Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 11.08.2020, Az. 1 BvR 1115/18

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2020, 2982

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zur Befugnis des Gesetzgebers, auf eine von ihm abgelehnte Rspr mit einem "Korrekturgesetz" zu reagieren - hier: Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen § 7 SokaSiG unzulässig - iÜ Parallelentscheidung


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die von der Beschwerdeführerin gegen das Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz (SokaSiG) vom 16. Mai 2017 ([X.]) vorgebrachten [X.] greifen nicht durch.

2

1. Die Rüge, das Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz verletze den Grundsatz der Gewaltenteilung, weil der Gesetzgeber damit eine ihm nicht genehme Rechtsprechung des [X.] praktisch leerlaufen lassen wolle, greift nicht durch. Zwar ist grundsätzlich denkbar, dass aus der Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips auch ein Grundrechtsverstoß folgen kann. Denn jedenfalls Art. 2 Abs. 1 GG gewährt ein Recht, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formal und materiell der Verfassung gemäß sind (vgl. [X.] 113, 29 <45> m.w.N.). Allerdings setzt sich die Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben auseinander und genügt damit nicht den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] (vgl. [X.] 140, 229 <232 Rn. 9> m.w.N.; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 20. November 2019 - 1 BvR 2400/17 -, Rn. 8). So hat das [X.] sich schon im Jahr 1957 ([X.] 7, 89) mit der Frage befasst, inwiefern der Gesetzgeber auf eine von ihm abgelehnte Rechtsprechung mit einem "Korrekturgesetz" reagieren darf. Danach führt die rechtsstaatliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen notwendig dazu, dass der Gesetzgeber Verhältnisse, die er gesetzlich geregelt glaubte, aber aufgrund gerichtlicher Entscheidung nicht oder anders geregelt findet, als er dies angenommen hat, auch rückwirkend neu regelt (vgl. [X.] 7, 89 <94>). Die rückwirkende Herstellung einer zuvor nur scheinbar vorhandenen Rechtslage ist daher nicht etwa aus Gründen der Gewaltenteilung unzulässig, sondern unter Umständen sogar rechtsstaatlich angezeigt. Der Gesetzgeber ist befugt, gegebenenfalls eine Rechtsprechung zu korrigieren, mit der er nicht einverstanden ist (vgl. [X.] 126, 369 <392>). Entscheidet er sich insoweit für rückwirkende Regelungen, muss diese den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rückwirkung genügen (vgl. [X.] 135, 1 <15 Rn. 45>).

3

2. Die [X.], wonach das Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz aufgrund der mit ihm angeordneten echten Rückwirkung verfassungswidrig sei, greifen ebenfalls nicht durch. Insofern wird auf die Erwägungen der Kammer in dem Beschluss vom 11. August 2020 im Verfahren 1 BvR 2654/17 verwiesen.

4

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

5

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1115/18

11.08.2020

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 7 SokaSiG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 11.08.2020, Az. 1 BvR 1115/18 (REWIS RS 2020, 2982)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2982

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