Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.03.2022, Az. B 11 AL 64/21 B

11. Senat | REWIS RS 2022, 771

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - unzureichende Urteilsbegründung - Verletzung des rechtlichen Gehörs - Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung - Vertagungsantrag - Schriftsatznachlass - überlange Verfahrensdauer


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 29. September 2021 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.], § 169 [X.]).

2

Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]) die diesen Verfahrensmangel des [X.] (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; vgl bereits B[X.] vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 160a Rd[X.] 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des [X.] - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits B[X.] vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - [X.] 1500 § 160a [X.]6).

3

a) Zum einen rügt die Klägerin eine unzureichende Begründung durch das [X.] und macht damit eine Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 2, § 136 Abs 1 [X.] 6 [X.] geltend. Eine Entscheidung ist indes nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat oder wenn seine Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen oder zum tatsächlichen Geschehen falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sind ([X.] B 12 KR 16/17 R - juris Rd[X.] 25). Selbst fehlerhafte Gründe sind dem vollständigen Fehlen von Gründen vielmehr erst dann gleichzusetzen, wenn sie rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass die angeführten Gründe unter keinem Gesichtspunkt geeignet sind, den [X.] zu tragen ([X.] B 12 KR 16/17 R - juris Rd[X.] 25).

4

Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen hier vorliegen. Vielmehr ergibt sich aus ihrem Vortrag selbst, dass das [X.] - anders als das [X.] - den Anspruch wegen Versäumnis der Frist des § 324 Abs 3 [X.]B III verneint und hierzu Ausführungen gemacht hat. Weswegen sich das [X.] gleichwohl mit der Frage der fehlenden offensichtlichen Masselosigkeit (§ 183 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B III in der bis zum [X.] geltenden Fassung), auf die das [X.] abgestellt hat, hätte auseinandersetzen müssen, ist nicht nachvollziehbar. Ein Gericht muss sich nicht zu [X.] äußern, auf die es nach seiner Rechtsauffassung nicht ankommt. Auch bezeichnet die Klägerin keinen Verfahrensmangel, wenn sie rügt, dass das [X.] die Verschlossenheit des Eingangs der Arbeitgeberin der Klägerin am [X.] nicht im Tatbestand festgestellt habe, sondern sich hierauf nur in den Entscheidungsgründen gestützt habe; die Beweiswürdigung hat gerade Gegenstand der Entscheidungsgründe zu sein. Mit Blick darauf, dass das [X.] seine Entscheidung auf die Fristversäumnis gestützt hat, fehlt es zudem an der Darlegung des Beruhens der Entscheidung auf dem vermeintlichen Verfahrensfehler.

5

b) Außerdem rügt die Klägerin eine Verletzung von § 121 Satz 2 [X.], weil das [X.] die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet habe. Sie habe sich nach einem Hinweis des [X.] in der mündlichen Verhandlung, dass die Frist des § 324 Abs 3 [X.]B III nicht gewahrt sei, nicht hinreichend äußern können. Der Sache nach rügt die Klägerin damit eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 [X.]) durch eine unterbliebene Vertagung, weil sie nicht auf Umstände abstellt, die nach Schließung der mündlichen Verhandlung eingetreten sind, sondern auf einen Hinweis des Gerichts vor Schließung der mündlichen Verhandlung (vgl B[X.] vom 23.10.2003 - [X.]/03 B - [X.] 4-1500 § 62 [X.] 1 Rd[X.] 7 ff; B[X.] vom [X.] AS 47/15 R - B[X.]E 122, 25 = [X.] 4-1500 § 114 [X.] 2, Rd[X.]6-37). Insofern ist ein Verfahrensmangel indes schon deswegen nicht bezeichnet, weil die Klägerin keinen Antrag auf [X.] bzw Vertagung gestellt hat (zu dieser Notwendigkeit B[X.] vom 2.3.2020 - [X.] [X.]/20 B ua - juris Rd[X.]; B[X.] vom 7.6.2021 - [X.] [X.] 7/21 B - juris Rd[X.] 7). Dies darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass anstelle der unterbliebenen Vertagung eine Verletzung von § 121 Satz 2 [X.] gerügt wird.

6

c) Schließlich rügt die Klägerin eine überlange Verfahrensdauer. Damit ist ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.] nicht bezeichnet. Denn eine überlange Verfahrensdauer kann keinen solchen Verfahrensmangel darstellen (B[X.] vom [X.] - B 14 [X.]/12 B - juris Rd[X.] 6; B[X.] vom [X.] - B 13 R 32/15 BH - juris Rd[X.] 21). Mit dieser Rechtsfrage setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Danach kann eine überlange Verfahrensdauer nur nach Maßgabe von § 202 Satz 2 [X.] iVm §§ 198 ff [X.] geltend gemacht werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass weder die Durchführung eines Revisionsverfahrens noch eine Zurückverweisung der Sache gemäß § 160a Abs 5 [X.] an das [X.] die behauptete überlange Verfahrensdauer beseitigen könnte, sondern die Dauer des Verfahrens sogar noch verlängern würde. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des B[X.], wonach eine überlange Verfahrensdauer einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.] darstellen könne, weil es an einem anderen, spezielleren Rechtsbehelf fehle (B[X.] vom 13.12.2005 - [X.] RA 220/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 11 Rd[X.] 21 ff), ist durch die Einführung von § 202 Satz 2 [X.] iVm §§ 198 ff [X.] mit Wirkung ab 3.12.2011 überholt (B[X.] vom 15.10.2015 - [X.] V 15/15 B - juris Rd[X.] 9).

7

2. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.].

                [X.]

Meta

B 11 AL 64/21 B

10.03.2022

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Schwerin, 21. April 2016, Az: S 2 AL 29/11, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 62 SGG, § 121 S 2 SGG, § 128 Abs 1 S 2 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG, § 202 S 2 SGG, § 198 GVG, §§ 198ff GVG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.03.2022, Az. B 11 AL 64/21 B (REWIS RS 2022, 771)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 771

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