Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2013, Az. 4 StR 532/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 8602

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 532/12

vom
29. Januar 2013
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 29.
Januar 2013 gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19.
Juli 2012 im Strafausspruch auf-gehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.].

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision hat Erfolg (§
349 Abs.
4 StPO).
I.
Nach den Feststellungen stach der Angeklagte am 5.
Oktober 2010 dem Zeugen H.

ohne nachvollziehbaren äußeren Anlass ein Messer mit
einer Klingenlänge von etwa 7,5
cm in den Bereich des linken Brustkorbs. Der Zeuge 1
2
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3
-
erlitt eine ca. 7
cm tiefe Stichwunde, die mit einem Faden genäht werden [X.]. Da weder die Lunge, noch die innere Schicht des Brustkorbs verletzt [X.], bestand keine konkrete Lebensgefahr (Fall
II.
2a der Urteilsgründe). Am 20.
Oktober 2011 packte der Angeklagte in den Räumlichkeiten einer Buch-handlung seine ehemalige Lebensgefährtin, die [X.]

, von hinten an den Haaren und schlug mehrfach mit der Faust auf sie ein. Als die Zeugin am Boden lag, hielt er sie mit der linken Hand fest und fügte ihr mit einem Cutter-Messer Verletzungen im oberen linken Brustbereich und im Nacken zu. Die Stichverletzung im Brustbereich musste genäht werden. Es ist eine sichtbare Narbe zurückgeblieben. Die Zeugin leidet auch weiterhin an einer posttraumati-schen Belastungsstörung (Fall
II.
2b der Urteilsgründe).
Das [X.] hat den Angeklagten in beiden Fällen wegen gefähr-licher Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
2 StGB schuldig gesprochen und gegen ihn Einzelfreiheitsstra-fen in Höhe von zwei Jahren und sechs Monaten (Fall
II.
2a) und drei Jahren und neun Monaten (Fall
II.
2b) verhängt. Aus diesen [X.] hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten gebildet.
II.
Der Strafausspruch hält aus mehreren Gründen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1.
Die beiden verhängten Einzelstrafen können nicht bestehen bleiben, weil das [X.] jeweils sowohl im Rahmen der Prüfung eines minder-schweren Falls gemäß §
224 Abs.
1 letzter Halbsatz StGB, als auch bei der 3
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5
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4
-
konkreten Strafzumessung ein zulässiges Verteidigungsverhalten zum Nachteil des Angeklagten gewertet hat.
a)
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung zum Tatvorwurf im Fall
II.
2a erklärt, den Zeugen H.

geschlagen zu haben, als dieser nach einer zunächst verbal geführten Auseinandersetzung eine Teleskopstange mit einem kleinen Ball an der Spitze in die Hand nehmen wollte (UA
16). Im
Fall
II.
2b habe ihn die [X.]

mit einer Handtasche geschlagen. Er habe gesehen, dass er an der rechten Hand geblutet habe und ein Messer in der linken Hand der Zeugin wahrgenommen. Dieses
Messer habe er ihr weg-nehmen wollen. Schließlich habe
er sie an der linken Schulter ergriffen und Gefühl hatte, sich wehren zu müssen (UA
17). Das [X.] hat in diesen Einlassungen einen schulderhöhenden Umstand gesehen, weil der Angeklagte den Zeugen H.

und die [X.]

verdächtigt habe, sich ihm gegen-über der versuchten bzw. der vollendeten Körperverletzung schuldig gemacht zu haben (UA
31). Dies ist rechtsfehlerhaft.
b)
Grundsätzlich ist es einem Angeklagten nicht verwehrt, sich gegen den Vorwurf der Körperverletzung mit der Behauptung zu verteidigen, er habe in Notwehr gehandelt. Soweit damit Anschuldigungen gegen Dritte verbunden sind, werden die Grenzen eines zulässigen [X.] dadurch nicht überschritten ([X.], Beschluss vom 6.
Juli 2010

3
StR
219/10, [X.], 692; MükoStGB/[X.], 2.
Aufl.,
§
46 Rn.
129). Eine wahrheitswidrige [X.] kann erst dann straferschwerend gewertet werden, wenn Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt (vgl. [X.], Beschluss
vom 22.
März 2007

4
StR
60/07, [X.], 463;
Beschluss vom 27.
April 6
7
-
5
-
1989

1
StR
10/89, [X.]R StGB §
46 Abs.
2 Verteidigungsverhalten
4; SSW-StGB/Eschelbach,
§
46 Rn.
124). Dies ist hier nicht der Fall. Der Angeklagte hat sich auf die wahrheitswidrige Behauptung eines drohenden (Fall
II.
2a
der Ur-teilsgründe) bzw. eines bereits eingeleiteten Angriffs (Fall
II.
2b der Urteilsgrün-de) der Zeugen beschränkt. Darüber hinausgehende Verleumdungen oder Her-abwürdigungen (vgl. [X.], Beschluss vom 25.
April 1990

3
StR
85/90, [X.]R StGB §
46 Abs.
2 Verteidigungsverhalten
8; Beschluss vom 11.
Mai 1989

1
StR
184/89, [X.]R StGB §
46 Abs.
2 Verteidigungsverhalten
5), die eine straferschwerende Bewertung rechtfertigen könnten, sind in seinem Vorbringen nicht enthalten. Auch hat der Angeklagte die Zeugen nicht einer besonders verwerflichen Handlung bezichtigt (vgl. [X.], Urteil vom 14.
November 1990

3
StR
160/90, [X.]R StGB §
46 Abs.
2 Verteidigungsverhalten
10), sodass nicht angenommen werden kann, dass es ihm darum ging, ihr Ansehen über das verfolgte [X.] hinaus zu beschädigen (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
März 1994

1
StR
71/94, [X.]R StGB §
46 Abs.
2 Verteidigungsver-halten
13).
2.
Die Bemessung der Einzelstrafe im Fall
II.
2b der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der [X.]

) ist auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil das [X.] straferschwerend berücksichtigt hat, dass es zum Einsatz eines
Messers kam (UA
31). Hierin liegt ein Verstoß gegen §
46 Abs.
3 StGB, da
die Verwendung des Messers bereits zur Begründung der Strafbarkeit des Ange-klagten nach §
224 Abs.
1 Nr.
2 StGB herangezogen worden ist. Soweit das [X.] in diesem Zusammenhang
darauf abgehoben hat, dass es mit dem [X.] zu einer Steigerung der Übergriffe des Angeklagten auf die Zeu-gin gekommen ist, wird damit nicht lediglich das Vortatverhalten des Angeklag-ten gewürdigt, sondern auch die Verwendung des Messers mit negativem Vor-zeichen in die Bewertung einbezogen.
8
-
6
-
3.
Durch die Aufhebung der Einzelstrafen verliert auch die Bestimmung der Gesamtstrafe ihre Grundlage.
Da es sich bei den aufgezeigten Fehlern um bloße Wertungsfehler
handelt, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Straf-ausspruch bestehen bleiben. Ergänzende

hierzu nicht in Widerspruch treten-de

Feststellungen sind möglich ([X.], Beschluss vom 9.
Oktober 2012

5
StR
453/12).

Mutzbauer

[X.]

Franke

Bender

Quentin
9
10

Meta

4 StR 532/12

29.01.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2013, Az. 4 StR 532/12 (REWIS RS 2013, 8602)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8602

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 488/14

Zitiert

4 StR 532/12

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