Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2022, Az. 6 AZR 465/21

6. Senat | REWIS RS 2022, 4383

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Gegenstand

"Besitzstandszulage Kind" im TVÜ-Länder - bestandskräftige Ablehnung des Kindergeldanspruchs


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 3. August 2021 - 8 [X.]/21 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung der „[X.]“ nach § 11 des Tarifvertrags zur Überleitung der [X.]eschäftigten der Länder in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts ([X.]) vom 12. Oktober 2006.

2

Die Klägerin ist bei dem beklagten Land beschäftigt. Im Arbeitsverhältnis der Parteien sind der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder ([X.]) vom 12. Oktober 2006 und der [X.] anzuwenden.

3

§ 11 [X.] lautet auszugsweise wie folgt:

        

§ 11 

        

Kinderbezogene [X.]e

        

(1)     

1Für im Oktober 2006 zu berücksichtigende Kinder werden die kinderbezogenen [X.]e des [X.]/[X.]-O oder [X.]/[X.]-O in der für Oktober 2006 zustehenden Höhe als [X.] fortgezahlt, solange für diese Kinder Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder nach dem [X.]undeskindergeldgesetz ([X.]) ununterbrochen gezahlt wird oder ohne [X.]erücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 [X.] gezahlt würde. 2Die [X.] entfällt ab dem [X.]punkt, zu dem einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder nach einer Ruhelohnordnung versorgungsberechtigt ist, für ein Kind, für welches die [X.] gewährt wird, das Kindergeld gezahlt wird; die Änderung der [X.] hat die/der [X.]eschäftigte dem Arbeitgeber unverzüglich schriftlich anzuzeigen. 3Unterbrechungen der [X.] wegen Ableistung von Grundwehrdienst, Zivildienst oder Wehrübungen sowie die Ableistung eines freiwilligen [X.] oder ökologischen Jahres sind unschädlich; soweit die unschädliche Unterbrechung bereits im Monat Oktober 2006 vorliegt, wird die [X.] ab dem [X.]punkt des Wiederauflebens der [X.] gewährt.

                 

Protokollerklärung zu § 11 Absatz 1:

                 

1.    

1Die Unterbrechung der Entgeltzahlung im Oktober 2006 bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen Elternzeit, Rente auf [X.] oder Ablauf der Krankenbezugsfristen ist für das Entstehen des Anspruchs auf die [X.] unschädlich. 2[X.]ei späteren Unterbrechungen der Entgeltzahlung in den Fällen von Satz 1 wird die [X.] nach Wiederaufnahme der [X.]eschäftigung weiter gezahlt. …“

4

§ 29 des Tarifvertrags zur Anpassung des [X.] - Manteltarifliche Vorschriften - ([X.]-O) vom 10. Dezember 1990 lautete in der zuletzt geltenden Fassung auszugsweise wie folgt:

        

§ 29 

Ortszuschlag

        

A.    

Grundlage des [X.]

        

(1)     

Die Höhe des [X.] richtet sich nach der [X.], der die Vergütungsgruppe des Angestellten zugeteilt ist (Absatz 2), und nach der Stufe, die den Familienverhältnissen des Angestellten entspricht (Abschnitt [X.]).

        

…       

        
        

[X.].    

Stufen des [X.]

        

…       

        
        

(3)     

Zur Stufe 3 und den folgenden Stufen gehören die Angestellten der Stufe 2, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder nach dem [X.]undeskindergeldgesetz ([X.]) zusteht oder ohne [X.]erücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 [X.] zustehen würde. Die Stufe richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder.

        

…“    

        
5

[X.]is einschließlich 31. August 2012 erhielt die Klägerin für ihre am 12. Juli 1990 geborene Tochter Kindergeld sowie den kinderbezogenen [X.] des [X.]-O bzw. die „[X.]“ gemäß § 11 [X.]. Die von der Klägerin für die Folgezeit beantragte Gewährung von Kindergeld lehnte die Familienkasse mit [X.]escheid vom 29. Mai 2013 ab, da die Tochter die wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden überschreite.

6

Auf einen erneuten Antrag der Klägerin bewilligte die Familienkasse mit [X.]escheid vom 26. Februar 2015 Kindergeld vom 1. Oktober 2014 bis einschließlich 31. Juli 2015, lehnte dessen Festsetzung aber für die [X.] vom 1. September 2012 bis einschließlich 30. September 2014 wiederum ab. Der gegen die Ablehnung erhobene Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Im Klageverfahren nahm die Klägerin nach einem Hinweis des [X.]s auf den unwidersprochen gebliebenen und daher bestandskräftigen [X.]escheid vom 29. Mai 2013 ihre Klage teilweise - soweit sie sich auf den [X.]raum vom 1. September 2012 bis einschließlich 31. Mai 2013 bezog - zurück. Das [X.] wies die Klage für den verbliebenen Streitzeitraum ab. Im Revisionsverfahren hob der [X.]undesfinanzhof dieses Urteil des [X.]s auf und verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für die [X.] vom 1. Juni 2013 bis einschließlich 30. September 2014 festzusetzen. Dem kam die Familienkasse nach und zahlte Kindergeld bis zum Ende des [X.], dh. bis zum 30. Juni 2015.

7

Ein dritter Antrag der Klägerin vom 20. Dezember 2016 auf Kindergeld für den [X.]raum vom 1. September 2012 bis einschließlich 31. Mai 2013 wurde wiederum abgelehnt. Einspruch und Untätigkeitsklage hiergegen blieben erfolglos, da nach Auffassung des [X.]s der begehrten Kindergeldfestsetzung für diesen [X.]raum jedenfalls die [X.]estandskraft des Ablehnungsbescheids vom 26. Februar 2015 entgegenstehe.

8

Für die [X.] ab dem 1. September 2012 stellte das beklagte Land die Zahlung der „[X.]“ gemäß § 11 [X.] ein. Hiergegen wendet sich die Klägerin nach erfolgloser schriftlicher Geltendmachung mit der vorliegenden Klage.

9

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe die „[X.]“ auch für den [X.]raum vom 1. September 2012 bis zum 30. Juni 2015 zu. § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] knüpfe an das [X.]estehen eines Anspruchs auf Kindergeld und damit an eine materielle [X.] an. Dem Urteil des [X.]undesfinanzhofs lasse sich entnehmen, dass sie durchgehend anspruchsberechtigt gewesen sei. Allein aus prozessualen Gründen könne sie diesen Anspruch teilweise nicht mehr durchsetzen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 3.760,96 Euro brutto nebst Zinsen in im Einzelnen genannter, gestaffelter Höhe zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] knüpfe an die Festsetzung von Kindergeld an. Deren Ablehnung im [X.]escheid der Familienkasse für die [X.] vom 1. September 2012 bis einschließlich 31. Mai 2013 sei durch Rücknahme der Klage vor dem [X.] bestandskräftig geworden. Daher bestehe insoweit auch kein Anspruch auf die „[X.]“. Für den restlichen Streitzeitraum bis einschließlich 30. Juni 2015 sei diese Unterbrechung der Kindergeldfestsetzung ebenfalls schädlich und der Anspruch auf die „[X.]“ nicht wieder aufgelebt.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht die mit der Klage begehrte „[X.]“ gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] für den Streitzeitraum 1. September 2012 bis 30. Juni 2015 nicht zu. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass der fehlende Kindergeldbezug der Klägerin ab 1. September 2012 bis einschließlich 31. Mai 2013 ihrem Anspruch auf die hierzu akzessorische [X.]zulage gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] in diesem Zeitraum entgegensteht. Aufgrund dieser Unterbrechung ist der Anspruch auf die [X.]zulage erloschen, so dass die Klägerin auch keinen Anspruch auf die [X.]zulage für den weiteren Streitzeitraum 1. Juni 2013 bis zum 30. Juni 2015 hat. Im Unterschied zum Kindergeld lebte dieser Anspruch nicht wieder auf.

I. Der Anspruch auf die „[X.]“ gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] setzt den tatsächlichen Bezug von Kindergeld auf der Grundlage einer entsprechenden Festsetzung der Familienkasse voraus, der außer in den Fällen des - hier nicht einschlägigen - § 11 Abs. 1 Satz 3 [X.] ununterbrochen sein muss. Die bloße materielle Anspruchsberechtigung ohne eine entsprechende Festsetzung reicht hierfür nicht aus. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen zuletzt etwa [X.] 1. Dezember 2020 - 9 [X.] - Rn. 24 mwN; 7. Februar 2019 - 6 [X.] - Rn. 27 mwN).

1. Bereits im Wortlaut der als reine [X.]regelung ausgestalteten Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist die Differenzierung danach, ob der Besitzstand ununterbrochen fortbesteht, dh. das Kindergeld ununterbrochen [X.] wird, oder der Anspruch auf Kindergeld, an den der schützenswerte Besitzstand knüpft - sei es auch nur vorübergehend - untergeht, eindeutig angelegt (vgl. [X.] 14. April 2011 - 6 [X.] - Rn. 21 zum inhaltsgleichen § 11 [X.]). Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] besteht der Anspruch auf die [X.]zulage nur so lange, wie für die im Oktober 2006 zu berücksichtigenden Kinder ohne Unterbrechung Kindergeld „gezahlt“ wird oder ohne Berücksichtigung der §§ 64, 65 EStG oder der §§ 3, 4 [X.] gezahlt würde. Die erste Alternative erfordert daher die - grundsätzlich ununterbrochene - Festsetzung und Zahlung von Kindergeld. Nur in der zweiten Alternative, dh. bei dem Zusammentreffen mehrerer [X.] oder der Kollision mit anderen Leistungen, reicht nach dem Tarifwortlaut die bloße [X.] als Voraussetzung für den Erhalt der [X.]zulage aus (vgl. [X.] 13. August 2009 - 6 [X.] - Rn. 26 iVm. Rn. 20, 27) und wird diese dem tatsächlichen Kindergeldbezug gleichgestellt. Aufgrund dieser eindeutigen Unterscheidung verbietet es sich, die erste Alternative („gezahlt wird“) - wie von der Revision gefordert - im Lichte der zweiten Alternative („gezahlt würde“) über den Wortlaut hinaus extensiv auszulegen.

Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien durch die im Vergleich zur Vorgängerregelung in § 29 Abschnitt [X.] 3 [X.] geänderte Wortwahl klargestellt, dass die Zulage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur noch reiner [X.]schutz, nicht aber mehr Beitrag zu den durch Kinder ausgelöste Unterhaltslasten ist (vgl. [X.] 14. April 2011 - 6 [X.] - Rn. 21). Nach § 29 Abschnitt [X.] 3 [X.] kam es für den Anspruch auf den kinderbezogenen [X.] im [X.] nur darauf an, dass dem Beschäftigten Kindergeld „zusteht“. Das war auch dann der Fall, wenn es an einer formalen Festsetzung des Kindergeldes fehlte oder dieses nicht gezahlt wurde ([X.] 13. März 2008 - 6 [X.] - Rn. 15). Demgegenüber ist Voraussetzung für die Zulage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.], dass Kindergeld „gezahlt“ wird. Damit haben die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass sie sich von dem bis dahin bestehenden Automatismus zwischen Kindergeldanspruch und Anspruch auf kinderbezogene [X.]e lösen wollten und die Zulage mit Ausnahme der abschließend geregelten Sonderfälle nur solange gezahlt werden sollte, wie tatsächlich Kindergeld gezahlt wird.

2. Diesem Wortlautverständnis entsprechen Sinn und Zweck dieser [X.]regelung. Die Tarifvertragsparteien haben den Bestand des Anspruchs auf die [X.]zulage im Grundsatz an den ununterbrochen fortbestehenden Kindergeldbezug geknüpft. Sie wollten nur den tatsächlichen, individuellen Besitzstand der übergeleiteten Beschäftigten, wie er im Monat vor der Überleitung bestand, schützen. Dieser Besitzstand erlischt mit der Einstellung der [X.], sofern nicht einer der in § 11 Abs. 1 Satz 3 [X.] abschließend aufgezählten Ausnahmefälle vorliegt (vgl. [X.] 14. April 2011 - 6 [X.] - Rn. 21 zum inhaltsgleichen § 11 [X.]). Für die Zeit des fortbestehenden [X.] haben die Tarifvertragsparteien zu erkennen gegeben, dass sie widersprüchliche Entscheidungen über Kindergeld und [X.]zulage vermeiden wollten. Der Anspruch auf das Kindergeld und die [X.]zulage sollen insoweit kein unterschiedliches rechtliches Schicksal erfahren. Solange Kindergeld seit der Überleitung des Beschäftigten in den [X.] ununterbrochen festgesetzt ist und daher gezahlt wird, ist deshalb auch die [X.]zulage zu gewähren. Umgekehrt entfällt der Anspruch auf die [X.]zulage, wenn die Kindergeldfestsetzung bestandskräftig abgelehnt oder aufgehoben ist. Er entsteht nur in den von § 11 Abs. 1 Satz 3 [X.] erfassten Fällen neu, wenn die [X.] wieder auflebt ([X.] 25. April 2013 - 6 [X.] - Rn. 15 zum inhaltsgleichen § 11 [X.]). Damit haben die Tarifvertragsparteien in zulässiger Weise pauschalisierend auf die - sei es auch nur vorübergehende - Einstellung des [X.] abgestellt und diese zum Anlass genommen, den Anspruch auf die [X.]zulage endgültig untergehen zu lassen (vgl. [X.] 14. April 2011 - 6 [X.] - Rn. 23). Daher ist es entgegen der Annahme der Revision unzureichend, wenn der Beschäftigte lediglich „materiell kindergeldberechtigt“ in dem Sinne ist, dass er die Voraussetzungen der §§ 62, 63 EStG erfüllt, solange diese Berechtigung nicht in einem entsprechenden Festsetzungsbescheid (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 1 EStG) ihren Ausdruck gefunden hat (vgl. [X.] 25. April 2013 - 6 [X.] - Rn. 13), auf dessen Grundlage die [X.] erfolgt. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Beschäftigte einen zwar rechtswidrigen, weil in der Sache unrichtigen, aber nicht nichtigen Ablehnungs- oder Aufhebungsbescheid nicht mit Einspruch und/oder Klage angreift und bestandskräftig werden lässt. Die aus der Bestandskraft resultierende „prozessuale Nichtdurchsetzbarkeit“ des [X.] führt entgegen der Auffassung der Revision ungeachtet einer etwaig bestehenden „materiellen Anspruchsberechtigung“ im Hinblick auf das Kindergeld nach der tariflichen Ausgestaltung zum Untergang des Anspruchs auf die „[X.]“.

Der Beschäftigte ist insoweit auch nicht schutzlos gestellt. Es steht ihm offen, die behördliche Entscheidung über die Versagung von Kindergeld fristgerecht gerichtlich überprüfen zu lassen, um so mittelbare negative Folgen für seine Vergütung zu verhindern (vgl. [X.] 13. März 2008 - 6 [X.] - Rn. 15). Das hat die Klägerin versäumt und den Bescheid vom 29. Mai 2013 bestandskräftig werden lassen.

3. Die von der Klägerin angeführten systematischen Erwägungen bedingen kein anderes Auslegungsergebnis. Entgegen der Annahme der Revision folgt aus der Verwendung des Begriffs der „[X.]“ in § 11 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 [X.] nicht, dass die Tarifvertragsparteien die materielle [X.] als ausreichend angesehen haben. Diese Regelung stellt im Gegenteil klar, dass - sofern kein Fall der später eingefügten Protokollerklärung Nr. 3 zu § 11 Abs. 1 [X.] vorliegt - bereits ein Wechsel in der Person des [X.] zum Erlöschen des Anspruchs auf die [X.]zulage führt, weil nur der individuelle, im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Tarifrechts bestehende Besitzstand geschützt werden sollte (vgl. [X.] 30. Oktober 2008 - 6 [X.] - Rn. 8 ff, [X.]E 128, 219). Die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 [X.] setzt damit ebenfalls den ununterbrochenen Bezug von Kindergeld voraus und soll lediglich Überzahlungen vermeiden ([X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] [X.] Stand Dezember 2012 Rn. 334).

Soweit die Klägerin auf die [X.] Nr. 1 und Nr. 3 zu § 11 Abs. 1 [X.] verweist, folgt aus diesen nichts Anderes. Sie regeln gerade nicht die hier streitbefangene Frage, ob der Anspruch auf die [X.]zulage den tatsächlichen Kindergeldbezug voraussetzt oder nicht. Einen Rückschluss auf den Bedeutungsgehalt des § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] lassen sie darum nicht zu. Die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 11 Abs. 1 [X.] erfasst mit dem Ruhen des [X.] des Beschäftigten selbst im Stichmonat Oktober 2006 eine andere Tatbestandsvoraussetzung der streitbefangenen Zulage. Die Protokollerklärung Nr. 3 zu § 11 Abs. 1 [X.] regelt wiederum den Wechsel der [X.], ohne auf den ununterbrochenen Kindergeldbezug für das Kind zu verzichten.

II. Dem Auslegungsergebnis stehen die Entscheidungen des Senats vom 8. Dezember 2011 (- 6 [X.] und 6 [X.] - [X.]E 140, 99) nicht entgegen. Diese befassen sich nicht mit der Tatbestandsvoraussetzung der ununterbrochenen Zahlung von Kindergeld, sondern derjenigen des kinderbezogenen [X.]s des [X.]/[X.]-O oder [X.]/[X.]-O für „zu berücksichtigende Kinder“ in der für den Stichmonat Oktober 2006 „zustehenden“ Höhe. Aus diesen Formulierungen hat der Senat geschlossen, dass die Anspruchsberechtigung des Beschäftigten auf diese kinderbezogenen [X.]e im Stichmonat Oktober 2006 als Voraussetzung für den Erhalt des Anspruchs auf die „[X.]“ ausreichend sei. Die tatsächliche Zahlung dieses [X.]s durch den Arbeitgeber setze der Tarifvertrag hingegen nicht voraus ([X.] 8. Dezember 2011 - 6 [X.] - Rn. 12 ff.; 8. Dezember 2011 - 6 [X.] - Rn. 21 ff., aaO). Dies ist bei der vorliegend streitigen Tatbestandsvoraussetzung anders. Hier fordert - wie dargelegt - der Tarifvertrag, dass Kindergeld tatsächlich gezahlt wird.

III. Der Anspruch auf die „[X.]“ des § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] erlischt damit mit dem Ende der [X.] bzw. mit dem Ende des Zeitraums, für den ohne Berücksichtigung der §§ 64, 65 EStG oder der §§ 3, 4 [X.] Kindergeld gezahlt würde. Wird die [X.] nach einer Unterbrechung später wieder aufgenommen, lebt die [X.]zulage nur in den in § 11 Abs. 1 Satz 3 [X.] abschließend aufgezählten Fällen, in denen die Unterbrechung vom Tarifvertrag ausdrücklich als unschädlich bezeichnet wird, wieder auf. Insoweit stehen § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 [X.] in einem eindeutigen und abschließenden [X.]. Hätten die Tarifvertragsparteien Satz 3 dieser Bestimmung nur beispielhaft gemeint, hätten sie dies mit Zusätzen wie „zum Beispiel“, „insbesondere“ oder „etwa“ deutlich gemacht ([X.] 14. April 2011 - 6 [X.] - Rn. 13 zum inhaltsgleichen § 11 [X.]). Soweit für den Fall einer Unterbrechung der [X.] aufgrund verspäteter Antragstellung (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG) bei dem Grunde nach durchgängig bestehender [X.] die „[X.]“ abweichend von den tariflichen Regelungen mit Wiederaufnahme der [X.] [X.] wird (vgl. zu dieser Handhabung die Hinweise bei [X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] Stand Juli 2021 [X.] Rn. 332b auf die 10./2017 Mitgliederversammlung der [X.] am 13./14. Dezember 2017 bzw. das [X.] vom 25. Mai 2018 - [X.]-31002/9#1 - sowie bei [X.]/[X.]/[X.]/Wiese TVöD [X.]/[X.] Stand Dezember 2019 Rn. 132a auf das [X.] vom 16. März 2018 - R 22/2018 -), geschieht dies übertariflich. § 11 [X.] gebietet dies nicht.

IV. Danach kann die Klägerin die „[X.]“ gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] im streitgegenständlichen Zeitraum nicht beanspruchen.

1. Diesem Anspruch steht in den Monaten September 2012 bis Mai 2013 der fehlende tatsächliche Bezug von Kindergeld entgegen. Dieser rechtfertigte sich aus dem Ablehnungsbescheid vom 29. Mai 2013 bzw. jedenfalls aus demjenigen vom 26. Februar 2015, der nach teilweiser Klagerücknahme im Verfahren vor dem [X.] in Bestandskraft erwachsen ist. Dem steht das in diesem Verfahren auf die Revision der Klägerin ergangene Urteil des [X.] vom 8. September 2016 (- III R 27/15 -) nicht entgegen. Dieses bezog sich nach der Klagerücknahme nicht mehr auf den Zeitraum vom 1. September 2012 bis zum 31. Mai 2013.

Die Ausführungen des [X.] in diesem Urteil zur „materiellen [X.]“ der Klägerin vermögen an dem für § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] allein maßgeblichen fehlenden Kindergeldbezug nach den vorstehenden Ausführungen entgegen der Annahme der Revision nichts zu ändern. Im Übrigen verhält es sich im vorliegenden Fall nicht so, dass über die [X.] der Klägerin in den Monaten September 2012 bis Mai 2013 noch gar keine Entscheidung der Familienkasse ergangen war (und die Frage der [X.] somit offen war). Die Familienkasse hat vielmehr, wie dargelegt, den Anspruch der Klägerin bestandskräftig abgelehnt.

An dieser Ablehnung änderte auch der erneute Kindergeldantrag der Klägerin vom 20. Dezember 2016 nichts. Diesen sowie den Einspruch der Klägerin beschied die Familienkasse abschlägig. Die daraufhin erhobene Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das [X.] rechtskräftig abgewiesen.

2. Für den restlichen Streitzeitraum vom 1. Juni 2013 bis zum 30. Juni 2015 besteht ebenfalls kein Anspruch der Klägerin. Aufgrund des ab 1. September 2012 unterbrochenen [X.] lebte die „[X.]“ des § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] ungeachtet des Umstands, dass die Klägerin ab 1. Juni 2013 wieder Kindergeld bezogen hat, nicht wieder auf. Es fehlt insoweit an der von § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorausgesetzten ununterbrochenen Zahlung. Einer der in Satz 3 dieser Tarifnorm abschließend aufgeführten Ausnahmefälle liegt ebenfalls nicht vor. Das ist zwischen den Parteien nicht streitig.

Auf eine übertarifliche Gewährung hat sich die Klägerin nicht berufen. Eine solche kommt auch nicht in Betracht. Die Klägerin hat die fristgerechte Beantragung des Kindergeldes nicht versäumt.

V. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Spelge    

        

    Wemheuer    

        

    Heinkel    

        

        

        

    C. Klar    

        

    [X.]    

                 

Meta

6 AZR 465/21

29.06.2022

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Cottbus, 16. Februar 2021, Az: 6 Ca 717/20, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 TVÜ-L, § 29 BAT-O, § 11 Abs 1 S 3 TVÜ-L, § 64 EStG, § 65 EStG, § 3 BKGG, § 4 BKGG, § 62 EStG, § 63 EStG, § 70 EStG, § 46 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2022, Az. 6 AZR 465/21 (REWIS RS 2022, 4383)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4383

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