahren zum [X.] die Erweiterung der Rechtsfolge aus § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] über die Fälle des Fehlens der Erlaubnis hinaus diskutiert und von Sachverständigen angemahnt wurde ([X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 27, [X.]E 146, 384 mit Verweis auf [X.]. 17/5238 S. 9 und der dort dargestellten Kritik von [X.], der Gesetzentwurf sei „nicht effektiv genug“, da er „die vorgesehene Rechtsfolge für die anderen Fälle der gesetzwidrigen Arbeitnehmerüberlassung aus[spare]“). Das Problem der Legalisierungswirkung einer Vorratserlaubnis war zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren offen angesprochen (vgl. [X.] [X.] 17/2011 [X.]. 1; [X.]. [X.] 5/2009 [X.]. 2; [X.]. [X.] 32/2005 [X.]. 4; [X.]/J. [X.] [X.] 4. Aufl. Einleitung [X.] Rn. 89). Dennoch ist eine Regelung im [X.] unterblieben. Deshalb kann von einer unbewussten Untätigkeit des Gesetzgebers nicht ausgegangen werden. Erst nach § 9 Abs. 1 Nr. 1a des am 1. Juni 2016 vom [X.] beschlossenen Gesetzentwurfs zur Bekämpfung des Missbrauchs bei Leiharbeit und Werkverträgen idF vom 20. Mai 2016 ([X.]-E) sollen Arbeitsverträge zwischen Verleihern und [X.] unwirksam sein, wenn entgegen § 1 Abs. 1 Satz 5 und Satz 6 [X.] die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem zwischen Verleiher und Entleiher für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält.

(3) Einer analogen Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] steht darüber hinaus entgegen, dass die Situation bei einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung nicht mit der Situation eines ohne Erlaubnis überlassenen Arbeitnehmers, für den § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher fingiert, vergleichbar ist. Der Senat hat im Zuge der Problematik einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bereits ausgeführt, dass die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderlich ist, weil bei Fehlen der nach § 1 [X.] erforderlichen Erlaubnis der [X.] mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 1 [X.] unwirksam ist ([X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 30, [X.]E 146, 384). Damit der Arbeitnehmer in diesem Fall überhaupt in einem Arbeitsverhältnis steht, fingiert § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] ein solches zum Entleiher. Genauso wenig wie das Arbeitsverhältnis des nicht nur vorübergehend überlassenen Arbeitnehmers zum Verleiher unwirksam ist, ist das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zum [X.]unternehmer (Verleiher) unwirksam.

(4) Die Auswechslung des Arbeitgebers aufgrund einer analogen Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] wäre darüber hinaus wegen des Entzugs des vom Arbeitnehmer gewählten Arbeitgebers auch verfassungsrechtlich bedenklich (ausf. [X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 31, [X.]E 146, 384). Eine derart weitreichende Rechtsfolge bedarf einer hinreichend klaren Regelung durch den Gesetzgeber, wie sie in § 9 Abs. 1 Nr. 1a [X.]-E mit dem Wi[X.]pruchsrecht des Arbeitnehmers vorgesehen ist.

(5) Letztlich ist eine analoge Anwendung auch europarechtlich nicht geboten. Wegen der Vielzahl möglicher Verstöße gegen Vorschriften des [X.] durch Verleiher und Entleiher sowie möglicher Sanktionen ist die Auswahl wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen iSv. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, sondern Sache des Gesetzgebers (ausf. für den Fall einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung [X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 32 ff., [X.]E 146, 384).

2. Im Falle eines [X.] kann das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses auch nicht aus § 1 Abs. 2 [X.] hergeleitet werden (so aber [X.]/J. [X.] [X.] 4. Aufl. Einleitung [X.] Rn. 89). Nach Streichung des § 13 [X.] aF gibt es in den Fällen der nach § 1 Abs. 2 [X.] vermuteten Arbeitsvermittlung keine gesetzliche Grundlage mehr für das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher (ausf. [X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 25 mwN, [X.]E 146, 384).

3. Entgegen der Auffassung des [X.] ist auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, selbst wenn die [X.] und die [X.] eine Arbeitnehmerüberlassung des [X.] bewusst als Werkvertrag getarnt hätten.

Rechtsmissbrauch setzt voraus, dass ein Vertragspartner eine an sich rechtlich zulässige Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm oder des [X.] nicht vorgesehen sind ( [X.] 15. Mai 2013 - 7 [X.]  - Rn. 27 ). Hat sich der Gesetzgeber aber entschieden, einen solchen Verstoß nicht mit der Sanktion des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zu versehen, darf diese Rechtsfolge nicht über § 242 BGB herbeigeführt werden. Dies würde bedeuten, sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegzusetzen und unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers einzugreifen ([X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 38, [X.]E 146, 384). Das [X.] sieht für - durch eine Vorratserlaubnis legitimierte - Scheinwerkverträge eine solche Rechtsfolge nicht vor.

III. Der Hilfsantrag des [X.] ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die [X.] prüft, ob sie ihm einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten kann.

1. Nach Ziff. 4.1 TV [X.] hat der Entleiher in Betrieben ohne Betriebsvereinbarung gemäß Ziff. 3 TV [X.] nach 18 Monaten Überlassung zu prüfen, ob er dem Leih-/Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten kann.

2. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass der TV [X.] wegen fehlender Tarifbindung des [X.] keine Anwendung findet (§ 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1 [X.]). Der Kläger war nicht Mitglied der am TV [X.] beteiligten IG Metall.

3. Der TV [X.] findet auch nicht nach § 3 Abs. 2 [X.] wegen einseitiger Tarifbindung der [X.]n Anwendung. Es handelt sich nicht um eine tarifliche Regelung über betriebliche Fragen iSd. § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 [X.].

a) Rechtsnormen eines Tarifvertrags über betriebliche Fragen betreffen nach § 3 Abs. 2 [X.] Regelungsgegenstände, die nur einheitlich gelten können. Ihre Regelung in einem [X.] wäre zwar nicht im naturwissenschaftlichen Sinne unmöglich, sie würde aber wegen „evident sachlogischer Unzweckmäßigkeit ausscheiden“, weil eine einheitliche Regelung auf [X.] unerlässlich ist. Bei der näheren Bestimmung dieses Normtyps ist auszugehen von dem in § 3 Abs. 2 [X.] verwendeten Begriff der „betrieblichen Fragen“. Dabei handelt es sich um solche Fragen, die unmittelbar die Organisation und Gestaltung des Betriebs betreffen. [X.] regeln normativ das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Belegschaft als Kollektiv, hingegen nicht die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und einzelnen Arbeitnehmern, die hiervon allenfalls mittelbar betroffen sind. [X.] sollen als kollektive privatautonome Tarifregelungen die Organisationshoheit des einzelnen Arbeitgebers steuern und gehen über die Inhaltsbestimmung des einzelnen Arbeitsverhältnisses hinaus ([X.] 22. Februar 2012 - 4 [X.] - Rn. 33).

b) Das [X.] hat zutreffend angenommen, Ziff. 4.1 TV [X.] gewähre lediglich einen individualrechtlichen Anspruch. Damit liege keine kollektive Regelung vor. Das betriebliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und der Belegschaft als Kollektiv ist von der Regelung nicht betroffen.

B. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Heilmann    

        

    Jacob    

                 

Meta

9 AZR 359/15

12.07.2016

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 21. Mai 2014, Az: 19 Ca 8785/13, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.07.2016, Az. 9 AZR 359/15 (REWIS RS 2016, 8354)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8354

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