Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.02.2015, Az. 7 B 13/14

7. Senat | REWIS RS 2015, 15216

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Gegenstand

Rechtmäßigkeit eines wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses; Renaturierung des Bodenseeufers; Verlust von Habitatfläche; gemeldetes FFH-Gebiet


Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs [X.] vom 10. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zu 3, 4, 10, 13, 16 und 17 jeweils 1/11, die Kläger zu 1 und 2, zu 5 und 6, zu 11 und 12 und zu 14 und 15 jeweils 1/11 als Gesamtschuldner und die Kläger zu 7, 8 und 9 als Gesamtschuldner 1/11.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 275 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Kläger wenden sich gegen einen wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss vom 7. Dezember 2001 zur Renaturierung des [X.]odenseeufers vor [X.]

2

Der [X.]eschluss betrifft den [X.] zwischen dem Gemeindehafen von [X.] und der [X.] Landesgrenze mit einer Länge von ca. 725 m. Er sieht in zwei [X.]auabschnitten die Umgestaltung des Ufers durch eine Vorschüttung aus [X.] und [X.], die Anlage eines [X.], den Abbruch von Privathäfen und Grundstücksmauern sowie die [X.]eseitigung von [X.], [X.], [X.] und sonstigen Verbauungen vor.

3

Die Kläger 1 bis 6 und 8 bis 17 sind oder waren zum Zeitpunkt der Klageerhebung Eigentümer oder Miteigentümer von [X.] im Planbereich, der Klägerin zu 7 steht ein Nießbrauch an einem dieser Ufergrundstücke zu. Sie machen u.a. Mängel der Umweltverträglichkeitsuntersuchung und -prüfung sowie erhebliche [X.]eeinträchtigungen des [X.]s im bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses gemeldeten, aber noch nicht gelisteten FFH-Gebiet "[X.] [X.] und Argenmündung" geltend.

4

Während des im Januar 2002 anhängig gewordenen Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht hat das Landratsamt weitere Ermittlungen zu den Auswirkungen des Vorhabens auf das [X.] in der [X.] [X.]ucht vorgenommen.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. März 2010 abgewiesen; der [X.]hof hat die [X.]erufung der Kläger mit Urteil vom 10. Dezember 2013 zurückgewiesen: Der Planfeststellungsbeschluss leide an keinem erheblichen Rechtsfehler, der seine vollständige oder teilweise Aufhebung oder zumindest die Feststellung seiner teilweisen Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit erfordere. Das Vorhaben stehe im Einklang mit den naturschutzrechtlichen Vorgaben der [X.]. Der günstige Erhaltungszustand der Groppe bleibe gewahrt. Erhebliche [X.] lägen nicht vor. Das hinsichtlich des [X.]s anzunehmende [X.] sei ohne Einfluss auf das [X.].

6

Der [X.]hof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde der Kläger.

II

7

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

8

1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

9

a) Die Rüge des [X.] zu 3, der [X.]hof habe einen Gehörsverstoß begangen, weil er auf sein Vorbringen, die Planfeststellungsbehörde und/oder die [X.]eigeladene hätten mit dem Verfasser der Umweltverträglichkeitsuntersuchung kollusiv zusammengewirkt, nicht eingegangen sei, greift nicht durch.

Der Grundsatz rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, das gesamte Vorbringen der [X.]eteiligten in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen. Es darf sich vielmehr auf die Gründe beschränken, die für seine Entscheidung leitend gewesen sind. Der Schluss von der Nichtbehandlung eines Vorbringens in den Entscheidungsgründen auf die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist daher nur unter der Voraussetzung zulässig, dass das betreffende Vorbringen nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts entscheidungserheblich und nicht offensichtlich unsubstanziiert war ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 25. November 2014 - 4 [X.] 37.14 - Rn. 14).

Dies ist vorliegend nicht dargetan. Der [X.]eschwerdebegründung des [X.] zu 3 vom 26. März 2014 kann - von allem anderen abgesehen - schon nicht entnommen werden, dass die von ihm in seinem Antrag auf Zulassung der [X.]erufung vom 11. Oktober 2010 aufgestellte [X.]ehauptung, die Umweltverträglichkeitsstudie sei "bestellt" und deren Verfasser befangen, überhaupt Gegenstand des [X.]erufungsverfahrens geworden ist. Der [X.]hof hatte insoweit auch keinen Anlass zu etwaigen Nachfragen oder Hinweisen an den Kläger zu 3.

b) Die ohne [X.]enennung der vermeintlich verletzten Rechtsnorm erhobene Rüge, der [X.]hof habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt "aktenwidrig" festgestellt ([X.] f. der [X.]eschwerdebegründung vom 31. März 2014), greift ebenfalls nicht durch.

Der Vorwurf, das Gericht sei von aktenwidrigen Feststellungen ausgegangen, kann auf eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO führen, wenn zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt ein offensichtlicher, keiner weiteren [X.]eweiserhebung bedürftiger, zweifelsfreier Widerspruch vorliegt ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. September 2014 - 9 [X.] 21.14 - juris Rn. 5).

Das zeigt die [X.]eschwerdebegründung nicht auf. Die Kläger machen geltend, aus dem [X.]ericht der [X.] für den [X.]odensee (IGK[X.]) Nr. 35 von 1987 "Zur [X.]edeutung der Flachwasserzone des [X.]odensees" könne entgegen der Auffassung des [X.]hofs nicht abgeleitet werden, dass der Verlust sublitoraler Lebensräume keine nachteiligen Wirkungen für die Flachwasserzone hat. Eine Feststellung mit diesem Inhalt hat der [X.]hof nicht getroffen. Er hat im Gegenteil unter Ziffer 2.2.5 auf Seite 58 der Entscheidungsgründe ausdrücklich ausgeführt, dass die mit dem Vorhaben verbundene Reduktion des Flachwasserbereichs mit einer Wassertiefe bis zu 2 m für die Selbstreinigungsfunktion der Flachwasserzone eher nachteilig sei. Die Reduktion betreffe aber nur einen schmalen Geländestreifen und der dadurch entstehende Nachteil für die Selbstreinigungsfunktion werde ohne Weiteres aufgewogen durch die positiven Auswirkungen der geplanten Maßnahme, die sich aus dem vorgesehenen Abbruch der [X.] ergäben.

Sollte die Rüge der Aktenwidrigkeit darauf zielen, dass die auf Seite 19 f. des Planfeststellungsbeschlusses wörtlich zitierte Passage aus dem IGK[X.]-[X.]ericht Nr. 35 ([X.]) die [X.]edeutung der obersten Flachwasserzone einschließlich des Wasserwechselbereichs für die Selbstreinigungsfunktion gerade nicht belege, sondern sich im Gegenteil auf den vollständig mit Wasser bedeckten [X.]ereich beziehe und daher die Auffassung der Kläger stütze, missverstehen die Kläger die Ausführungen des [X.]hofs unter Ziffer 2.3.2.5 auf Seite 69 der Entscheidungsgründe. Dort verweist der [X.]hof zunächst erkennbar auf eine andere Passage auf Seite 19 des Planfeststellungsbeschlusses, um der Auffassung der Kläger entgegenzutreten, die Maßnahme ziele nur oder vor allem auf eine Verbesserung der Selbstreinigungsfunktion und die Verminderung der trophischen [X.]elastung. Im [X.] verhält er sich dazu, welchen Flächen (Eulitoral, [X.]) größere [X.]edeutung für die Selbstreinigungsfunktion zukommt. In diesem Zusammenhang nimmt er [X.]ezug auf den IGK[X.]-[X.]ericht Nr. 35 ([X.] ff.), der die [X.]edeutung der obersten Flachwasserzone einschließlich des Wasserwechselbereichs für die Selbstreinigungsfunktion betone. Von aktenwidrigen Feststellungen kann insoweit keine Rede sein. Auf Seite 29 des IGK[X.]-[X.]erichts findet sich die zusammenfassende Feststellung, dass die oberste Flachwasserzone (d.h. der [X.]ereich mit Wassertiefen von 0 bis 2 m) mit ihrem Wasserwechselbereich im Sinne der dargestellten Kriterien die biologisch wertvollste Zone sei.

c) Es liegt auch kein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO vor.

aa) Der [X.]hof hat seine Aufklärungspflicht nicht dadurch verletzt, dass er dem in der mündlichen Verhandlung am 10. Dezember 2013 gestellten Hilfsbeweisantrag zur Wiederbesiedlung des [X.] bzw. zur Wiederbesiedlung anderer [X.] durch [X.] nicht nachgegangen ist.

Mit der Frage der Wiederbesiedlung der Flachwasserzonen im [X.] nach Abschluss des Vorhabens hat sich der [X.]hof unter Ziffer 2.2.2 auf Seite 44 ff. der Entscheidungsgründe ausführlich und unter Auswertung der von den [X.]eteiligten vorgelegten schriftlichen Gutachten sowie gutachterlichen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung beschäftigt. Nach den vom [X.]hof auf Seite 53 der Entscheidungsgründe unter [X.] getroffenen Feststellungen hat selbst der Sachverständige der Kläger, Dr. [X.], in der mündlichen Verhandlung die Prognose einer Wiederbesiedlung nicht ernstlich in Frage gestellt, sondern den Standpunkt vertreten, dass die Wiederbesiedlung durchaus fünf Jahre in Anspruch nehmen könne und das Vorkommen nicht mehr das Ausmaß der heutigen Population erreichen werde. Die Wiederbesiedlung als solche war danach unstreitig, auf weitere sachverständige Äußerungen zur Wahrscheinlichkeit einer Wiederbesiedlung in [X.] im Allgemeinen und im [X.]esonderen vor [X.] kam es folglich für den [X.]hof nicht an.

Soweit die Kläger geltend machen, der [X.]hof sei zu Unrecht der Frage nicht nachgegangen, in welchem Zeitraum mit einer Wiederbesiedlung der renaturierten [X.]ereiche gerechnet werden kann, ist diese Rüge erst nach Ablauf der [X.]egründungsfrist am 3. April 2014 mit [X.] vom 16. Juli 2014 erhoben worden. Abgesehen davon trifft nicht zu, dass der [X.]hof die Einschätzung des Sachverständigen Dr. [X.], wonach eine Wiederbesiedlungszeit von durchaus fünf Jahren anzunehmen sei, ohne [X.]egründung als "nicht überzeugend" bewertet hat. Ausweislich der Ausführungen des [X.]hofs unter Ziffer [X.] (S. 53 der Entscheidungsgründe) hat Dr. [X.] seine Einschätzung darauf gestützt, dass eine Vielzahl von Faktoren verändert werden solle, deren Kombination zu einer erhöhten Sterblichkeit der [X.] in der [X.] [X.]ucht führen werde. Dieser Einschätzung ist der [X.]hof nicht gefolgt, weil nach seinen näher begründeten Feststellungen keiner der von Dr. [X.] genannten Faktoren in einer für die [X.] negativen Richtung verändert werden soll.

bb) Dem [X.]hof ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, weil er keine weiteren Ermittlungen zur voraussichtlichen [X.]auzeit angestellt hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts erfordert die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht unter anderem die substanziierte Darlegung, dass bereits im Verfahren vor dem [X.], insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von [X.]eweisanträgen, zu kompensieren ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 8. Januar 2015 - 7 [X.] 25.13 - juris Rn. 19).

Diesen Anforderungen wird die [X.]eschwerdebegründung vom 31. März 2014 nicht gerecht. Die Kläger legen nicht dar, warum sich dem [X.]hof im Nachgang zu den Erörterungen über die [X.]auzeit in der mündlichen Verhandlung weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen, obwohl sie selbst darauf weder durch einen unbedingten [X.]eweisantrag noch durch einen Hilfsbeweisantrag hingewirkt haben.

Es kann dahinstehen, ob - was in der Erwiderung des [X.]eklagten vom 6. Juni 2014 ([X.] unten) in Frage gestellt wird - zwischen den [X.]eteiligten hinsichtlich der [X.]auzeit tatsächlich eine Divergenz besteht oder ob die vom Vertreter des [X.] prognostizierte [X.]auzeit von ca. zwei Monaten sich auf eine parallele [X.]auausführung in den zwei [X.]auabschnitten in der [X.] am [X.]odensee (Januar bis März) bezieht.

Der [X.]hof stützt seine Annahme einer höchstens zweimonatigen [X.]auzeit auf die sachkundigen Angaben des Vertreters des [X.] in der mündlichen Verhandlung ([X.] unter Ziffer 2.2.1.4). Worauf die Sachkunde dieses Vertreters beruht, ist in den Entscheidungsgründen zwar nicht näher ausgeführt; sie begegnet aber im Hinblick auf dessen Eigenschaft als Technischer Leiter des [X.] im [X.] sowie Leiter des Referats 53.2 "Gewässer erster Ordnung Neckar-[X.]odensee" ([X.] der [X.]eschwerdeerwiderung) keinen [X.]edenken. Soweit die Kläger darauf verweisen, dass die von ihnen beigezogenen Sachverständigen eine [X.]auzeit von vier Monaten veranschlagt hätten, ist nicht dargetan, um welche Sachverständigen es sich dabei handelt und woher diese die zur [X.]eurteilung der voraussichtlichen [X.]auzeit erforderliche Sachkunde beziehen; der [X.]eklagte hat in seiner [X.]eschwerdeerwiderung zutreffend darauf hingewiesen, dass den in der [X.]erufungsverhandlung auf Seiten der Kläger aufgetretenen Gutachtern als [X.]iologen nicht ohne Weiteres die insoweit erforderliche wasserbauliche Sachkunde zuerkannt werden kann.

Weitere Ermittlungen zur [X.]auzeit mussten sich dem [X.]hof schließlich auch nicht im Hinblick auf das - von den Klägern erst im nachgereichten [X.] vom 16. Juli 2014 und damit nach Ablauf der [X.]eschwerdebegründungsfrist angesprochene - Schreiben der [X.]/[X.]odensee vom 23. November 2004 aufdrängen. In diesem Schreiben wird zu verschiedenen, vom Landratsamt in Erwägung gezogenen nachträglichen Auflagen zum Planfeststellungsbeschluss Stellung genommen, darunter auch zu einer Auflage mit dem Inhalt, dass die Maßnahme, soweit vom Wasserstand des [X.]odensees her möglich, vor der Laichzeit der Groppe (Februar bis Mai) begonnen werden solle. Hierzu heißt es, ein [X.]aubeginn bis spätestens Ende Januar 2005 könne vorbehaltlich entsprechender [X.]odensee-Wasserstände zugesagt werden (Fertigstellung bis ca. Ende April/Mai). Es ist nicht erkennbar, dass mit diesen vagen Angaben eine verbindliche Aussage zur notwendigen [X.]auzeit getroffen werden sollte.

2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden entscheidungserheblichen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

a) Die als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage

Ist es mit den Anforderungen des Unionsrechts vereinbar, das Defizit einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch dann im Hinblick auf fehlende Ergebnisrelevanz als unerheblich anzusehen, wenn dies dazu führt, dass im konkreten Fall die Auswirkungen des Vorhabens auf ein gemeldetes FFH-Gebiet unberücksichtigt bleiben?

unterstellt zu Unrecht, dass die Auswirkungen auf das gemeldete FFH-Gebiet unberücksichtigt geblieben sind, weil Umweltverträglichkeitsuntersuchung und -prüfung sich nicht zum [X.] verhalten. Die Auswirkungen auf das [X.] sind im Klage- und [X.]erufungsverfahren im Rahmen der Prüfung, ob die geplanten Maßnahmen mit den Vorgaben der [X.] (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - A[X.]l. [X.] S. 7) vereinbar sind, ausführlich behandelt worden, und zwar mit dem Ergebnis, dass die Vorgaben eingehalten werden.

Zudem wird in der [X.]eschwerdebegründung nicht näher dargelegt, mit welchen konkreten Regelungen bzw. "Anforderungen" des Unionsrechts es unvereinbar sein soll, dass der [X.]hof das [X.] hinsichtlich des [X.]s ([X.]) unter [X.]ezugnahme auf die sog. Kausalitätsrechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts als unerheblich im Sinne von § 75 Abs. 1a [X.] [X.]W 1997 betrachtet hat. Soweit im Urteil des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) vom 7. November 2013 in der [X.]. [X.] ([X.]) [X.]edenken anklingen (Rn. 42 ff.), beziehen diese sich nicht auf die Kausalitätsrechtsprechung als solche, sondern auf Fragen der [X.]eweislastverteilung. Zudem betrifft das Urteil des [X.] - wie der [X.]hof zutreffend ausgeführt hat ([X.]) - den erst nach Erlass des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses mit der Richtlinie 2003/35/[X.] und des Rates vom 26. Mai 2003 (A[X.]l. L 156 S. 17) eingefügten Art. 10a der [X.] (Richtlinie 2011/92/[X.] des [X.] und des Rates vom 13. Dezember 2011 - A[X.]l. L 26 S. 1). Hiermit setzt die [X.]eschwerdebegründung sich nicht auseinander. Daran ändern die ergänzenden Ausführungen in dem erst nach Ablauf der [X.]eschwerdebegründungsfrist vorgelegten [X.] vom 16. Juli 2014 nichts. Auch dort ist nicht dargelegt, angesichts welcher unionsrechtlichen Regelungen die Anwendung der Kausalitätsrechtsprechung auf Mängel einer seinerzeit [X.] noch nicht gebotenen und vor Einfügung des Art. 10a [X.] vorgenommenen Umweltverträglichkeitsprüfung [X.]edenken begegnet. Dafür reicht der bloße Hinweis, das Verfahren beziehe sich auf einen unionsrechtlich geregelten Sachverhalt, weil ein gemeldetes FFH-Gebiet betroffen sei, nicht aus. Dies gilt umso mehr für eine Fallgestaltung wie die vorliegende, in der die gerichtliche Prüfung ergeben hat, dass die habitatrechtlichen Anforderungen gewahrt sind und deshalb nicht nur die konkrete Möglichkeit einer anderen Sachentscheidung fehlt, sondern eine andere Sachentscheidung nachweislich auszuschließen ist.

b) Für die weiter aufgeworfenen Fragen

Ist bei der Ermittlung der Erheblichkeit eines [X.]es in [X.]ezug auf ein gemeldetes FFH-Gebiet auch die Fläche eines vom betroffenen Gebietsteil räumlich abgetrennten Gebiets zu berücksichtigen, das von der Maßnahme in keiner Weise betroffen wird?

[X.] die (Mit-)[X.]erücksichtigung eines nicht betroffenen [X.] jedenfalls dann aus, wenn es für die Frage der Erheblichkeit auf die Möglichkeit der Wiederbesiedlung eines betroffenen Gebiets ankommt und diese Frage nur im Hinblick auf den unmittelbar von der Maßnahme betroffenen Gebietsteil relevant ist?

fehlt es ebenfalls an substanziierten Darlegungen zur grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit. Der Sache nach beschränkt sich die [X.]eschwerdebegründung darauf, die rechtliche Würdigung des [X.]hofs, wonach keine ernsthafte [X.]eeinträchtigung der ökologischen Merkmale des gemeldeten FFH-Gebiets droht, als fehlerhaft anzugreifen.

Die erste Frage zielt offenbar auf die Ausführungen des [X.]hofs zur Möglichkeit einer ernsthaften [X.]eeinträchtigung der ökologischen Merkmale eines gemeldeten FFH-Gebiets durch eine wesentliche Verringerung der Fläche ([X.] bis 35 oben). Warum diese auf gemeldete FFH-Gebiete bezogene Frage heute noch grundsätzlicher Klärung bedarf, namentlich für eine Reihe anderer Fälle relevant sein soll, kann der [X.]eschwerdebegründung nicht entnommen werden. Vor allem aber ist nichts dafür dargetan oder sonst ersichtlich, warum die vom [X.]hof vertretene Auffassung, der [X.] sei in Relation zur Fläche des [X.] zu setzen, selbst unter den im [X.]erufungsurteil zugrunde gelegten Voraussetzungen, dass die Gebietsteile in engem räumlichen Zusammenhang stehen und gleichen Erhaltungszielen dienen ([X.]), unionsrechtlich begründeten Zweifeln ausgesetzt sein sollte.

Die zweite Frage betrifft die Maßstäbe für die [X.]ewertung von [X.]en bei [X.]etroffenheit geschützter Arten. Diese sind, soweit dies in verallgemeinerungsfähiger Weise möglich ist, in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts bereits geklärt.

Danach kann anders als für den Verlust von Lebensraumtyp(LRT)-Flächen für den Verlust von Habitatflächen geschützter Arten nicht die Grundannahme zum Tragen kommen, im Regelfall sei jeder [X.] (der nicht nur [X.]agatellcharakter hat) erheblich. Während die Definition eines günstigen Erhaltungszustandes in Art. 1 [X.] für einen natürlichen Lebensraum u.a. darauf abstellt, ob die Flächen, die er im natürlichen Verbreitungsgebiet einnimmt, mindestens beständig sind ([X.]uchst. e), kommt es für den günstigen Erhaltungszustand einer Art nicht auf die [X.]eständigkeit der Habitatfläche, sondern auf die [X.]eständigkeit der Art an ([X.]uchst. i). Verluste von Habitatflächen führen daher nicht ohne Weiteres zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes der geschützten Art. Entscheidendes Kriterium ist vielmehr das der Stabilität, das die Fähigkeit umschreibt, nach einer Störung wieder zum ursprünglichen Gleichgewicht zurückzukehren. Ist eine Population dazu in der Lage, sei es, dass sie für ihren dauerhaften [X.]estand in der bisherigen Qualität und Quantität auf die verlorengehende Fläche nicht angewiesen ist, sei es, dass sie auf andere Flächen ohne Qualitäts- und Quantitätseinbußen ausweichen kann, so bleibt ein günstiger Erhaltungszustand erhalten und ist demgemäß eine erhebliche [X.]eeinträchtigung zu verneinen ([X.]VerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - [X.]VerwGE 130, 299 Rn. 132). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist anhand der jeweiligen Einzelfallumstände zu beurteilen.

c) Die Frage

Können eigentumsbetroffene Kläger im Rahmen ihrer Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss dessen objektive Rechtswidrigkeit im Hinblick darauf rügen, dass notwendige Maßnahmen zur Vermeidung ernsthafter [X.]eeinträchtigungen der ökologischen Merkmale eines gemeldeten FFH-Gebiets nicht durch Auflagen zum Planfeststellungsbeschluss rechtlich abgesichert werden?

rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung ebenfalls nicht. Der Umfang des Vollüberprüfungsanspruchs enteignungsbetroffener Kläger im Rahmen von [X.] ist in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts bereits geklärt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts unterliegt der Anspruch des von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung [X.]etroffenen auf gerichtliche Überprüfung des Plans auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sog. Vollüberprüfungsanspruch) Einschränkungen. Danach führt nicht jeder objektivrechtliche Fehler, der einer Planung anhaftet, zur (vollständigen oder teilweisen) Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit. Diese Rechtsfolge scheidet vielmehr aus, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler für die Eigentumsbetroffenheit des [X.] aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein als verletzt geltend gemachter öffentlicher [X.]elang nur von örtlicher [X.]edeutung ist und auch die fehlerfreie [X.]eachtung dieses [X.]elangs nicht zu einer Veränderung der Planung im [X.]ereich des klägerischen Grundstücks führen würde. Auch ein Verstoß gegen die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung kann der Anfechtungsklage eines Enteignungsbetroffenen nur dann zum Erfolg verhelfen, wenn dieser Verstoß gerade kausal für seine Eigentumsinanspruchnahme ist. Schließlich können Verstöße gegen zwingende Vorschriften des nationalen oder [X.]en Naturschutzrechts, namentlich der Habitat- und Vogelschutzrichtlinie, dann nicht zu einem Erfolg eines Anfechtungsbegehrens führen, wenn die Planung lediglich an Mängeln leidet, die für die Sachentscheidung nicht von Einfluss gewesen sind oder durch eine schlichte Planergänzung zu beheben sind ([X.]VerwG, Urteil vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - [X.]VerwGE 134, 308 Rn. 24 m.w.N.). Ob eine dieser Fallgruppen vorliegt, betrifft die Rechtsanwendung im Einzelfall.

d) Die Frage

Ist eine Maßnahme noch von der naturschutzfachlichen [X.] der Planfeststellungsbehörde gedeckt, wenn diese [X.]ewertung maßgeblich auf einer Fehlinterpretation einer fachlichen Einschätzung beruht?

würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Die Kläger unterstellen die "Fehlinterpretation einer fachlichen Einschätzung", für die hier nichts ersichtlich ist (s.o. unter 1. b).

e) Die Frage

Ist es von der naturschutzfachlichen [X.] gedeckt, wenn die Verneinung erheblicher Auswirkungen auf ein gemeldetes FFH-Gebiet nur bei der Zugrundelegung eines "best case Szenario" möglich ist und nicht bei der Zugrundelegung einer "konservativen" [X.]etrachtungsweise, also eines "worst case Szenario"?

unterstellt zu Unrecht, dass der [X.]hof der Planfeststellungsbehörde für die [X.]eurteilung der Frage erheblicher Auswirkungen auf ein gemeldetes FFH-Gebiet eine [X.] zugebilligt habe; auch diese Frage würde sich deshalb in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Die betreffenden Ausführungen im [X.]erufungsurteil ([X.] ff.) gehen für die insoweit vorzunehmende gerichtliche Überprüfung von den Grundsätzen aus, die für die Kontrolle von [X.] hinsichtlich bereits gelisteter Gebiete gelten; sie betonen, aus wissenschaftlicher Sicht dürfe "kein vernünftiger Zweifel" bestehen, dass ein günstiger Erhaltungszustand gewahrt bleibe ([X.]). An diesen Maßstäben, die eine gerichtliche Vollkontrolle erfordern, hat der [X.]hof seine gesamte nachfolgende Überprüfung in habitatrechtlicher Hinsicht ausgerichtet und dementsprechend, soweit er sich auf fachliche Einschätzungen der [X.]eklagten bzw. ihrer Gutachter bezogen hat, nicht auf deren Vertretbarkeit, sondern auf das Fehlen ernstlicher Zweifel an ihrer Tragfähigkeit abgestellt.

f) Für die Fragen

Kommt eine Präklusion in einem wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren dann in [X.]etracht, wenn der nicht rechtzeitig geltend gemachte [X.]elang erst nach Ablauf des für die Präklusion maßgeblichen Zeitraums eine rechtlich neue [X.]edeutung erlangt hat (hier Meldung eines Gebiets als potentielles FFH-Gebiet)?

Kann in einer derartigen Konstellation eine gespaltene bzw. teilweise Präklusion angenommen werden? Und zwar in der Form, dass die Präklusion einerseits verneint wird, soweit es um die Einhaltung der Vorgaben in der [X.] geht, andererseits aber bejaht wird, soweit es um das Vorliegen eines erheblichen Abwägungsfehlers

geht?

ist in der [X.]eschwerdebegründung nicht dargelegt, dass diese in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich wären. Zwar trifft zu, dass der [X.]hof auf Seite 75 f. der Entscheidungsgründe die Auffassung vertreten hat, die Kläger seien mit ihrem auf das [X.] bezogenen Einwand nicht im Hinblick auf die Einhaltung der Vorgaben der [X.], aber im Rahmen der (fachplanerischen) Abwägung präkludiert. Die Annahme einer "Teilpräklusion" ist aber nicht allein entscheidungstragend. Der [X.]hof hat vielmehr selbstständig tragend auch darauf abgestellt, dass das hinsichtlich des [X.]s anzunehmende [X.] ohne Einfluss auf das [X.] im Sinne von § 75 Abs. 1a [X.] [X.]W sei ([X.] unter ee)). Dabei hat er sich die Erwägungen des [X.] zum Nichtvorliegen erheblicher [X.], die sich auch zum [X.] verhalten ([X.] f. unter [X.]), auf Seite 71 der Entscheidungsgründe ausdrücklich zu eigen gemacht, seine Ausführungen auf Seite 71 ff. der Entscheidungsgründe sollen diese lediglich ergänzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 und 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und § 39 Abs. 1 GKG.

Meta

7 B 13/14

20.02.2015

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 10. Dezember 2013, Az: 3 S 619/12, Urteil

§ 86 Abs 1 VwGO, Art 1 Buchst e EWGRL 43/92, Art 1 Buchst i EWGRL 43/92

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.02.2015, Az. 7 B 13/14 (REWIS RS 2015, 15216)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15216

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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