Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.05.2023, Az. RiZ (R) 1/19, RiZ (R) 2/19

Dienstgericht des Bundes | REWIS RS 2023, 3070

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Gegenstand

Richterdienstrecht: Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit durch eine turnusmäßige oder anlassbezogene Geschäftsprüfung


Leitsatz

Eine turnusmäßige oder anlassbezogene Geschäftsprüfung verletzt die richterliche Unabhängigkeit erst dann, wenn sie einen unzulässigen Erledigungsdruck ausübt oder auf eine direkte oder indirekte Weisung oder psychische Einflussnahme hinausläuft, wie der Richter künftig verfahren oder entscheiden soll. Das gilt auch für die Art und Weise, wie der Richter seine Leitungsfunktion als Vorsitzender eines Spruchkörpers ausübt. Maßgebend ist dabei der objektive Eindruck, den die Maßnahme erweckt (Anschluss an BGH, Urteil vom 7. September 2017 - RiZ (R) 3/15, juris).

Tenor

Die Revisionen des Antragstellers gegen die Urteile des Dienstgerichts für [X.] beim [X.] vom 21. Januar 2019 - 66 [X.] 2/13 und 66 [X.] 3/17 - werden zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der [X.]ntragsteller ist Vorsitzender [X.] am Verwaltungsgericht im Dienst des [X.]ntragsgegners. [X.]r wendet sich gegen die [X.]nordnung und Durchführung zweier außerordentlicher richterlicher Geschäftsprüfungen in den [X.]räumen vom 20. März bis zum 17. Mai 2013 sowie vom 28. Oktober bis zum 11. Dezember 2013 in der von ihm geführten [X.] des [X.] L     .

2

Im September 2012 hörte der damalige Präsident des [X.] eine [X.]in am Verwaltungsgericht L     (künftig: Verwaltungsgericht) in einem gegen sie anhängigen Disziplinarverfahren an. Diese [X.]in war zuvor der vom [X.]ntragsteller geleiteten Kammer des [X.] zugeordnet gewesen. [X.]us den Äußerungen dieser [X.]in entstand beim Präsidenten des [X.] der Verdacht, dass der [X.]ntragsteller nachträglich Änderungen an dem Text eines Urteils dieser [X.]in, das diese als [X.]inzelrichterin im Jahr 2009 erlassen hatte, vorgenommen habe. [X.]uf [X.]nregung des Präsidenten des [X.] leitete das für Justiz zuständige [X.] im Januar 2013 ein Disziplinarverfahren gegen den [X.]ntragsteller ein wegen des Verdachts der Vornahme nachträglicher Änderungen am Text einer [X.]ntscheidung einer [X.]inzelrichterin.

3

Im Dezember 2012 wies die Präsidentin des [X.] den Präsidenten des [X.] darauf hin, dass die Geschäftsverteilung der [X.] nicht durch Beschluss aller Kammermitglieder, sondern durch [X.]nordnung nur des Vorsitzenden - des [X.]ntragstellers - erfolgt sei; im Februar 2013 legte sie ihm hierzu Unterlagen vor. Mit Schreiben vom 25. Februar 2013 teilte der Präsident des [X.] der Präsidentin des [X.] seine [X.]uffassung mit, dass die Geschäftsverteilung teilweise unter Verstoß gegen § 21g GVG geregelt worden sei und es deshalb wie auch aufgrund des zum Gegenstand des Disziplinarverfahrens gemachten Vorfalls nunmehr erforderlich sei, eine außerordentliche Geschäftsprüfung in der [X.] durchzuführen.

4

Mit Schreiben vom 19. März 2013 teilte die Präsidentin des [X.] unter Beifügung der vorgenannten Zuschrift dem [X.]ntrag-steller und den übrigen Mitgliedern der [X.] "unter Bezugnahme auf die mit beigefügtem Schreiben des Präsidenten des [X.] getroffene [X.]nweisung" mit, dass sie in den nächsten Wochen eine außerordentliche richterliche Geschäftsprüfung in der [X.] durchführen werde. Die Geschäftsprüfung werde zunächst [X.]kten von erledigten Verfahren der letzten fünf Jahre aller Kammermitglieder sowie auch laufender Verfahren umfassen. Diese Geschäftsprüfung fand - stichprobenartig - im [X.]raum vom 20. März bis 17. Mai 2013 statt ("erste außerordentliche richterliche Geschäftsprüfung").

5

Den unmittelbar nach Bekanntgabe der bevorstehenden außerordentlichen Geschäftsprüfung vom [X.]ntragsteller hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Präsident des [X.] mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2013 zurück.

6

Das Disziplinarverfahren gegen den [X.]ntragsteller wurde am 29. Juli 2013 eingestellt.

7

[X.]uf der Grundlage des [X.]bschlussberichts der Präsidentin des [X.] zur ersten außerordentlichen richterlichen Geschäftsprüfung regte der Präsident des [X.] gegenüber der Präsidentin des [X.] im [X.]ugust 2013 an, im Hinblick auf in dem Bericht angesprochene acht Verfahren, in denen der Vorsitzende Korrekturen an [X.]inzelrichterentscheidungen vorgenommen habe, zur Vervollständigung der Prüfung alle [X.]inzelrichterentscheidungen der [X.] aus den Jahren 2008 bis 2012 auf weitere Änderungen zu überprüfen.

8

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 ordnete die Präsidentin des [X.] L     die weitere außerordentliche richterliche Geschäftsprüfung an und führte diese in der [X.] vom 28. Oktober bis zum 11. Dezember 2013 durch ("zweite außerordentliche richterliche Geschäftsprüfung"). Den hiergegen vom [X.]ntragsteller eingelegten Widerspruch wies der Präsident des [X.] mit Widerspruchsbescheid vom 29. [X.]ugust 2017 zurück.

9

Beim [X.] für [X.] beim [X.] hat der [X.]ntragsteller in dem die erste außerordentliche richterliche Geschäftsprüfung betreffenden Prüfungsverfahren 66 [X.] 2/13 beantragt,

nach § 34 Nr. 1 [X.], § 78 Nr. 1 DRiG festzustellen, dass die außerordentliche Geschäftsprüfung in der [X.] des [X.] L     entsprechend der Verfügung des Präsidenten des [X.] vom 25. Februar 2013 und des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des [X.] vom 19. Juli 2013 rechtswidrig war,

hilfsweise,

nach § 34 Nr. 4 Buchst. f) [X.], § 78 Nr. 4 Buchst. e) DRiG die außerordentliche Geschäftsprüfung in der [X.] des [X.] L      entsprechend der Verfügung des Präsidenten des [X.] vom 25. Februar 2013 und des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des [X.] vom 19. Juli 2013 für unzulässig zu erklären.

In dem die zweite außerordentliche richterliche Geschäftsprüfung betreffenden Prüfungsverfahren 66 [X.] 3/17 hat der [X.]ntragsteller beim [X.] für [X.] beim [X.] beantragt,

nach § 34 Nr. 1 [X.], § 78 Nr. 1 DRiG festzustellen, dass die außerordentliche Geschäftsprüfung in der [X.] des [X.] L     entsprechend der Verfügung des Präsidenten des [X.] vom 13. [X.]ugust 2013 und des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des [X.] vom 29. [X.]ugust 2017 rechtswidrig war,

hilfsweise,

nach § 34 Nr. 4 Buchst. f) [X.], § 78 Nr. 4 Buchst. e) DRiG die außerordentliche Geschäftsprüfung in der [X.] des [X.] L      entsprechend der Verfügung des Präsidenten des [X.] vom 13. [X.]ugust 2013 und des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des [X.] vom 29. [X.]ugust 2017 für unzulässig zu erklären.

Der [X.]ntragsgegner hat in den beiden Prüfungsverfahren jeweils beantragt, die [X.]nträge zurückzuweisen.

Das [X.] für [X.] beim [X.] hat mit Urteilen vom 21. Januar 2019 (66 [X.] 2/13 und 66 [X.] 3/17) jeweils beide [X.]nträge zurückgewiesen. [X.]s hat jeweils den Hauptantrag als unstatthaft und damit als unzulässig angesehen; insoweit sind diese [X.]ntscheidungen inzwischen rechtskräftig. Den Hilfsantrag hat es jeweils als unbegründet angesehen, weil die [X.]nordnung und Durchführung der außerordentlichen Geschäftsprüfungen als Maßnahmen der Dienstaufsicht den [X.]ntragsteller nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigten. Insbesondere seien die außerordentlichen Geschäftsprüfungen durch einen sachlichen Grund und einen konkreten [X.]nlass gerechtfertigt gewesen. Dieser habe in der seinerzeit gebotenen Überprüfung gelegen, ob der [X.]ntragsteller als Kammervorsitzender in [X.]inzelrichterurteilen seiner beisitzenden [X.] ohne deren Wissen und [X.]inverständnis Änderungen vorgenommen habe; ob auch die Überprüfung der Ordnungsgemäßheit des Zustandekommens der [X.] ein rechtfertigender [X.]nlass gewesen sei, könne dahinstehen. Hinsichtlich des [X.] hat das [X.] für [X.] beim [X.] jeweils die Revision zugelassen.

Der [X.]ntragsteller hat gegen beide [X.]ntscheidungen die Revision mit am 19. Februar 2019 beim [X.] des [X.] eingegangenem Schriftsatz vom 14. Februar 2019 im Umfang der Zulassung eingelegt. [X.]r ist der [X.]nsicht, der Präsident des [X.] sei für die [X.]nordnung der Geschäftsprüfungen seiner Kammer nicht zuständig gewesen. Die Geschäftsprüfungen verletzten seine richterliche Unabhängigkeit, weil es für sie keinen [X.]nlass gegeben habe. Die Änderungen der [X.] seien als lediglich vorläufige Regelungen mit den Kammermitgliedern abgesprochen gewesen und diesen umgehend zur Genehmigung vorgelegt worden; diese Praxis sei der Präsidentin des [X.] auch bekannt gewesen und nie von ihr beanstandet worden. Der Vorwurf der Fälschung von Urteilen sei von vornherein haltlos gewesen und hätte nicht dienstrechtlich - und damit nicht mittels einer Geschäftsprüfung -, sondern nur disziplinarrechtlich untersucht werden dürfen; er werde hierdurch in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt.

Der [X.]ntragsteller beantragt im Prüfungsverfahren RiZ(R) 1/19 (66 [X.] 2/13),

das Urteil des [X.] - [X.] für [X.] - vom 21. Januar 2019 aufzuheben und die außerordentliche Geschäftsprüfung in der [X.] des [X.] L     entsprechend der Verfügung des Präsidenten des [X.] vom 25. Februar 2013 - [X.] 1403 - und des Widerspruchsbescheids des Prä-sidenten des [X.] vom 19. Juli 2013 - P[X.]/[X.], [X.]      - für unzulässig zu erklären.

Der [X.]ntragsteller beantragt im Prüfungsverfahren RiZ(R) 2/19 (66 [X.] 3/17),

das Urteil des [X.] - [X.] für [X.] - vom 21. Januar 2019 aufzuheben und die außerordent-liche Geschäftsprüfung in der [X.] des [X.]     entsprechend der Verfügung des Präsidenten des [X.] vom 13. [X.]ugust 2013 - [X.] 1401 - und des Widerspruchsbescheids des Prä-sidenten des [X.] vom 29. [X.]ugust 2017 - [X.] 1401-1/17(003) - für unzulässig zu erklären.

Der [X.]ntragsgegner beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Der Senat hat beide Revisionen durch Beschluss vom 16. Mai 2023 zur gemeinsamen Verhandlung und [X.]ntscheidung verbunden, § 93 Satz 1 VwGO.

Entscheidungsgründe

A.

Die Vertretung des Antragsgegners durch die Präsidentin des [X.] folgt aus der im richterdienstgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 der [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Oktober 2022 - [X.](B) 1/21, juris [X.]n. 1).

B.

Die [X.]evisionen haben keinen Erfolg.

I. Zutreffend ist das [X.] für [X.] jeweils davon ausgegangen, dass der Antragsteller hinsichtlich der ersten und der zweiten außerordentlichen richterlichen Geschäftsprüfung einen zulässigen [X.] nach § 34 Nr. 4 Buchst. f) Sächs[X.]iG i.V.m. § 26 Abs. 3 D[X.]iG gestellt hat.

1. Eine Maßnahme der Dienstaufsicht liegt jeweils vor. Der Begriff der Maßnahme der Dienstaufsicht ist entsprechend dem auf einen umfassenden [X.]echtsschutz der richterlichen Unabhängigkeit gerichteten Zweck des § 26 Abs. 3 D[X.]iG weit auszulegen. Es genügt bereits eine Einflussnahme, die sich lediglich mittelbar auf die rechtsprechende Tätigkeit des [X.]s auswirkt oder darauf abzielt. Die "Maßnahme" besteht in einem Verhalten einer dienstaufsichtführenden Stelle gegenüber einem [X.]. Erforderlich ist, dass sich das Verhalten einer dienstaufsichtführenden Stelle bei objektiver Betrachtung gegen einen bestimmten [X.] oder eine bestimmte Gruppe von [X.]n wendet, es also zu einem konkreten Konfliktfall zwischen der Justizverwaltung und dem [X.] oder bestimmten [X.]n gekommen ist bzw. ein konkreter Bezug zur Tätigkeit eines [X.]s besteht. Dazu zählt auch die Anordnung und Durchführung einer (Sonder-)Geschäftsprüfung (st. [X.]spr.; vgl. [X.], Urteil vom 7. September 2017 - [X.]([X.]) 3/15, juris [X.]n. 13 f. m.w.N.).

2. Die vom Präsidenten des [X.] veranlassten und von der Präsidentin des [X.] getroffenen Anordnungen der außerordentlichen richterlichen Geschäftsprüfung können isoliert angefochten werden. Dabei kann dahinstehen, ob es sich lediglich um vorbereitende Verfahrenshandlungen zur Abklärung handelt, ob eine Maßnahme der Dienstaufsicht getroffen werden soll. Das Prüfungsverfahren findet nämlich auch gegen solche vorbereitenden Verfahrenshandlungen statt, die eine selbständige, im Verhältnis zur abschließenden Sachentscheidung andersartige Beschwer enthalten. Das ist bei einer außerordentlichen richterlichen Geschäftsprüfung der Fall ([X.], Urteil vom 7. September 2017 - [X.]([X.]) 3/15, juris [X.]n. 14).

a) Entsprechend § 44a Satz 1 VwGO können [X.]echtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen [X.]echtsbehelfen geltend gemacht werden. Als Ausnahme davon unterliegen Verfahrenshandlungen entsprechend § 44a Satz 2 VwGO einer isolierten Anfechtung, wenn sie in [X.]echtspositionen eingreifen und dadurch eine selbständige, im Verhältnis zur abschließenden Sachentscheidung andersartige Beschwer enthalten. Die darin liegende Beschwer ist mit der Umsetzung auch endgültig eingetreten und kann durch einen späteren Bescheid, auch wenn darin von einer Dienstaufsichtsmaßnahme abgesehen wird, nicht mehr rückgängig gemacht werden (st. [X.]spr.; vgl. [X.], Urteil vom 7. September 2017 - [X.]([X.]) 3/15, juris [X.]n. 15 f. m.w.N.).

b) Der Antragsteller ist auch antragsbefugt, weil jeweils ein konkreter Bezug zu seiner Tätigkeit besteht. Für die Zulässigkeit des Antrags genügt die nachvollziehbare Behauptung, dass eine Maßnahme die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers beeinträchtigt (st. [X.]spr.; vgl. [X.], Urteil vom 7. September 2017 - [X.]([X.]) 3/15, juris [X.]n. 17 m.w.N.). Der diesbezügliche Vortrag des Antragstellers im vorliegenden Fall ist nachvollziehbar. Die außerordentlichen richterlichen Geschäftsprüfungen dienten der Überprüfung der Ordnungsgemäßheit seiner richterlichen Aufgabenwahrnehmung als Vorsitzender der [X.] des [X.].

II. Die [X.] sind aber nicht begründet. [X.] hat das [X.] für [X.] angenommen, dass die Anordnung und Durchführung der beiden außerordentlichen richterlichen Geschäftsprüfungen die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers nicht verletzt haben.

1. Eine Maßnahme der Dienstaufsicht ist wegen Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit unzulässig, wenn sie auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der [X.] entscheiden oder verfahren soll; insoweit muss sich die Dienstaufsicht auch jeder psychologischen Einflussnahme enthalten ([X.], [X.], 764 [X.]n. 76; [X.], Urteil vom 31. Januar 1984 - [X.]([X.]) 3/83, [X.]Z 90, 41, 43 f.).

Eine turnusmäßige oder anlassbezogene Prüfung läuft nicht auf eine solche verbotene Einflussnahme hinaus. Die Beobachtungsfunktion gehört zum Wesen einer zulässigen Dienstaufsicht. Die dienstaufsichtführenden Stellen sind im [X.]ahmen der ihnen auch gegenüber [X.]n zustehenden Beobachtungsfunktion befugt, sich durch - turnusmäßige oder aus besonderem Anlass erfolgende - Geschäftsprüfungen Klarheit darüber zu verschaffen, ob organisatorische Entlastungsmaßnahmen oder gezieltere dienstaufsichtliche Maßnahmen angezeigt sind. Eine Prüfung verletzt die richterliche Unabhängigkeit daher erst dann, wenn sie einen unzulässigen Erledigungsdruck ausübt oder auf eine direkte oder indirekte Weisung oder psychische Einflussnahme hinausläuft, wie der [X.] künftig verfahren oder entscheiden soll. Das gilt auch für die Art und Weise, wie der Antragsteller seine Leitungsfunktion als Vorsitzender der [X.] des [X.] ausübt. Maßgebend ist dabei der objektive Eindruck, den die Maßnahme erweckt (st. [X.]spr.; vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 7. September 2017 - [X.]([X.]) 3/15, juris [X.]n. 21 m.w.N.). Das [X.] für [X.] hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die streitgegenständlichen außerordentlichen richterlichen Geschäftsprüfungen nicht auf eine direkte oder indirekte Weisung an den Antragsteller oder auf seine psychische Einflussnahme, wie er künftig verfahren sollte, hinausliefen. Bei objektiver Betrachtung laufen die in [X.]ede stehenden außerordentlichen richterlichen Geschäftsprüfungen nicht darauf hinaus, dem Antragsteller vorzugeben, wie er innerhalb der von [X.]echts wegen zu beachtenden Grenzen als Kammervorsitzender auf die Güte und Stetigkeit der [X.]echtsprechung des von ihm geleiteten Spruchkörpers [X.]. Das [X.] gibt zu einer hiervon abweichenden Bewertung keine Veranlassung.

2. Dahinstehen kann, ob eine außerordentliche richterliche Geschäftsprüfung ohne Anlass die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt oder ob ihr Anlass eine Frage der allgemeinen [X.]echtmäßigkeit der Maßnahme ist, die von den Verwaltungsgerichten zu überprüfen ist (vgl. [X.], Urteil vom 31. Januar 1984 - [X.]([X.]) 3/83, [X.]Z 90, 41, 48 ff.). Das [X.] für [X.] hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass ein objektiver Anlass für die Geschäftsprüfungen bestand. Es hat dazu ausgeführt, dass die Geschäftsprüfungen die Untersuchung bezweckten, ob und inwieweit der Antragsteller als Kammervorsitzender ohne Einverständnis der beisitzenden [X.] Änderungen in von diesen als Einzelrichtern abgefassten Urteilen vorgenommen hat, und dies zutreffend als objektiven Anlass für die Geschäftsprüfungen gewertet.

3. Schließlich kann dahinstehen, ob willkürliches Handeln des Dienstvorgesetzten die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte, was das [X.] des [X.] bisher offengelassen hat (vgl. [X.], Urteil vom 8. November 2006 - [X.]([X.]) 2/05, NJW-[X.][X.] 2007, 281 [X.]n. 26). Denn selbst wenn man annimmt, dass sich aus besonderen Umständen der Anordnung oder Durchführung einer Geschäftsprüfung - insbesondere bei Willkür - Beeinträchtigungen der richterlichen Unabhängigkeit ergeben können, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, denn im vorliegenden Fall gibt es solche besonderen Umstände entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht.

Zum einen sind Maßnahmen der Dienstaufsicht unabhängig davon zulässig, ob auch disziplinarrechtlich relevante Vorwürfe im [X.]aum stehen. Disziplinarrecht und Dienstaufsichtsrecht stehen insoweit nebeneinander und haben unterschiedliche Funktionen; es gibt keine Sperrwirkung des [X.] für dienstaufsichtliche Maßnahmen. Dem Dienstherrn stehen die Befugnisse der Dienstaufsicht nach § 26 D[X.]iG neben seinen disziplinarrechtlichen Befugnissen zur Verfügung. Erst wenn er im Zuge seiner dienstaufsichtlichen Prüfung zu der Einschätzung gelangt, dass die dienstaufsichtlichen Maßnahmen des [X.] und der Ermahnung gemäß § 26 Abs. 2 D[X.]iG nicht genügen, ist er auf das Disziplinarrecht mit den dort zu beachtenden Verfahrensvorschriften verwiesen ([X.], Urteil vom 3. Januar 1969 - [X.]([X.]) 6/68, [X.]Z 51, 280, 286).

Zum zweiten können mögliche eigenmächtige Abänderungen von Einzelrichterentscheidungen beisitzender [X.] nach entsprechendem "Anfangsverdacht" als Grund für die außerordentlichen Geschäftsprüfungen nicht als willkürlich qualifiziert werden. Mit dieser Zielrichtung bestand ein objektiver Anlass für die außerordentlichen Geschäftsprüfungen (vgl. [X.], Urteil vom 7. September 2017 - [X.]([X.]) 3/15, juris [X.]n. 24). Unabhängig davon, ob die außerordentlichen Geschäftsprüfungen zur Ermittlung des Sachverhaltes ein zweckmäßiges Mittel waren, tangierten sie nicht die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers und erreichten auch nicht die Willkürschwelle.

Im [X.]ahmen des richterdienstgerichtlichen Prüfungsverfahrens kommt es nicht darauf an, ob diese Zwecke möglicherweise auch und gegebenenfalls besser durch Befragen der im Beobachtungszeitraum kammerangehörigen [X.]innen und [X.] hätten erreicht werden können. Einwendungen gegen die Erforderlichkeit der Geschäftsprüfung sind im richterdienstgerichtlichen Verfahren nicht zu überprüfen, weil das richterdienstgerichtliche Verfahren hinsichtlich des [X.] auf eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit beschränkt ist ([X.], Urteil vom 7. September 2017 - [X.]([X.]) 3/15, juris [X.]n. 25 m.w.N.). Die beschränkte [X.] unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. [X.], [X.], 764 [X.]n. 93).

4. Auf die vom [X.] offengelassene Frage, ob die beiden außerordentlichen richterlichen Geschäftsprüfungen auch durch die Annahme veranlasst waren, die Geschäftsverteilung in der vom Antragsteller geleiteten [X.] des [X.] könne teilweise unter Verstoß gegen § 21g GVG geregelt worden sein, kommt es hiernach nicht an.

5. Die für die Entscheidung des Senats als [X.]evisionsgericht maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen des [X.]s für [X.] beim [X.] hat der Antragsteller nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen. Für die von ihm beantragte Beiziehung weiterer Akten durch den Senat war von vorneherein kein [X.]aum.

[X.]     

      

Harsdorf-Gebhardt     

      

Menges

      

von der Weiden     

      

Eppelt     

      

Meta

RiZ (R) 1/19, RiZ (R) 2/19

16.05.2023

Bundesgerichtshof Dienstgericht des Bundes

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 15. Februar 2022, Az: RiZ (R) 1/19, Beschluss

§ 26 Abs 3 DRiG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.05.2023, Az. RiZ (R) 1/19, RiZ (R) 2/19 (REWIS RS 2023, 3070)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3070

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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