Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. VII ZR 95/16

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10051

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:010617UVIIZR95.16.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VII ZR 95/16
Verkündet am:

1.
Juni 2017

Boppel,

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
BGB § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2
Ein Gutachter, der dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls die Erstellung eines Gut-achtens zu den Schäden an dem Unfallfahrzeug zu einem Honorar anbietet, das deut-lich über dem ortsüblichen Honorar liegt, muss diesen über das Risiko aufklären, dass der gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherer das Honorar nicht in vollem Umfang er-stattet ([X.] an [X.], Urteile vom 28. Juni 2006 -
XII
ZR 50/04, [X.]Z 168, 168; vom 24. Oktober 2007 -
XII [X.], NJW-RR 2008, 470; vom 25.
März
2009
-
XII [X.], NJW-RR 2009, 1101).
[X.], Urteil vom 1. Juni 2017 -
VII ZR 95/16 -
LG [X.] am Main

AG [X.] am Main

-
2
-

Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16.
Februar
2017
durch den Vorsitzenden
Richter Dr.
Eick, [X.], Dr. Kartzke
und Prof. Dr. Jurgeleit und
die Richterin
Sacher
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts [X.] am Main vom 4. März 2016 aufgeho-ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die
Klägerin, ein
Kfz-Haftpflichtversicherer,
begehrt von dem
beklagten Kraftfahrzeugsachverständigen aus abgetretenem
Recht
Rückzahlung eines angeblich überhöhten
Gutachterhonorars
in Höhe eines Teilbetrages von .
Der [X.] macht -
ebenfalls aus abgetretenem Recht
-
widerkla-gend Erstattung restlichen
Gutachterhonorars
in Höhe von 3,09

Der [X.]
wurde am 6. Juni 2011 nach einem von dem Versicherungs-nehmer der Klägerin schuldhaft verursachten Verkehrsunfall von dem Geschä-1
2
-
3
-

digten mit der Begutachtung der entstandenen Schäden an dessen Kraftfahr-zeug
beauftragt.
Anlässlich der Beauftragung unterzeichnete der Geschädigte eine Honorarvereinbarung, nach der ein anhand der Schadenssumme zu [X.] sowie die Zahlung von [X.] für [X.] Nebenkosten vorgesehen waren. Ferner trat er seinen "auf [X.] bzw. auf Wiederbeschaffungsaufwand gerichteten Schadensersatzan-spruch"
aus dem Verkehrsunfall in Höhe der Honorarforderung sicherungshal-ber an den [X.]n ab.
Der [X.] erstattete am 8. Juni 2011 ein Gutachten,
das Reparaturkos-netto
auswies. Mit Rechnung vom gleichen Tag be-rechnete er hierfür
ein sich aus einem

und
Nebenkos-

zusammensetzendes Honorar von netto, zuzüglich Umsatzsteuer
insgesamt .
Die Klägerin zahlte auf
das Honorar
einen Teilbeine weitere Regulierung
ab. Der Geschädigte zahlte daraufhin den noch offe-nen Betrag an den [X.]n und begehrte in einem ge-gen die Klägerin geführten Rechtsstreit dessen Erstattung. Das Gericht
gab der Klage statt und
führte zur Begründung aus, es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung oder der Zahlung die deutliche Überhöhung des Honorars habe erkennen können, er habe auch [X.] betreiben müssen, um einen möglichst preisgünstigen Gutachter zu finden.
Die Klägerin zahlte den tenorierten Betrag an den [X.] und ließ sich von diesem mit
Vereinbarung vom 9. Juli 2014 sämtli-che Ansprüche gegen den [X.]n im Zusammenhang mit der [X.] vom 8.
Juni 2011 abtreten.
Sie macht geltend, das Honorar des [X.]n vergleichbare Leistung.
3
4
-
4
-

t-gegeben,
im Übrigen Klage und Widerklage abgewiesen
und die Berufung zu-gelassen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des [X.]n die Klage insgesamt abgewiesen und der Widerklage in Höhe von [X.]; die Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren wei-ter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und [X.] der Sache an das Berufungsgericht zur
neuen
Verhandlung und Entschei-dung.

I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klage sei unbegründet. Der Klä-gerin stehe kein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich des anteiligen Honorars in gemäß
§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall
1
BGB aus abgetretenem Recht zu, da der [X.] und der Geschädigte bei Vertragsschluss eine wirk-same Honorarvereinbarung geschlossen hätten. Anhaltspunkte für eine Sitten-widrigkeit der Honorarvereinbarung gemäß
§ 138 Abs. 1 BGB oder für Wucher gemäß
§ 138 Abs. 2 BGB lägen nicht vor. Ein auffälliges Missverhältnis zwi-schen Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB werde an-genommen, wenn die verlangte Leistung um 100 % über dem Marktwert liege. Hier sprächen zwar viele Anhaltspunkte dafür, dass der [X.] sowohl hin-5
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7
-
5
-

sichtlich des [X.] als auch der Nebenkosten deutlich höher abrechne als andere Gutachter. Das erstinstanzlich eingeholte Gutachten komme jedoch

ungeachtet der Frage, ob es einen richtigen Vergleichsmaßstab für ein übli-ches Honorar entwickelt habe
-
lediglich zu dem Ergebnis, dass das Honorar von 1.044,11

Darin liege kein auffälliges Missver-hältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Auch sei die Grenze zu einem sittenwidrigen Verhalten nicht überschritten. Grundsätzlich bestehe Vertrags-freiheit und es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Geschädigte bei-spielsweise
in einer Zwangslage bei Vertragsschluss befunden habe.
Der Klägerin stehe auch kein Schadensersatzanspruch in Höhe von gemäß
§ 280 BGB aus abgetretenem Recht zu. Allerdings greife der Einwand des [X.]n, der Geschädigte habe angesichts der Zahlung der Klägerin keinen Schaden erlitten, nicht durch. Leistungen des
Haftpflichtversi-cherers
an den Geschädigten könnten nicht im Wege des [X.] angerechnet werden, da der
Haftpflichtversicherer
nicht den Gutachter entlas-ten solle. Es liege aber keine Pflichtverletzung des [X.]n vor. Die mögli-cherweise überhöhte Honorarrechnung
stelle keine Pflichtverletzung dar, da ihr
eine wirksame Honorarvereinbarung zugrunde liege. Der [X.] sei bei [X.] einer Honorarvereinbarung in den Grenzen der §§ 138, 826 BGB frei. Ferner
sei nicht ersichtlich, dass der [X.] den Geschädigten darauf [X.] müsse, dass andere Gutachter für die gleiche Leistung ein geringeres Ho-norar berechneten. Schließlich bestehe auch keine Pflicht des [X.]n, den Geschädigten darüber aufzuklären, dass der
Haftpflichtversicherer
ein über dem Üblichen liegendes Honorar möglicherweise nicht in vollem Umfang regu-lieren werde. Die zur Aufklärungspflicht entwickelte Rechtsprechung des [X.] beziehe sich auf mögliche Regulierungsschwierigkeiten mit dem
Haftpflichtversicherer, wenn der Kraftfahrzeugvermieter dem Geschädigten 8
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-

ein Ersatzfahrzeug nach einem von ihm speziell für [X.], den [X.] übersteigenden Tarif anbiete. In jenen Fällen könne ein überhöhter Tarif eindeutig festgestellt werden, da die Schätzung des [X.] anhand von anerkannten Preislisten möglich sei. Bei dem
hier maßgebli-chen Gutachterhonorar
gebe es dagegen keine derartigen Schätzgrundlagen, so dass unklar sei, ab wann überhöht abgerechnet werde. Bei Annahme einer Aufklärungspflicht würde dem [X.]n letztlich
eine
Markterforschungspflicht auferlegt.
Dagegen sei die Widerklage des [X.]n begründet.
Der [X.] habe gegen die Klägerin aus abgetretenem Recht des Geschädigten
einen [X.] in Höhe des auf der Grundlage der getroffenen Honorar-

Dieser Betrag sei erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, da für den Geschädigten nicht erkenn-bar gewesen sei, dass das vereinbarte Honorar erheblich über dem üblichen Honorar gelegen habe.

II.
Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung eines Teils des Honorars aus abgetretenem Recht des Geschädigten kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht abgelehnt werden.
a)
Das Berufungsgericht ist allerdings ohne Rechtsfehler
davon [X.], dass kein Rückzahlungsanspruch gemäß
§
812 Abs.
1 Satz
1 Fall
1
BGB besteht, da der zwischen dem Geschädigten und dem [X.]n ge-9
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-

schlossene Werkvertrag nicht nichtig
und die Zahlung
von der getroffenen Ho-norarvereinbarung gedeckt ist.
aa) Der Vertrag ist nicht wegen Wuchers gemäß
§
138 Abs.
2 BGB
nichtig. Die Vorschrift
setzt neben einem
auffälligen
Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
(objektives Tatbestandsmerkmal)
die Ausnutzung einer

auf einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, dem Mangel im Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche beruhenden

besonderen Schwächesitua-tion beim Bewucherten durch den Wucherer voraus
(subjektives Tatbestands-merkmal).
Eine Ausbeutungsabsicht des Wucherers ist hierfür nicht erforderlich, wohl aber ist es notwendig, dass dieser Kenntnis von dem auffälligen Missver-hältnis und der Ausbeutungssituation hat und sich diese Situation vorsätzlich zunutze macht
(vgl. [X.], Urteil vom 25.
Februar
2011 -
V
ZR
208/09,
NJW-RR
2011, 880 Rn. 9 f.
m.w.[X.]). Diese Voraussetzungen sind bereits [X.] nicht erfüllt, weil
nach den Feststellungen des [X.] keine [X.] dafür
bestehen, dass der [X.]
bei Abschluss des Vertrags das Vorliegen einer
besonderen
Schwächesituation des Geschädigten aufgrund einer der in §
138 Abs.
2 BGB genannten Umstände vorsätzlich ausgenutzt hat.
Dies wird von der Revision auch nicht geltend gemacht.
bb)
Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch eine Nichtigkeit des Vertrags
wegen Sittenwidrigkeit gemäß
§
138 Abs.
1 BGB
verneint.
(1) [X.] ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach §
138 Abs.
1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Um-stand hinzukommt, der den [X.] und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt.
Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten 13
14
15
-
8
-

ist. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, kann
dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zulassen
(vgl. [X.], Urteile
vom 10. November 2016 -
IX ZR 119/14, [X.], 2479 Rn. 18; vom 15. Januar 2016 -
V [X.], [X.], 1040 Rn. 6; vom 7. März 2013 -
VII ZR 68/10, [X.]Z 196, 299 Rn.
21, jeweils m.w.[X.]). Das [X.] hat zugunsten der Klägerin deren auf dem erstinstanzlich eingehol-ten Gerichtsgutachten beruhenden Vortrag unterstellt, dass das vereinbarte ortsübliche Honorar für eine 0
% übersteigt. Auf die-ser Tatsachengrundlage, die auch der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, ist die Verneinung eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts nicht zu beanstanden. Dabei kann offen bleiben, ob ein besonders grobes
Missverhält-nis bei Verträgen über die Begutachtung von Kraftfahrzeugschäden regelmäßig
erst dann vorliegt, wenn der Wert der Leistung und der Wert der Gegenleistung um mindestens 90 % voneinander abweichen (so für Grundstückskaufverträge [X.], Urteil vom 15. Januar 2016 -
V [X.] aaO). Denn bei einem Honorar, das ca. 60
% über dem ortsüblichen Honorar für eine vergleichbare Leistung liegt,
kann ein besonders grobes Missverhältnis, das einen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des [X.]n zuließe,
jedenfalls noch nicht ange-nommen werden.
(2) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich die
Nichtigkeit des Vertrags gemäß §
138 Abs. 1 BGB auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sittenwidrigen Verhaltens zu Lasten der nicht am Vertragsschluss beteiligten Klägerin.
Die Sittenwidrigkeit kann nicht damit begründet werden, dass der [X.] unter
Ausnutzung
der Rechtsprechung des [X.] zur sub-jektbezogenen
Schadensbetrachtung im Rahmen des §
249 Abs.
2 Satz
1 BGB (vgl. hierzu zuletzt [X.], Urteile vom 28.
Februar
2017
-
VI
ZR
76/16, 16
-
9
-

VersR
2017, 636 Rn.
12;
vom 19. Juli 2016 -
VI [X.], NJW 2016, 3363
Rn.
16 m.w.[X.]) mit dem Geschädigten ein das ortsübliche Honorar deutlich übersteigendes Honorar zu
Lasten
der letztlich erstattungspflichtigen Klägerin als Haftpflichtversicherer
des Schädigers
vereinbart
hat. Das folgt bereits [X.], dass die Vorschrift des §
138
Abs.
1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Interessen der Allgemeinheit oder Dritter grundsätzlich nur an-wendbar ist, wenn beide Vertragsparteien sittenwidrig handeln ([X.],
Versäum-nisurteil vom 10. Januar 2007 -
XII [X.], [X.], 1447
Rn. 13; Urteil vom 27. Januar 1966 -
VII ZR 16/64,
WM 1966, 495, 496
unter I 1 m.w.[X.]), also die Tatsachen kennen oder sich zumindest ihrer Kenntnis grob fahrlässig ver-schließen, die die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts begründen. Dafür be-stehen nach den Feststellungen
des [X.] keine Anhaltspunkte.
b)
Das Berufungsgericht hat allerdings rechtsfehlerhaft die Voraussetzun-gen verneint, unter denen eine Aufklärungspflicht des [X.]n gegenüber dem Geschädigten betreffend mögliche Regulierungsschwierigkeiten mit dem
gegnerischen Haftpflichtversicherer
angenommen werden kann.
aa) Nach § 311
Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB besteht bei Anbahnung eines Vertragsverhältnisses eine Aufklärungspflicht einer Vertragspartei hinsichtlich derjenigen Umstände, die erkennbar für die Willensbildung der anderen [X.] von ausschlaggebender Bedeutung sind,
und deren Mitteilung zu-mutbar ist sowie
nach Treu und Glauben erwartet werden kann. Das Bestehen und der Umfang der Aufklärungspflicht richten
sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Person der anderen Vertragspartei und de-ren erkennbarer Geschäftserfahrenheit oder -unerfahrenheit. Allerdings ist eine Vertragspartei nicht gehalten, der anderen Vertragspartei das [X.] ab-zunehmen. Grundsätzlich muss in der Marktwirtschaft derjenige, der den [X.] eines Vertrags beabsichtigt, selbst prüfen und entscheiden, ob dieser 17
18
-
10
-

für ihn vorteilhaft ist oder nicht. Das bedeutet, dass die Interessen der Vertrags-parteien unter Berücksichtigung des [X.] einerseits und der Zumutbarkeit andererseits abzuwägen sind
(vgl. [X.], Urteil vom 28. Juni 2006 -
XII ZR 50/04, [X.]Z 168, 168 Rn.
15, 28).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Bundesgerichtshof
eine Aufklä-rungspflicht des Vermieters
von Kraftfahrzeugen bejaht, wenn er einem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten ein
Mietfahrzeug zu einem Tarif anbietet, der deutlich über dem [X.] auf dem örtlich relevanten Markt liegt,
und deshalb die Gefahr besteht, dass der
Haftpflichtversicherer
des Schädigers nicht den vollen Tarif übernimmt
(vgl. [X.], Urteile
vom 28.
Juni
2006
-
XII
ZR
50/04, [X.]Z
168, 168
Rn.
16
ff., 29; vom 24.
Oktober
2007
-
XII
ZR
155/05, NJW-RR 2008, 470; vom 25.
März
2009 -
XII
ZR
117/07,
NJW-RR 2009, 1101).
bb) Die dem zugrunde liegenden wesentlichen Erwägungen gelten vorlie-gend entsprechend
(ebenso [X.], Urteil vom 26.
Februar
2016
-
10
U
579/15, juris):
Ein durchschnittlicher Unfallgeschädigter gerät durch einen Verkehrsunfall nicht nur unvermittelt, sondern in aller Regel erstmals in eine Situation, ein Schadensgutachten über sein Kraftfahrzeug einholen zu müssen. Wendet er sich an einen Gutachter, der derartige Gutachten zur Einreichung bei dem
geg-nerischen Haftpflichtversicherer
auf dem Markt anbietet, geht er davon aus, dass dieser
im Rahmen einer hundertprozentigen Einstandspflicht das
Gutacht-erhonorar
in vollem Umfang erstattet. Liegt das
vereinbarte Honorar
deutlich
über dem
ortsüblichen Honorar, besteht das Risiko, dass
der
gegnerische Haft-pflichtversicherer
die Erstattung
teilweise
ablehnt, weil die Kosten -
bei objekti-ver Betrachtung
-
den zur Herstellung erforderlichen Aufwand im Sinne des 19
20
21
-
11
-

§
249 Abs.
2 Satz
1 BGB übersteigen. Der Geschädigte ist in diesem Fall auf eine Auseinandersetzung mit dem
gegnerischen Haftpflichtversicherer
verwie-sen und läuft Gefahr, die Differenz selbst
tragen
zu müssen. Dieser
ihm dro-hende
Nachteil
ist
dem Besteller eines Schadensgutachtens
in der Regel nicht bekannt;
vielmehr geht er davon aus, dass das
Gutachterhonorar
in vollem [X.] zu den
objektiv erforderlichen Herstellungskosten gehört
und von dem
gegnerischen Haftpflichtversicherer
akzeptiert wird.
Demgegenüber weiß ein Gutachter, der nach Verkehrsunfällen Schadens-gutachten über Kraftfahrzeuge zur Einreichung bei dem
gegnerischen Haft-pflichtversicherer
erstellt, dass ein deutlich
über dem [X.]en liegendes Honorar zu dem
genannten Nachteil
führen kann, und er weiß auch, dass dem Geschädigten dies in der Regel nicht bekannt ist, sondern dieser
davon aus-geht, dass das
Gutachterhonorar
ohne weiteres in vollem Umfang ersetzt wird. Damit besteht zwischen den Vertragspartnern ein Informationsgefälle.
Treu und Glauben gebieten es in einem solchen Fall, dass der Gutachter, der seine
Leis-tungen zu einem Honorar
anbietet, das
deutlich
über dem ortsüblichen Honorar liegt, den (unwissenden) Besteller
aufklärt.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass eine Aufklärung dem Gutachter unzumutbar
sei. Eine Unzumutbarkeit kann
entgegen der Auffassung des [X.] insbesondere nicht damit begründet werden, dass ein ortsübliches Gutachterhonorar im Sinne des §
632 Abs.
2 BGB nicht zu [X.] sei. Das ist unzutreffend. [X.] ist eine Vergütung, die zur Zeit des [X.] nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt, wobei Vergleichsmaßstab Leistungen gleicher Art, gleicher Güte und gleichen Umfangs sind und die Anerkennung der Üblichkeit gleiche Verhältnisse in zahlreichen Einzelfällen voraussetzt (vgl. [X.],
Urteil vom
19. November 2013 -
VI [X.], NJW 2014, 1376
Rn.
12 22
23
-
12
-

m.w.[X.]). Bei der von Privatpersonen beauftragten Erstellung von [X.] über Kraftfahrzeuge nach Verkehrsunfällen zur Einreichung bei dem
gegnerischen Haftpflichtversicherer
handelt es sich um massenhaft durchge-führte Geschäfte. Es besteht daher ein hinreichend großer Markt, der die Ermitt-lung einer
ortsüblichen
Vergütung ermöglicht. Zu diesem Zweck kann unter an-derem auf frei zugängliche Honorarumfragen von Verbänden freier Kraftfahr-zeug-Sachverständiger, etwa des Bundesverbandes der freiberuflichen und un-abhängigen Sachverständigen
oder des Verbandes der unabhängigen Kfz-Sachverständigen e.
V., und Honorarangaben von Großanbietern, etwa der [X.]KRA Automobil GmbH oder des [X.], zurückgegriffen werden, die sich auf derartige Aufträge von Privatpersonen beziehen. Dabei ist allerdings zu berück-sichtigen, dass die ortsübliche Vergütung regelmäßig nicht auf einen festen Satz oder gar einen festen Betrag festgelegt ist, sondern sich innerhalb einer bestimmten Bandbreite bewegen kann. Eine Üblichkeit im Sinne des §
632 Abs.
2 BGB kann sich auch über eine im Markt verbreitete Berechnungsregel ergeben, etwa über eine Berechnung, die sich an der Schadenssumme orien-tiert (vgl. [X.], Urteil vom 4.
April
2006 -
X
ZR
122/05, [X.]Z
167, 139
Rn.
10
ff.).
Vor diesem Hintergrund kann eine Unzumutbarkeit der Aufklärung auch nicht damit begründet werden, dass dem Gutachter hierdurch eine auf-wändige Markterforschung auferlegt würde.
Als Marktteilnehmer, der [X.] die Erstellung von Schadensgutachten über Kraftfahrzeuge nach [X.] zur Einreichung bei dem
gegnerischen Haftpflichtversicherer
an-bietet, wird sich ein Gutachter schon aus Eigeninteresse regelmäßig einen Überblick über die Honorare seiner Mitbewerber verschaffen. Dies ist ihm an-gesichts der oben angeführten frei zugänglichen und zumindest den Anbietern auf diesem Markt
bekannten Quellen auch leicht möglich.

-
13
-

cc) Die Aufklärungspflicht richtet sich in einem solchen Fall darauf, den Geschädigten auf das Risiko hinzuweisen, dass der
Haftpflichtversicherer
das vereinbarte Honorar möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet. Es ist dann Sache des Geschädigten, sich kundig zu machen, etwa indem er Kontakt zum
gegnerischen Haftpflichtversicherer
aufnimmt, weitere Angebote einholt oder sich anwaltlich beraten lässt
(vgl. [X.], Urteile
vom 28.
Juni
2006
-
XII ZR 50/04, [X.]Z 168, 168
Rn. 29; vom 24. Oktober 2007 -
XII [X.], NJW-RR 2008, 470 Rn. 13; vom 25. März 2009 -
XII [X.], NJW-RR 2009, 1101
Rn.
18).
dd) Danach kommt vorliegend eine [X.] des [X.]n gegenüber dem Geschädigten in Betracht.
Denn
das vom [X.]n angebotene Honorar für die Erstellung des Schadensgutachtens lag nach dem
in der Revision zugunsten der Klägerin zu unterstellenden Sachverhalt mit ca.
60
% deutlich
über dem ortsüblichen Honorar.
2.
Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als rich-tig dar. Nach den bisherigen Feststellungen kann ein Schaden des Geschädig-ten nicht verneint werden.
a) Da der Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne das schädigende Verhalten des [X.]n gestanden hätte, kommt es darauf an, wie er sich bei erteilter Aufklärung verhalten hätte, wobei zugunsten des Geschädigten die Vermutung "aufklärungsrichtigen"
Verhaltens streitet. Unsicherheiten darüber, ob der Geschädigte ein Schadensgutachten zu einem günstigeren
und im Rahmen des [X.]en liegenden
Honorar
eingeholt hätte, gehen deshalb zu Lasten des [X.]n
(vgl. [X.],
Urteil vom 28. Juni 2006 -
XII ZR 50/04,
[X.]Z
168, 168 Rn. 31).

24
25
26
27
-
14
-

b) Steht danach fest, dass der Geschädigte bei Aufklärung nur ein Scha-densgutachten zu einem ortsüblichen
Honorar eingeholt hätte, kann er grund-sätzlich die Differenz zu
dem vereinbarten höheren Honorar als Schaden gel-tend machen. Der Schaden entsteht dabei bereits im Zeitpunkt des Vertrags-schlusses, weil damit der höhere und hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit risi-kobehaftete Honoraranspruch gegen den Geschädigten begründet wird.
Dem Geschädigten steht zunächst ein Anspruch gegen den Gutachter auf Freistellung von der Honorarverpflichtung zu, soweit diese über das ortsübliche Honorar gemäß §
632 Abs.
2 BGB hinausgeht. Hat der Geschädigte das [X.] bereits vollständig an den Gutachter gezahlt, steht ihm als Schadensersatz ein Anspruch auf Rückzahlung in Höhe des überschießenden Betrags zu.
c) Entgegen der Auffassung des [X.]n entfällt der Schaden nicht im Wege der Vorteilsausgleichung dadurch, dass die Klägerin dem Geschädigten das Honorar nach einem Rechtsstreit aufgrund des zu ihrem Nachteil ergange-nen Urteils in vollem Umfang erstattet hat.
Allerdings hat die Verletzung der Aufklärungspflicht durch den [X.]n für den Geschädigten letztlich auch zu dem Vorteil geführt, dass die Klägerin ihm nach den Grundsätzen der [X.] das Honorar in vollem Umfang erstattet hat. Dieser Vorteil führt bei wertender Be-trachtung jedoch nicht zu einem Erlöschen des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten, sondern kann nach Abtretung von der Klägerin geltend gemacht werden.
Nach der Rechtsprechung des [X.] kann der Geschädigte vom Schädiger wegen Beschädigung eines Kraftfahrzeuges aufgrund eines Verkehrsunfalls
gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB den zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrag erstattet verlangen. Hierzu gehört grundsätz-28
29
30
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-
15
-

lich auch die Erstattung der objektiv erforderlichen Gutachterkosten. Als erfor-derlichen Herstellungsaufwand sind die Kosten anzusehen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des [X.] zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erschei-nen. Der Geschädigte ist dabei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehe-bung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzu-wendenden Kosten beeinflussen kann. Unter Berücksichtigung des Zieles der Schadensrestitution -
nämlich, dem Geschädigten bei voller Haftung des [X.] einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zukommen zu lassen
-
ist allerdings Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu [X.]. Daher sind
bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, insbesondere auch seine Erkenntnis-
und Einflussmöglichkeiten sowie die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu berücksichti-gen,
sogenannte
subjektbezogene Schadensbetrachtung. Zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts zwecks Beauftragung eines möglichst günstigen Gutachters
ist er nicht verpflichtet (vgl. [X.], Urteile
vom 26. April 2016
-
VI [X.], NJW 2016, 3092
Rn. 13; vom 22. Juli 2014
-
VI ZR 357/13, NJW 2014, 3151
Rn. 14 f.; Urteil vom 11. Februar 2014 -
VI [X.]/13, NJW 2014, 1947 Rn. 7;
jeweils m.w.[X.]).
Liegt
das mit dem Gutachter vereinbarte
und vom Geschädigten beglichene
Honorar über dem
ortsüblichen Honorar, ist dies [X.] für den Geschädigten nicht erkennbar, ist es
folglich dennoch erstattungs-fähig.
Bei wertender Betrachtungsweise dient die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten
unter dem Gesichtspunkt der [X.] damit allein dem Schutz des Geschädigten. Erstattet der
Haftpflichtversicherer
auf dieser Grundlage dem Geschädigten seinen Aufwand
für das Gutachterho-norar, soll dies mithin nicht den wegen [X.] schadens-ersatzpflichtigen Gutachter entlasten.
-
16
-

3. Auch der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch des [X.]n auf Erstattung restlichen Honorars aus abgetretenem Recht des Geschädigten kann danach nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung be-jaht werden. Denn der [X.] verhielte
sich treuwidrig im Sinne des §
242
BGB, wenn er einen Anspruch durchsetzen wollte, obwohl er verpflichtet wäre, das Erlangte sofort wieder herauszugeben
(dolo-agit-Einwand).

III.
Die Sache ist danach aufzuheben und
zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Eick

[X.]

Kartzke

Jurgeleit

Sacher
Vorinstanzen:
AG [X.] am Main, Entscheidung vom 07.10.2015 -
30 [X.] 5176/14 (75) -

LG [X.] am Main, Entscheidung vom 04.03.2016 -
2-15 S 112/15 -

33
34

Meta

VII ZR 95/16

01.06.2017

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. VII ZR 95/16 (REWIS RS 2017, 10051)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10051

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