Bundespatentgericht, Urteil vom 16.05.2013, Az. 10 Ni 19/11 (EP)

10. Senat | REWIS RS 2013, 5786

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – „Scharnier“ (europäisches Patent) – Klageerweiterung auf einen weiteren Patentanspruch stellt keine Klageänderung dar


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 711 672

([X.] 50 2005 002 409)

hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Rauch, der Richterin [X.] sowie [X.], [X.]. [X.] und [X.] Richter

für Recht erkannt:

1. Das [X.] Patent 1 711 672 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] im Umfang des Patentanspruchs 1 für nichtig erklärt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/3, der Beklagte 2/3.

4. [X.] ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Beklagte ist Inhaber des am 26. Januar 2005 angemeldeten [X.] Patents 1 711 672 (Streitpatent), das die Priorität dreier [X.] Voranmeldungen vom 26. Januar, 27. Februar bzw. 22. März 2004 in Anspruch nimmt. Das Streitpatent betrifft ein Scharnier zur Montage in einem Durchbruch und umfasst 29 Patentansprüche, von denen die Klägerin mit der vorliegenden Klage Patentanspruch 1 sowie den darauf rückbezogenen Anspruch 2 angreift. Diese Ansprüche lauten gemäß der in [X.] Verfahrenssprache herausgegebenen Streitpatentschrift EP 1 711 672 [X.] wie folgt:

2

„1. Scharnier (10), das zumindest ein in einem Durchbruch (12) in einer dünnen Wand (14), wie [X.]echschranktür montierbares Scharnierteil (16) aufweist, mit einem den Rand (24) des Durchbruchs (12) der dünnen Wand (14) auf deren einen (äußeren) Seite (26) überdeckenden Kopfteil (28), wie Flansch oder Scharnierblatt, und einen von dem Kopfteil (28) ausgehenden, durch den Durchbruch (12) in der dünnen Wand (14) hindurch schiebbaren [X.] (30), und mit einem vom [X.] (30) getragenen, auf der anderen (hinteren) Seite (32) der dünnen Wand (14) sich [X.], vom [X.] getrennten Halteteil (34),

3

4

das Halteteil (34) von [X.] (36) gebildet wird, die von dem [X.] (30) in Richtung seiner Außenfläche nachgiebig vorspringen und deren freies Ende eine Schrägfläche (38) zur spielfreien Abstützung des [X.]s (30) auf dem Rand oder Kante (40) des Durchbruchs (12) aufweist.

5

2. Scharnier nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zwei diametral zueinander angeordnete Halteelemente (36-1, 36-2) vorgesehen sind, auf die Druckelemente, wie [X.] (42), insbesondere eine beiden [X.] (36-1, 36-2) gemeinsame Spiralfeder oder zwei Spiralfedern (42-1, 42-2), oder Keileinrichtungen, wie konische Schrauben (147, 149), einwirken.“

6

Die Klägerin macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents im angegriffenen Umfang nicht patentfähig sei (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ).

7

Sie beruft sich auf folgenden Stand der Technik:

8

[X.]: [X.] 6,286,185 [X.]

9

[X.]: [X.] 3,426,817

D3: [X.] 1,950,205

[X.] [X.] 5,435,159

[X.] [X.] 1,538,320

D6 [X.] 3,583,736

[X.] WO 02/062616 A1

[X.] EP 0 743 461 A1

[X.] [X.] 94 11 368.8 U1

[X.]0 AU 200213612 B2

[X.] EP 1 174 296 A2

[X.]2 JP 2000085352 A

[X.] [X.] 2002/0047293 A1

[X.]4 JP 04110224 A

[X.] EP 0 638 449 A1

[X.] EP 1 081 395 A1

[X.]7 EP 1 046 825 A2

[X.] GB 1 468 954

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber den [X.] und [X.] nicht neu sei. Ferner seien die Gegenstände der Ansprüche 1 und 2 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen, wobei sich die Klägerin insoweit auf die Schriften [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] sowie [X.] bis [X.]7 bezieht.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 1 711 672 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] im Umfang der Ansprüche 1 und 2 teilweise für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage insgesamt,

hilfsweise insoweit abzuweisen, als sie sich gegen Patentanspruch 2 richtet,

weiter hilfsweise die Klage insoweit abzuweisen, als sie sich gegen Patentanspruch 1 des Streitpatents in der Fassung der mit Schriftsatz vom 8. März 2013 eingereichten, in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten [X.] bis 4 richtet.

Wegen des Wortlauts der [X.] bis 4 wird auf die Anlage zu dem Schriftsatz vom 8. März 2013 ([X.]. 170 bis 172 d. A.) verwiesen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass der von der Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 23. April 2013 vorgebrachte Angriff auf Patentanspruch 2 verspätet sei und deshalb nicht berücksichtigt werden dürfe. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 2 seien durch den druckschriftlichen Stand der Technik weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch dem Fachmann nahe gelegt gewesen.

Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 23. Januar 2013 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 [X.] übersandt und zu der dortigen vorläufigen Einschätzung der Rechtslage eine Äußerungsfrist bis zum 8. März 2013 sowie eine Frist für eventuelle Gegenäußerungen bis zum 26. April 2013 gesetzt.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und erfolgreich, soweit sie sich gegen den Patentanspruch 1 des Streitpatents richtet. Patentanspruch 2 des Streitpatents hat dagegen Bestand, so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war.

[X.]

1. Das Streitpatent betrifft nach Absatz 1 seiner Beschreibung ein Scharnier, das zumindest ein in einem Durchbruch in einer dünnen Wand – z. B. einer Blechschranktür - montierbares Scharnierteil aufweist, mit einem den Rand des Durchbruchs der dünnen Wand auf deren einen (äußeren) Seite überdeckenden Kopfteil, wie Flansch oder Scharnierblatt, und einen von dem Kopfteil ausgehenden, durch den Durchbruch in der dünnen Wand hindurch schiebbaren [X.], und mit einem vom [X.] getragenen, auf der anderen (hinteren) Seite der dünnen Wand sich abstützenden, vom [X.] getrennten Halteteil.

Laut Absatz 2 der Streitpatentschrift ist ein derartiges Scharnier bereits aus dem [X.] Patent 0 223 871 bekannt. Dort bestehe das Halteteil aus einem [X.], der durch entsprechende Bohrungen des einen Scharnierteils hindurchgeführt werde und dieses Scharnierteil im Eckbereich eines Schaltschrankes aus Blech festhalte. Diese Art der Montage habe den Vorteil, dass sie auch bei relativ dünnen Blechen eine stabile Befestigung des Türblatts an einem Türrahmen ermögliche, was bei reinen Schraubscharnieren häufig nicht der Fall sei. Nachteilig sei jedoch, dass das Scharnier nur für ganz bestimmte Blechstärken geeignet sei. Abweichende Blechstärken führten zu einem Spiel oder dazu, dass eine Montage des Scharniers nicht möglich sei. Der [X.] könne außerdem als loses Teil verloren gehen. Außerdem sei die Montage immer noch etwas umständlich, insbesondere müssten beide Seiten des Türblatts zugänglich sein (Beschreibung Abs. 3, 4).

2. Ausgehend davon stellt sich das Streitpatent die Aufgabe, die bekannte Anordnung weiter zu verbessern, insbesondere hinsichtlich der Vereinfachung der Montage und der möglichst automatischen Anpassung an unterschiedliche Blechstärken der dünnen Wand. Außerdem sollen lose Teile nach Möglichkeit vermieden werden. Bestimmte, beim Stand der Technik bereits vorhandene Vorteile sollen nach Möglichkeit erhalten bleiben, so die Unzugänglichkeit der Scharnierbefestigung bei geschlossenem Schrank, andererseits die Lösbarkeit bei geöffnetem Schrank, zumindest unter Benutzung eines Werkzeugs (Beschreibung Abs. 5, 6).

3. Diese Aufgabe soll durch Bereitstellung eines Scharniers mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gelöst werden. Gemäß einer von dem Beklagten vorgelegten Gliederung weist dieser Anspruch folgende Merkmale auf:

1. Scharnier (10),

2. das Scharnier weist zumindest ein Scharnierteil (16) auf,

3. das Scharnierteil (16) ist in einem Durchbruch (12) in einer dünnen Wand (14), wie Blechschranktür, montierbar,

4. das Scharnierteil (16) umfasst:

4.1 ein Kopfteil (28), wie Flansch oder Scharnierblatt,

4.2 ein [X.] (30),

4.3 ein Halteteil (34),

5. das Kopfteil überdeckt den Rand (24) des Durchbruchs (12) der dünnen Wand (14) auf deren einen (äußeren) Seite (26),

6. das [X.] (30),

6.1 geht vom Kopfteil (28) aus,

6.2 ist durch den Durchbruch (12) in der dünnen Wand (14) hindurch schiebbar,

7. das Halteteil (34)

7.1 wird vom [X.] (30) getragen,

7.2 stützt sich auf der anderen (hinteren) Seite (32) der dünnen Wand (14) ab,

7.3 ist vom [X.] (30) getrennt,

7.4 wird von [X.] (36) gebildet,

7.5 die [X.]e springen vom [X.] (30) in Richtung seiner Außenfläche nachgiebig vor,

7.6 das freie Ende der [X.]e (36) weist eine Schrägfläche (38) zur spielfreien Abstützung des [X.]s (30) auf dem Rand oder der Kante (40) des Durchbruchs (12) auf.

4. Zum hier einschlägigen [X.], der sich in der Praxis mit der Entwicklung von Scharnieren z. B. für Blechschranktüren befasst, hat der Beklagte (unter Bezugnahme auf das Urteil des [X.] vom 9. November 2010 – [X.]) vorgetragen, dass Weiterentwicklungen an [X.] samt den notwendigen [X.] typischerweise von [X.] mit handwerklicher Ausbildung und einer entsprechenden Weiterqualifikation sowie mehrjähriger Berufserfahrung vorgenommen würden. Dem kann gefolgt werden, jedoch ergibt sich daraus nicht, dass der Fachmann, der ein Scharnier verbessern will, seine Anregungen ausschließlich bei im Stand der Technik bekannten Scharnieren sucht. Auch wenn der Techniker – wie in dem genannten Urteil dargelegt ist - nicht über die systematische Schulung eines Fachhochschul-Ingenieurs verfügt und die ihm gestellten konstruktiven Aufgaben nicht durch systematische Problemanalyse, sondern in Kombination seines [X.] löst, so ist doch davon auszugehen, dass er nicht nur unterschiedliche Arten von Scharnieren kennt, sondern sich auch bei anderen Beschlägen umschaut und dort bekannte Lösungen in seine Überlegungen mit einbezieht. Auch der [X.] geht davon aus, dass sich der mit der Konstruktion von [X.] befasste Techniker auf verwandten Gebieten, z. B. Verbindungen für Anbauteile an [X.]en im Automobilbau, grob auskennt und sich dort zu findende Lösungen nutzbar macht. Entsprechendes gilt hier in besonderem Maße in Bezug auf solche Beschläge bzw. Schlösser, die – wie das Scharnier des Streitpatents – an [X.] montiert werden.

5. Folgende Merkmale haben sich als klärungsbedürftig erwiesen:

Merkmal 1) ist - in Übereinstimmung mit den Parteien - die bewegliche Verbindung zweier ebener Bauteile an einer Kante zu verstehen.

[X.] 4 – Kopfteil, [X.], Halteteil – ist nicht so zu verstehen, dass es sich dabei zwingend um separate Teile handeln muss (die Trennung von Rumpf- und Halteteil ergibt sich erst aus Merkmal 7.3). Erforderlich ist lediglich, dass sich an dem Scharnierteil die verschiedenen Bereiche räumlich und funktionell voneinander unterscheiden lassen.

Merkmal 6.1, wonach das [X.] vom Kopfteil ausgeht, ist nach seinem Wortlaut so zu verstehen, dass das [X.] am Kopfteil beginnt und sich von dort weg erstreckt. Auch in den Ausführungsbeispielen des Streitpatents wird das [X.] ausschließlich so dargestellt. Ein [X.], das durch das Kopfteil hindurchgeführt wird, erfüllt dieses Merkmal somit nicht.

Merkmal 7.1 wird das Halteteil vom [X.] getragen. Dies impliziert, dass sich das Halteteil an dem [X.] abstützt. Dagegen ist nicht zwingend erforderlich, dass die Last des [X.] ausschließlich vom [X.] getragen wird.

Merkmal 7.3 sind das Halteteil und das [X.] getrennt voneinander. Dies hat seine Bedeutung – wie sich aus der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 11) ergibt – vor allem darin, dass verschiedene Materialien miteinander kombiniert werden können, was die Belastbarkeit erhöhen soll.

Merkmal 7.4 besagt, dass das Halteteil von [X.] gebildet wird. Dabei bleibt offen, ob das Halteteil ausschließlich aus den [X.] besteht, oder ob es genügt, wenn es teilweise aus [X.] besteht. Letztlich hängt die Beantwortung dieser Frage davon ab, was im konkreten Fall noch zu den [X.] gerechnet werden kann. Man kann z. B. bei der [X.]ur 6A des Streitpatents den ganzen Schlitten als [X.] ansehen - oder nur die Schrägflächen, durch die das Scharnier letztlich gehalten wird.

Merkmal 7.5 ist gemeint, dass die [X.]e vom [X.] aus nach außen wegspringen.

I[X.]

1. Die Klägerin hat mit ihrer Klage zunächst lediglich den Patentanspruch 1 des Streitpatents angegriffen. Erst mit ihrem Schriftsatz vom 23. April 2013 hat sie ihren Angriff auf Anspruch 2 erweitert. Diese Erweiterung ist nicht als Klageänderung [X.] § 263 ZPO anzusehen und unterliegt daher nicht den Voraussetzungen dieser Vorschrift (vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 22 Rn. 71). Trotz entsprechender Rüge seitens des Beklagten ist sie auch nicht gemäß § 83 Abs. 4 [X.] als verspätet zurückzuweisen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie als eine - vor Ablauf der vom [X.] gesetzten Frist vorgebrachte und daher rechtzeitige - Reaktion auf die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 8. März 2013 eingereichten Hilfsanträge angesehen werden kann. Eine Zurückweisung als verspätet kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil der auf Patentanspruch 2 erweiterte Angriff in die mündliche Verhandlung einbezogen werden konnte, ohne dass es dadurch zu einer Verfahrensverzögerung gekommen ist. Für die Klägerin war es – wie für den Senat – ohne weiteres möglich, sich in den bis zur mündlichen Verhandlung verbleibenden drei Wochen mit den im Hinblick auf die Bestandsfähigkeit des Anspruchs 2 relevanten Gesichtspunkten zu befassen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin ihr diesbezügliches Vorbringen zur Patentfähigkeit ausschließlich auf bereits zuvor diskutierte Druckschriften gestützt hat. Die zunächst hilfsweise noch geltend gemachten weiteren Nichtigkeitsgründe hat sie in der mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt. Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 83 Abs. 4 [X.] liegen daher nicht vor (vgl. B[X.], Urteil vom 15. November 2011 – 3 Ni 27/10 (EP)).

2. Die Klage erweist sich in Bezug auf den Patentanspruch 1 des Streitpatents als begründet. Der Gegenstand dieses Anspruchs ist zwar neu (Art. 54 Abs. 1 EPÜ), jedoch ist er dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt und deshalb nicht patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 56 Abs. 1 Satz 1 EPÜ).

a) Keine der [X.] zeigt ein Scharnier mit sämtlichen Merkmalen von Patentanspruch 1 des Streitpatents. Dies gilt auch für die von der Klägerin insoweit genannten Druckschriften [X.] und [X.].

aa) Die Schrift [X.] zeigt einen Träger 27 als Scharnierteil für eine Sonnenblende (vgl. [X.]ur 3), bei der zuerst ein Clip in einem Blechdurchbruch befestigt und in diesen anschließend der Träger mittels einer Schraube 33 auf dem Dachhimmel angeschraubt wird (vgl. Seite 5, zweiter Absatz). Die Konstruktion entspricht sinngemäß einer Blechmutter, die sich im Blech abstützt, mit einem darauf verschraubten Beschlagteil, wobei das Halteteil 1 vom [X.] und nicht vom [X.] 33 (sofern man die Schraube 33 als [X.] betrachtet) getragen wird und sich auch nicht auf diesem abstützt; es fehlen daher die Merkmale 7.1 und 7.2. Eine Baueinheit, bei der das [X.] (Clip 1) vom [X.] (Schraube 33) getragen wird, wäre durch den dazwischenliegenden Dachhimmel 25 im Übrigen nicht montierbar.

bb) Der Entgegenhaltung [X.] entnimmt der Fachmann ebenfalls die Befestigung der [X.] einer Sonnenblende (Seite 1, Zeilen 10 bis 14, sowie Seite 3, Zeilen 1 bis 6), die drehbar gelagert ist und wobei die Tragachse auch in üblicher Weise als Schwenk- bzw. Scharnierachse geeignet ist. Betrachtet man die Achse 4 insgesamt als [X.], dann geht diese nicht [X.] Merkmals 6.1 (s. o. [X.]4.c) vom Kopfteil aus, sondern wird durch dieses hindurchgeführt. Aber auch unter der Annahme, dass lediglich der verjüngte Querschnitt 13 der Achse 4 dem anspruchsgemäßen [X.] entspricht, fehlt bei dem Ausführungsbeispiel gemäß den [X.]uren 1 bis 3 zumindest das Merkmal 7.1, wonach das Halteteil 5 vom [X.] 13 getragen wird, da dies gemäß [X.]ur 2 und Beschreibung Seite 3, Zeilen 53 bis 58 vom Kopfteil 3 bewirkt wird. Die Abstützung erfolgt im eingebauten Zustand dann in erster Linie am [X.] 1 zwischen den [X.] 14 und 17. Die Merkmale 7.1 und 7.2 sind zwar in der Ausführungsvariante gemäß den [X.]uren 4 bis 6, bei der das Halteteil 5a von der [X.] des [X.]s 4 getragen wird, vorhanden. Allerdings fehlt bei dieser Variante die patentgemäße Schrägfläche zur spielfreien Abstützung auf dem Rand des Durchbruchs gemäß Merkmal 7.6.

b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil er dem Fachmann durch eine Zusammenschau der [X.] und [X.] nahegelegt war.

Die [X.] zeigt ein Scharnier zur Montage an einer dünnen Wand. Dieses Scharnier (hinge 110) weist ein Scharnierteil (second hinge part 130) auf. Das Scharnierteil (second hinge part 130) ist an einer dünnen Wand (sheet metal 160) montierbar und es überdeckt den Rand eines Durchbruchs (round hole 161, das Loch für die Schraube 120) der dünnen Wand (160) auf deren äußeren Seite. Damit besitzt das aus [X.] bekannte Scharnier die erfindungsgemäßen Merkmale 1, 2, 3 und 5.

Ein solches Scharnier sollte im Sinne einer vereinfachten Montage und einer möglichst automatischen Anpassung an unterschiedliche Blechstärken einer dünnen Wand verbessert werden. Einen Hinweis zur Lösung dieser Aufgabe konnte ein [X.] durch die Entgegenhaltung [X.] erhalten.

Die [X.] beschäftigt sich (wie der dortigen Spalte 1, Zeilen 11 bis 23, zu entnehmen ist) ebenfalls mit der Befestigung eines Beschlags, nämlich eines Türschlosses („lock“) in einem dünnwandigen Gehäuse, z. B. einer Blechtür („sheet metal cabinet door“). In ihr wird dem [X.] gezeigt, Schlösser für dünne Wände, z. B. Türen von [X.], so zu gestalten, dass sie mittels einer einfachen Durchsteckmontage ohne Werkzeug an dünnen Wänden befestigt werden können. Die Befestigung erfolgt mit einer Clipsverbindung. [X.] haben sich im Laufe der [X.] bei verschiedenen Anwendungen etabliert, da sie leicht handzuhaben sind und keine losen Teile aufweisen. Die aus der [X.] bekannten Befestigungen sind so gestaltet, dass eine Platte den Durchbruch zur Befestigung vollständig überdeckt, was nicht nur aus optischen Gründen erfolgt, sondern auch um die Befestigungsmittel von außen unzugänglich zu machen. Da solche Schlösser an den gleichen Türen angebracht werden wie die zu verbessernden Scharniere, war es für einen [X.] naheliegend, auch die Befestigung eines Scharniers mit diesen bekannten Mitteln in Betracht zu ziehen.

Die aus [X.] bekannte Befestigung erfolgt gemäß [X.]uren 55 ff. (mit Beschreibung Spalte 16, Zeilen 14 bis 34) durch eine Rastverbindung, die die baulichen Merkmale 7.1 bis 7.5 des [X.] gemäß Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweist. Das Gehäuse (housing 711) umfasst ein Kopfteil, das den Rand des Durchbruchs der dünnen Wand überdeckt (Merkmal 5) und von dem ein [X.] ausgeht, das durch den Durchbruch in der dünnen Wand hindurchschiebbar ist (Merkmale 6.1, 6.2). Von diesem [X.] wird ein Halteteil ([X.]) getragen (Merkmal 7.1), das vom [X.] getrennt ist (Merkmal 7.3) und sich auf der hinteren Seite der dünnen Wand abstützt (Merkmal 7.2). Das Halteteil (734) wird von [X.] ([X.]) gebildet (Merkmal 7.4), die vom [X.] in Richtung vom [X.] nach außen nachgiebig vorspringen (Merkmal 7.5).

Das Merkmal 7.6, wonach das freie Ende der [X.]e eine Schrägfläche aufweist, ist nach Meinung des Beklagten bei den [X.], die in der [X.] dargestellt sind, nicht vorhanden. Dem kann nicht zugestimmt werden.

In der entgegengehaltenen [X.] werden die [X.]e ([X.]) in verschiedenen Ausführungsformen dargestellt. Die Halteteile (spring) mit den Bezugszeichen 634 und 734 bestehen aus speziell zugeschnittenen Blechformteilen, die so gekantet sind, dass zwei Kanten, die paarweise den Rand des Durchbruchs übergreifen und so das Halteteil auf ihm abstützen, eine Fläche zwischen sich aufspannen. Diese Fläche ist, von der Seite gesehen, so geneigt, dass sie beim [X.] immer auf den Rand des Durchbruchs trifft, unabhängig davon, welche Dicke die dünne Wand aufweist. Deutlich zu sehen ist dies in den [X.]uren 54 und 55. In den [X.]uren 46, 47 und 54 ist ein Federelement dargestellt, in dem die Schrägfläche zwischen den Kanten (Bezugszeichen 686) in Draufsicht, in Ansicht und im Schnitt zu sehen ist, und in den [X.]uren 56 und 57 sind die Linien dargestellt, entlang derer das Blech gekantet wird. Dies gibt einem [X.] bereits einen klaren Hinweis darauf, dass mit einer Schrägfläche am [X.] eine spielfreie Abstützung am Rand des Durchbruchs erreicht werden kann.

Aus der [X.] sind also bereits Haltevorrichtungen bekannt, die eine Schrägfläche aufweisen, mit der eine spielfreie Abstützung an dem Rand des Durchbruchs möglich ist (Merkmal 7.6).

Es liegt im Bereich des handwerklichen Könnens eines [X.]s eine der in der [X.] dargestellten Befestigungen für Schlösser auch für Scharniere anzuwenden, um die gleichen Vorteile zu erreichen, wie sie für diese beschrieben werden. Selbst wenn dem Fachmann bei Scharnieren bislang noch keine [X.] bekannt waren, hält ihn auch kein technisches Vorurteil, etwa dass Scharniere anderen, insbesondere höheren Kräften ausgesetzt sind als Türschlösser, davon ab, die bekannte Clipsverbindung auch bei einem Scharnier anzuwenden, denn die bei einem Scharnier auftretenden Kräfte liegen durchaus in dem Bereich, der auch bei mit Türgriffen zu betätigenden Schlössern (vgl. [X.]. 9) zu erwarten ist, und eine geeignete Dimensionierung kann von einem [X.] ohne weiteres erwartet werden, gehört doch eine beanspruchungsgerechte Dimensionierung zu denjenigen Tätigkeiten, für die er ausgebildet ist. Im Übrigen ist die hohe Belastbarkeit von [X.] aus zahlreichen anderen Anwendungen, z. B. bei Haltegriffen nach der [X.] oder [X.]3, grundsätzlich bekannt.

3. Unbegründet ist die Klage in Bezug auf den von dem Beklagten mit Hilfsantrag 1 verteidigten Patentanspruch 2 des Streitpatents. Dessen Gegenstand ist nicht nur – aus den bereits zu Patentanspruch 1 genannten Gründen – neu; vielmehr beruht er auch auf erfinderischer Tätigkeit.

a) Patentanspruch 2 schränkt den [X.] durch zusätzliche Merkmale ein, was in der Merkmalsgliederung (s. o. [X.]3) zu Änderungen bei den Merkmalen 7.4 und 7.6 sowie zur Hinzufügung der [X.] 7.7 führt (durch Unterstreichung jeweils kenntlich gemacht):

7. das Halteteil (34)

7.1 wird vom [X.] (30) getragen,

7.2 stützt sich auf der anderen (hinteren) Seite (32) der dünnen Wand (14) ab,

7.3 ist vom [X.] (30) getrennt,

zwei diametral zueinander angeordneten [X.] (36-1, 36-2) gebildet,

7.5 die [X.]e springen vom [X.] (30) in Richtung seiner Außenfläche nachgiebig vor,

(36-1, 36-2) weist eine Schrägfläche (38) zur spielfreien Abstützung des [X.]s (30) auf dem Rand oder der Kante (40) des Durchbruchs (12) auf,

7.7 Druckelemente

7.7.1 wie [X.] (42), insbesondere eine beiden [X.] (36-1, 36-2) gemeinsame Spiralfeder oder zwei Spiralfedern (42-1, 42-2),

7.7.2 oder Keileinrichtungen, wie konische Schrauben (147, 149),

wirken auf die [X.]e (36-1, 36-2) ein.

Der Gliederung der [X.] 7.7 liegt – entsprechend den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung - das Verständnis zugrunde, wonach es sich bei „Druckelemente“ um den übergeordneten Begriff und bei „[X.]“ und bei „Keileinrichtungen“ um beispielhaft genannte Ausführungsformen von Druckelementen handelt.

b) Die [X.] zeigt und beschreibt ausschließlich [X.]e, die selbst federnde Eigenschaften haben. Der [X.] erhält an keiner Stelle eine Anregung oder einen Hinweis, die Nachgiebigkeit der [X.]e anders herzustellen als dadurch, dass die [X.]e sich verformen. Insbesondere gibt diese Druckschrift keine Anregung dazu, ein Druckelement, das ein eigenständiges Bauelement ist, auf die [X.]e wirken zu lassen. Die [X.] kann also eine Ausführung des Scharniers mit einem Halteteil mit dem Merkmal 7.7 nicht nahelegen.

c) Von einem [X.], der nach Möglichkeiten einer vereinfachten Montage von Scharnieren an dünnen Wänden sucht, muss erwartet werden, dass er sich auch auf dem Gebiet des Automobilbaus umsieht, da in diesem Bereich das Problem der Befestigung unterschiedlicher Bauteile an dünnen Blechwänden in vielfältiger Form auftritt.

In der [X.] ist ein Halteteil zur Befestigung für eine Plakette an einem Kühlergrill eines Kraftfahrzeugs dargestellt und beschrieben. Das Halteteil weist offensichtlich alle Merkmale 7.1 bis 7.7 gemäß der Gliederung der Merkmale des Anspruchs 1 auf (vgl. insbesondere [X.]ur 4 und Beschreibung Seite 2, linke Spalte, Zeilen 10 bis 38). Die bekannte Befestigung scheint aber nur geeignet zu sein, kleine Haltekräfte aufzunehmen, wie sie zum Fixieren einer Plakette ausreichen. Einen Hinweis oder eine Anregung dazu, mit einem solchen Halteteil auch größere Kräfte, wie sie bei einem Scharnier auftreten, zu übertragen, gibt diese Druckschrift nicht. Es wurden auch keine weiteren Anwendungen eines derart gestalteten [X.]s zur Befestigung anderer Bauteile an einer dünnen Blechwand nachgewiesen, obwohl diese Gestaltung einer Befestigung bereits lange bekannt war.

Die in den weiteren [X.] beschriebenen Befestigungen zeigen anders gestaltete Halteteile. Somit ist auch einer Zusammenschau der im Verfahren befindlichen Druckschriften kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass ein Halteteil, wie es in der [X.] dargestellt ist, auch für andere Anwendungen, insbesondere für solche, bei denen größere Kräfte aufzunehmen sind, geeignet sein könnte. Es genügt auch nicht anzunehmen, ein [X.] werde je nach Bedarf ohne weiteres eine ausreichende Dimensionierung des [X.] vornehmen, da bereits eine Anregung fehlt, ein solches Halteteil für ein Scharnier überhaupt in Betracht zu ziehen.

d) Ebenso wenig konnte die [X.] eine Anregung zur Schaffung eines Scharniers gemäß Anspruch 2 des Streitpatents geben. Sie betrifft die Befestigung eines plattenförmigen Teils in der Öffnung einer Gehäusewand mittels einer Schnappverbindung. Das plattenförmige Teil dient zur Abdeckung einer größeren Öffnung in einer Gehäusewand, es werden dazu mehrere, räumlich getrennte Schnappverbinder vorgesehen, die an dem Rand des plattenförmigen Teils angeordnet sind. Aus dem gesamten Inhalt dieser Druckschrift ist aber nicht zu erkennen, dass die dargestellten Schnappverbinder zur Befestigung eines Scharniers geeignet sein könnten. Diese Druckschrift legt es eher näher, anstelle einer Tür mit Scharnieren einen Deckel mit Schnappverschlüssen vorzusehen. Sie gibt auch keinerlei Hinweis dazu, zwei gegenüberliegende Schnappverbinder räumlich so zusammenzuführen, dass zwei diametral angeordnete [X.]e entstehen.

e) Ausgehend von der [X.] erhält ein [X.] also keine Anregungen oder Hinweise, weder aus der [X.] oder der [X.] noch aus der [X.], die ihn in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 2 des Streitpatents führen könnten. Die weiteren [X.] konnten dem Fachmann ebenfalls keine Anregung dazu geben, ein Scharnier mit den patentgemäßen Merkmalen des Anspruchs 2 auszubilden. Keine der übrigen im Verfahren genannten Druckschriften zeigt diametrale [X.]e, auf die ein Druckelement einwirkt.

Das Befestigungselement nach der [X.] zeigt darüber hinaus auch weder Kopfteil noch [X.]. Die [X.] betrifft die Befestigung eines Griffs mit in das [X.] integriertem Halteteil und die [X.] hat eine Befestigungsvorrichtung mit einem einstückigen Halteteil zum Gegenstand.

Die [X.] [X.] bis [X.] betreffen jeweils Clip-Befestigungen von Sonnenblenden bzw. eines Griffs in Kraftfahrzeugen. Alle [X.]e sind selbst federnd ausgebildet, keine zeigt ein Druckelement, das auf die [X.]e einwirkt.

Die D3 hat die nicht zerstörungsfrei lösbare Befestigung von Autokennzeichen zum Gegenstand, die [X.] einen Schnappverschluss für Schranktüren, beide betreffen also einen weiter abliegenden Stand der Technik, der die Patentfähigkeit nicht in Frage stellen kann.

II[X.]

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da das Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien in diesem Verhältnis zueinander zu bewerten ist. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Meta

10 Ni 19/11 (EP)

16.05.2013

Bundespatentgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

§ 263 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 16.05.2013, Az. 10 Ni 19/11 (EP) (REWIS RS 2013, 5786)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5786

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