Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2007, Az. IX ZB 4/06

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 837

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[X.][X.] vom 15. November 2007 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Gehrlein und Dr. [X.] am 15. November 2007 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss der [X.] des [X.] vom 6. Dezember 2005 wird auf Kosten des Gläubigers zurückgewiesen. Der Gegenstandswert für die [X.] wird auf 10.000 Euro festgesetzt. Gründe: [X.] Der Gläubiger hat ein rechtskräftiges Versäumnisurteil des [X.] vom 2. November 1977 erwirkt, durch das der Schuldner zur Zahlung von 71.947 DM nebst Zinsen verurteilt wurde. Dem [X.] liegt in Höhe eines Teilbetrages von 10.000 Euro eine vorsätzliche unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde. 1 Über das Vermögen des Schuldners wurde am 21. Januar 2004 das [X.] eröffnet. Den Antrag des Gläubigers vom 26. September 2005 2 - 3 - auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, der künftige [X.] des Schuldners betrifft, hat das Amtsgericht - Vollstreckungs-gericht - zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat das [X.] auf die sofortige Be-schwerde des Gläubigers bestätigt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelasse-nen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger sein Begehren weiter. I[X.] Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. 3 1. Zwar war in vorliegender Sache anstelle des Vollstreckungsgerichts das Insolvenzgericht zur Entscheidung berufen (§ 89 Abs. 3 [X.]). Sofern die [X.]e des § 89 Abs. 1 und 2 [X.] nicht beachtet werden, hat über die dagegen nach allgemeinem Vollstreckungsrecht statthafte Erinnerung (§ 766 ZPO) anstelle des Vollstreckungsgerichts auf Grund seiner größeren Sachnähe gemäß § 89 Abs. 3 Satz 1 [X.] das Insolvenzgericht zu befinden (BT-Drucks. 12/2443 S. 137 f zu § 100 [X.] zur [X.]). Die Zuständigkeit des [X.] ist nicht nur begründet, falls nach einer tatsächlich durchge-führten Zwangsvollstreckung mit einem Rechtsbehelf Verstöße gegen § 89 Abs. 1 und 2 [X.] gerügt werden (MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 89 Rn. 38; [X.]/[X.]/[X.], [X.] § 89 Rn. 30; [X.], 138, 140). Vielmehr ist sie auch dann gegeben, wenn die [X.] - wie hier - unter Berufung auf § 89 Abs. 1 und 2 [X.] den Erlass der beantragten Vollstreckungsmaßnahme ablehnen. Die Verweigerung einer Vollstreckungs-maßnahme kann als actus contrarius nicht anders als ihre Anordnung behan-delt werden (vgl. [X.][X.] [X.] § 89 Rn. 34). Auf die [X.] - 4 - keit des erstinstanzlichen Gerichts kann jedoch die Rechtsbeschwerde nicht gestützt werden (§ 576 Abs. 2 ZPO). Dem Rechtsbeschwerdegericht ist auch die Prüfung entzogen, ob das erstinstanzliche Gericht funktionell zuständig war ([X.], [X.]. v. 26. Juni 2003 - [X.], [X.], 1273 f; [X.], [X.]. v. 4. Juli 2007 - [X.] Tz 7 zur [X.] bestimmt). 2. Das [X.] ist der Auffassung, dem beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss stehe das [X.] des § 89 Abs. 1 [X.] entgegen. Obwohl der Gläubiger die Vollstreckung aus einer eine vorsätzliche unerlaubte Handlung betreffenden Forderung betreibe, gehöre er nicht zu den nach § 89 Abs. 2 Satz 2 [X.] privilegierten Gläubigern. Die Vorschrift gelte nur für [X.], die nicht zugleich Insolvenzgläubiger seien. Da der [X.] seine Forderung vor Insolvenzeröffnung erworben habe und daher [X.] sei, verbleibe es für ihn bei dem [X.] des § 89 Abs. 1 [X.]. [X.] vorbehaltene Privilegierung des § 89 Abs. 2 Satz 2 [X.] würde weitgehend leer laufen, wenn [X.], die als [X.] an der Quote aus dem Insolvenzverfahren partizipierten, daneben auch in künftige Bezüge vollstrecken dürften. 5 3. Diese Würdigung hält rechtlicher Prüfung stand. 6 a) Der Gläubiger gehört als Insolvenzgläubiger, dessen Forderung aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung des Schuldners herrührt, nicht zu dem durch § 89 Abs. 2 Satz 2 [X.] privilegierten Kreis von [X.]n, denen die Vollstreckung in erweitert pfändbare künftige Bezüge des Schuldners ge-stattet ist. 7 - 5 - [X.]) § 89 Abs. 1 [X.] schließt zur Sicherstellung der gleichmäßigen Be-friedigung aller Gläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens jede Einzelvollstreckung der Insolvenzgläubiger sowohl in die Insolvenzmasse als auch in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners aus. Während der Dauer des Insolvenzverfahrens entstehende Bezüge fallen wegen der Einbeziehung des [X.] durch § 35 [X.] in die Insolvenzmasse. Da [X.] durch § 89 Abs. 1 [X.] die Vollstreckung in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners verwehrt ist, umfasst das Verbot auch die Vollstreckung in künf-tige, nach [X.] fällig werdende Bezüge des Schuldners aus einem Dienstverhältnis (MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O § 89 Rn. 35; HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 89 Rn. 3). 8 bb) § 89 Abs. 2 Satz 1 [X.] erstreckt das für Insolvenzgläubiger geltende Verbot der Vollstreckung in künftige Forderungen aus Dienstverhältnissen auf alle nach Verfahrenseröffnung hinzukommenden [X.] und auf Gläubiger der Unterhaltsansprüche, die gemäß § 40 [X.] im Verfahren nicht geltend gemacht werden können, aus ([X.]/[X.]/ [X.], [X.]O § 89 Rn. 28). Mit Hilfe dieser Regelung soll der Schuldner in den Stand gesetzt werden, nach [X.] seine pfändbaren [X.] auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis zum Zwecke der Restschuld-befreiung an einen Treuhänder abzutreten (§ 287 Abs. 2 [X.]; FK- [X.]/App, 4. Aufl. § 89 Rn. 13; MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O § 89 Rn. 35). 9 cc) Das danach grundsätzlich auf [X.] erstreckte Vollstre-ckungsverbot des § 89 Abs. 2 Satz 1 [X.] findet in § 89 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu-gunsten solcher [X.] eine Ausnahme, die aus Unterhalts- oder De-liktsansprüchen in den Teil der Bezüge vollstrecken, der für sie erweitert pfänd-bar ist (§§ 850d, 850f Abs. 2 ZPO). Dieser nicht zur Insolvenzmasse gehörende 10 - 6 - Teil der Bezüge wird von der die Restschuldbefreiung bezweckenden Abtretung der (pfändbaren) Bezüge an den Treuhänder nicht erfasst und unterliegt darum dem Zugriff der privilegierten [X.] (BT-Drucks. 12/2443 S. 137 f zu § 100 [X.] zur [X.]). Die Besserstellung durch § 89 Abs. 2 Satz 2 [X.] gilt - wie die tatbestandliche Anknüpfung an § 89 Abs. 2 Satz 1 [X.] unzweideutig zum Ausdruck bringt - nur für [X.] von Unterhalts- und Deliktsansprü-chen, aber nicht auch für Unterhalts- und [X.], die an dem Insol-venzverfahren teilnehmen ([X.], [X.]. v. 28. Juni 2006 - [X.] 161/05, Z[X.] 2006, 1166; [X.] Z[X.] 2001, 625; MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O § 89 Rn. 36; HK-[X.]/[X.], [X.]O § 89 Rn. 3, 14; Hamb-Komm-[X.]/Kuleisa, 2. Aufl. § 89 Rn. 16; [X.], [X.] 12. Aufl. § 89 Rn. 22; [X.] ZIP 1999, 1874, 1881; BT-Drucks. 12/2443 [X.]O). Wegen ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit wird das [X.] zugunsten der [X.], die im Insolvenzverfahren nicht berücksichtigt werden und infolge der Einbeziehung des [X.] in die Insolvenzmasse (§ 35 [X.]) keinen realistischen Vollstreckungszugriff auf das insolvenzfreie Vermögen haben, im Umfang der erweitert pfändbaren Beträge gelockert ([X.] [X.]O S. 625 f; [X.][X.], [X.]O § 89 Rn. 29). Hingegen soll Unterhalts- und [X.]n, die ohnehin an der gemeinschaftlichen Befriedigung im Insol-venzverfahren beteiligt sind, nicht ein zusätzlicher Vollstreckungszugriff gestat-tet werden (MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O § 89 Rn. 36). Da die Gläubigerin zu den im Verfahren zu berücksichtigenden Insolvenzgläubigern gehört, kann sie sich nicht auf den Ausnahmetatbestand des § 89 Abs. 2 Satz 2 [X.] berufen. b) Auch kann den Vorschriften des § 302 Nr. 1, § 114 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 3 [X.] nicht die Wertentscheidung entnommen werden, das Vollstre-ckungsprivileg des § 89 Abs. 2 Satz 2 [X.] über die [X.] hinaus sämt-lichen Unterhalts- und [X.]n zugute kommen zu lassen. 11 - 7 - [X.]) § 302 Nr. 1 [X.] schließt die schuldbefreiende Wirkung der Rest-schuldbefreiung für Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen uner-laubten Handlung aus, sofern der Gläubiger die Forderung unter Angabe dieses [X.] angemeldet hat. Diese Bestimmung bezieht sich lediglich auf die insolvenzrechtliche Nachhaftung, ohne dem Gläubiger innerhalb des [X.] eine bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit zuzuweisen (vgl. [X.]Z 149, 100, 106 f; [X.] Urt. v. 21. Juni 2007 - [X.] ZR 29/06, [X.], 1620, zur [X.] in [X.]Z bestimmt). 12 bb) Gemäß § 114 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 3, § 89 Abs. 2 Satz 2 [X.] blei-ben vor Insolvenzeröffnung erwirkte Vollstreckungsmaßnahmen von Unterhalts- und [X.]n in den erweitert pfändbaren Teil der Bezüge wirksam. Diese Regelung beschränkt sich - wie das Beschwerdegericht zutreffend darge-legt hat - auf eine vor Insolvenzeröffnung bewirkte Vollstreckung. Davon abwei- 13 - 8 - chend verbietet hingegen § 89 Abs. 2 Satz 2 [X.] aus Gründen der Gleichbe-handlung aller Gläubiger eine Einzelvollstreckung durch Unterhalts- und De-liktsgläubiger, die Insolvenzgläubiger sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfah-rens. Dr. [X.] [X.] [X.] Prof. Dr. Gehrlein Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 14.11.2005 - 9 M 2896/05 - [X.], Entscheidung vom 06.12.2005 - 3 [X.]/05 -

Meta

IX ZB 4/06

15.11.2007

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2007, Az. IX ZB 4/06 (REWIS RS 2007, 837)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 837

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Zwangsvollstreckungsverbot für den Gläubiger einer Forderung aus unerlaubter Handlung während der Wohlverhaltensphase


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