Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.06.2023, Az. 3 StR 414/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2023, 4179

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Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2022 im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin ergänzt, dass die Angeklagte in Höhe von 1.340.000 € als Gesamtschuldnerin haftet.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen vorsätzlichen unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und wegen Unterschlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von [X.]n in Höhe von 1.384.000 €, davon in Höhe von 750.000 € als Gesamtschuldnerin, angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen geringen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

I. Die [X.] bedarf hinsichtlich der gesamtschuldnerischen Haftung der Korrektur, weist im Übrigen aber keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.

3

[X.]r [X.] hat in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:

„1. [X.] hat , durch‘ die Unterschlagung im Fall B.lll. der Urteilsgründe Geld und Edelmetall im Umfang von 1.340.000 [X.] erlangt. Dieser Betrag ergibt sich aus einer zugunsten der Beteiligten vorgenommenen Berechnung ([X.]); dass der vom Mitangeklagten [X.]tatsächlich erhaltene Anteil - ausgehend von dessen dezidierter Angabe - etwas über dem rechnerischen Teilungsverhältnis liegt, ist nicht zu beanstanden. Danach wurde zu Recht die Einziehung des Wertes dieser [X.] angeordnet (§§ 73, 73c StGB).

a) Dabei belegt oder begründet alleine eine mittäterschaftliche Tatbeteiligung für sich betrachtet keine tatsächliche Verfügungsgewalt im Sinne von § 73 StGB. Einem Tatbeteiligten kann die Gesamtheit des aus der Tat [X.] mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung nur dann zugerechnet werden, wenn sich die Beteiligten einig sind, dass jedem die Mitverfügungsgewalt hierüber zukommen soll, und er diese auch tatsächlich hatte. Dabei genügt es, dass der Tatbeteiligte zumindest faktische oder wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über den Vermögensgegenstand erlangte. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff darauf nehmen konnte ([X.], Beschluss vom 6. Juli 2021 - 2 StR 3/20, juris Rn. 3). Dies kann selbst dann zu bejahen sein, wenn die unmittelbare Tatausführung und Inbesitznahme der Beute nur einem Tatbeteiligten obliegt, sich jedoch alle Tatbeteiligten schon zu Beginn der Taten darüber einig sind, dass jedem der Mittäter die Mitverfügungsgewalt über die Beute zukommen soll. Eine faktische oder wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand bei mehreren Beteiligten kann nämlich - jedenfalls bei dem vor Ort anwesenden, die Beute oder Teile davon in den Händen haltenden Mittäter - auch dann vorliegen, wenn sich diese in einer Abrede über die Beuteteilung widerspiegelt. [X.]nn damit , verfügt‘ der Mittäter zu seinen oder der anderen Beteiligten Gunsten über die Beute, indem er in Absprache mit diesen Teile des gemeinsam [X.] sich selbst oder den anderen zuordnet ([X.], Urteil vom 20. November 2019 - 2 StR 54/19, juris Rn. 11).

Gegenstände die als Mittel für die Tatausführung oder gelegentlich der Tatausführung kurzfristig in Besitz genommen werden (sog. transitorischer Besitz) gelten indes noch nicht als im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt, weil es insoweit an einem rechtserheblichen Vermögenszufluss fehlt. Auch aus der Überlassung von [X.] zum Transport und einer zeitlich nicht näher eingegrenzten Aufbewahrung folgt noch nicht ohne weiteres, dass der Täter deshalb auch schon faktische Mitverfügungsgewalt hat (vgl. [X.], Urteil vom 13. September 2018 - 4 [X.], juris Rn. 22).

b) Gemessen daran kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Anordnung allein davon getragen wird, dass die Angeklagte , über ihren [X.]    tatsächliche Verfügungsgewalt über die gesamte [X.] in Höhe von 1.340.000,00 [X.]‘ hatte ([X.]). Insoweit ist fraglich, ob im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt womöglich bereits eingetretene materielle Beendigung der Tat (vgl. zur Frage der materiellen Beendigung bei § 246 StGB [X.]/[X.], [X.], 59 ff.) die Erlangung noch ,in irgendeiner Phase des [X.] (s. [X.], Urteil vom 15. Juli 2020 - 2 StR 46/20, juris Rn. 14) erfolgt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 27. März 2019 - 2 StR 561/18, juris Rn. 11; aber auch Beschluss vom 12. Januar 2021 - 3 [X.], juris Rn. 1 f.; [X.]/[X.], NStZ 2017, 665, 669 sowie [X.]/[X.]/Eser/[X.], StGB, 30. Aufl. 2019, § 73 Rn. 11, wonach eine derartige Beschränkung in zeitlicher Hinsicht zu eng erscheint). Indes wurde bereits während der Tatbegehung der Angeklagten Mitverfügungsgewalt vermittelt, indem der Mitangeklagte [X.].   die Gegenstände aufgrund des zuvor gefassten gemeinsamen Tatplanes ([X.]) in Empfang genommen hat ([X.] f.). Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob der gesondert verfolgte         S.        im Zuge der anschließenden Verbringung mehr als lediglich , transitorischen Besitz‘ hatte.

c) Nach alledem bedarf der Ausspruch der Ergänzung dahin, dass die Angeklagte im Umfang von 1.340.000,00 [X.] als Gesamtschuldnerin haftet, wobei die individuelle Benennung weiterer Gesamtschuldner nicht erforderlich ist (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Juli 2022 - 3 [X.], Rn. 11). [X.]m steht nicht entgegen, dass beim Mitangeklagten [X.].   keine entsprechende [X.] ergangen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Juni 2021 - 3 [X.], juris Rn. 4). Ohnehin soll der Innenausgleich den Betroffenen überlassen werden (vgl. SSW-StGB/[X.], 5. Aufl. 2021, § 73 Rn. 57), zumal die gegen die Angeklagte ergangene Anordnung nicht auf deren ‚Anteil‘ beschränkt wurde (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 6. November 2018 - 5 StR 223/18, juris). Überdies erscheint nicht ausgeschlossen, dass in gesonderten Strafverfahren Mitverfügungsgewalt des Ehemannes der Angeklagten - oder deren [X.] - festgestellt wird (vgl. auch [X.], Beschluss vom 26. Juli 2022 - 3 [X.], juris Rn. 11; Beschluss vom 18. Juli 2018 - 2 StR 245/18, juris Rn. 10). Um eine doppelte Inanspruchnahme zu vermeiden, ist daher die gesamtschuldnerische Haftung in der Entscheidungsformel zu kennzeichnen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Januar 2021 - 3 [X.], juris Rn. 2).

2. Bei dem rechtsfehlerfrei errechneten [X.] in Höhe von 44.000,00 [X.] ([X.]) handelt es sich um ‚für‘ die Tat Erlangtes im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Eine gesamtschuldnerische Haftung war insoweit nicht anzuordnen (vgl. SSW-StGB/[X.], 5. Aufl. 2021, § 73 Rn. 57).“

4

[X.]m schließt sich der Senat an.

5

II. Im Übrigen hat die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils keinen der Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben.

6

III. Angesichts des nur geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, die Angeklagte mit den gesamten durch ihr Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

Schäfer     

  

Paul     

  

Hohoff

  

Anstötz     

  

Voigt     

  

Meta

3 StR 414/22

01.06.2023

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 23. Mai 2022, Az: 109 KLs 5/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.06.2023, Az. 3 StR 414/22 (REWIS RS 2023, 4179)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4179


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 414/22

Bundesgerichtshof, 3 StR 414/22, 01.06.2023.


Az. 109 KLs 5/21

Landgericht Köln, 109 KLs 5/21, 23.05.2022.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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