Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.
PDF anzeigenBUNDESGERICHTSHOF [X.] vom 27. September 2007 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja [X.]§ 89 Abs. 2 Satz 2 Die Vollstreckung in die erweitert pfändbaren Bezüge des Schuldners ist nur Neu-gläubigern von Unterhalts- und Deliktsansprüchen, nicht aber Unterhalts- und De-liktsgläubigern gestattet, die an dem Insolvenzverfahren teilnehmen. [X.]§ 89 Abs. 3; ZPO § 576 Abs. 2 Das Insolvenzgericht ist gemäß § 89 Abs. 3 InsO zur Entscheidung über [X.]gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung berufen, gleich ob die [X.]Maßnahme angeordnet oder ihr Erlass abgelehnt wurde. Auf eine Verletzung der Zuständigkeitsregelung kann die Rechtsbeschwerde nicht gestützt werden. BGH, Beschluss vom 27. September 2007 - [X.]- [X.] AG Schwäbisch Hall - 2 - Der IX. Zivilsenat des [X.]hat durch [X.]Ganter, Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, [X.]und [X.] am 27. September 2007 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.]vom 16. Januar 2006 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen. Der Gegenstandswert für die [X.]wird auf 500 • festgesetzt. Gründe: [X.] Mit Beschluss des [X.]vom 11. Oktober 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Die Gläu-bigerin ist Inhaberin eines vor Insolvenzeröffnung gegen den Schuldner erwirk-ten Zahlungstitels. Nach ihrer Darstellung liegt der Forderung eine vorsätzlich unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde. Die Gläubigerin erteilte der zu-ständigen Gerichtsvollzieherin einen Auftrag zur Zwangsvollstreckung, Abnah-me der eidesstattlichen Versicherung und Verhaftung. Durch Schreiben vom 2. Juli 2005 teilte die Gerichtsvollzieherin der Gläubigerin mit, dass das [X.]- 3 - streckungsverfahren wegen des laufenden Insolvenzverfahrens eingestellt wer-de. Die von der Gläubigerin gegen die Weigerung der Gerichtsvollzieherin, den Vollstreckungsauftrag zu erledigen, eingelegte Erinnerung hat das Amtsge-richt Œ Vollstreckungsgericht [X.]zurückgewiesen. Die dagegen von der Gläubigerin erhobene sofortige Beschwerde hat das [X.]zurückgewiesen. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren weiter. 2 I[X.] Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 574 Abs. 2 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. 3 1. Zwar war in vorliegender Sache anstelle des Vollstreckungsgerichts das Insolvenzgericht zur Entscheidung berufen (§ 89 Abs. 3 InsO). Sofern die Vollstreckungsverbote des § 89 Abs. 1 und 2 [X.]nicht beachtet werden, hat über die dagegen nach allgemeinem Vollstreckungsrecht statthafte Erinnerung (§ 766 ZPO) anstelle des Vollstreckungsgerichts auf Grund seiner größeren Sachnähe gemäß § 89 Abs. 3 S. 1 InsO das Insolvenzgericht zu befinden (BT-Drucks. 12/2443 S. 137 f. zu § 100 [X.]zur InsO). Die Zuständigkeit des [X.]ist nicht nur begründet, falls nach einer tatsächlich durchgeführ-ten Zwangsvollstreckung mit einem Rechtsbehelf Verstöße gegen § 89 Abs. 1 und 2 [X.]gerügt werden (MünchKomm-InsO/Breuer, 2. Aufl. § 89 Rn. 38; Ner-lich/Römermann/Wittkowski, [X.]§ 89 Rn. 30; [X.]NZI 1999, 138, 140). [X.]ist sie auch dann gegeben, wenn die [X.]- wie hier - 4 - 4 - unter Berufung auf § 89 Abs. 1 und 2 [X.]den Erlaß der beantragten Vollstre-ckungsmaßnahme ablehnen. Die Verweigerung einer Vollstreckungsmaßnahme kann als actus contrarius nicht anders als ihre Anordnung behandelt werden (vgl. Kübler/Prütting/Lüke, [X.]§ 89 Rn. 34). Auf die Unzuständigkeit des erst-instanzlichen Gerichts kann jedoch die Rechtsbeschwerde nicht gestützt wer-den (§ 576 Abs. 2 ZPO). Dem Rechtsbeschwerdegericht ist auch die Prüfung entzogen, ob das erstinstanzliche Gericht funktionell zuständig war (BGH, Beschl. v. 26. Juni 2003 - III ZR 91/03, FamRZ 2003, 1273 f; v. 4. Juli 2007 - [X.]6/05, Tz. 7 zur [X.]bestimmt). 2. Das [X.]hat zur Begründetheit der sofortigen Beschwerde ausgeführt, die Gläubigerin sei [X.]im Sinne des § 38 InsO, weil sie aus einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens titulierten Forderung vollstrecke. Das Vollstreckungsprivileg des § 89 Abs. 2 S. 2 InsO gelte aufgrund seiner systematischen Stellung und seines Wortlauts nur zugunsten sogenann-ter Neugläubiger, die ihre Ansprüche gegen den Schuldner erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben hätten. Obwohl [X.]am [X.]nicht teilnähmen, erstrecke § 89 Abs. 2 S. 1 InsO das Vollstreckungs-verbot für künftige Forderungen aus einem Dienstverhältnis auf sie. Zur [X.]dieser [X.]sehe § 89 Abs. 2 S. 2 InsO eine Ausnahme zugunsten der privilegierten [X.]vor, denen als Unterhalts- oder [X.]wegen ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit die Vollstreckung in den nicht allgemein pfändbaren Teil der künftigen Bezüge gestattet werde. Die von der Gläubigerin geforderte Anwendung der Bestimmung auch auf Insol-venzgläubiger, die zugleich Deliktsgläubiger seien, führe zu einer nicht hin-nehmbaren Benachteiligung der Neugläubiger. Eine die analoge Anwendung des § 89 Abs. 2 S. 2 InsO zugunsten aller Deliktsgläubiger rechtfertigende [X.]sei nicht erkennbar. 5 - 5 - 3. Diese Würdigung hält rechtlicher Prüfung stand. 6 a) Die Gläubigerin gehört als Insolvenzgläubigerin, selbst wenn ihre [X.]aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung des Schuldners herrührt, nicht zu dem durch § 89 Abs. 2 S. 2 InsO privilegierten Kreis von Neugläubi-gern, denen die Vollstreckung in erweitert pfändbare künftige Bezüge des Schuldners gestattet ist. 7 aa) § 89 Abs. 1 InsO schließt zur Sicherstellung der gleichmäßigen Be-friedigung aller Gläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens jede Einzelvollstreckung der Insolvenzgläubiger sowohl in die Insolvenzmasse als auch in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners aus. Während der Dauer des Insolvenzverfahrens entstehende Bezüge fallen wegen der Einbeziehung des [X.]durch § 35 InsO in die Insolvenzmasse. Da [X.]durch § 89 Abs. 1 InsO die Vollstreckung in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners verwehrt ist, umfasst das Verbot auch die Vollstreckung in künf-tige, nach [X.]fällig werdende Bezüge des Schuldners aus einem Dienstverhältnis (MünchKomm-InsO/Breuer, aaO § 89 Rn. 35; HK-Eickmann, [X.]4. Aufl. § 89 Rn. 3). 8 bb) § 89 Abs. 2 S. 1 InsO erstreckt das für Insolvenzgläubiger geltende Verbot der Vollstreckung in künftige Forderungen aus Dienstverhältnissen auf alle nach Verfahrenseröffnung hinzukommenden [X.]des Schuldners und auf Gläubiger der Unterhaltsansprüche, die gemäß § 40 InsO im Verfahren nicht geltend gemacht werden können, (Nerlich/Römermann/Wittkowski, aaO § 89 Rn. 28). Mit Hilfe dieser Regelung soll der Schuldner in den Stand gesetzt werden, nach [X.]seine pfändbaren Forderungen auf [X.]- 6 - ge aus einem Dienstverhältnis zum Zwecke der Restschuldbefreiung an einen Treuhänder abzutreten (§ 287 Abs. 2 InsO; FK-InsO/App, 4. Aufl. § 89 Rn. 13; MünchKomm-InsO/Breuer, aaO § 89 Rn. 35). cc) Das danach grundsätzlich auf [X.]erstreckte Vollstre-ckungsverbot des § 89 Abs. 2 S. 1 InsO findet in § 89 Abs. 2 S. 2 InsO zuguns-ten solcher [X.]eine Ausnahme, die aus Unterhalts- oder Deliktsan-sprüchen in den Teil der Bezüge vollstrecken, der für sie erweitert pfändbar ist (§§ 850d, 850f Abs. 2 ZPO). Dieser nicht zur Insolvenzmasse gehörende Teil der Bezüge wird von der die Restschuldbefreiung bezweckenden Abtretung der (pfändbaren) Bezüge an den Treuhänder nicht erfasst und unterliegt darum dem Zugriff der privilegierten [X.](BT-Drucks. 12/2443 S. 137 f zu § 100 [X.]zur InsO). Die Besserstellung durch § 89 Abs. 2 S. 2 InsO gilt - wie die tatbestandliche Anknüpfung an § 89 Abs. 2 S. 1 InsO unzweideutig zum Ausdruck bringt - nur für [X.]von Unterhalts- und Deliktsansprüchen, aber nicht auch für Unterhalts- und Deliktsgläubiger, die an dem Insolvenzver-fahren teilnehmen (BGH, Beschl. v. 28. Juni 2006 - [X.]161/05, ZinsO 2006, 1166; [X.]Z[X.]2001, 625; MünchKomm-InsO/Breuer, aaO § 89 Rn. 36; HK-Eickmann, aaO § 89 Rn. 3, 14; HambKomm-InsO/Kuleisa, 2. Aufl. § 89 Rn. 16; Uhlenbruck, [X.]12. Aufl. § 89 Rn. 22; [X.]ZIP 1999, 1874, 1881; BT-Drucks. 12/2443 aaO). Wegen ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit wird das [X.]zugunsten der Neugläubiger, die im [X.]nicht berücksichtigt werden und infolge der Einbeziehung des [X.]in die Insolvenzmasse (§ 35 InsO) keinen realistischen Vollstreckungs-zugriff auf das insolvenzfreie Vermögen haben, im Umfang der erweitert pfänd-baren Beträge gelockert ([X.]aaO S. 625 f; Kübler/ Prütting/Lüke, aaO § 89 Rn. 29). Hingegen soll Unterhalts- und Deliktsgläubi-gern, die ohnehin an der gemeinschaftlichen Befriedigung im [X.]- 7 - ren beteiligt sind, nicht ein zusätzlicher Vollstreckungszugriff gestattet werden (MünchKomm-InsO/Breuer, aaO § 89 Rn. 36). Da die Gläubigerin zu den im Verfahren zu berücksichtigenden Insolvenzgläubigern gehört, kann sie sich nicht auf den Ausnahmetatbestand des § 89 Abs. 2 S. 2 InsO berufen. b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann den Vorschrif-ten des § 302 Nr. 1, § 114 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 3 [X.]nicht die Wertentschei-dung entnommen werden, das Vollstreckungsprivileg des § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO über die [X.]hinaus sämtlichen Unterhalts- und Deliktsgläubi-gern zugute kommen zu lassen. 11 aa) § 302 Nr. 1 InsO schließt die schuldbefreiende Wirkung der Rest-schuldbefreiung für Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen uner-laubten Handlung aus, sofern der Gläubiger die Forderung unter Angabe dieses [X.]angemeldet hat. Diese Bestimmung bezieht sich lediglich auf die insolvenzrechtliche Nachhaftung, ohne dem Gläubiger innerhalb des [X.]eine bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit zuzuweisen (vgl. [X.]149, 100, 106 f; [X.]Urt. v. 21. Juni 2007 - [X.]ZR 29/06, WM 2007, 1620 zur [X.]bestimmt in BGHZ). 12 bb) Gemäß § 114 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 3, § 89 Abs. 2 S. 2 InsO bleiben vor Insolvenzeröffnung erwirkte Vollstreckungsmaßnahmen von Unterhalts- und Deliktsgläubigern in den erweitert pfändbaren Teil der Bezüge wirksam. Diese Regelung beschränkt sich - wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat - auf eine vor Insolvenzeröffnung bewirkte Vollstreckung. Davon abwei-chend verbietet hingegen § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO aus Gründen der Gleichbe-handlung aller Gläubiger eine Einzelvollstreckung durch Unterhalts- und [X.]- 8 - liktsgläubiger, die Insolvenzgläubiger sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfah-rens. [X.] Gehrlein [X.] Fischer Vorinstanzen: AG Schwäbisch Hall, Entscheidung vom 21.11.2005 - 1 M 1876/05 - LG Heilbronn, Entscheidung vom 16.01.2006 - 1 [X.]-
Meta
27.09.2007
Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat
Sachgebiet: ZB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2007, Az. IX ZB 16/06 (REWIS RS 2007, 1730)
Papierfundstellen: REWIS RS 2007, 1730
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
IX ZB 4/06 (Bundesgerichtshof)
IX ZB 226/05 (Bundesgerichtshof)
IX ZB 280/04 (Bundesgerichtshof)
6 AZR 112/23 (Bundesarbeitsgericht)
Drittschuldnerklage - Insolvenz - Vollstreckungsverbot
IX ZB 57/12 (Bundesgerichtshof)
Abgrenzung von Insolvenzgläubigern und Neugläubigern: Einzelzwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss in einem nach Insolvenzverfahrenseröffnung begonnenen Rechtsstreit
Keine Referenz gefunden.
Keine Referenz gefunden.