Bundesfinanzhof, Vorlagebeschluss vom 25.03.2015, Az. X R 23/13

10. Senat | REWIS RS 2015, 13464

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Gegenstand

Forderungserlass nach dem sog. Sanierungserlass


Leitsatz

Dem Großen Senat wird folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Verstößt das BMF-Schreiben vom 27. März 2003 IV A 6-S 2140-8/03 (BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 6-S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18; sog. Sanierungserlass) gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung?

Tenor

Dem [X.] wird nach § 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Verstößt das Schreiben des [X.] vom 27. März 2003 IV A 6-S 2140-8/03 ([X.], 240; ergänzt durch das Schreiben des [X.] vom 22. Dezember 2009 IV C 6-S 2140/07/10001-01, [X.], 18; sog. [X.]) gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung?

Tatbestand

1

A. Sachverhalt und Verfahrensstand

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der im Streitjahr 2007 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt wurde, betrieb einen Baufachhandel, dessen Gewinn er nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte. Der Kläger wies vom Jahr 2001 bis 2006 fortlaufend Verluste aus Gewerbebetrieb aus.

3

Ausweislich einer Rückzahlungsvereinbarung mit der Sparkasse vom 23. November 2005 hatte der Kläger zum 1. Oktober 2005 fällige Verbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse in Höhe von 729.297,62 € und gegenüber der [X.] in Höhe von 1.026.412,55 €. In § 6 der --weiteren-- Rückzahlungsvereinbarung mit der Sparkasse vom 23. November 2005 verzichteten die Sparkasse und die [X.] auf "die nicht bedienbaren Forderungen" in Höhe von 618.301,28 € für den Fall, dass der Kläger seinen Verpflichtungen aus der Vereinbarung ordnungsgemäß und termingerecht nachkommt. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 teilte die Sparkasse dem Kläger mit, die Vergleichszahlung in Höhe von 35.000 € sei eingegangen und die [X.] habe auf die Restforderung aus dem Darlehen Nr. ... verzichtet. Das Darlehen sei mit Wertstellung 5. November 2007 ausgebucht worden.

4

Mit (geändertem) Bescheid vom 29. April 2010 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Einkommensteuer für 2007 auf 18.903 € und den [X.] auf 836,38 € fest. Dabei legte es Einkünfte des [X.] aus Gewerbebetrieb --entsprechend dem eingereichten Jahresabschluss, in dem Erträge aus Forderungsverzichten von Banken in Höhe von 619.814,76 € enthalten [X.] als Einzelunternehmer in Höhe von 598.522 € zugrunde. Den gegen die Steuerfestsetzung gerichteten Einspruch des [X.] wies das [X.] als unbegründet zurück. Klage wurde nicht erhoben.

5

Mit Schreiben vom 18. März 2009 hatte der Kläger den Erlass der auf den Sanierungsgewinn des Jahres 2007 entfallenden Einkommensteuer beantragt. Er legte ein --von ihm selbst aufgestelltes-- Konsolidierungskonzept vom 14. September 2009 vor, in dem es heißt, dass die laufenden Verpflichtungen "bisher durch Zuführung von privaten Geldeinlagen realisiert werden" konnten (Ziff. 1.2). In dem Konzept ist als Voraussetzung der Forderungsverzicht der Sparkasse und des [X.] genannt (Ziff. 5).

6

Das [X.] lehnte den Erlassantrag ab. Den dagegen gerichteten Einspruch wies es mit der Begründung zurück, die im Schreiben des [X.] ([X.]) vom 27. März 2003 IV A 6-S 2140-8/03 ([X.], 240; sog. [X.]) genannten Voraussetzungen, insbesondere die Sanierungseignung des Verzichts der [X.], würden nicht vorliegen. Es fehle an der Sanierungseignung des Forderungsverzichts, weil der Kläger auch im Folgejahr einen Verlust erzielt habe. Zudem hätte der Kläger im Streitjahr Teilwertabschreibungen auf den betrieblichen Grundbesitz vornehmen können. Hätte er diese Möglichkeit genutzt, wäre es auch ohne den begehrten [X.] nicht zur Festsetzung von Einkommensteuer gekommen.

7

Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2013, 1898 veröffentlichtem Urteil abgewiesen. Ob der Schuldenerlass im Jahr 2007 die Voraussetzungen des [X.]-Schreibens in [X.], 240 erfülle, könne offen bleiben. Der Gesetzgeber habe mit der Abschaffung von § 3 Nr. 66 EStG in der vor dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 geltenden Fassung --[X.] 1997, 2590-- (EStG a.[X.]) zum Ausdruck gebracht, [X.] unterschiedslos besteuern zu wollen. Wegen des insoweit entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers könne die durch den [X.] getroffene Verwaltungsregelung keinen Bestand haben; sie verstoße gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Für eine abweichende Steuerfestsetzung (richtig wohl: einen [X.]) sei deshalb auch dann kein Raum, wenn die Anforderungen des [X.]es erfüllt wären.

8

Mit seiner Revision vertritt der Kläger die Auffassung, der [X.] verstoße nicht gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Darauf gestützte [X.] seien zulässig. Im Streitfall lägen die Voraussetzungen für einen [X.] vor.

9

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das [X.]-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 18. April 2012 aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, die aus dem Sanierungsgewinn resultierende Einkommensteuer zu erlassen.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Das dem Verfahren beigetretene [X.] verweist auf das Senatsurteil vom 14. Juli 2010 [X.] ([X.], 502, [X.], 916) und führt aus, es tangiere nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dass nach der (im [X.] niedergelegten) Verwaltungsauffassung entstehende [X.] nach § 227 der Abgabenordnung ([X.]) erlassen werden können.

Bis zum Veranlagungszeitraum 1997 seien [X.] nach § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] steuerfrei gewesen. Diese Regelung habe nach § 7 des [X.] ([X.]) auch für die Gewerbesteuer gegolten. Nach Einführung des zeitlich unbegrenzten Verlustvortrags in § 10d EStG habe § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] allerdings zu einer nicht gewollten Doppelbegünstigung geführt. Ein vor der Sanierung entstandener Verlustvortrag habe zeitlich unbegrenzt mit künftigen Gewinnen verrechnet werden können, obwohl der Sanierungsgewinn nicht besteuert worden sei. Dieser Doppelbegünstigung habe der Gesetzgeber mit der Aufhebung von § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 ([X.] 1997, 2590) entgegenwirken wollen. Seither sei ein Sanierungsgewinn grundsätzlich steuerpflichtig und erhöhe über § 7 [X.] die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage.

In zeitlichem Zusammenhang mit der Aufhebung von § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] sei zum 1. Januar 1999 die [X.] ([X.]) in [X.] getreten. Deren wesentliche Ziele seien die Förderung der außergerichtlichen Sanierung, die bessere Abstimmung von Sanierungsverfahren und die Restschuldbefreiung für den redlichen Schuldner. Die Abschaffung der Steuerfreiheit von [X.]n stehe mit diesen Zielen der [X.] in einem "Zielkonflikt". Um diesen aufzulösen, habe die Finanzverwaltung auf der Grundlage der §§ 163, 227 [X.] mit dem [X.]-Schreiben in [X.], 240 in einer allgemeinverbindlichen Verwaltungsanweisung geregelt, unter welchen Voraussetzungen Ertragsteuern auf einen Sanierungsgewinn aus Gründen sachlicher Billigkeit erlassen werden können.

Die ursprüngliche Ausgangslage für die Aufhebung von § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] habe sich später geändert. Der Gesetzgeber habe mit [X.] vom 22. und 23. Dezember 2003 für die Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer eine sog. Mindestbesteuerung eingeführt. Der Verlustabzug bei [X.] nach § 10d Abs. 2 EStG n.[X.] und § 10a Satz 2 [X.] sei auf 1 Mio. € und 60 % des 1 Mio. € übersteigenden Verlustes beschränkt worden. In diesem Zusammenhang hätte von der Mindestbesteuerung die vorrangige Verlustverrechnung mit dem Sanierungsgewinn ausgenommen werden müssen. Dies habe der Gesetzgeber indes nicht gemacht, weil der bereits am 27. März 2003 ergangene [X.] im Wege einer sachlichen Billigkeitsentscheidung die systemkonforme und "gesetzesverstehende unbeschränkte Verlustverrechnung des Sanierungsgewinns für die Verwaltungspraxis" angeordnet habe. Der [X.] verstoße nicht gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, er stelle nicht die unter Anwendung des § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] bestehende systemwidrige Doppelbegünstigung wieder her, sondern gewährleiste im Gegenteil systemkonform, dass der Sanierungsgewinn mit den Verlusten, die die Sanierung überhaupt erst erforderlich gemacht hätten, in vollem Umfang verrechenbar bleibe. Der [X.] reduziere die Besteuerung [X.] und dem Willen des Gesetzgebers bei Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] folgend auf den eigentlichen [X.]. Zu einer gesetzeswidrigen Doppelbegünstigung komme es nicht, weil bei Anwendung des [X.]es das nach der Sanierung verbleibende Verlustvortragsvolumen durch den Sanierungsgewinn in vollem Umfang geschmälert worden sei.

Im Übrigen sei bereits in der Begründung des Entwurfs zum Gesetz zur Fortführung der Unternehmenssteuerreform auf mögliche [X.] der Verwaltung hingewiesen und später im Regierungsentwurf des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 (UntStRFoG 2008) --BTDrucks 16/4841, S. 76-- unter Hinweis auf den [X.] davon ausgegangen worden, dass von einer Besteuerung von [X.]n auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung im Billigkeitswege abgesehen werden könne. Darüber hinaus fordere die Verpflichtung der Verwaltung zur gleichmäßigen Erhebung von Steuern nach § 85 [X.] den Erlass allgemein geltender Ermessensrichtlinien.

Die Gesetzmäßigkeit des [X.]es werde auch nicht durch die nach § 251 Abs. 2 [X.] auch im Besteuerungsverfahren anwendbare [X.] in Frage gestellt. In der [X.] seien Steuerfolgen der Insolvenz ausgeklammert worden. Zudem würden Sanierungsmaßnahmen häufig außerhalb eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens getroffen und diesen komme gerade in der Vermeidung eines Insolvenzverfahrens ihre besondere Bedeutung zu.

Eine gesetzliche Regelung möglicher [X.] bei [X.]n wäre --wegen der erforderlichen Folgeänderungen im Bereich der [X.] äußerst komplex und würde den Bemühungen um eine Steuervereinfachung zuwider laufen. Anders als eine starre gesetzliche Regelung sei die bestehende Verwaltungsanweisung flexibler zu handhaben und habe sich in der Praxis bewährt.

Entscheidungsgründe

B. Entscheidungsgründe

Der Senat verneint die Vorlagefrage. Er beabsichtigt, das [X.] sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das [X.] zurückzuverweisen. Dieses müsste dann klären, ob die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass entsprechend den Vorgaben des [X.] in [X.], 240 vorliegen.

I. Bisherige Rechtsprechung

1. Höchstrichterliche Rechtsprechung

a) Nach Auffassung des [X.]s des [X.] ([X.]) im Urteil in [X.]E 229, 502, [X.], 916 (Rechtsauffassung insoweit nicht tragend) tangiert der [X.] in [X.], 240 nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

b) Der [X.]. Senat des [X.] hat im Kostenbeschluss vom 28. Februar 2012 [X.] R 2/08 ([X.]/NV 2012, 1135) die Kosten den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt und ausgeführt:

"Jedenfalls ist die Auffassung der Vorinstanz (= [X.] München), ein entsprechender Wille des Gesetzgebers (zur generellen Steuerfreiheit von [X.]) könne angesichts der Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] nicht angenommen werden, bei der im Rahmen der Kostenentscheidung vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht von vornherein abzulehnen. Denn der Gesetzgeber hat bislang eine generelle Ersatzregelung für § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] nicht geschaffen, sondern lediglich begrenzt auf Teilbereiche des Steuerrechts (wie die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a des Körperschaftsteuergesetzes) eine partielle Sanierungsgewinnbegünstigung eingeführt."

Der nicht amtliche Leitsatz der Entscheidung lautet: "Es ist zweifelhaft, ob die Steuerfreiheit von [X.] durch Forderungsverzicht von Gläubigern allein wegen sachlicher Unbilligkeit aufgrund des [X.] vom 27. März 2003 IV A 6-S 2140-8/03 ([X.], 240) beansprucht werden kann, nachdem der Gesetzgeber die früher in § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] vorgesehene Steuerfreiheit durch Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 ([X.] 1997, 2590, [X.], 928) abgeschafft hat."

c) Der [X.] des [X.] hat im Urteil vom 25. April 2012 I R 24/11 ([X.]E 237, 403) entschieden, der sog. [X.] sei weder eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten Landesfinanzbehörde i.S. des § 184 Abs. 2 [X.]. Aus dem [X.] könne sich damit bei der Festsetzung des [X.] grundsätzlich keine Zuständigkeit des [X.] zur abweichenden Festsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 1 [X.] ergeben; zuständig dafür seien die Gemeinden. [X.] ließ der [X.] deshalb die Fragen, ob der [X.] den Erfordernissen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts sowie des unionsrechtlichen [X.] uneingeschränkt genügt.

d) Neben dem streitgegenständlichen Revisionsverfahren sind derzeit beim [X.] folgende Verfahren anhängig, in denen möglicherweise auch die Frage auf dem Prüfstand steht, ob das [X.]-Schreiben in [X.], 240 den Erfordernissen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts genügt: I R 52/14, IV R 6/15.

Die Nichtzulassungsbeschwerde [X.] hat der [X.] mit Beschluss vom 24. März 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Das [X.] Berlin-Brandenburg hatte zwar Zweifel an der Gesetzmäßigkeit des [X.] geäußert, diese Frage aber letztlich dahingestellt sein lassen und die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen des [X.] lägen nicht vor.

e) Der [X.] hat im Urteil vom 13. März 2014 IX ZR 23/10 ([X.] Steuerrecht --DStR-- 2014, 895, Rz 31) die Frage offen gelassen, ob der [X.] gegen den Gesetzesvorbehalt verstößt. Gleiches gilt für die Frage der Vereinbarkeit mit dem unionsrechtlichen Beihilfeverbot.

2. Rechtsprechung der Instanzgerichte

Folgende Urteile befassen sich mit der Gesetzmäßigkeit des sog. [X.]:

a) Das [X.] Münster hat mit Urteil vom 27. Mai 2004  2 K 1307/02 [X.] (E[X.] 2004, 1572) entschieden, die Besteuerung von [X.] entspreche seit 1998 zwar dem Gesetz, laufe aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwider, wenn die Möglichkeit einer Doppelbegünstigung nicht (mehr) bestehe. Dies sei z.B. der Fall, wenn nach Ausschöpfung der ertragsteuerlichen Verlustverrechnungsmöglichkeiten ein Sanierungsgewinn verbleibe.

b) Das [X.] München vertrat im Urteil vom 12. Dezember 2007  1 K 4487/06 (E[X.] 2008, 615) die Auffassung, nach Streichung des § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] entfalle wegen ausdrücklich abweichendem Willen des Gesetzgebers im Regelfall auch der von der Verwaltung und Rechtsprechung praktizierte [X.] auf [X.] wegen sachlicher Unbilligkeit. Dem [X.]-Schreiben vom 27. März 2003 fehle eine Rechtsgrundlage.

c) Das [X.] Köln kam im Urteil vom 24. April 2008  6 K 2488/06 (E[X.] 2008, 1555) zu dem Ergebnis, die Verwaltungsanweisung in [X.], 240 sei zu eng gefasst. Der [X.] hat mit Urteil in [X.]E 229, 502, [X.], 916 das [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen.

d) Das [X.] Berlin-Brandenburg hat im Beschluss vom 20. September 2010  6 V 6140/10 (E[X.] 2011, 453) die Frage der Gesetzmäßigkeit des [X.] nicht thematisiert. Es war der Auffassung, ein Sanierungsgewinn werde von der Finanzverwaltung seit der Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] grundsätzlich nach den Vorgaben des sog. [X.] ermittelt.

e) Das [X.] Düsseldorf hatte im Urteil vom 16. März 2011  7 K 3831/10 [X.] (E[X.] 2011, 1685) keinerlei Zweifel an der Gesetzmäßigkeit des [X.]. Auch nach der gesetzgeberischen Entscheidung, § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] zu streichen, bestehe eine Notwendigkeit, durch [X.] nicht ausgeschöpfte [X.] im Wege einer abweichenden Steuerfestsetzung steuerrechtlich außer [X.] zu lassen, um den [X.] nicht zu gefährden. Im anschließenden Revisionsverfahren I R 24/11 wurde diese Frage offengelassen (vgl. oben).

f) Im Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 31. Januar 2012  8 K 34/09 (E[X.] 2012, 1523) wurde die Frage der Gesetzmäßigkeit des [X.] nicht thematisiert.

g) Im Verfahren 12 K 12179/09, 12 K 12177/10 hat das [X.] Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 18. April 2012 ([X.] Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2013, 413) entschieden, es liege kein Sanierungsgewinn im Sinne des [X.] vor und eine analoge Anwendung der Verwaltungsvorschrift komme nicht in Betracht.

h) Das [X.] Hamburg hat in der Entscheidung vom 8. August 2012   2 K 104/11 die Frage, ob der sog. [X.] eine hinreichende Rechtsgrundlage für einen Billigkeitserlass darstelle, dahingestellt sein lassen, weil nach Auffassung des Gerichts dessen Voraussetzungen nicht erfüllt waren.

i) Der 1. Orientierungssatz des Urteils des Sächsischen [X.] vom 14. März 2013  5 K 1113/12 ([X.], 190) lautet:
"Aufgrund des ausdrücklichen Willens des Gesetzgebers, die Steuerfreiheit für einen Sanierungsgewinn (§ 3 Nr. 66 EStG a.[X.]) zu streichen, kommt eine Billigkeitsmaßnahme nach den Vorschriften der §§ 163, 227 [X.] grundsätzlich nicht in Betracht. Dies gilt auch im Hinblick auf den [X.] ([X.]-Schreiben vom 27. März 2003). Das Erlassverfahren gibt der Verwaltung nicht die Befugnis, anstelle einer vom Gesetzgeber (bewusst) unterlassenen sozial- oder wirtschaftspolitischen Maßnahme gesetzlich geschuldete Steuern nicht zu erheben."

j) Das Urteil des Sächsischen [X.] vom 24. April 2013  1 K 759/12 (E[X.] 2013, 1898) liegt dem Streitfall zugrunde. Das Sächsische [X.] ist der Auffassung, wegen des ausdrücklichen Willens des Gesetzgebers, wie er sich in der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] (Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns) zeige, sei nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung jede abweichende --auch den Steuerpflichtigen begünstigende-- Handhabung ausgeschlossen, also auch eine Handhabung, die unter dem Mantel der Billigkeitsentscheidung, aber --wie das [X.]-Schreiben in [X.], 240-- mit genereller Anordnung, erfolge. In den Entscheidungsgründen hat sich das Sächsische [X.] nur auf die Entscheidung des [X.] München in E[X.] 2008, 615 gestützt, und sich nicht mit der Entscheidung des [X.]s des [X.] in [X.]E 229, 502, [X.], 916 auseinandergesetzt.

k) Das [X.] des [X.] hat im Urteil vom 14. November 2013  6 K 1267/11 (E[X.] 2014, 721) entschieden, das [X.]-Schreiben in [X.], 240 räume mit der darin vorgesehenen Möglichkeit eines Erlasses der Einkommensteuer keine --gemessen an der Intention des [X.] zu weit reichende Billigkeitsmaßnahme ein. Die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] sei darauf zurückzuführen, dass eine Doppelbegünstigung durch die Ertragsteuerfreiheit von [X.] einerseits und die zwischenzeitlich eingeführte unbegrenzte Verlustverrechnungsmöglichkeit andererseits vermieden werden sollte. Im Streitfall hätten die Kläger durch ihre fortwährend geringen Einkünfte aber keinerlei steuerlichen Vorteil durch Verlustverrechnungsmöglichkeiten. Infolgedessen drohe bei ihnen auch keine Doppelbegünstigung, so dass ein Erlass jedenfalls in ihrem speziellen Fall der Intention des Gesetzgebers nicht zuwider laufe.

l) Im Urteil vom 7. Januar 2014  6 K 6209/11 (E[X.] 2014, 975) hat das [X.] Berlin-Brandenburg offengelassen, ob der [X.] gegen den Vorrang des Gesetzes verstößt (Revisionsverfahren nach Zulassung durch den [X.] des [X.] IV R 6/15).

m) Das Sächsische [X.] bezweifelt im Beschluss vom 20. Januar 2014  4 V 1794/12 im Verfahren der einstweiligen Anordnung ebenso wie das [X.] im Beschluss vom 2. September 2010  5 B 555/09, ob nach Streichung von § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] der sog. [X.] einen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme begründen kann.

n) Im Urteil vom 30. Juli 2014  3 K 3354/10 hat das [X.] Berlin-Brandenburg erhebliche Zweifel an der Gesetzmäßigkeit des [X.] geäußert, diese Frage letztlich aber dahingestellt sein lassen, weil die Voraussetzungen für einen Erlass nach dem [X.]-Schreiben in [X.], 240 nicht vorlägen. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der [X.] des [X.] mit Beschluss vom 24. März 2015 [X.] als unbegründet zurückgewiesen.

II. Auffassung der Finanzverwaltung

Das [X.] ist der Auffassung, der sog. [X.] verstoße nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes (vgl. oben).

In Verfügungen weisen [X.] (OFD) darauf hin, die mit Beschluss des [X.] in [X.]/NV 2012, 1135 geäußerte Rechtsauffassung, dass die Beanspruchung sachlicher Unbilligkeit nach Aufhebung der gesetzlichen Grundlage zweifelhaft --weil den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufend-- sei, werde von der Verwaltung nicht geteilt (vgl. z.B. die Rundverfügung der [X.] vom 23. Dezember 2014 S 2140 [X.] 213, sowie die Verfügung der [X.] vom 19. Juni 2013 S 2140-8-St 248 (VD)).

III. Auffassungen in der Literatur zur Gesetzmäßigkeit des [X.]

Der weit überwiegende Teil der Literatur ist der Auffassung, der sog. [X.] verstoße nicht gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ([X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 4 EStG Rz 118; [X.]/Geist, Betriebs-Berater --BB-- 2009, 2508; [X.]/[X.], [X.], 1676; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2009, 287; [X.]/[X.], [X.] 2010, 1193; Geist, BB 2008, 2658; [X.], Neue Wirtschafts-Briefe --[X.]-- 2011, 1438; [X.], [X.], 944; [X.], [X.], Heft 36, [X.]; Kanzler, [X.] --[X.]-- 2003, 480; Kanzler, [X.] 2008, 1116; [X.], [X.], 1094; [X.], Entscheidungen für Wirtschaftsrecht --EWiR-- 2012, 335; [X.], EWiR 2010, 807; [X.], [X.] 2014, 661; [X.]/Hörner, [X.] 2012, 694; Olbing, Die Steuerberatung 2010, 216; [X.], [X.] 2010, 306; [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 22 Rz 57b, nach dessen Auffassung der sog. [X.] auch auf die Gewerbesteuer angewendet werden sollte; [X.], [X.]-Steuerberater 2010, 298; Töben, [X.] 2010, 249; Wagner, BB 2008, 2671; Wagner, BB 2010, 2612.

Wenige Autoren vertreten die Auffassung, der sog. [X.] verstoße gegen den Vorbehalt des Gesetzes ([X.]/ [X.], § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] Rz 3; von [X.] in [X.]/ [X.]/[X.] --[X.]--, § 227 [X.] Rz 32; [X.]/[X.], [X.] 2004, 1841).

Nur referierend stellen [X.] in [X.], § 251 [X.] Rz 80, [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 175 [X.] Rz 36, § 227 [X.] Rz 17 und 85, § 251 [X.] Rz 121a, sowie [X.]/[X.], EStG, 34. Aufl., § 3 ABC, Stichwort "Sanierungsgewinn" das Problem dar.

IV. Auffassung des vorlegenden Senats

1. Der sog. [X.] verstößt nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes.

a) Der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes --GG--) verankerte Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss und sie nicht anderen [X.] überlassen darf (Urteil des [X.] vom 5. November 2014  1 [X.], [X.] 2014, 1764, m.w.N.). Im Steuerrecht, dessen Steuerbelastungsentscheidungen weitgehend vom Willen des Gesetzgebers zu [X.] und Tarif abhängen, ist von einem strengen Gesetzesvorbehalt auszugehen. Das Steuerrecht lebt insoweit aus dem "Diktum des Gesetzgebers" (vgl. [X.] in [X.] 2014, 1764, Rz 33, m.w.N.).

b) Nach Auffassung des vorlegenden Senats tangiert der sog. [X.] nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

Nach § 163 [X.] können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Nach § 227 [X.] können Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Der Gesetzgeber hat damit in § 163 bzw. § 227 [X.] die aus seiner Sicht notwendigen Voraussetzungen für eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen bzw. einen Steuererlass festgelegt und die Entscheidung im Einzelfall in das Ermessen der Finanzbehörden gestellt.

Im sog. [X.] hat das [X.] lediglich die entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörden festgeschrieben und damit deren Ermessen auf Null reduziert. Aus Sicht des vorlegenden Senats ist dies notwendig, da die betroffenen Steuern (insbesondere die Einkommen- und Körperschaftsteuer) durch die [X.] verwaltet werden (Art. 108 Abs. 2 GG) und nach § 85 [X.] die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben sind.

c) Anders als das [X.] München in der Entscheidung in E[X.] 2008, 615 offensichtlich meint, knüpft der sog. [X.] in [X.], 240 mitnichten an die Rechtslage vor der Streichung des § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] an.

Gemäß § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] wurden [X.] in voller Höhe als nicht steuerpflichtiger Ertrag angesehen. Dies galt unabhängig davon, ob sich --z.B. wegen Verlustvorträgen oder laufenden Verlusten aus anderen [X.] oder [X.] für den betreffenden Veranlagungszeitraum überhaupt eine positive Einkommensteuerfestsetzung ergeben hätte. Die Steuerbefreiung "verschonte" damit auch bestehende Verlustvorträge. Durch § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] wurden [X.] somit doppelt begünstigt (unbeschränkter Verlustvortrag und Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns; die Verlustvorträge konnten deshalb mit anderen oder künftigen positiven Einkünften verrechnet werden).

Ganz andere Erwägungen enthält der sog. [X.]. Es kommt nicht zu einer Doppelbegünstigung. Nach dem sog. [X.] werden bilanzielle, also nicht zahlungswirksame [X.] als Folge des Wegfalls von Verbindlichkeiten vorrangig mit Verlustvorträgen (diese sind häufig die Ursache für die Schieflage des Unternehmens) verrechnet. Diese Verluste haben oft den Forderungsverzicht mit dem einhergehenden Wegfall der Verbindlichkeit (z.B. zur Abwendung der Insolvenz) nötig gemacht. Auch negative Einkünfte einer anderen Einkunftsquelle werden vorrangig mit dem Sanierungsgewinn (und nicht zuerst mit positiven Einkünften dieser Einkunftsquelle) saldiert (Rz 8 S. 3 ff. des sog. [X.] in [X.], 240; vgl. auch [X.]/[X.], § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] Rz 12, der dem sog. [X.] kritisch gegenübersteht). Nur die nach vorrangiger Berücksichtigung von Verlustvorträgen und negativen Einkünften verbleibende Steuer kann danach gestundet bzw. erlassen werden. Zudem sind [X.] ebenfalls vorrangig mit dem Sanierungsgewinn zu verrechnen.

Nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass ein Sanierungsgewinn nicht zu einem Liquiditätszufluss führt, aus dem die Steuerschuld beglichen werden könnte. Er ist ein reiner Buchgewinn. Dass die Erhebung (Einziehung) eines Einkommensteueranspruchs sachlich unbillig sein kann, wenn das Zusammenwirken verschiedener Regelungen zu einer hohen Steuerschuld führt, obgleich dem kein Zuwachs an Leistungsfähigkeit zugrunde liegt, hat die Rechtsprechung stets anerkannt (so z.B. Senatsurteil vom 26. Oktober 1994 [X.], [X.]E 176, 3, [X.] 1995, 297).

Zudem ist anders als nach § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] nicht die unternehmerbezogene, sondern nur die unternehmensbezogene Sanierung begünstigt (vgl. I.2. Satz 2 des [X.] und Senatsurteil in [X.]E 229, 502, [X.], 916). Ein Erlass ist nur möglich, um ein Unternehmen oder einen Unternehmensträger (juristische oder natürliche Person) vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Wird das Unternehmen nicht fortgeführt oder trotz der Sanierungsmaßnahme eingestellt, liegt eine Sanierung im Sinne des [X.] nur vor, wenn die Schulden aus betrieblichen Gründen erlassen werden (z.B. um einen Sozialplan zu Gunsten der Arbeitnehmer zu ermöglichen).

d) [X.] aus persönlichen bzw. sachlichen Gründen im [X.] bzw. Erhebungsverfahren sieht die [X.] seit deren Inkrafttreten vor. Auch die Reichsabgabenordnung (R[X.]) enthielt in § 131 R[X.] eine vergleichbare Regelung. Auf dieser Bestimmung beruhte die Rechtsprechung bereits vor Einführung des § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] durch das Körperschaftsteuerreformgesetz vom 31. August 1976 ([X.] 1976, 2597, [X.], 445), wonach der durch eine Sanierung herbeigeführte Gewinn unter bestimmten Voraussetzungen einkommensteuerrechtlich außer Betracht zu bleiben habe (Urteil des [X.] vom 21. Oktober 1931 VI A 968/31, [X.] 29, 315, [X.] 1932, 160).

e) Nach § 10d Abs. 2 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 ([X.] 2003, 2840) sind Verluste, die weder im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung noch im Wege des Verlustrücktrags ausgeglichen werden können, ab dem Veranlagungszeitraum 2004 (vgl. § 52 Abs. 25 EStG 2004) im Rahmen des Verlustvortrags nur noch begrenzt verrechnungsfähig. Angesichts der Verknüpfung der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] mit einem unbeschränkten Verlustabzug kommt deshalb möglichen [X.] nach dem [X.]-Schreiben in [X.], 240 eine besondere Bedeutung zu (vgl. auch [X.], [X.] 2010, 306).

f) Der Gesetzgeber hat in den Gesetzesmaterialien an zahlreichen Stellen zu erkennen gegeben, dass er den sog. [X.] des [X.] nicht nur billigt, sondern für erforderlich hält.

aa) Bereits die Gesetzesbegründung zum Entwurf des Steuerreformgesetzes 1999 zur Streichung des § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] zeigt, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass einzelnen persönlichen oder sachlichen Härtefällen im Stundungs- und Erlasswege begegnet werden muss (BTDrucks 13/7480, S. 192).

bb) Ursprünglich enthielt auch § 8c [X.] keine Sanierungsklausel. Die Begründung zum UntStRFoG 2008 (BTDrucks 16/4841, S. 76; [X.] 220/07, S. 126) sowie das [X.]-Schreiben vom 4. Juli 2008 IV C 7-S 2745-a/08/10001 (BStBl I 2008, 736, Rz 34) verwiesen vielmehr auf den sog. [X.].

cc) In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) vom 3. April 2009 ([X.] 168/09 (B), S. 30) hat der Bundesrat seinen Änderungsantrag zu § 34 Abs. 7b Satz 1 des [X.] ([X.]) damit begründet, die Steuerbefreiung von [X.] durch Verwaltungsanweisung ([X.]) sei nicht ausreichend, negative Effekte zu verhindern.

dd) Schließlich hat der Gesetzgeber auf die [X.]-Entscheidung in [X.]E 237, 403 reagiert. Im Gesetz zur Anpassung der [X.] an den [X.] und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften ([X.] 2014, 2417) hat er § 184 Abs. 2 Satz 1 [X.] geändert. Richtlinien über [X.] im Bereich der [X.] kann nun auch die oberste Bundesfinanzbehörde aufstellen. In der Begründung der Gesetzesänderung wird darauf hingewiesen, es entspreche der langjährigen Verwaltungspraxis, dass [X.] auf dem Gebiet des Einkommens- und Körperschaftsteuerrechts auch bei der Festsetzung des [X.] zu berücksichtigen seien ([X.]  432/14, S. 35). Die Zweifel daran, die das Urteil des [X.] vom 28. Mai 2002 IX R 86/00 ([X.]E 199, 1, [X.] 2002, 840) hervorgerufen habe, sollten nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Gesetzesänderung beseitigt werden.

g) Die steuerlichen Folgen der Sanierung eines in die Krise geratenen Unternehmens sind in den einzelnen Steuergesetzen nur unsystematisch und ausschnittsweise geregelt. Der vom [X.] zur Rechtfertigung des Steuererlasses beschworene Zielkonflikt der [X.] mit der Besteuerung von [X.] lässt sich nicht durch den Vorrang der insolvenzrechtlichen Regelungen, sondern nur durch steuerliche Maßnahmen lösen. Die Steuerfolgen der Insolvenz sind in der [X.] gerade ausgeklammert worden. Zahlreiche Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, sind nach wie vor ungeklärt oder befinden sich im Fluss. Der [X.] in [X.], 240 trägt zum Abbau grundlegender Konflikte zwischen dem Steuerrecht und der [X.] bei.

h) Gläubiger, die einen Beitrag zu einer "echten" Sanierung und damit zum "Überleben" des angeschlagenen Unternehmens leisten, erwarten regelmäßig, dass sich der Fiskus ebenfalls an der Sanierung beteiligt und nicht noch durch die Besteuerung eines Gewinns, der zu keinerlei Liquiditätszufluss für das Unternehmen führt, die Sanierung belastet oder gar zum Scheitern bringt.

i) [X.] nach §§ 163, 227 [X.] zum Ausgleich von sachlichen, nicht gewollten Härten sind nach alledem nach Auffassung des vorlegenden Senats bei [X.] unerlässlich. Die im [X.]-Schreiben in [X.], 240 formulierten Voraussetzungen für die Annahme eines begünstigten Sanierungsgewinns (Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, Sanierungseignung des [X.] und Sanierungsabsicht der Gläubiger) sind sachliche [X.] von § 163 und § 227 [X.]. "Besondere" sachliche Billigkeitsgründe (Anhaltspunkte dafür, was darunter zu verstehen ist, ergeben sich aus dem Beschluss des [X.]. Senats des [X.] in [X.]/NV 2012, 1135 nicht) sind daneben nicht erforderlich.

j) Angesichts der erheblichen praktischen Bedeutung der Besteuerung bzw. des Steuererlasses in Bezug auf [X.] und der Verpflichtung der Verwaltung zur gleichmäßigen Erhebung von Steuern nach § 85 [X.] war es nach Auffassung des vorlegenden Senats auch unumgänglich, bundeseinheitliche Leitlinien der Finanzverwaltung zur erforderlichen Ermessensausübung zu formulieren.

2. Keine unionswidrige staatliche Beihilfe

Darüber hinaus ist der vorlegende Senat der Auffassung, dass der [X.] nicht nur mit innerstaatlichem (Verfassungs-)Recht vereinbar ist, sondern auch mit dem unionsrechtlichen Beihilferecht.

a) Gemäß Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] --A[X.]V-- (Art. 87 des Vertrags zur Gründung der [X.] --EGV--) sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und im Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist. Der Begriff der Beihilfe ist dabei weiter als der Begriff der Subvention, denn er umfasst nicht nur positive Leistungen wie Subventionen selbst, sondern auch Maßnahmen, die in unterschiedlicher Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (Urteile des Gerichtshofs der [X.] --[X.]-- [X.] vom 22. November 2001 [X.]/00, [X.]:[X.], Rz 15, [X.] 2001, 583; [X.] vom 18. Juli 2013 [X.], [X.]:C:2013:525, Rz 18, [X.] --H[X.]-- 2013, 862). Deswegen können auch [X.] haben (Beschluss 2011/527/[X.] der [X.] vom 26. Januar 2011 über die staatliche Beihilfe [X.]/10 --ex [X.] 250/09 und NN 5/10-- "[X.], Sanierungsklausel" [Amtsblatt der [X.] --ABl[X.]-- 2011, Nr. L 235/26]).

b) Rechtsprechung des [X.] oder des [X.] ([X.]) zur Frage, ob die steuerliche Behandlung eines Sanierungsgewinns gemäß dem sog. [X.] eine nach Art. 107, 108 A[X.]V oder nach Art. 87, 88 EGV europarechtswidrige Beihilfe darstellt, existiert nicht.

Aus den Entscheidungen des [X.] bzw. des [X.] zur Sanierungsklausel des § 8c [X.] lassen sich keine Folgerungen für die Vorlagefrage ziehen. Sowohl das [X.] (Beschluss [X.]/ [X.] vom 18. Dezember 2012 [X.], [X.]:[X.]) als auch der [X.] (Urteil [X.]/[X.] vom 3. Juli 2014 [X.]/13 P, [X.]:C:2014:2054, BB 2014, 1878) haben sich nicht inhaltlich mit dem Beschluss der [X.] in ABl[X.] 2011 Nr. L 235/26 auseinandergesetzt, sondern lediglich entschieden, die Bundesrepublik [X.] habe die Klage gegen den [X.]sbeschluss nicht fristgerecht erhoben.

Im Urteil [X.] ([X.]:C:2013:525, H[X.] 2013, 862) hat der [X.] zu einer mit der Sanierungsklausel des § 8c [X.] vergleichbaren Vorschrift des [X.] Steuerrechts entschieden, eine solche Regelung sei nicht notwendig als --verbotene bzw. notifizierungspflichtige-- staatliche Beihilfe zu beurteilen.

c) Bislang hat die [X.], der die Feststellung der Unzulässigkeit einer Beihilfe im Verfahren des Art. 108 A[X.]V (Art. 88 EGV) obliegt, die Unzulässigkeit eines Steuererlasses auf [X.] nicht festgestellt. Soweit bekannt, ist zur [X.] kein Überprüfungsverfahren nach Art. 108 Abs. 1 A[X.]V anhängig. In einer nicht veröffentlichten Entscheidung im Rahmen einer Einzelfallprüfung soll die [X.] eine Vereinbarkeit des [X.] mit dem [X.]-Beihilferecht angenommen haben (vgl. [X.], [X.] 2013, 2141, 2142).

d) In der Literatur wird die Frage, ob der sog. [X.] als Beihilfe zu qualifizieren ist, unterschiedlich beurteilt.

Nach [X.] (Neue [X.]schrift für Verwaltungsrecht 2011, 263, 267, sowie [X.], Praxis Internationale Steuerberatung --[X.]-- 2012, 131) verstößt der sog. [X.] wegen seiner Anwendbarkeit auf alle Unternehmen nicht gegen das Beihilfeverbot. Lt. [X.] ([X.] 2013, 2141) und de Weerth ([X.], 285) soll die Europäische [X.] keine Bedenken wegen der Vereinbarkeit des [X.] mit dem Beihilferecht hegen. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung habe diese mitgeteilt, der [X.] sei beihilferechtlich nicht zu beanstanden. Diese "Entscheidung" ist offensichtlich nicht veröffentlicht.

[X.] ([X.]schrift für das Gesamte Insolvenzrecht --Z[X.]-- 2003, 1069, 1078) hält es nicht für ausgeschlossen, dass die Steuerbefreiung für [X.] nach dem [X.]-Schreiben in [X.], 240 den Charakter einer Beihilfe in Form einer Steuervergünstigung aufweist. Ähnlich sehen es auch [X.] (Z[X.] 2008, 899) bzw. [X.] (Neue [X.]schrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung; das gesamte Verfahren der Unternehmens- und Verbraucherinsolvenz --NZI-- 2012, 537).

e) Ob der sog. [X.] als Beihilfe zu qualifizieren ist, hängt davon ab, ob er spezifisch bzw. selektiv bestimmte Unternehmen begünstigt. Eine Beihilfe ist dann zu bejahen, wenn die betreffende Billigkeitsmaßnahme eine Ausnahme von dem allgemein geltenden Steuersystem zugunsten bestimmter Unternehmen darstellt und nicht durch Grund- und Leitprinzipien der Steuerrechtsordnung gerechtfertigt ist.

Nach dem [X.] Ertragsteuerrecht sind [X.] als Erhöhungen des Betriebsvermögens grundsätzlich zu versteuern und der sog. [X.] nimmt diese Gewinne von der Besteuerung aus. Diese Ausnahme ist nicht selektiv, es werden keine bestimmten Unternehmen oder Produktionszweige gegenüber anderen Unternehmen oder [X.], die sich im Hinblick auf den mit dem [X.] in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, begünstigt. Zwar wirkt sich das [X.]-Schreiben zugunsten aller Unternehmen mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten aus. Dies allein ist --wie sich aus dem Urteil des Gerichts Erster Instanz [X.]/[X.] vom 11. Juli 2002 [X.]/99 ([X.]:[X.], Rz 168 ff.) ergibt-- jedoch kein Grund, eine selektive Begünstigung anzunehmen.

Die dem sog. [X.] zugrunde liegenden Vorschriften (§§ 163, 222, 227 [X.]) räumen den Finanzbehörden nach den Vorgaben des Gesetzgebers eine Ermessensentscheidung ein; der Ermessensgebrauch ist durch die Gerichte nur im Rahmen des § 102 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) überprüfbar. Der sog. [X.] reduziert das Ermessen der Verwaltung hingegen auf Null. Die Steuer ist zu stunden, anderweitig festzusetzen oder zu erlassen, sofern die im [X.]-Schreiben in [X.], 240 genannten Voraussetzungen vorliegen. Die Finanzverwaltung hat zwar auf der Tatbestandsseite den Beurteilungsspielraum, ob das Unternehmen sanierungsbedürftig und sanierungsfähig ist, der Schuldenerlass geeignet und die Sanierungsabsicht der Gläubiger gegeben ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen des sog. [X.] ist jedoch von den Gerichten in vollem Umfang überprüfbar. Deshalb ist davon auszugehen, dass das [X.]-Schreiben in [X.], 240 keine selektiv begünstigende Ausnahmeregel beinhaltet, auch wenn dem [X.] Recht die Unterscheidung zwischen einem unbestimmten Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite und dem Ermessen auf der [X.] fremd ist (ebenso [X.], [X.] 2012, 131; anderer Ansicht [X.], [X.], 537; [X.], Z[X.] 2003, 1069, 1072 f., Kahn/[X.], Z[X.] 2008, 899, 906).

Vor allem ist darauf hinzuweisen, dass der sog. [X.] in den Grundprinzipien der Steuerrechtsordnung seine Begründung findet und deshalb als gerechtfertigt anzusehen ist. Der [X.] kommt nur notleidenden Unternehmen zugute und trägt dazu bei, dass die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gesichert und das Übermaßverbot gewahrt sind.

C. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.

Folgt man der Auffassung des vorlegenden Senats, dass der [X.] nicht gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt und darauf gestützte [X.] grundsätzlich zulässig sind, müsste das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen werden, damit dieses klärt, ob die Voraussetzungen einer Billigkeitsentscheidung nach dem sog. [X.] vorliegen. Wird die Vorlagefrage entgegen der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats beantwortet, müsste die Revision zurückgewiesen werden.

D. Notwendigkeit einer Entscheidung des Großen Senats

Die Vorlage ist nach § 11 Abs. 4 [X.]O geboten. Wie die Vielzahl der divergierenden erstinstanzlichen Entscheidungen und die Vielzahl der Literaturbeiträge zeigen, kommt der Vorlagefrage grundsätzliche Bedeutung bei. Die Frage der Besteuerung von [X.] ist für die Praxis von zentraler Bedeutung. Neben dem Streitfall sind weitere Revisionsverfahren beim [X.] anhängig (I R 52/14, IV R 6/15), in denen die Frage der Gesetzmäßigkeit des sog. [X.] von Bedeutung sein dürfte.

Meta

X R 23/13

25.03.2015

Bundesfinanzhof 10. Senat

Vorlagebeschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 24. April 2013, Az: 1 K 759/12, Urteil

Art 107 AEUV, Art 108 AEUV, § 85 AO, § 163 AO, § 184 Abs 2 AO, § 227 AO, § 151 Abs 2 AO, § 3 Nr 66 EStG 1990, § 7 S 1 GewStG 2002, § 8c KStG 2002, EStG VZ 2007, KStG VZ 2007, GewStG VZ 2007, § 11 Abs 4 FGO, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Vorlagebeschluss vom 25.03.2015, Az. X R 23/13 (REWIS RS 2015, 13464)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13464


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. GrS 1/15

Bundesfinanzhof, GrS 1/15, 28.11.2016.


Az. X R 23/13

Bundesfinanzhof, X R 23/13, 25.03.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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