Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.02.2018, Az. 4 StR 529/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 14320

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Gegenstand

Strafzumessung bei gefährlicher Körperverletzung: Strafschärfende Berücksichtigung des Verteidigungsverhaltens


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Juli 2017 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Schuldspruch weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Insbesondere kann der Senat ausschließen, dass sich der Angeklagte bei Begehung der Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB befand.

3

2. Hingegen hält der Strafausspruch sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das [X.] hat bei der Strafzumessung ein zulässiges Verteidigungsverhalten zum Nachteil des Angeklagten gewertet.

4

a) Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, er habe den Geschädigten mit einem Messer verletzt, dabei allerdings in Notwehr gehandelt, weil dieser ihn gewürgt habe. Das [X.] hat sich die Überzeugung verschafft, dass das Handeln des Angeklagten nicht durch Notwehr gerechtfertigt war, da schon keine Notwehrlage bestand. Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat es strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte „das Opfer zu Unrecht eines Angriffs auf sein eigenes Leben und damit einer Straftat bezichtigt“ habe ([X.]). Dies ist rechtsfehlerhaft.

5

b) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist es einem Angeklagten grundsätzlich nicht verwehrt, sich mit der Behauptung zu verteidigen, er habe in Notwehr gehandelt. Soweit damit Anschuldigungen gegen eine andere Person verbunden sind, werden die Grenzen eines zulässigen [X.] dadurch nicht überschritten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 4 StR 532/12, [X.], 170, 171; vom 6. Juli 2010 - 3 StR 219/10, [X.], 692; vom 22. März 2007 - 4 StR 60/07, [X.], 463). Eine wahrheitswidrige [X.] kann erst dann straferschwerend gewertet werden, wenn Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 22. März 2007 - 4 StR 60/07, [X.], 463; vom 25. April 1990 - 3 [X.], [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 8; vom 27. April 1989 - 1 StR 10/89, [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4); solche Umstände sind hier indes nicht ersichtlich.

6

c) Der Senat kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass sich die fehlerhafte Strafzumessungserwägung bereits bei der [X.] zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Über die Strafe ist deshalb insgesamt neu zu befinden.

7

3. Die [X.] der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat demgegenüber Bestand. Die sachverständig beratene [X.] hat jedenfalls das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB mit rechtlich vertretbarer Begründung abgelehnt.

Sost-Scheible          

      

Roggenbuck          

      

Cierniak

      

Bender          

      

Feilcke          

      

Meta

4 StR 529/17

07.02.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 18. Juli 2017, Az: 26 KLs 9/17

§ 46 Abs 2 StGB, § 224 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.02.2018, Az. 4 StR 529/17 (REWIS RS 2018, 14320)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14320

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 529/17

Zitiert

4 StR 532/12

3 StR 219/10

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