Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.02.2010, Az. IV ZR 312/07

4. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9308

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes: Übergangsregelungen für rentennahe Versicherte nach Systemänderung


Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 5. Oktober 2007 aufgehoben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 13. April 2007 insgesamt zurückgewiesen.

Die Revision des [X.] gegen das vorgenannte Urteil des [X.] wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Streitwert: 6.747 €

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

1. Die beklagte [X.] und der Länder ([X.]) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, [X.] und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. [X.] vom 3. Januar 2003) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 ([X.]) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 ([X.]) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 ([X.]) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem [X.] beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.

2

Die neue Satzung der [X.] ([X.]S) enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen [X.] übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in [X.] und [X.] Versicherte unterschieden. [X.] ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des [X.] unterfiel oder [X.] in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen kann. Die Anwartschaften der ca. 200.000 [X.]n Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen. Die Anwartschaften der übrigen ca. 1,7 Millionen [X.]n Versicherten berechnen sich demgegenüber nach den §§ 32 Abs. 1 und 4, 33 Abs. 1 Satz 1 [X.], 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 [X.]S i.V. mit § 18 Abs. 2 des Betriebsrentengesetzes ([X.]). Unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einem [X.]n oder einem [X.]n Jahrgang erhalten Beschäftigte, die am 1. Januar 2002 mindestens 20 Jahre pflichtversichert waren, als Startgutschrift für jedes volle Kalenderjahr der Pflichtversicherung bis zum 31. Dezember 2001 mindestens 1,84 Versorgungspunkte (VP), bei Teilzeitbeschäftigung gemindert durch Multiplikation mit dem am 31. Dezember 2001 maßgebenden Gesamtbeschäftigungsquotienten (§§ 9 Abs. 3 [X.], 37 Abs. 3 [X.]S).

3

2. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Systemumstellung, die Wirksamkeit der Übergangsregelung für [X.] Versicherte, die Frage der Anrechnung von Vordienstzeiten, die Zulässigkeit der Festschreibung von Berechnungselementen (insbesondere der Einkünfte) zum [X.], die Höhe der dem Kläger erteilten Startgutschrift von 199,96 [X.] (das entspricht einem Wert von monatlich 799,84 €) und die Höhe der dem Kläger mittlerweile gezahlten Betriebsrente.

4

Der am 23. Februar 1943 geborene und somit einem [X.]n Jahrgang zugehörige Kläger hat als Beschäftigter im öffentlichen Dienst bis zum [X.] (31. Dezember 2001) 368 Umlagemonate und bis zum Rentenbeginn am 1. April 2006 weitere 51 Umlagemonate bei der [X.] zurückgelegt. In der gesetzlichen Rentenversicherung hat er darüber hinaus weitere 88 Umlagemonate vorzuweisen, während derer er nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt war (so genannte Vordienstzeiten). Er nimmt seit 1. April 2006 Rentenleistungen in Anspruch. Dabei bezieht er seither vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine monatliche Altersrente und von der [X.] eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 678,22 € netto (vgl. Rentenmitteilung der [X.] vom 30. März 2006).Deren Höhe wurde auf der Grundlage der neuen Satzung der [X.] in der Weise errechnet, dass zunächst nach den vorgenannten Übergangsbestimmungen für [X.] Versicherte die Startgutschrift (199,96 Versorgungspunkte) für den 31. Dezember 2001 ermittelt und sodann die seit dem 1. Januar 2002 bis zum Rentenbeginn nach dem neuen [X.] erworbenen Versorgungspunkte (17,89 Versorgungspunkte) hinzugerechnet wurden. In der Rentenberechnung ist die so genannte Mindestgesamtversorgung (§ 79 Abs. 2 [X.]S i.V. mit § 40 Abs. 4 [X.]S a.F.) mit berücksichtigt, zur Hälfte berücksichtigt sind die Vordienstzeiten des [X.].

5

3. Der Kläger wendet sich insbesondere gegen die Nichtberücksichtigung seines [X.] vor Renteneintritt bei der Ermittlung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts und ist der Auffassung, seine Betriebsrente müsse auch insoweit nach den früheren, vor der Systemumstellung gültigen Satzungsbestimmungen ermittelt werden. Weiter meint er, die nunmehr in § 39 [X.]S vorgesehene jährliche Dynamisierung der Betriebsrente um 1% könne die Anpassungsbestimmung des § 56 [X.]S a.F. nicht in zulässiger Weise ersetzen. In verschiedenen Klageanträgen hat der Kläger sein Begehren, die Bestimmungen der alten Satzung seiner Betriebsrentenermittlung zugrunde zu legen, näher konkretisiert. Er beanstandet erstmals im Revisionsverfahren, dass die Beklagte seine Vordienstzeiten nicht in vollem Umfang berücksichtigt habe. Schließlich wendet er sich im Revisionsverfahren auch dagegen, dass die grundsätzlich bruttobezogene Gesamtversorgung auf einen nettobezogenen Betrag begrenzt werde, bei dem etwa Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge vom gesamtversorgungsfähigen Entgelt in Abzug gebracht würden. Die mit der 19. Satzungsänderung am 1. Januar 1985 in [X.] getretene Nettobegrenzung möge zwar seinerzeit dem Abbau einer Überversorgung gedient haben, doch könne davon angesichts der inzwischen eingetretenen Rentenkürzungen keine Rede mehr sein.

6

4. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen hat das [X.] auf einen hilfsweise gestellten Antrag des [X.] festgestellt, die Beklagte sei verpflichtet,

dem Kläger bei Eintritt des Versicherungsfalles mindestens eine Betriebsrente zu gewähren, die dem geringeren Betrag aus der Berechnung der Zusatzrente nach ihrer früheren Satzung (in der Fassung der 41. Satzungsänderung) zum [X.] (31. Dezember 2001) oder zum Eintritt des Versicherungsfalles entspricht.

7

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie erstrebt die Wiederherstellung des [X.] amtsgerichtlichen Urteils. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision seine bisherigen Anträge vollen Umfangs weiter und erhebt die oben dargelegten weiteren Beanstandungen.

Entscheidungsgründe

8

Nur die Revision der [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

9

I. 1. Die Übergangsregelungen für rentennahe Versicherte sind wirksam. Der [X.] hat bereits mit Urteil vom 14. November 2007 ([X.]/06 - [X.], 127 [X.]. 25 ff.) entschieden, dass die Satzung der [X.] auch ohne Zustimmung der Versicherten und im Wege einer umfassenden Systemumstellung geändert werden konnte. Mit Urteil vom 24. September 2008 ([X.]/07 - [X.], 101) hat er dies bestätigt und die Berechnung der bis zum Zeitpunkt der Systemumstellung von den rentennahen Versicherten erworbenen Rentenanwartschaften sowie deren Übertragung in das neu geschaffene Betriebsrentensystem gebilligt. Die von den Tarifvertragsparteien im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums getroffene Regelung ist jedenfalls vertretbar und schon aus diesem Grunde verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere auch für Zugrundelegung der fiktiven, sich bei Vollendung des 63. Lebensjahres ergebenden [X.] ([X.], 101 [X.]. 39-45) und die Festschreibung der Rechengrößen, wie etwa des Entgelts, des [X.] und der Steuerklasse, zum [X.] (BGHZ aaO [X.]. 46 ff.). Der Kläger hat im Übrigen nicht geltend gemacht, dass sich bei ihm persönlich zwischen dem [X.] und dem Renteneintritt Änderungen der Steuerklasse ([X.]/0) oder des [X.] ergeben hätten.

Weiter begegnet es keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass den rentennahen Versicherten lediglich im Rahmen einer Besitzstandsregelung die Vorteile aus der Halbanrechnung von Vordienstzeiten belassen werden, eine Vollanrechnung aber nicht stattfindet (BGHZ aaO [X.]. 54-59). Es kann insoweit offen bleiben, ob der Kläger mit dem erstmals in der Revision erhobenen Einwand gehört werden kann. Entsprechende Klaganträge hatte er in den Vorinstanzen ausweislich des Berufungsurteils nicht gestellt.

Im Übrigen wird ergänzend auf die Ausführungen in den genannten [X.]surteilen, die sich auch zu den weiteren Revisionsangriffen des [X.] verhalten, verwiesen.

2. Es liegt keine unzulässige Rückwirkung darin, dass die am 3. Januar 2003 im [X.] veröffentlichte neue Satzung der [X.] die Systemumstellung bereits mit Wirkung zum Ablauf des 31. Dezember 2001 vorgenommen hat. Denn die Tarifvertragsparteien hatten sich schon vor dem [X.] am 13. November 2001 im so genannten [X.] auf die Systemumstellung geeinigt und dies auch ausreichend öffentlich gemacht. Insofern war ein schutzwürdiges Vertrauen der Versicherten darauf, dass die Regeln der alten Satzung über den 31. Dezember 2001 hinaus Bestand hätten, nicht mehr begründet.

3. Anders als die Revision meint, verstoßen die Übergangsregelungen für rentennahe Versicherte in der neuen Satzung der [X.] auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Prinzip der Normenklarheit oder das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Allerdings hat das [X.] im Beschluss vom 22. März 2000 (1 BvR 1136/96 - [X.], 835 unter [X.], [X.] [juris [X.]. 38]) angemerkt, dass das frühere Satzungswerk der [X.] eine Komplexität erreicht habe, die es dem einzelnen Versicherten kaum mehr ermögliche, zu überschauen, welche Leistungen er zu erwarten habe und wie sich berufliche Veränderungen im Rahmen des Erwerbslebens auf die Höhe der Leistungen auswirkten. Eine weitere Zunahme dieser Komplexität könne an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen, sei es weil die Arbeitnehmer dadurch in der freien Wahl ihres Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 GG) in unzumutbarer Weise behindert würden, sei es weil sich die sachliche Rechtfertigung für Ausdifferenzierungen im Normengeflecht nicht mehr nachvollziehen lasse und somit die Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht mehr gewährleistet werden könne. Das [X.] hat die alte Satzung der [X.] aber trotz dieser Bedenken als gerade noch rechtlich hinnehmbar bewertet. Soweit die Übergangsregelungen der §§ 78 und 79 [X.] darauf zurückgreifen, kann insoweit nichts anderes gelten. Im Übrigen ist das seit der Systemumstellung gültige Punktesystem dadurch gekennzeichnet, dass es die Rentenentwicklung im Gegensatz zum früheren Gesamtversorgungssystem weitgehend von externen Faktoren abgekoppelt und damit eine insgesamt überschaubarere Regelung getroffen hat. Dass die [X.] für rentennahe Versicherte dennoch auf die komplizierten Bestimmungen der früheren Satzung der [X.] zurückgreifen, dient allein dem Ziel, dieser Gruppe von Versicherten einen weitergehenden Besitzstandsschutz zu gewähren als der Gruppe der rentenfernen Versicherten.

4. Wegen der Angriffe des [X.] auf die mit der 19. Satzungsänderung vom 10. November 1983 (BAnz. Nr. 53 vom 15. März 1984) ab dem 1. Januar 1985 eingeführte Nettobegrenzung der [X.] nach § 41 Abs. 2c lit. a-e [X.] a.F. und die insoweit zu berücksichtigenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge verweist der [X.] auf seine Entscheidung [X.], 370, 383 ff. und das [X.]surteil vom 10. Dezember 2003 ([X.] - VersR 2004, 319 unter [X.], bb).

II. Auf die Revision der [X.] waren das Berufungsurteil aufzuheben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist, und die Klageabweisung durch das Amtsgericht unter Zurückweisung der Berufung des [X.] zu bestätigen. Insoweit wird auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen.Zu recht weist die [X.] in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass es dem Berufungsgericht nicht nachvollziehbar gelungen ist, eine greifbare Renteneinbuße festzustellen, nachdem insbesondere der vom Berufungsgericht in anderen Fällen regelmäßig gewählte Vergleich der tatsächlich gezahlten Zusatzrente mit dem von der vierten Fiktivberechnung ausgewiesenen Wert hier eine Besserstellung des [X.] ergibt. Schon insoweit ist nicht ersichtlich, worin im Falle des [X.] der Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen liegen soll.

[X.]                                         Wendt

                      Dr. [X.]

Meta

IV ZR 312/07

17.02.2010

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Karlsruhe, 5. Oktober 2007, Az: 6 S 14/07, Urteil

§ 32 Abs 1 ATV, § 32 Abs 4 ATV, § 33 Abs 2 ATV, § 33 Abs 4 ATV, § 78 Abs 1 VBLSa, § 78 Abs 2 VBLSa, § 79 Abs 2 VBLSa, § 79 Abs 4 VBLSa, § 307 Abs 1 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.02.2010, Az. IV ZR 312/07 (REWIS RS 2010, 9308)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9308

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.