Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.04.2013, Az. 6 AZR 711/11

6. Senat | REWIS RS 2013, 6275

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Gegenstand

Besitzstandszulage gemäß § 11 TVÜ-Bund - Kindergeldfestsetzung - Beginn der Verfallsfrist


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 29. Juni 2011 - 5 [X.]/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des [X.], die ihm nach dem 1. Januar 2008 gezahlte [X.] nach § 11 [X.] zurückzuzahlen.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten im [X.] als [X.] beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet seit dem 1. Oktober 2005 der [X.] Anwendung. Der Kläger erhielt für seinen am 12. April 1988 geborenen [X.] zwischen Januar 2008 und März 2010 Kindergeld sowie die [X.] nach § 11 [X.]. [X.] überschritten die Einkünfte des [X.] des [X.] wegen einer mehrmonatigen Tätigkeit als Geselle nach Abschluss seiner Ausbildung die Einkommensgrenzen des Einkommensteuergesetzes. Dies stellte die Familienkasse der Wehrbereichsverwaltung Süd, Außenstelle [X.], nach Anfragen von April 2008, Juni 2009 sowie August 2009 aufgrund einer am 7. September 2009 eingegangenen Auskunft des [X.] fest, aus der sich ein Einkommen des [X.] von mehr als 16.000,00 Euro im [X.] ergab. Bereits mit der „Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes“ für das [X.] und das [X.] vom 16. April 2008 hatte der Kläger für das [X.] eine Einkommensprognose von etwa 11.600,00 Euro für den [X.] mitgeteilt.

3

Die Familienkasse hob nach den Feststellungen des [X.]s mit Bescheid gemäß § 70 Abs. 4 EStG vom 12. März 2010 die Kindergeldfestsetzung für das [X.] rückwirkend auf. Seinen gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch nahm der Kläger zurück und erstattete das zu viel erhaltene Kindergeld für das [X.]. Wegen einer weiteren, im September 2008 aufgenommenen Ausbildung, die bis zum [X.] andauerte, lag für den [X.] in den Jahren 2009 und 2010 wieder [X.] vor.

4

Mit Schreiben vom 15. März 2010 machte die Beklagte durch die Wehrbereichsverwaltung als sog. Gebührnisstelle die Rückzahlung der [X.] gemäß § 11 [X.] für die Jahre 2008 bis 2010 in Höhe von insgesamt 2.885,01 Euro geltend. Die Parteien streiten noch über das Bestehen eines Rückzahlungsanspruchs der Beklagten für die [X.] von Januar 2008 bis einschließlich August 2009 von 2.083,80 Euro.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Wehrbereichsverwaltung sei bekannt gewesen, dass ihm für seinen [X.] im [X.] kein Kindergeld und damit auch keine [X.] zugestanden habe. Er sei davon ausgegangen, dass sich dies bereits aus den von ihm eingereichten Unterlagen, insbesondere der Erklärung vom 16. April 2008 ergeben habe und er damit seinen Mitwirkungspflichten genügt habe. Versäumnisse der Wehrbereichsverwaltung könnten nicht zu seinen Lasten gehen.

6

Der Kläger hat zuletzt - soweit für die Revision noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, das der von der Beklagten vom Kläger geforderte Rückforderungsanspruch in Höhe von 2.083,80 Euro nicht besteht.

7

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, erst durch den Bescheid der Familienkasse vom 12. März 2010 sei der Rückzahlungsanspruch entstanden. Die Ausschlussfrist habe erst mit Kenntnis dieses Bescheids zu laufen begonnen.

8

Das Arbeitsgericht hat angenommen, Rückzahlung könne die Beklagte erst für die [X.] ab September 2009 beanspruchen, die älteren Rückzahlungsansprüche seien verfallen. Ausgehend davon hat es festgestellt, dass ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 2.083,80 Euro nicht besteht. Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. Das [X.] hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel für die [X.] vor September 2009 weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet.

1. Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass der Rückzahlungsanspruch für die dem Kläger seit dem 1. Januar 2008 gezahlte [X.] nach § 11 [X.] entstanden ist. Dem Kläger stand für das [X.] kein Kindergeld für seinen [X.] zu, weil dessen Einkommen den nach § 32 Abs. 4 EStG in der bis 31. Dezember 2011 geltenden Fassung maßgeblichen Grenzbetrag überschritten hatte. Damit bestand auch der daran geknüpfte Anspruch auf die [X.] nach § 11 [X.] nicht. Im Unterschied zum Kindergeld lebte der Anspruch auf die [X.] durch die im September 2008 begonnene Ausbildung des [X.] für die [X.] und 2010 nicht wieder auf (vgl. [X.] 14. April 2011 - 6 [X.] -).

2. Das [X.] hat mit ebenfalls zutreffender Begründung angenommen, der Rückzahlungsanspruch der Beklagten sei nicht gemäß § 37 Abs. 1 [X.] verfallen.

a) Der Kläger übersieht bei seiner Argumentation, die Familienkasse habe über die erforderlichen Informationen verfügt, um vor dem 12. März 2010 über die Kindergeldberechtigung hinsichtlich des [X.] des Klägers für das [X.] zu entscheiden, und die Beklagte müsse sich dies zurechnen lassen, die rechtliche Eigenständigkeit der Familienkasse. Die bei allen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen iSd. § 72 EStG einzurichtenden Familienkassen werden im Wege der Organleihe im Auftrag der [X.] tätig und gelten insoweit als Bundesfinanzbehörde (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 10 FVG). Sie unterstehen der Fachaufsicht des Bundeszentralamtes für Steuern (vgl. das Merkblatt des BZSt „Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs“). Sie handeln insoweit als eigenständige Verwaltung. Der Umstand, dass die Familienkasse Teil der Verwaltung der Beklagten ist, ändert daran nichts (vgl. BVerwG 26. August 1993 - 2 C 16.92 - BVerwGE 94, 98).

b) Der Kläger berücksichtigt zudem nicht, dass die seit Inkrafttreten des [X.] ununterbrochene Festsetzung des Kindergeldes nach § 70 Abs. 1 EStG durch Verwaltungsakt bis zu ihrer Aufhebung durch den Bescheid vom 12. März 2010 für die Beklagte als Arbeitgeberin bei der Prüfung, ob Anspruch auf die [X.] nach § 11 [X.] bestand, maßgeblich war.

aa) Die Tarifvertragsparteien hatten den Anspruch auf den kinderbezogenen [X.] im [X.] (bzw. den für Arbeiter maßgeblichen Sozialzuschlag) vollständig an die Kindergeldberechtigung nach dem Einkommensteuergesetz oder dem Bundeskindergeldgesetz geknüpft. Ausgehend von diesem Willen der Tarifvertragsparteien hat das [X.] ungeachtet der fehlenden [X.] der Entscheidung des Arbeitgebers über den Anspruch auf den kinderbezogenen [X.] im [X.] (vgl. insoweit [X.] 19. Mai 2011 - 6 [X.] - Rn. 16) angenommen, die Festsetzung des Kindergeldes nach § 70 Abs. 1 EStG durch Verwaltungsakt solle auch für den Anspruch auf den kinderbezogenen Teil des [X.]s maßgebend sein. Andernfalls sei es denkbar, dass ein Angestellter zwar Kindergeld erhalte, nicht aber den kinderbezogenen [X.] des [X.]s oder umgekehrt zwar diesen Teil des [X.]s, aber kein Kindergeld. Ebenso sei denkbar, dass trotz der Konkurrenzregelung in § 29 Abschn. [X.] 6 [X.] mehrere Angestellte für dasselbe Kind den kinderbezogenen [X.] erhielten. Solche Ergebnisse hätten die Tarifvertragsparteien durch die Anbindung des kinderbezogenen Teils des [X.]s an den Kindergeldanspruch erkennbar vermeiden wollen ([X.] 13. März 2008 - 6 [X.] - Rn. 14 f.; 31. Mai 2001 - 6 [X.] [X.] 1 b der Gründe; vgl. für den Familienzuschlag BVerwG 26. August 1993 - 2 C 16.92 - BVerwGE 94, 98).

bb) Diese von der Rechtsprechung für den kinderbezogenen [X.] im [X.] entwickelten Grundsätze sind im Grundsatz auch auf die [X.] nach § 11 der Überleitungstarifverträge zu übertragen. Die Tarifvertragsparteien haben den Bestand des Anspruchs auf die [X.] an die ununterbrochen fortbestehende Kindergeldberechtigung geknüpft. Sie wollten den tatsächlichen, individuellen Besitzstand der übergeleiteten Beschäftigten, wie er im Monat vor der Überleitung bestand, schützen ([X.] 8. Dezember 2011 - 6 [X.] - Rn. 25). Dieser Besitzstand erlischt mit der Einstellung der [X.], sofern nicht einer der in § 11 Abs. 1 Satz 3 [X.] abschließend aufgezählten Ausnahmefälle vorliegt (vgl. [X.] 14. April 2011 - 6 [X.] - Rn. 21). Für die Zeit des fortbestehenden [X.] haben die Tarifvertragsparteien zu erkennen gegeben, dass sie widersprüchliche Entscheidungen über Kindergeld und [X.] vermeiden wollten. Der Anspruch auf das Kindergeld und die [X.] sollen insoweit kein unterschiedliches rechtliches Schicksal erfahren. Solange Kindergeld seit der Überleitung des Beschäftigten in den [X.] ununterbrochen festgesetzt ist, ist deshalb auch die [X.] zu gewähren. Umgekehrt entfällt der Anspruch auf die [X.] (erst), wenn die Kindergeldfestsetzung bestandskräftig aufgehoben ist. Er entsteht nur in den von § 11 Abs. 1 Satz 3 [X.] erfassten Fällen neu, wenn die [X.] wieder auflebt.

cc) In Anwendung dieser Grundsätze ist der Anspruch auf die [X.] für den [X.] des Klägers für das [X.] und die Folgejahre erst durch den Aufhebungsbescheid vom 12. März 2010 entfallen. Erst zu diesem Zeitpunkt ist die bis dahin ununterbrochen bestehende Kindergeldberechtigung für dieses Kind rückwirkend weggefallen und damit der streitbefangene Rückzahlungsanspruch entstanden. Die erst ab Kenntnis des Aufhebungsbescheids angelaufene Ausschlussfrist des § 37 [X.] ist durch das Schreiben der [X.] vom 15. März 2010 gewahrt worden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Lauth    

        

    Döpfert    

                 

Meta

6 AZR 711/11

25.04.2013

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Kempten, 11. Januar 2011, Az: 1 Ca 1424/10, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 TVÜ-Bund, § 37 Abs 1 TVöD

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.04.2013, Az. 6 AZR 711/11 (REWIS RS 2013, 6275)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6275

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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