Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2020, Az. VII ZR 187/19

7. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1652

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde: Bemessung der Revisionsbeschwer nach einer Verurteilung zur Auskunftserteilung


Tenor

Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer wird auf bis 13.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt die [X.] im Wege der Stufenklage auf Erteilung von Auskünften im Zusammenhang mit einem zwischen den [X.]en geschlossenen Vertrag über die Entwicklung eines Arzneimittelbestandteils in Anspruch.

2

Das [X.] hat mit Teilurteil die [X.] zur Erteilung verschiedener Auskünfte verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide [X.]en Rechtsmittel eingelegt, wobei die Klägerin ihre Auskunftsanträge in der Berufungsinstanz erweitert hat.

3

Nachdem die [X.]en den Rechtsstreit hinsichtlich eines [X.] übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die [X.] unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin Auskunft zu erteilen

a) durch Vorlage der von Frau [X.]im Jahr 2011 oder 2012 bei der [X.]          ([X.] ) vorgelegten Bachelorarbeit,

b) zu Art, Umfang und Inhalt der mit Frau [X.]im Zusammenhang mit dem KMU-Innovativ-Verbundprojekt "Entwicklung physiologischer, gut verträglicher und hochwirksamer Therapieverfahren für [X.]/Infektionen unter Berücksichtigung biomimetischer Prinzipien" mit den Förderkennzeichen 0315557A und 0315557B des Projektträgers [X.] ("Entwicklungsvorhaben") ausgetauschten Informationen,

c) durch Mitteilung der Personen, die bei der [X.] mit der Betreuung und Begutachtung der unter Ziff. 2.a) genannten Bachelorarbeit befasst waren,

d) darüber, in welchem Umfang die [X.] für die von Frau [X.]bei der [X.] vorgelegte Bachelorarbeit und für ihre Abschlussarbeit der Studienleistung "Praxissemester"

(i) das [X.] oder [X.] Material, das Gegenstand des [X.] war, insbesondere soweit die [X.] es von der Klägerin zu 1. oder deren Auftragnehmern, insbesondere der [X.], B.      , erhalten hat, oder

(ii) Know-how der Klägerinnen zu [X.] oder [X.]-haltigem Material

zur Verfügung gestellt hat,

e) durch Vorlage des Abschlussberichts der von [X.]im Jahr 2012 absolvierten Studienleistung "Praxissemester" und der Bescheinigung der [X.]n an [X.]zur Dauer und zum Tätigkeitsbereich der Studienleistung "Praxissemester", die bei der [X.] vorgelegt wurden, ferner durch Mitteilung der Personen, die bei der [X.] und bei der [X.]n mit der Betreuung und Begutachtung der Studienleistung "Praxissemester" befasst waren,

f) in Form der Vorlage sämtlicher Entwicklungsarbeitsergebnisse, insbesondere Rohdaten, Dokumentationen oder auch Zwischenberichte der Abteilung [X.] , Dr. M.    S.   , zu

aa) den Chargen 36-2012, 46-2012, 49-2012, 03-2013, 07-2013 zur Herstellung von Toxmaterial im Maßstab 1:5 aus dem von der Klägerin zu 1. über den [X.] gelieferten Ausgangsmaterial ([X.]) mit der Bezeichnung 12ILAB05,

bb) den Chargen 46-2011 (Maßstab 1:16, aus 11ILAB04, aus November 2011) und 21-2012 (Maßstab 1:16, aus 11ILAB11, aus Mai 2012) mittels Äkta avant 150 (Pilotproduktion),

g) über das Ergebnis der Prüfung der Patentsituation betreffend die stabile Formulierung aus dem Frühjahr 2012.

4

Das Berufungsgericht hat die tenorierten Auskunftsansprüche der Klägerin teilweise auf der Grundlage der im Entwicklungsvertrag vereinbarten Informationspflichten der [X.]n und teilweise gemäß § 242 BGB in Verbindung mit den im Entwicklungsvertrag vereinbarten Geheimhaltungspflichten der [X.]n für begründet erachtet.

5

Im Rahmen der Bemessung der Sicherheitsleistung für die vorläufige Vollstreckung hat das Berufungsgericht den Kostenaufwand für die Erteilung der im Berufungsurteil zuerkannten Auskunftsansprüche auf 25.000 € geschätzt. Dabei hat es die Ausführungen der [X.]n im Schriftsatz vom 28. Juni 2019 zugrunde gelegt, mit denen diese ihren Aufwand für sämtliche von der Klägerin in der Berufungsinstanz geltend gemachten Auskunftsanträge mit 38.000 € (800 Arbeitsstunden zu je 47,50 €) beziffert hatte. Im Hinblick auf die übereinstimmende Teilerledigungserklärung und die teilweise Klageabweisung hat das Berufungsgericht den von der [X.]n geschätzten Aufwand um 1/3 gekürzt. Lediglich hinsichtlich des [X.] zu Buchstabe f) könnten besonders umfangreiche Recherchen durch wissenschaftlich qualifizierte Mitarbeiter der [X.]n erforderlich sein. Die übrigen Auskünfte ließen sich mit allenfalls leicht überdurchschnittlichem bzw. geringem Aufwand und auch durch einfacher qualifizierte Mitarbeiter erledigen. Ein Geheimhaltungsinteresse der [X.]n, das diese mit mindestens 100.000 € beziffert hat, hat das Berufungsgericht verneint. Es sei weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass der [X.]n durch die Auskunftserteilung ein konkreter Nachteil drohe. Die [X.] habe lediglich unspezifiziert vorgetragen, dass die Auskünfte teilweise ihre schützenswerten Interessen gefährdeten, weil sie zumindest auch Know-how der [X.]n enthielten, das nichts mit dem Entwicklungsvorhaben zu tun habe. Daraus lasse sich nicht entnehmen, inwiefern dies hinsichtlich der zuerkannten Auskunftsansprüche der Fall sein solle. Die Studentin [X.]solle nach eigener Darstellung keine Arbeitsergebnisse von weiterführender Bedeutung erzielt haben. Im Übrigen seien die Auskunftsanträge, denen stattgegeben worden sei, auf Informationen beschränkt, die das Entwicklungsvorhaben beträfen und daher mit der Klägerin zu teilen seien.

6

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.]n. Diese beantragt, die Revision gegen das Berufungsurteil zuzulassen, wobei sie ihren Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiterverfolgen möchte.

7

Die [X.] ist der Auffassung, der Wert ihrer Beschwer betrage unter Zugrundelegung der Schätzung des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit der Höhe der Sicherheitsleistung zumindest 25.000 €. Vorsorglich stellt sie zudem die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Geheimhaltungsinteresse der [X.]n sei nicht dargelegt, zur Überprüfung. Sie habe dargetan, dass die von ihr zu erteilenden Auskünfte auch eigenes, mit dem Entwicklungsvorhaben nicht in Zusammenhang stehendes Know-how beträfen.

II.

8

1. Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Dezember 2019 - [X.] Rn. 7; Beschluss vom 21. August 2019 - [X.] Rn. 7; Beschluss vom 21. Juni 2017 - [X.]/17 Rn. 11 m.w.[X.], NJW 2017, 3164). Wendet sich der Rechtsmittelführer gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung durch das Berufungsgericht, ist für die Bemessung des Werts der Beschwer sein Interesse maßgebend, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erfüllung der zuerkannten Auskunftsansprüche erfordert und ob die verurteilte [X.] ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Juli 2018 - [X.]/17 Rn. 10, [X.], 31; Beschluss vom 28. Februar 2017 - [X.] Rn. 8 m.w.[X.], [X.] 2017, 251; Beschluss vom 10. Juni 1999 - [X.], NJW 1999, 3049, juris Rn. 3 und 7; Beschluss vom 24. November 1994 - [X.], [X.]Z 128, 85, juris Rn. 10 ff.).

9

2. Nach diesen Maßstäben schätzt der Senat den Wert der Beschwer auf bis 13.000 €.

a) Der Senat ist an die im Rahmen der Bemessung der Sicherheitsleistung für die vorläufige Vollstreckung erfolgte Schätzung des Berufungsgerichts bei der Bemessung des Werts der Beschwer gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (vormals § 26 Nr. 8 EGZPO) nicht gebunden (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Februar 2017 - [X.] Rn. 11 m.w.[X.], [X.] 2017, 251).

Die Schätzung des Berufungsgerichts ist unzutreffend. Dieses hat fehlerhaft den von der [X.]n angegebenen Stundensatz von 47,50 € zugrunde gelegt. Für die Wertbemessung bei der Erfüllung eines Auskunftsanspruchs durch die verurteilte [X.] selbst sind nach der Rechtsprechung des [X.] die Vorschriften des [X.]es ([X.]) heranzuziehen. Muss sich die [X.] bei der Auskunftserteilung fremder Hilfe bedienen, ist dagegen auf die Kosten abzustellen, die die Einschaltung der Hilfsperson verursacht ([X.], Beschluss vom 28. Februar 2017 - [X.] Rn. 13 m.w.[X.], [X.] 2017, 251). Eigene Mitarbeiter einer zur Auskunft verurteilten [X.] sind indes nach der Rechtsprechung des [X.] nicht als fremde Hilfspersonen anzusehen. Auch wenn die [X.] die geforderte Auskunft nicht selbst erteilen kann, sondern dazu auf die Hilfe sachkundiger Mitarbeiter angewiesen ist, ändert das nichts daran, dass es sich bei den eigenen Mitarbeitern nicht um fremde Hilfspersonen handelt, deren Kosten uneingeschränkt zu berücksichtigen wären. Bei der Bemessung des Werts der Beschwer können - entgegen der Auffassung der [X.]n - die Personalkosten für eigene Mitarbeiter vielmehr nur nach Maßgabe der Stundensätze angesetzt werden, die die Mitarbeiter nach dem [X.] ([X.]) als Zeugen in einem Zivilprozess erhalten würden ([X.], Beschluss vom 19. Februar 2019 - [X.], juris Rn. 5; Beschluss vom 3. Juli 2018 - [X.]/17 Rn. 12, [X.], 31; Beschluss vom 28. Februar 2017 - [X.] Rn. 14, [X.] 2017, 251). Da die verlangten Auskünfte nach eigenen Angaben der [X.]n im Schriftsatz vom 28. Juni 2019 nur von ihren Mitarbeitern zusammengetragen werden können, ist der Stundensatz gemäß § 22 [X.] in Höhe von höchstens 21 € zugrunde zu legen.

Auch wenn man den erforderlichen zeitlichen Aufwand für die Erfüllung der im Berufungsurteil zuerkannten Auskunftsansprüche mit dem Berufungsgericht auf 2/3 der von der [X.]n angegeben 800 Arbeitsstunden schätzt, beträgt der Kostenaufwand bei Zugrundelegung eines Stundensatzes von 21 € und damit der Wert der Beschwer lediglich 11.200 €.

b) Entgegen der Auffassung der [X.]n erhöht sich der Wert der Beschwer nicht mit Rücksicht auf ein Geheimhaltungsinteresse. Ein Geheimhaltungsinteresse ist nur dann bei der Bemessung des Werts der Beschwer zu berücksichtigen, wenn der zur Auskunftserteilung verurteilte Rechtsmittelführer sein besonderes Interesse, bestimmte Tatsachen geheim zu halten, und den durch die Auskunftserteilung drohenden Nachteil substantiiert darlegt und erforderlichenfalls glaubhaft macht ([X.], Beschluss vom 11. Mai 2016 - [X.] 12/16 Rn. 13 m.w.[X.], NJW-RR 2016, 1287; Beschluss vom 10. Juni 1999 - [X.], NJW 1999, 3049, juris Rn. 7).

Die erforderliche Darlegung ist im Streitfall nicht erfolgt. Die [X.] hat ihr Geheimhaltungsinteresse darauf gestützt, dass die zu erteilenden Auskünfte zumindest auch eigenes Know-how enthielten, das mit dem gemeinsamen Entwicklungsvorhaben nichts zu tun habe. Das Berufungsgericht hat insoweit zu Recht Vortrag dazu vermisst, inwieweit dies der Fall sein soll. Die nur allgemeine Behauptung der [X.]n, sie müsse teilweise auch eigenes Know-how preisgeben, das mit dem Entwicklungsvorhaben nichts zu tun habe, genügt den [X.] nicht. Welcher konkrete Nachteil der [X.]n durch die Erteilung welcher Auskünfte drohen soll, wird ebenfalls nicht dargelegt. Mit der Beschwerde zeigt die [X.] keine Anhaltspunkte auf, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.

[X.]     

        

Kartzke     

        

Sacher

        

Borris     

        

Brenneisen     

        

Meta

VII ZR 187/19

11.03.2020

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 17. Juli 2019, Az: 1 U 133/18

§ 544 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 26 Nr 8 ZPOEG, § 22 JVEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2020, Az. VII ZR 187/19 (REWIS RS 2020, 1652)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1652

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