Bundespatentgericht, Urteil vom 15.11.2022, Az. 5 Ni 42/21 (EP)

5. Senat | REWIS RS 2022, 9753

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Gegenstand

Patentnichtigkeitssache – „Schneidkörper“ – Zur Zulässigkeit des Hilfsantrags einer Nichtigkeitsklägerin – Zu den Befugnissen des Klägers im Nichtigkeitsverfahren - Patentfähigkeit


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 2 040 530

([X.] 2007 010 425)

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] am 15. November 2022 durch [X.], [X.], die Richterin [X.] sowie [X.] und Dipl.-Ing. Maierbacher

für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] erteilten [X.] Patents 2 040 530 (Streitpatent), das auf die internationale Anmeldung PCT/[X.]/005521 zurückgeht und am 22. Juni 2007 angemeldet worden ist. Das Streitpatent nimmt eine Priorität vom 11. Juli 2006 aus der [X.] 2006 032 295 in Anspruch.

2

Das Streitpatent ist in [X.] und wird beim [X.] unter dem Aktenzeichen 50 2007 010 425.6 geführt. Es trägt in der [X.] [X.] die Bezeichnung

3

„SCHNEIDKÖRPER“.

4

Es umfasst in der erteilten Fassung 22 Patentansprüche, die die Klägerin mit ihrer Nichtigkeitsklage vom 28. August 2021 in vollem Umfang angegriffen hat.

5

Der erteilte unabhängige Patentanspruch 1 lautet gemäß Streitpatentschrift:

6

1. Schneidkörper zum Zerkleinern von organischen Stoffen, organischen Materialien, Böden, pflanzlichen Kulturen od. dgl., insbesondere zum Mulchen, Schreddern und Hacken, welcher mit einem Zerkleinerungsrotor fest oder wiederlösbar verbindbar ist, wobei der Schneidkörper ([X.]) gegenüber einem Basisteil (14) mittels einem Befestigungsmittel verbindbar ist, wobei das Basisteil (14) eine entsprechende Flanke (16) aufweist, die mit zumindest einer der Schneide (2) abgewandten Rückseite/n (13) zur [X.]übertragung in Eingriff steht, und der Schneidkörper ([X.]) einen Schneidenhalter (1) bildet, von dessen [X.] (4) zwei parallel verlaufende Schenkel (5.1, 5.2) mit Bohrungen (7.1, 7.2) für Verschraubungen, Bolzen etc. abragen und zwischen den beiden [X.] (5.1, 5.2) eine Rückseite (15) des [X.] (4) gebildet ist,

7

dadurch gekennzeichnet, dass

8

das [X.] (4) unterhalb der zumindest einen Schneide (2) einen Verstärkungsvorsprung (11) aufweist, dessen Rückseite (13) als Anschlagfläche für das Basisteil (14) verwendbar ist, und dass die Rückseite (13) des [X.] (11) und auch die Rückseite (15) des [X.] (4) mit jeweiligen Flanken (16) des [X.] (14) formschlüssig zur Anlage kommen.“

9

Die Patentansprüche 2 bis 22 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Streitpatent sei in vollem Umfang wegen des [X.] der mangelnden Patentfähigkeit, insbesondere mangelnder Neuheit gegenüber der [X.] oder auch mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von der Druckschrift [X.] in Verbindung mit einer der Druckschriften [X.] bis [X.] für nichtig zu erklären. Allenfalls sei das Streitpatent mit einem einschränkenden Zusatz in Patentanspruch 1 schutz- bzw. erteilungsfähig.

Den Einwand der fehlenden Patentfähigkeit stützt die Klägerin u. a. auf die Dokumente (Nummerierung und Kurzzeichen nach Klägerin):

K 4: [X.] 12 059 [X.] veröffentlicht am 3. März 1994

K 5: [X.] 6 176 445 [X.] veröffentlicht am 23. Januar 2001

K 6: [X.] 2007/0095431 [X.] veröffentlicht am 3. Mai 2007

K 7 [X.] 4 946 109 [X.] veröffentlicht am 7. August 1990

K 8 [X.] 4 744 278 [X.] veröffentlicht am 17. Mai 1988

Die Klägerin beantragt

das [X.] Patent 2 040 530 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] in vollem Umfang für nichtig zu erklären,

hilfsweise beantragt sie,

das [X.] Patent 2 040 530 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] mit der Maßgabe teilweise für nichtig zu erklären, dass in Anspruch 1 nach dem Wort „einen Verstärkungsvorsprung (11) aufweist“ Folgendes eingefügt wird: „der die Schenkel (5.1, 5.2) unten überragt und“.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung für schutzfähig. Den Hilfsantrag hält sie für unzulässig.

Die Parteien führen ein paralleles Verletzungsverfahren, das nach klagestattgebendem Urteil vom 24. Mai 2022 inzwischen in der Berufung beim [X.] anhängig ist.

Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 18. Juli 2021 zugeleitet und hierin Fristen zur Stellungnahme auf den Hinweis und auf etwaiges Vorbringen der jeweiligen Gegenpartei gesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2022 sowie den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Klage ist im Hauptantrag nicht begründet und der Hilfsantrag ist unzulässig.

Der Gegenstand des Patents erweist sich als patentfähig; der geltend gemachte [X.] der mangelnden Patentfähigkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Art. 52, 54, 56 EPÜ liegt nicht vor.

I. Zum Gegenstand des Streitpatents

1. Das Streitpatent betrifft gemäß seinem Absatz [0001] einen Schneidkörper zum Zerkleinern von organischen Stoffen, organischen Materialien, Böden, pflanzlichen Kulturen oder dgl., insbesondere zum Mulchen, Schreddern und Hacken, welcher mit einem [X.] fest oder wiederlösbar verbindbar ist, wobei der Schneidkörper gegenüber einem Basisteil mittels einem Befestigungsmittel verbindbar ist, wobei das mit dem Rotor fest verbundene Basisteil eine entsprechende Flanke aufweist, die mit zumindest einer der [X.] abgewandten Rückseite/n des Schneidkörpers zur Kraftübertragung in Eingriff steht, und der Schneidkörper einen [X.]nhalter bildet, von dessen [X.] zwei parallel verlaufende [X.] mit Bohrungen für Verschraubungen, Bolzen etc. abragen und zwischen den beiden [X.] eine weitere Rückseite gebildet ist.

2. Dem Streitpatent liegt nach seinem Absatz [0007] die Aufgabe zugrunde, einen Schneidkörper der eingangs genannten Gattung zu schaffen, bei welchem die Standzeit im Betrieb wesentlich erhöht und ein Verschleiß minimiert ist und die Herstellungskosten bei Reduktion des [X.] minimiert werden sollen. Zudem soll eine Krafteinleitung und Kraftübertragung auf sein Halteteil bzw. den Rotor optimiert werden. Außerdem soll der Schneidkörper sicher und stabil mit dem Rotor verbindbar sein.

Diese Aufgabe werde durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 gelöst.

3. Patentanspruch 1 lautet in einer gegliederten Form:

1.1 [X.] zum Zerkleinern von organischen Stoffen, organischen

Materialien, Böden, pflanzlichen Kulturen od. dgl., insbesondere zum Mulchen, Schreddern und Hacken,

1.2 welcher mit einem [X.] fest oder wiederlösbar verbindbar ist,

1.3 wobei der [X.] (R1) gegenüber einem Basisteil (14) mittels einem

Befestigungsmittel verbindbar ist,

1.4 wobei das Basisteil (14) eine entsprechende Flanke (16) aufweist, die mit

zumindest einer der [X.] (2) abgewandten Rückseite/n (13) zur Kraftübertragung in Eingriff steht, und

1.5 der [X.] (R1) einen [X.]nhalter (1) bildet, von dessen

[X.] (4) zwei parallel verlaufende [X.] (5.1, 5.2) mit

Bohrungen (7.1, 7.2) für Verschraubungen, Bolzen etc. abragen und

1.6 zwischen den beiden [X.] (5.1, 5.2) eine Rückseite (15) des [X.] (4) gebildet ist,

dadurch gekennzeichnet,

1.7 dass das [X.] (4) unterhalb der zumindest einen [X.] (2) einen Verstärkungsvorsprung (11) aufweist,

1.8 dessen Rückseite (13) als Anschlagfläche für das Basisteil (14) verwendbar ist, und dass

1.8.1 die Rückseite (13) des [X.] (11) und auch

1.8.2 die Rückseite (15) des [X.] (4)

mit jeweiligen Flanken (16) des [X.] (14) formschlüssig zur Anlage kommen.

4. Zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau oder gleichwertiger Ausbildung mit mehrjähriger Erfahrung und einschlägigen Fachkenntnissen in der Entwicklung und Konstruktion von Zerkleinerungsgeräten, insbesondere Maschinen mit austauschbaren Verschleißwerkzeugen zur Zerkleinerung von organischen Stoffen.

5. Die Lehre des Streitpatents und die Merkmale von Patentanspruch 1 bedürfen der Erläuterung:

Aufgrund der vorgesehenen Einsatzzwecke zum Zerkleinern von organischen Stoffen, organischen Materialien, Böden, pflanzlichen Kulturen od. dgl., insbesondere zum Mulchen, Schreddern und Hacken (Merkmal 1.1), ist eine entsprechend massive Ausgestaltung des beanspruchten [X.]s implizit mitzulesen.

Mit dem Merkmal 1.2 wird festgelegt, dass die Zerkleinerung durch einen Rotor erfolgen soll, auf welchem der beanspruchte und folglich für diesen Einsatz auch entsprechend auszulegende [X.] zu befestigen ist.

Wenngleich dies nicht unmittelbar aus dem [X.] hervorgeht, wird der Fachmann das Merkmal 1.3 so verstehen, dass die Befestigung des [X.]s auf dem [X.] über ein Basisteil erfolgt, nachdem der [X.] an dem Basisteil (unmittelbar) befestigt wird (Merkmal 1.3) und (mittelbar) an dem [X.] (Merkmal 1.2).

Während sich die Merkmale 1.1 bis 1.3 und 1.5 bis 1.8 lediglich auf den [X.] und dessen Ausgestaltung beziehen, wird mit dem Merkmal 1.4 konkret das Basisteil, an welchem der [X.] zu befestigen ist, dahingehend konstruktiv festgelegt, dass das Basisteil (14) eine entsprechende Flanke (16) aufweisen soll, die mit zumindest einer der [X.] (2) abgewandten Rückseite/n (13) zur Kraftübertragung in Eingriff steht. Die [X.] (2), welche gemäß des in den [X.]uren dargestellten Ausführungsbeispiels als dreidimensionales Bauteil ausgebildet ist, weist winklig zueinander angestellte obere und vordere Flächen auf, die auch zu den Seiten hin winklig angestellt sind. Eine bezüglich dieses dreidimensionalen Gebildes „[X.] (2)“ beanspruchte, „davon abgewandte“ Rückseite, ist hinsichtlich ihrer Orientierung sehr breit auszulegen, nachdem es patentgemäß als vorteilhaft angesehen wird, dass die Rückseite des [X.] und die Rückseite des [X.] entsprechend der Beschreibung Absatz [0040] bzw. des Anspruchs 11 winklig zueinander verlaufen können. Folglich können eine oder beide Rückseiten auch [X.] nach oben oder unten aufweisen.

Weiter soll der [X.] einen [X.]nhalter bilden, der wiederum aus einem [X.] mit zwei parallelen [X.] bestehen soll, wobei in den [X.] ([X.] vorhanden sein sollen (Merkmal 1.5).

In der weiteren konstruktiven Ausgestaltung des als Bestandteil des [X.]s zu sehenden [X.]nhalters wird der Bereich zwischen den beiden [X.] als Rückseite des [X.] bezeichnet (Merkmal 1.6) und ein weiterer Bereich dieses [X.] soll einen nicht näher gearteten Verstärkungsvorsprung aufweisen, der sich unterhalb der [X.](n) befindet (Merkmal 1.7), wobei „unterhalb“ mit „entgegen der umfänglichen Bewegungsrichtung“ nach fachmännischem Verständnis gleichzusetzen ist. Dies ergibt sich aus der Patentschrift unter anderem aus den Absätzen [0010] und [0011].

Bei einem Verstärkungsvorsprung handelt es sich um eine Materialanhäufung mit einer dadurch abweichenden Kontur dieses Bauteils in diesem Bereich, wobei die Kontur bzw. die Geometrie des [X.] anspruchsgemäß nicht festgelegt ist. Die [X.]uren zeigen einen annähernd pyramidenstumpfförmigen Rumpfkörper.

Mit den Merkmalen 1.8, 1.9.1 und 1.9.2 wird das weitere Zusammenwirken des [X.]s mit dem Basisteil präzisiert, wonach die Rückseite des [X.] als Anschlag für das Basisteil fungieren soll und sowohl diese Seite wie auch die Seite zwischen den [X.] formschlüssig an Flanken des [X.] anliegen sollen. Die figurengemäß dargestellte Rückseite 13 zeigt eine Fläche, die nicht nur nach hinten (rückwärtig), sondern auch nach unten hin ausgerichtet ist.

II.

Dem Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung steht der [X.] der fehlenden Patentfähigkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ nicht entgegen, wie der Senat bereits im qualifizierten Hinweis ausgeführt hat. Denn die hiermit unter Schutz gestellte Lehre erweist sich gegenüber dem im Verfahren entgegengehaltenen Stand der Technik – sowohl gemäß den vorveröffentlichten Druckschriften [X.], [X.], [X.] und [X.] als auch gemäß der zugunsten der Klägerin zur Prüfung herangezogenen im Prioritätsintervall veröffentlichen Druckschrift [X.] – als neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.

1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu gegenüber dem aus der [X.] bekannten Gegenstand.

1.1 Die Merkmale 1.1 bis 1.6 sind unstreitig aus der Druckschrift [X.], die auch zur Bildung des Oberbegriffs verwendet wurde, bekannt. Dabei sind die in der [X.] angegebenen [X.] zu den patentgemäßen Orientierungen unterschiedlich.

Zum besseren Vergleich wird die [X.]. 2 aus der [X.] nachfolgend so ausgerichtet dargestellt, dass sie mit der [X.]. 2 der Patentschrift, welche mit den beschriebenen Orientierungen korreliert, vergleichbar ist.

Abbildung

Der aus der [X.] bekannte [X.]nhalter 30, wie er im dortigen zweiten Absatz auf Seite 1 offenbart ist, entspricht dem patentgemäßen [X.] entsprechend dem Merkmal 1.1 zum Zerkleinern von organischen Stoffen, organischen Materialien, wie beispielsweise Sträuchern, Ästen usw..

In der weiteren Terminologie des Patentanspruchs 1 ist der dortige [X.] ([X.]nhalter 30) entsprechend dem Merkmal 1.2 mit einem [X.] 10 fest oder wiederlösbar verbindbar (vergleiche dort Seite 5, zweiter Absatz in Verbindung mit [X.]. 1, 2).

Der [X.] 30 ist gegenüber einem Basisteil 20 mittels einem Befestigungsmittel 70, 71 entsprechend dem Merkmal 1.3 verbindbar (vergleiche dort Seite 5, zweiter Absatz in Verbindung mit [X.]. 1, 2), wobei gemäß der Auslegung des Merkmals 1.4 das Basisteil 20 eine entsprechende Flanke 23, 26 aufweist, die mit zumindest einer der [X.] abgewandten Rückseite 35 zur Kraftübertragung in Eingriff steht.

Der [X.] 30 bildet, wie im Merkmal 1.5 patentgemäß vorgesehen, einen [X.]nhalter, von dessen [X.] 33 zwei parallel verlaufende [X.] 34 mit Bohrungen 28 für Verschraubungen 70, 71 abragen, wobei zwischen den beiden [X.] entsprechend dem Merkmal 1.6 eine Rückseite (im Bereich des [X.] 35) des [X.] 33 gebildet ist (vergleiche dort [X.]. 1, 2).

[X.] am Rumpf des [X.]nhalters entsprechend Merkmal 1.7 ist dem aus der [X.] bekannten [X.] jedoch nicht zu entnehmen.

Gemäß den dortigen [X.]uren 1 und 2 des aus der Druckschrift [X.] bekannten [X.]s 30 entspricht die Geometrie des Rumpfs 33 des dortigen [X.]nhalters im Wesentlichen einem Quader, der in der Terminologie des erteilten Patentanspruchs 1 an seiner Vorderseite im Bereich der [X.] 50 eine geneigte Freifläche 32 aufweist und an der Rückseite in daran angeformte [X.] 34 übergeht. Ein unterhalb der [X.] 50 angeordneter Verstärkungsvorsprung am Rumpf des [X.]nhalters (Merkmal 1.7), den die Klägerin aufgrund einer gedachten Kontur des Rumpfes verwirklicht sieht und der sich lediglich sich lediglich auf den Bereich beschränkt, in dem die [X.] befestigt ist (in der von der Klägerin am 26. August 2022 eingereichten [X.]ur blau dargestellt), kann der Druckschrift [X.] jedoch nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden. Damit kann es auch dahingestellt bleiben, ob auch die Merkmale 1.9.1 und 1.9.2 erfüllt sind. Ergänzend ist anzumerken, dass bei unterstellter Sichtweise der Klägerin, wonach das am Anschlag 26 anliegende Material des Rumpfes 33 als Verstärkungsvorsprung anzusehen wäre, dieser keine Rückseite aufweist, die zur formschlüssigen Anlage an Flanken des [X.] käme, so dass für diesen Fall Merkmal 1.9.1 nicht verwirklicht wäre.

Abbildung

Auch die im Bereich der [X.] vorhandene Verbreiterung des [X.]s bildet keinen Verstärkungsvorsprung, wie er mit dem patentgemäßen Merkmal 1.7 geschützt wird. Die Fläche des [X.] 33 mit welcher dieser am Basisteil im Bereich des Anschlags 26 anliegt, kann zwar als von der [X.] abgewandte Rückseite angesehen werden, und der Auslegung entsprechend das Merkmal 1.4 erfüllen. In Bezug auf den [X.] handelt es sich jedoch um die Unterseite des Rumpfes, der jedoch keine Rückseite aufweist, die mit dem Basiselement formschlüssig verbunden wäre. Das Merkmal 1.9.2, auf das es ihrer Ansicht nach nicht ankommt, sieht auch die Klägerin in der [X.] nicht als offenbart an.

Auch die Verbreiterung des [X.]s in [X.]ur 1 der [X.] stellt keinen patentgemäßen Verstärkungsvorsprung dar, sondern entspricht allenfalls den im Gegenstand des Streitpatents beschriebenen Verstärkungsprofilen 9 (vgl. Absätze [0025] [0025] bis [0027] sowie [X.]uren 1 und 3 des Streitpatents).

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht gegenüber dem aus der [X.] bekannten Gegenstand auch unter Berücksichtigung des beim zuständigen Fachmann vorauszusetzenden Fachwissens und -könnens bzw. einer Zusammenschau mit den aus den Druckschriften [X.] ([X.] 6 176 445 [X.]), [X.] ([X.] 4 946 109 [X.]) und / oder [X.] ([X.] 4 744 278 [X.]) bekannten Gegenständen auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies gilt selbst bei der Annahme, dass die Rückseiten des [X.] und des Verstärkungsvorsprungs jeweils nicht formschlüssig an den Flanken des [X.] anliegen müssen und somit auch die Merkmale 1.9.1 und 1.9.2 nicht verwirklicht sein müssen.

Dabei fehlt allerdings bereits ein Anlass, die entsprechenden Druckschriften miteinander zu kombinieren. Wie die Klägerin selbst vorträgt, stellt die mit der patentgemäßen Lösung verbundene mechanische Überbestimmtheit, dass einerseits die jeweiligen Anschlagflächen formschlüssig zur Anlage kommen und andererseits die drei Bohrungen für das Befestigungsmittel im Basisteil und den [X.] fluchten, hohe Anforderungen an die [X.]. Damit liegt es jedoch gerade nicht nahe, die verschiedenen Lösungen des aus der [X.] bekannten [X.]s einerseits und den aus den jeweiligen Druckschriften [X.], [X.] oder [X.] andererseits miteinander zu kombinieren.

Doch auch eine Zusammenschau der genannten Druckschriften legt den patentgemäßen Gegenstand nicht nahe.

2.1 Der aus der Druckschrift [X.] bekannte Gegenstand führt unter Berücksichtigung des beim zuständigen Fachmann vorauszusetzenden Fachwissens und -könnens nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1.

Wie unter 1. ausgeführt, weist der aus der Druckschrift [X.] bekannte Gegenstand keinen Verstärkungsvorsprung gemäß Merkmal 1.7 auf.

Abbildung

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sich ein solcher Verstärkungsvorsprung bei dem aus der [X.] bekannten [X.] dadurch ergibt, dass man sich den in [X.]. 2 dargestellten [X.]nhalter aufgrund der zugehörigen [X.]urenbeschreibung zunächst anders vorstellt, als in der [X.]ur 2 dargestellt. Bereits dieser Schritt erscheint dem Senat als nicht naheliegend. Vielmehr wird der Fachmann in der [X.] einen Gegenstand als offenbart ansehen, wie er sich unter Zuhilfenahme der Beschreibung, der Ansprüche und der [X.]uren ergibt. Dabei ist bereits kein Grund ersichtlich, weshalb der Fachmann sich bei seiner Vorstellung vom in der [X.] offenbarten Gegenstand nur auf die [X.]urenbeschreibung beschränken sollte, ohne die [X.]ur selbst zu betrachten. Darüber hinaus wären wie von der Klägerin skizziert und erläutert zwei weitere Schritte erforderlich, nämlich eine teilweise Aussparung des in der [X.]ur blau dargestellten Materials und eine anschließende Anpassung des [X.] zur formschlüssigen Anlage mit der durch die Aussparung gebildeten Rückseite des so gebildeten Vorsprungs, um ausgehend von dieser Überlegung zur Realisierung des Merkmals 1.7 und damit zum [X.] zu gelangen. Diese zusätzlich erforderlichen Schritte, die jedenfalls über einfache konstruktive Überlegungen hinausgehen, verdeutlichen vielmehr, dass solche Überlegungen nur in Kenntnis der Erfindung erfolgen können und es vielmehr erfinderischer Tätigkeit bedurfte um zum [X.] nach Anspruch 1 zu gelangen.

Dabei vermochten die von der Klägerin vorgebrachten Argumente, wonach es sich bei dem patentgemäßen Verstärkungsvorsprung lediglich um eine notwendige Kompensation eines Materialverlusts am oberen [X.] handele, die zur Erhaltung der Festigkeit erforderlich sei, bzw. es sich um eine Verdrehung des [X.] entgegen der Laufrichtung handele, die ausgehend von dem aus der Druckschrift [X.] bekannten Gegenstand eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen könne, den Senat von dieser Sichtweise ebenso wenig zu überzeugen, wie die plastischen Vergleichsbeispiele in Form eins Hammers bzw. eines Golfschlägers. Zwar wird der Klägerin dahingehend zugestimmt, dass es zur Erzeugung eines Impulses unter anderem auf die Masse ankommt. Der Fachmann würde jedoch die Massenverteilung derartiger von Hand bedienbarer Geräte, die mit dem [X.] lediglich gemein haben, dass sie ebenfalls für [X.] ausgelegt sein müssen, nicht ohne weiteres auf ein rotierendes Werkzeug übertragen, bei dem Veränderungen an der Massenverteilung in der Regel auch dynamische Effekte wie ggfs. auftretende Unwuchten zur Folge haben.

Dass Masse, wie von der Klägerin vorgetragen, die an einer Stelle fehlt, an anderer Stelle gleichermaßen hinzugefügt werden muss, wird durch den in der [X.] offenbarten Gegenstand bereits widerlegt. Ausgehend von der Terminologie des Anspruchs 1 des [X.]s und den darin in Bezug genommenen Richtungen weist der Rumpf 33 des [X.]s aus der [X.] im oberen Bereich bereits eine Ausnehmung auf, die eben nicht durch eine Zusatzmasse an anderer Stelle kompensiert wird. Auf diese Weise und durch die im Bereich des Rumpfes schmalere Gestalt im Vergleich zu den breiteren [X.] wird die patentgemäße Aufgabe einer gewichtssparenden Gestalt bei dem aus der [X.] bekannten Gegenstand bereits realisiert. Würde der Fachmann feststellen, dass dieser [X.] den Belastungen nicht Stand hält, würde er den [X.] mit einer größeren Dicke ausführen oder im oberen Bereich massiver gestalten, da er hierfür keine Veränderungen am Basisteil vornehmen muss.

2.2 Eine Zusammenschau der Druckschriften [X.] ([X.] 12 059 [X.]) und [X.] ([X.] 6 176 445 [X.]) führt auch nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1.

Bei der orts- und lagefixen Befestigung des aus der [X.] bekannten [X.] an dem dortigen einstückigen aus Zahnhalter 30 und Basiselement 32 bestehenden [X.]lementanordnung 12 handelt es sich bereits um ein anderes Befestigungskonzept, das nicht für eine Pendellagerung mit Anschlagsfunktion vorgesehen ist. Folglich besteht auch keine Veranlassung, eine solche Befestigung auf einen aus der [X.] bekannten [X.] mit entsprechender Pendellagerung zu übertragen.

Abbildung

Selbst wenn das Bauteil 40 als Rumpf eines [X.]s angesehen würde, würde dieser zwar mit seiner Rückseite formschlüssig an dem Basisteil 30 anliegen, der [X.] läge jedoch unten flächig auf dem Basisteil 32 auf. Unterhalb dieses Elements befindet sich auch kein Verstärkungsvorsprung, weder von dem Bauteil 30, noch von dem Zahn 10. Nachdem weder der aus der [X.] noch der aus der [X.] bekannte Rumpf des [X.]s einen patentgemäß geforderten Verstärkungsvorsprung aufweist, ist darüber hinaus auch bei einer Zusammenschau dieser beiden Druckschriften das Merkmal 1.7 nicht realisiert.

2.3 Die Druckschrift [X.] ([X.] 2007/0095431 [X.]) ist zwar, wie die Klägerin zutreffend anmerkt, vor dem Anmeldetag des Patents allerdings im Prioritätsintervall veröffentlicht worden, so dass diese Druckschrift nur im Rahmen der Prüfung der Neuheit herangezogen werden könnte, was die Klägerin hinsichtlich der [X.] jedoch nicht bezweifelt hat.

Hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit ist diese Druckschrift nicht zu berücksichtigen.

2.4 Wie aus der Abbildung zu erkennen, ist der aus der Druckschrift [X.] ([X.] 4 946 109 [X.]) bekannte Schneidkörper 34, der einteilig mit der [X.] 38 ausgebildet ist, zwar formschlüssig an dem als Basisteil anzusehenden Bauteil 36 befestigt ([X.]. 4 der [X.] hier in eine zum besseren Vergleich mit [X.]. 2 der Patentschrift vergleichbare Position verdreht dargestellt).

Abbildung

Allerdings weist auch dort das als quaderförmig anzusehende [X.] keinen Verstärkungsvorsprung unterhalb der [X.] auf. Folglich kann auch bei einer Zusammenschau dieser beiden Druckschriften das Merkmal 1.7 nicht verwirklicht sein.

2.5 Auch der aus der [X.] ([X.] 4 744 278 [X.]) bekannte Rumpf des dortigen [X.]nhalters einer Säge weist keinen patentgemäßen Verstärkungsvorsprung auf (wobei hier [X.]. 8 der [X.] wiederum in eine zum besseren Vergleich mit [X.]. 2 der Patentschrift vergleichbare Position verdreht dargestellt ist).

Abbildung

Zwar erscheint die Anlagefläche des Bauteils 58 entsprechend der Auslegung des Merkmals 1.4 entgegen der Auffassung der Beklagten als eine von der [X.] abgewandte Rückseite, die jedoch nicht unterhalb der [X.] angeordnet ist, sondern auf Höhe der [X.]. Jedoch wird der Beklagten dahingehend zugestimmt, dass es sich hierbei nicht um einen Verstärkungsvorsprung eines [X.] handelt. Ein solcher ist allerdings auch bei dem aus der Druckschrift [X.] bekannten Sägeblatt nicht vorhanden, sodass auch bei einer Zusammenschau der Druckschriften [X.] und [X.] das Merkmal 1.7 nicht realisiert ist.

3. Die ebenfalls angegriffenen Unteransprüche 2 bis 22, die vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung nach Patentanspruch 1 beinhalten, sind bereits durch ihren Rückbezug vom rechtsbeständigen Patentanspruch 1 getragen. Gegenteiliges hat auch die Klägerin nicht dargelegt.

Darüber hinaus betreffen die geltenden [X.] 2 bis 22 nach Auffassung des Senats zweckmäßige Ausgestaltungen des streitpatentgemäßen [X.]s nach Patentanspruch 1, die über Selbstverständlichkeiten hinausreichen.

4. Auch der hilfsweise geltend gemachte Klageantrag verhilft der Klägerin nicht zum Erfolg, da er unzulässig ist.

Der Klägerin fehlt insoweit die Dispositionsbefugnis über das Patent.

Neben einem Klageantrag gerichtet auf die ggf. beschränkte Nichtigerklärung des Patents ist die Klägerin im Patentnichtigkeitsverfahren nicht befugt, mit einem Antrag festzulegen, inwieweit das Patent in beschränktem Umfang mit einem geänderten Anspruchssatz aufrechterhalten werden soll bzw. kann.

Außerhalb eines Gestaltungsakts im [X.] oder Einspruchsverfahren ein Patent betreffend bzw. eines Gestaltungsurteils im [X.] ist es nur dem Patentinhaber möglich, neben einem gänzlichen Verzicht auf das Patent nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 [X.] auch Änderungen an dem ihm zustehenden Patent herbeizuführen. Nach § 64 Abs. 1 [X.] bzw. Art 105a, Art 105b EPÜ kann nur der Patentinhaber durch seinen Antrag das Patent durch (zulässige) Änderungen der Patentansprüche beliebig beschränken, und nur er kann auch den vollständigen Widerruf des Patents erwirken, ohne dass es auf einen [X.] im Sinne des § 21 Abs. 1 [X.] ankäme. Die Befugnisse, die § 64 Abs. 1 [X.] dem Patentinhaber einräumt, kann demnach auch nur der (insoweit ausschließlich antragsbefugte) Beklagte im Patentnichtigkeitsverfahren wahrnehmen (vgl. a. [X.], Urteil vom 13. September 2016 – [X.], [X.], 57 Rn. 27 – Datengenerator; [X.], Beschluss vom 27. Juni 2007 – [X.], [X.], 862 Rn. 22 - [X.]). Dieses Verständnis entspricht auch den Bestimmungen des § 83 Abs. 4 [X.] und des § 116 Abs. 2 [X.], die jeweils Rechtsfolgen an „eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents“ knüpfen.

B. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 ZPO.

Meta

5 Ni 42/21 (EP)

15.11.2022

Bundespatentgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜbkG, Art 138 Abs 1 Buchst a IntPatÜbkG, Art 52 EuPatÜbk, Art 54 EuPatÜbk, Art 56 EuPatÜbk, § 20 PatG, § 21 PatG, § 64 PatG, § 83 PatG, § 116 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 15.11.2022, Az. 5 Ni 42/21 (EP) (REWIS RS 2022, 9753)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9753

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 Ni 26/17 (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Aus Kunststoff gespritzte Führungsschiene und ein Fensterrolle für Kraftfahrzeuge" – zur erfinderischen Tätigkeit …


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X ZR 64/14

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