Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.05.2010, Az. IV B 88/09

4. Senat | REWIS RS 2010, 6387

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Gegenstand

Sachdienlichkeit einer Teil-Einspruchsentscheidung - Schuldzinsenabzug bei Überentnahmen - Vorrang des Aussetzungsinteresses des Steuerpflichtigen


Leitsatz

1. NV: An der Sachdienlichkeit einer Teil-Einspruchsentscheidung bestehen (insgesamt) ernstliche Zweifel, wenn die darin ausgesprochene Verböserung zwar auf der Anwendung des § 4 Abs. 4 EStG beruht, dies jedoch eine Erhöhung der Entnahmen zur Folge hat, die sich prozentual auf den Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG auswirkt und das Verfahren hinsichtlich der Frage der Berücksichtigung von Unterentnahmen ruht.

2. NV: Es bleibt trotz der Regelung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 ernstlich zweifelhaft, ob die steuerschädliche Überentnahme i.S. von § 4 Abs. 4a EStG im ersten nach dem 31. Dezember 1998 endenden Wirtschaftsjahr stets von einem Jahresanfangsbestand von 0 DM aus zu ermitteln ist.

3. NV: Das Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen kann auch dann Vorrang vor den öffentlichen Interessen haben, wenn ein beim BFH anhängiges Verfahren, das für die Beantwortung von Rechtsfragen vorgreiflich ist, im Hinblick auf mehrere beim BVerfG anhängige Verfahren der konkreten Normenkontrolle ruht.

Tatbestand

1

I. Die [X.]ntragstellerin und Beschwerdegegnerin ([X.]ntragstellerin), die [X.], wendet sich gegen die Hinzurechnung nicht abzugsfähiger Schuldzinsen nach § 4 [X.]bs. 4a des Einkommensteuergesetzes in seiner in den Streitjahren (2003 und 2004) gültigen Fassung ([X.]).

2

Die [X.]ntragstellerin erzielte in den Streitjahren gewerbliche Einkünfte aus der chemisch-technischen Veredelung von Pflanzenfasern. Nicht vermögensmäßig beteiligte Komplementärin der [X.]ntragstellerin ist die [X.], Kommanditisten sind [X.] mit einer Beteiligung von 75 % und Frau B mit einer Beteiligung von 25 %. Es besteht eine Betriebsaufspaltung zwischen der [X.]ntragstellerin als Betriebsgesellschaft und der [X.]-GbR als Besitzgesellschaft.

3

50 % seiner Beteiligung an der [X.]ntragstellerin hatte [X.] zum 1. Januar 1999 zum Kaufpreis von 5.372.000 DM zuzüglich 19.119 DM [X.]nschaffungsnebenkosten hinzu erworben. Zugleich erwarb er eine entsprechende Beteiligung an der [X.]-GbR. Die [X.]nteilserwerbe wurden in voller Höhe fremdfinanziert über ein Darlehen der [X.] sowie ein Darlehen der [X.]ntragstellerin, die sich wiederum bei der [X.] refinanzierte. Bei beiden Personengesellschaften wurden die Verbindlichkeiten in Sonderbilanzen des [X.] als negatives Sonderbetriebsvermögen II passiviert. [X.] wurden die Verbindlichkeiten aus dem [X.]nteilserwerb umgeschuldet durch [X.]blösung des Darlehens bei der [X.] und [X.]ufnahme eines Darlehens bei der Y-Bank.

4

Durch [X.] über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 11. März 2005 bzw. 19. Juni 2006 stellte der [X.]ntragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --F[X.]--) die Einkünfte der [X.]ntragstellerin aus Gewerbebetrieb zunächst mit 370.456,31 € (2003) bzw. 535.052,71 € (2004) fest. In seinen nach § 164 [X.]bs. 2 der [X.]bgabenordnung ([X.]) geänderten [X.]n vom 7. Mai 2008 erhöhte das F[X.] die festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 396.329,31 € (2003) bzw. auf 551.047,71 € (2004). Diesen Gewinnerhöhungen lagen Hinzurechnungen nach § 4 [X.]bs. 4a [X.] in Höhe von 25.873 € (2003) bzw. 15.995 € (2004) zugrunde.

5

[X.]uf den Einspruch der [X.]ntragstellerin stellte das F[X.] --nach Hinweis auf eine Verböserung-- durch [X.] vom 9. März 2009 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 406.891,31 € (2003) bzw. 560.663,70 € (2004) fest; im Übrigen wies es den Einspruch, soweit durch die [X.] über ihn entschieden wurde, als unbegründet zurück. Soweit sich die [X.]ntragstellerin gegen die Nichtberücksichtigung von zum 1. Januar 1999 bestehenden Unterentnahmen gewandt hatte, wurde das Einspruchsverfahren im Hinblick auf das beim [X.] ([X.]) anhängige Revisionsverfahren [X.]/06 gemäß § 363 [X.]bs. 2 Satz 2 [X.] zum Ruhen gebracht. Zur Begründung der Verböserung führte das F[X.] u.a. aus, die aus der Umfinanzierung im Jahr 2003 resultierende Entnahme in Höhe von 161.292,88 € sei trotz der korrespondierenden Einlage bei der [X.]-GbR bei der Berechnung der Überentnahmen einzubeziehen, da es sich um verschiedene Gesellschaften handele. Soweit Zinszahlungen und [X.]ufwendungen für Grundschuldbestellungen auf diesen Betrag entfielen, handele es sich nicht um betrieblich veranlasste [X.]ufwendungen der [X.]ntragstellerin. Die Entnahmen und der Gewinn seien daher um 9.964,01 € (2003) bzw. 9.071,69 € (2004) zu erhöhen. Die Erhöhung der Entnahmen bewirke die Erhöhung der Überentnahmen und damit der [X.] nach § 4 [X.]bs. 4a [X.] um 6 % der zuvor genannten Beträge (597,84 € für 2003; 544,30 € für 2004). Die festzustellenden Gewinne seien daher um (weitere) 10.562 € (2003) bzw. 9.615 € (2004) zu erhöhen.

6

Nach [X.]blehnung des von der [X.]ntragstellerin am 15. [X.]pril 2009 gestellten [X.]ussetzungsantrags durch das F[X.] hat die [X.]ntragstellerin --nach Klageerhebung am 8. [X.]pril 2009-- am 14. Mai 2009 beim Finanzgericht ([X.]) einen [X.]ntrag auf [X.]ussetzung der Vollziehung ([X.]dV) gestellt.

7

Das [X.] hat dem [X.]ntrag stattgeben. Nach der durchzuführenden summarischen Prüfung bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen [X.], soweit der festgestellte Gewinn aus Gewerbebetrieb den Betrag von 370.456,31 € (2003) bzw. 535.052,71 € (2004) übersteige. Für eine [X.]dV des [X.] spreche bereits, dass die Rechtmäßigkeit der [X.] ernstlich zweifelhaft sei; diese erweise sich nämlich nicht als sachdienlich. Über die Berücksichtigung eines zum 1. Januar 1999 bestehenden [X.]s bei der Frage, ob in den Streitjahren Überentnahmen [X.] des § 4 [X.]bs. 4a [X.] vorgelegen haben, habe das F[X.] nicht entscheiden können, weil die Voraussetzungen einer Verfahrensruhe im Hinblick auf ein beim [X.] anhängiges Revisionsverfahren vorgelegen hätten. Die übrigen Teile des Einspruchs seien nicht entscheidungsreif gewesen, denn bei Berücksichtigung des streitbefangenen [X.]s hätten sich die weiteren Streitpunkte erledigt. [X.]uch habe die [X.]ntragstellerin kein Interesse, aus ihrer Sicht nicht entscheidungserhebliche Gesichtspunkte vorab zu entscheiden. Zudem sei die Rechtmäßigkeit der geänderten Feststellungsbescheide 2003 und 2004 ernstlich zweifelhaft. Wenn entgegen § 52 [X.]bs. 11 Satz 2 [X.] (i.d.[X.] 2001 --StÄndG 2001-- vom 20. Dezember 2001, [X.], 3794, [X.], 4) der zum 1. Januar 1999 bestehende [X.] zu berücksichtigen wäre, käme § 4 [X.]bs. 4a [X.] schon dem Grunde nach nicht zur [X.]nwendung. Die Verfassungsmäßigkeit des § 52 [X.]bs. 11 Satz 2 [X.] sei ernstlich zweifelhaft. Staatliche Haushaltsinteressen seien bei der Interessenabwägung zwischen der einer [X.]ussetzung entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für die [X.]ussetzung sprechenden individuellen Grundrechtsschutzinteressen des Steuerpflichtigen zunehmend zurückgestellt worden. Die Begründung des [X.] im Einzelnen ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1817 veröffentlicht.

8

Mit seiner vom [X.] zugelassenen Beschwerde trägt das F[X.] im Wesentlichen vor, gegen die [X.]nwendung von § 4 [X.]bs. 4a [X.] [X.]. § 52 [X.]bs. 11 Satz 2 [X.] i.d.F. des StÄndG 2001 bestünden für die Jahre ab 2001 keine verfassungsrechtlichen Bedenken. [X.]uch habe das [X.] nicht berücksichtigt, dass die vom F[X.] vorgenommenen Gewinnerhöhungen nicht insgesamt auf der [X.]nwendung von § 4 [X.]bs. 4a [X.] beruhten. Soweit bei den streitbefangenen Verbindlichkeiten ein Finanzierungszusammenhang nicht mit dem Kommanditanteil des [X.], sondern mit dessen Beteiligung an der [X.] bestehe, seien die auf diesen Teil entfallenden Schuldzinsen in Höhe von 9.964,01 € (2003) und 9.071,69 € (2004) nicht nach § 4 [X.]bs. 4 [X.] als Sonderbetriebsausgaben gewinnmindernd zu berücksichtigen. Die [X.] sei auch sachdienlich, denn die Sachdienlichkeit sei nicht allein aus der Sicht des Steuerpflichtigen zu bestimmen und die Entscheidungsreife des Einspruchs sei jedenfalls insoweit gegeben gewesen, als das F[X.] die teilweise Versagung des [X.] mangels betrieblicher Veranlassung auf § 4 [X.]bs. 4 [X.] gestützt habe. Schließlich komme eine [X.]dV nicht schon bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts in Betracht, sondern es sei auch ein berechtigtes Interesse des [X.]ntragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich; Letztes sei im Streitfall nicht dargelegt worden.

9

Das [X.] hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das F[X.] beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den [X.]ntrag auf [X.]dV abzulehnen.

Die [X.]ntragstellerin hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

II. [X.] [X.] ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O). [X.] des § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung; so bereits [X.] vom 10. Februar 1967 [X.]/66, [X.], 447, [X.] 1967, 182). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts mit Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Bescheid zugrunde liegenden Norm begründet werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.] vom 15. Januar 2004 [X.]/03, [X.], 780, m.w.[X.]). Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. [X.] vom 20. Mai 1997 [X.], [X.], 174, m.w.[X.]).

2. Nach diesen Maßstäben hat das [X.] zu Recht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Änderungsbescheide in Gestalt der [X.] vom 9. März 2009 geäußert.

a) Soweit das [X.] in seiner [X.] --verbösernd (§ 367 Abs. 2 Satz 2 [X.])-- u.a. Zinszahlungen nicht als betrieblich veranlasste Aufwendungen der Antragstellerin angesehen und insoweit die Entnahmen um 9.964,01 € (2003) bzw. 9.071,69 € (2004) erhöht hat, ist bei summarischer Prüfung die Würdigung des [X.] nicht zu beanstanden, dass die [X.] nicht sachdienlich i.S. des § 367 Abs. 2a Satz 1 [X.] gewesen ist. Unter Berücksichtigung dessen, dass das Einspruchsverfahren hinsichtlich der Frage der Berücksichtigung von [X.] vor dem 1. Januar 1999 im Hinblick auf das beim [X.] anhängige Verfahren [X.]/06 nach § 363 Abs. 2 Satz 2 [X.] ruht, hält die Auffassung der Vorinstanz summarischer Prüfung stand, dass bei sachgerechter Behandlung des [X.] nicht über eine Korrektur des [X.] nach § 4 Abs. 4a [X.] zu entscheiden ist, solange die Vorfrage, ob [X.] bis zum 1. Januar 1999 zu berücksichtigen sind, nicht beantwortet ist und sich bei Bejahung dieser Frage weitere mögliche Streitfragen der Korrektur des [X.] nach § 4 Abs. 4a [X.] nicht mehr stellen. Nach Maßgabe des § 4 Abs. 4a [X.] sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn und soweit Überentnahmen getätigt worden sind. Ob Schuldzinsen auf Überentnahmen beruhen, hängt auch davon ab, ob bzw. inwieweit [X.] vorangegangener Wirtschaftsjahre zum Abzug zu bringen sind. Der Würdigung des [X.] steht im Streitfall auch nicht der Hinweis des [X.] entgegen, dass die Verböserung auf der Verneinung einer betrieblichen Veranlassung u.a. von Schuldzinsen und damit einer Anwendung des § 4 Abs. 4 [X.] beruhe. Zwar ist die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen vorrangig vor deren Nichtabziehbarkeit nach § 4 Abs. 4a [X.] zu prüfen (vgl. zur zweistufigen Prüfung des betrieblichen [X.] z.B. [X.]-Urteile vom 21. September 2005 [X.], [X.]E 211, 227, [X.], 504, und vom 1. August 2007 [X.], [X.]/NV 2007, 2267, m.w.[X.]). Die Verneinung einer betrieblichen Veranlassung u.a. von Schuldzinsen hatte indes im Streitfall eine Erhöhung der Entnahmen zur Folge; 6 % des jeweiligen Erhöhungsbetrags hat das [X.] wiederum als Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a [X.] berücksichtigt. Insoweit beliefen sich die "Verböserungsbeträge" (Gewinnerhöhungen) der [X.] auf 106 % der vom [X.] als nicht betrieblich veranlasst erkannten Beträge. Deshalb blieb die [X.] nicht auf die erste Stufe der genannten Prüfung (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 211, 227, [X.], 504) beschränkt.

b) Auch soweit das [X.] die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen geänderten Feststellungsbescheide in Abrede gestellt hat, ist dies bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Dass es ernstlich zweifelhaft ist, ob die steuerschädliche Überentnahme i.S. von § 4 Abs. 4a [X.] i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 22. Dezember 1999 ([X.], 2601) im ersten nach dem 31. Dezember 1998 endenden Wirtschaftsjahr stets von einem Jahresanfangsbestand von 0 DM aus zu ermitteln ist, hat der [X.] bereits mit Beschluss vom 6. Februar 2002 [X.]/01 ([X.]/NV 2002, 647) ausgeführt (vgl. auch [X.] in [X.], 780; [X.]-Urteil in [X.]/NV 2007, 2267). Die Frage, ob die in § 52 Abs. 11 Satz 2 [X.] i.d.F. des [X.] 2001 getroffene Regelung, mit der diese Zweifel mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 behoben werden sollten, an dieser Rechtslage etwas geändert hat, hat zwar der [X.] noch nicht entschieden. So hat der [X.]. Senat des [X.] offen gelassen, ob gegen diese Regelung unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen ([X.] in [X.], 780). Der [X.] [X.] hat sich dahin geäußert, dass § 52 Abs. 11 Satz 2 [X.] i.d.F. des [X.] 2001 jedenfalls in den Wirtschaftsjahren 1999 und 2000 eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen beinhalte, sofern Über- und [X.] in Wirtschaftsjahren, die vor dem [X.] geendet haben, den Abzug von Schuldzinsen ab dem [X.] nicht beeinflussten (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 211, 227, [X.], 504); allerdings greift die Vorschrift nach Auffassung des X. Senats hinsichtlich der Berücksichtigung eines Unterentnahmevortrags aus der [X.] vor 1999 erst ab dem Veranlagungszeitraum 2001. Das auch vom [X.] berücksichtigte, beim [X.] anhängige Verfahren [X.]/06, in dem die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a [X.] im Veranlagungszeitraum 2001 wegen getätigter Überentnahmen, die Auslegung und Anwendung des § 52 Abs. 11 [X.] i.d.F. des [X.] 2001 hinsichtlich zu berücksichtigender Unter- und Überentnahmen der Vorjahre und die Frage einer verfassungswidrigen Rückwirkung sowie eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) im Streit ist, ruht bis zur Entscheidung des [X.] ([X.]) in den --Fragen der Rückwirkung (anderer) steuerrechtlicher Normen [X.], 2 [X.] und 2 [X.] ([X.] vom 15. September 2009 [X.]/06, nicht veröffentlicht); in gleicher Weise ruht auch das Verfahren [X.]/07, in dem ebenfalls die Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4a [X.] (dort für das [X.]) im Streit ist ([X.] vom 20. Juli 2009 [X.]/07, nicht veröffentlicht). Für die hier vom Streit der Beteiligten betroffenen Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 ergeben sich keine neuen rechtlichen Aspekte, nach denen sich die genannte Problematik einer verfassungsrechtlich bedenklichen Rückwirkung nicht (mehr) stellt.

3. Der Rechtmäßigkeit des angefochtenen [X.]-Beschlusses steht auch nicht der Hinweis des [X.] entgegen, dass für die AdV eines Steuerbescheids ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts allein nicht genügten, sondern der Steuerpflichtige auch ein berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes haben müsse. Zwar hat der [X.]. Senat des [X.] auch hinsichtlich einer AdV wegen der rückwirkenden Regelung in § 52 Abs. 11 Satz 2 [X.] i.d.F. des [X.] 2001 zu Über- und [X.] i.S. von § 4 Abs. 4a [X.] darauf hingewiesen, dass der Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes bei ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer Rechtsnorm ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich mache (vgl. im Einzelnen [X.] in [X.], 780; allgemein zum Erfordernis eines berechtigten Interesses des Antragstellers auch z.B. Senatsbeschluss vom 11. Juni 2003 [X.], [X.]E 202, 346, BStBl II 2003, 661, und [X.] vom 1. April 2010 [X.]/09, [X.]/NV 2010, 1033, jeweils m.w.[X.]). Allerdings hat der [X.] in Fällen, in denen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen, in verschiedenen Fallgruppen dem [X.] des Steuerpflichtigen den Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt (vgl. im Einzelnen [X.] in [X.]/NV 2010, 1033, m.w.[X.]). Hierzu zählt auch der Fall, dass der [X.] die vom Antragsteller als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem [X.] gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hatte (vgl. [X.] in [X.]/NV 2010, 1033, m.w.[X.]). Dieser Fallgruppe vergleichbar ist die Situation, dass ein beim [X.] anhängiges Verfahren, das --wie hier das auch vom [X.] in den Blick genommene Verfahren [X.]/06-- für die Beantwortung von Rechtsfragen vorgreiflich ist, im Hinblick auf mehrere beim [X.] anhängige Verfahren der konkreten Normenkontrolle ruht. Auch wenn bei der Abwägung grundsätzlich das Gewicht der ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist ([X.] in [X.]/NV 2010, 1033, m.w.[X.]), so haben sich doch auch in dieser Fallvariante verfassungsrechtliche Zweifel an der Gültigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm so weit verdichtet, dass es regelmäßig gerechtfertigt ist, dem [X.] des Steuerpflichtigen Vorrang vor den öffentlichen Interessen einzuräumen. Ungeachtet der vom [X.] aufgeworfenen Frage, ob der jüngeren Rechtsprechung des [X.] zunehmend eine Zurückstellung staatlicher Haushaltsinteressen zu entnehmen ist, ist deshalb die Ansicht des [X.] jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass im Hinblick auf die im Streitfall zu Tage getretenen ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifel die von der Antragstellerin begehrte AdV zu gewähren ist.

4. Aus dem Vorstehenden lässt sich indes nicht herleiten, dass der erkennende Senat von der Verfassungswidrigkeit der §§ 4 Abs. 4a [X.], 52 Abs. 11 Satz 2 [X.] i.d.F. des [X.] 2001 überzeugt ist. Diese Entscheidung ergeht vielmehr ohne Präjudiz für die Hauptsache.

Meta

IV B 88/09

21.05.2010

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 23. Juni 2009, Az: 11 V 1839/09 A (F), Beschluss

§ 363 Abs 2 S 2 AO, § 367 Abs 2 S 2 AO, § 69 Abs 3 S 1 FGO, § 69 Abs 2 S 2 FGO, § 4 Abs 4 EStG 2002, § 4 Abs 4a EStG 2002, § 52 Abs 11 S 2 EStG 1997 vom 20.12.2001, Art 3 Abs 1 GG, Art 100 Abs 1 GG, § 367 Abs 2a AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.05.2010, Az. IV B 88/09 (REWIS RS 2010, 6387)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6387

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