Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.11.2019, Az. X R 40-41/18, X R 40/18, X R 41/18

10. Senat | REWIS RS 2019, 1945

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Gegenstand

(Begrenzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG)


Leitsatz

NV: Bei der Berechnung der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG ist positives Eigenkapital, das aus vor dem 01.01.1999 endenden Wirtschaftsjahren herrührt, unberücksichtigt zu lassen. Die durch das StÄndG 2001 eingeführte Anwendungsregelung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG (derzeit § 52 Abs. 6 Satz 6 EStG) gebietet es, in dem ersten nach dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahr von einem Kapitalkonto mit dem Anfangsbestand von "Null" auszugehen (Anschluss an Senatsurteil vom 09.05.2012 - X R 30/06, BFHE 237, 484, BStBl II 2012, 667) .

Tenor

1. Die Verfahren [X.]/18 und [X.]/18 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

2. Auf die Revisionen des Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 09.08.2018 - 5 K 1375/16 sowie 5 K 1376/16 aufgehoben.

Die Sachen werden an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten der Verfahren übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und [X.] (Kläger) sind Eheleute und werden für die Streitjahre 2002 bis 2007 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin vermietet Anlagevermögen an eine von ihr beherrschte Kapitalgesellschaft und erzielt hieraus gewerbliche Einkünfte (Betriebsaufspaltung). Ihren Gewinn ermittelt sie durch Betriebsvermögensvergleich.

2

Die (...) Kinder der Kläger sind als typisch stille Gesellschafter am Besitzunternehmen der Klägerin beteiligt. Deren Gewinnanteile und die Verzinsung für stehen gelassene Gewinnanteile (sog. Darlehen II) behandelte die Klägerin als betrieblichen Aufwand.

3

Nach Außenprüfungen für die Streitjahre erhöhte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) mit Bescheiden jeweils vom 13.09.2007 (2002 bis 2004) bzw. 30.04.2010 (2005 bis 2007) die zunächst erklärungsgemäß berücksichtigten Gewinne der Klägerin um gemäß § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abzugsfähige Schuldzinsen in Höhe von 3.959 € (2002), 6.044 € (2003), 19.197 € (2004), 24.212 € (2005), 31.208 € (2006) sowie 38.777 € (2007).

4

Die Außenprüfungsberichte vom 13.07.2007 (2002 bis 2004) bzw. 09.02.2010 (2005 bis 2007), auf die das [X.] ([X.]) --neben eigenen [X.] jeweils Bezug nahm, weisen folgende Berechnungsgrundlagen aus, die hinsichtlich der Kapitalkontenentwicklung zwischen den Beteiligten nicht streitig sind:

  

2002

2003

2004

kumulierte Unter-/Überentnahmen 31.12. Vorjahr

                    176.551 €

                  ./. 65.986 €

                 ./. 100.740 €

./. Entnahmen

598.886 €

358.686 €

653.928 €

+ Einlagen

0 €

0 €

4.467 €

+ Gewinn

356.349 €

323.932 €

291.853 €

= Überentnahmen 31.12.

65.986 €

100.740 €

458.348 €

 6 %

3.959 €

6.044 €

27.501 €

 Zinsaufwand gesamt

38.226 €

32.804 €

21.247 €

davon begünstigte Zinsen für Investitionsdarlehen

17.674 €

5.700 €

0 €  

verbleiben

20.552 €

27.104 €

21.247 €

./. Kürzungsbetrag

2.050 €

2.050 €

2.050 €

Vergleichsgröße

18.502 €

25.054 €

19.197 €

 Hinzurechnungsbetrag

3.959 €

6.044 €

19.197 €

  

2005

2006

2007

kumulierte Unter-/Überentnahmen 31.12. Vorjahr

./. 458.348 €

./. 460.055 €

./. 636.682 €

./. Entnahmen

394.161 €

600.890 €

332.865 €

+ Einlagen

1.390 €

0 €

0 €

+ Gewinn

391.064 €

424.263 €

281.058 €

= Überentnahmen 31.12.

460.055 €

636.682 €

688.489 €

 6 %

27.603 €

38.201 €

41.309 €

 Zinsaufwand gesamt

26.262 €

33.258 €

40.827 €

davon begünstigte Zinsen für Investitionsdarlehen

0 €

0 €

0 €

verbleiben

26.262 €

33.258 €

40.827 €

./. Kürzungsbetrag

2.050 €

2.050 €

2.050 €

Vergleichsgröße

24.212 €

31.208 €

38.777 €

 Hinzurechnungsbetrag

24.212 €

31.208 €

38.777 €

5

Den Umstand, dass der Gewerbebetrieb der Klägerin trotz jährlicher Überentnahmen ein durchgängig positives Eigenkapital aufwies, ließ das [X.] unberücksichtigt.

6

Das [X.] gab den nach erfolglosen Vorverfahren erhobenen Klagen statt (Entscheidungen der [X.]e --E[X.]-- 2018, 1624). Die Zinsen seien betrieblich veranlasst. Eine Begrenzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG komme nicht in Betracht. Der [X.] ([X.]) habe mit Urteil vom 21.09.2005 - X R 47/03 ([X.]E 211, 227, [X.], 504) entschieden, dass die Vorschrift nach ihrer gesetzlichen Konzeption nur für überschuldete Betriebe, nicht aber für solche mit positivem Eigenkapital gelte. Zum Eigenkapital gehöre nicht nur im laufenden Wirtschaftsjahr "gebildetes", sondern ebenso "angespartes" Eigenkapital.

7

Bereits vor den Entscheidungen der Vorinstanz hatte das [X.] unter dem Datum des 29.11.2016 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre erlassen und das [X.] hierüber mit Schreiben vom selben Tag in Kenntnis gesetzt. Jene Bescheide ließ das [X.] im Tatbestand seiner Urteile unerwähnt.

8

Im Revisionsverfahren bringt das [X.] vor, das [X.] habe rechtsfehlerhaft in seine Entscheidung nicht einbezogen, dass nach § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.[X.] ([X.]) 2001 vom 20.12.2001 ([X.], 3794) Über- und Unterentnahmen von vor dem 01.01.1999 endenden Wirtschaftsjahren bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für eine Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG unberücksichtigt blieben. Eine Bindungswirkung des bilanziellen Eigenkapitals für § 4 Abs. 4a EStG bestehe nicht.

9

Das [X.] beantragt (sinngemäß),
die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Revisionen zurückzuweisen.

Sie halten an ihrer Ansicht fest, dass § 4 Abs. 4a EStG an das bilanzielle Eigenkapital anknüpfe und daher eine Begrenzung des Schuldzinsenabzugs ausgeschlossen sei, wenn die Entnahmen aus positivem Eigenkapital geschöpft werden könnten. Auch für nach dem [X.] beginnende Wirtschaftsjahre sei das gesamte Eigenkapital zu berücksichtigen.

Sollte § 4 Abs. 4a EStG dagegen grundsätzlich Anwendung finden, sei zu berücksichtigen, dass sämtliche Zinsen für nach Satz 5 der Vorschrift begünstigte Investitionsdarlehen aufgewandt worden seien. Das Besitzunternehmen sei dahingehend konzipiert, Anlagevermögen an die Betriebsgesellschaft zu vermieten, so dass auch die Darlehen der stillen Gesellschafter für Investitionen in Anlagevermögen genutzt worden seien.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revisionen [X.] und [X.], die der [X.] zur gemeinsamen Entscheidung nach § 121 Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) verbunden hat, sind begründet. Die angefochtenen [X.] sind aufzuheben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

1. Die [X.] sind bereits aus formellen Gründen aufzuheben, da sie zu Steuerbescheiden ergangen sind, die im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidungen materiell nicht mehr wirksam waren.

a) Gegenstand der Klageverfahren waren zunächst die nach den Außenprüfungen geänderten Einkommensteuerbescheide vom 13.09.2007 (Streitjahre 2002 bis 2004) bzw. 30.04.2010 (Streitjahre 2005 bis 2007), jeweils i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 01.03.2016. Tatsächlich waren jene Bescheide --wie dem [X.] gemäß § 68 Satz 3 [X.]O auch mitgeteilt-- nach einer Steuerfahndungsprüfung mit weiteren Bescheiden jeweils vom 29.11.2016 geändert worden. Dementsprechend sind die Urteile der Vorinstanz, die ausweislich der Klageanträge ausschließlich über die Bescheide vom 13.09.2007 bzw. 30.04.2010 und die hierauf ergangenen Einspruchsentscheidungen befunden hat, zu nicht mehr existenten Bescheiden ergangen. Hierin liegt ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens (BFH-Urteil vom 23.10.2013 - I R 21/11, juris, [X.], m.w.N.), so dass die Urteile keinen Bestand haben können und aufgehoben werden müssen (BFH-Urteil vom 16.05.2013 - IV R 15/10, [X.], 323, [X.], 858, Rz 21).

b) Trotz dessen ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass es jedenfalls dann keiner Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz bedarf, wenn der nicht beachtete Verwaltungsakt den bisherigen Streitstand nicht berührt, hierdurch kein neuer Streitpunkt in das Verfahren eingeführt wurde (u.a. [X.] vom 19.07.2011 - XI R 21/10, [X.], 14, [X.], 434, Rz 22, sowie vom 02.12.2013 - III B 157/12, [X.], 545, Rz 7, jeweils m.w.N.) und die Sache spruchreif ist (BFH-Urteile vom 13.12.2006 - VIII R 31/05, [X.], 214, [X.], 393, unter [X.], sowie in [X.], 323, [X.], 858, Rz 22; vgl. zudem Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 68 Rz 94). In diesem Fall widerspräche es Sinn und Zweck des § 68 Satz 1 [X.]O, der darin besteht, das Verfahren fortsetzen zu können, die Sache zurückzuverweisen, nur um der Vorinstanz Gelegenheit zu geben, die abermalig geänderten Bescheide datumsmäßig zu erfassen; vielmehr reicht aus prozessökonomischen Gründen eine Richtigstellung durch das Revisionsgericht aus. Dies gilt selbst dann, wenn das [X.] über den Erlass geänderter Bescheide gemäß § 68 Satz 3 [X.]O in Kenntnis gesetzt wurde, sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es jene Bescheide bewusst nicht in seine Entscheidung einbezogen hat (BFH-Urteil vom 19.05.2010 - I R 62/09, [X.], 18, Rz 16 f.).

c) Demzufolge zwingt allein der Umstand, dass das [X.] die Änderungsbescheide übersehen hat, noch nicht zu einer Zurückverweisung. Die erneut geänderten Einkommensteuerbescheide berühren nicht die vorliegende Streitfrage, da hierdurch nur die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen des [X.] erhöht wurden. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass mit den [X.] zusätzliche Streitpunkte in die Verfahren eingeführt wurden. Denn der --nach § 68 Satz 2 [X.]O unzulässige-- Einspruch der Kläger vom 05.12.2016 erstreckt sich nach Maßgabe seiner Begründung nur auf die vorliegend relevante Streitfrage der Begrenzung des [X.]s bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Klägerin, nicht aber auf die im Wege einer Selbstanzeige veranlasste Erhöhung der Einkünfte des [X.].

2. Die Sachen sind jedoch aus materiell-rechtlichen Gründen an die Vorinstanz zurückzuverweisen, da die bisherigen Feststellungen des [X.] nicht für eine rechtlich abschließende Entscheidung des [X.]s genügen, ob bzw. in welcher Höhe für die Streitjahre nicht abzugsfähige Schuldzinsen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Klägerin hinzuzurechnen sind.

a) Schuldzinsen sind nach Maßgabe von § 4 Abs. 4a EStG nicht abzugsfähig, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Seit Einführung der Vorschrift ist der [X.] zweistufig zu prüfen (statt vieler [X.]surteil vom 21.09.2005 - X R 46/04, [X.], 238, [X.], 125, unter II.3.). Auf der ersten Stufe ist zu klären, ob die den Schuldzinsen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten solche sind, die dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen zuzuordnen sind. Sodann ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und in welchem Umfang die betrieblich veranlassten Schuldzinsen nach Maßgabe von § 4 Abs. 4a EStG nicht abzugsfähig sind ([X.]surteil vom 14.03.2018 - X R 17/16, [X.], 273, BStBl II 2018, 744, Rz 17, m.w.N.).

Das [X.] hat --ohne dies zu [X.] ausgeführt, die in den Streitjahren als Aufwand erfassten Schuldzinsen seien betrieblich veranlasst gewesen. Feststellungen insbesondere zu Grund und Höhe des [X.] für nicht ausgezahlte Gewinnanteile der stillen Gesellschafter ("Darlehen II") fehlen indes. Im Hinblick darauf, dass eine betriebliche Veranlassung der Zinsen zwischen den Beteiligten bislang außer Streit stand, sieht auch der [X.] von grundsätzlichen Ausführungen hierzu ab. Allerdings sollte das [X.] im zweiten Rechtsgang, in dem es insoweit an seine bisherige rechtliche Beurteilung nicht gebunden ist, zumindest erwägen, dass die von den Kindern der Klägerin gewährten Darlehen hinsichtlich der Vereinbarungen und deren Durchführung den besonderen Anforderungen an die steuerliche Anerkennung von Angehörigenverträgen genügen müssen (vgl. hierzu u.a. [X.]surteile vom 10.10.2018 - X R 44-45/17, [X.], 11, [X.], 203, Rz 18 ff., sowie vom [X.], [X.], 2118, Rz 26 f.). Hierbei dürfte auch der Umstand der für die Streitjahre --gemessen am [X.] recht hohen Verzinsung von 8 % zu berücksichtigen sein (vgl. hierzu ausführlich [X.]surteil vom 22.10.2013 - X R 26/11, [X.], 516, BStBl II 2014, 374, Rz 77).

b) Für den Fall, dass betrieblich veranlasster Zinsaufwand vorläge, entspräche die hieran anknüpfende Entscheidung der Vorinstanz, eine [X.] nach § 4 Abs. 4a EStG aufgrund des durchgängig positiven bilanziellen Eigenkapitals der Klägerin als ausgeschlossen anzusehen, nicht der für die Streitjahre geltenden Rechtslage. Für die Klägerin wären trotz positiven Eigenkapitals Überentnahmen anzusetzen, die grundsätzlich eine Begrenzung des [X.]s auslösten.

aa) Überentnahme i.S. von § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG ist nach Satz 2 der Vorschrift der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abzugsfähigen Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben ([X.]), ermittelt (§ 4 Abs. 4a Satz 3 Halbsatz 1 EStG). Hieraus folgt, dass die Bemessungsgrundlage der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen der Summe der jeweiligen Über- und [X.] aller in die Berechnung einzubeziehenden Wirtschaftsjahre --d.h. einer Totalperiode-- entspricht (vgl. hierzu auch [X.]surteil in [X.], 273, BStBl II 2018, 744, Rz 19).

Durch das [X.] 2001 hat der Gesetzgeber diese Totalperiode für die Vergangenheit zeitlich insoweit begrenzt, als Über- und [X.] aus vor dem 01.01.1999 endenden Wirtschaftsjahren unberücksichtigt bleiben (§ 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des [X.] 2001, jetzt § 52 Abs. 6 Satz 6 EStG). Somit ist bei der Berechnung der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen zum 01.01.1999, dem Beginn der Totalperiode, von einem "Startkapital" von 0 DM/€ auszugehen (grundlegend [X.]surteil vom 09.05.2012 - X R 30/06, [X.], 484, [X.], 667, Rz 32, 64). Diese Regelung, die dazu führt, dass zum Startzeitpunkt bestehendes positives sowie negatives Eigenkapital unberücksichtigt bleibt, verstößt --wie inzwischen hinlänglich geklärt-- weder gegen das Rückwirkungsverbot noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz sowie den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ([X.]surteil in [X.], 484, [X.], 667, Rz 38 ff. [die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss des [X.] vom 07.04.2015 - 2 BvR 1868/12]; vgl. zuletzt auch BFH-Urteil vom 06.12.2018 - IV R 15/17, [X.], 526, Rz 25).

bb) Das [X.] ist --wie auch die Kläger-- von anderen, allerdings zeitlich überholten Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Dessen Entscheidungen, das zum 01.01.1999 bestehende positive Eigenkapital des Unternehmens der Klägerin für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen, kann insbesondere nicht auf das [X.]surteil in [X.], 227, [X.], 504 gestützt werden. Denn jenes Urteil betrifft den Veranlagungszeitraum 1999 und somit ein Jahr, für das die Regelung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des [X.] 2001 zur Bestimmung des "[X.]" noch nicht existierte. Dort hat der [X.] ausdrücklich festgestellt, dass lediglich in den [X.] 1999 und 2000 ein Unterentnahmevortrag (d.h. positives Eigenkapital) aus vor dem 01.01.1999 endenden Wirtschaftsjahren zu berücksichtigen sei ([X.], 227, [X.], 504, unter II.4.c).

Dagegen besteht --beginnend ab dem Veranlagungszeitraum 2001 und somit für sämtliche [X.] für die vom [X.] vertretene sowie von den Klägern geforderte Gesetzesauslegung, "angespartes" Eigenkapital aus Wirtschaftsjahren vor 1999 als vorzutragende [X.] zu berücksichtigen, kein Raum. Zwar trifft es zu, dass nach der Gesetzeskonzeption des § 4 Abs. 4a EStG eine Beschränkung des betrieblich veranlassten [X.]s erst dann in Betracht kommt, wenn der Steuerpflichtige mehr für private Zwecke entnimmt als an Eigenkapital vorhanden ist (vgl. [X.]surteil in [X.], 227, [X.], 504, unter [X.], m.w.N.). Hieraus folgt aber nicht, dass der Zweck der Regelung unbedingt verlangt, auch das zum Zeitpunkt der Einführung vorhandene Eigenkapital zu berücksichtigen. Insoweit hat der [X.] bereits entschieden, dass § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des [X.] 2001 den zeitlichen Rahmen festlegt, für den das sog. Eigenkapitalmodell gilt, nämlich für nach dem 31.12.1998 endende Wirtschaftsjahre ([X.]surteil in [X.], 484, [X.], 667, Rz 37). Hiervon Abweichendes wurde --anders als die Kläger meinen-- weder in der [X.] vom 17.08.2010 - VIII R 42/07 ([X.], 424, [X.], 1041) noch in der [X.]sentscheidung in [X.], 273, BStBl II 2018, 744 vertreten.

cc) Die ab dem 01.01.1999 für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach § 4 Abs. 4a EStG anzusetzenden --oben dargestellten-- bilanziellen Werte sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Für den zweiten Rechtsgang weist der [X.] darauf hin, dass die vom [X.] im Tatbestand seiner Entscheidungen dargestellten Kapitalkontenentwicklungen nicht in Einklang mit den durch die Außenprüfungen ermittelten --nach Ansicht des [X.]s zutreffenden und unstreitigen-- Zahlen zu bringen sind.

c) Dem [X.] war eine eigene Entscheidung in der Sache verwehrt, da das [X.] --vor dem Hintergrund seiner Rechtsansicht folgerichtig-- nicht über die von den Beteiligten im ersten Rechtsgang ebenfalls streitig erörterte Frage befunden hat, inwiefern die als betrieblich veranlasst angenommenen Schuldzinsen auf nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG begünstigte Zinsen für Investitionskredite entfielen.

aa) § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG bestimmt, dass der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unberührt bleibt. Mit dieser Privilegierung bezweckt der Gesetzgeber, derartige Investitionen nicht durch die [X.] des § 4 Abs. 4a EStG zu behindern (BFH-Urteil vom 07.07.2016 - III R 26/15, [X.], 347, [X.], 837, Rz 19, m.w.N., sowie [X.]surteil vom 23.03.2011 - [X.], [X.], 404, [X.], 753, Rz 21), wobei die Außerachtlassung von Zinsen für die Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens rechtlich unbedenklich ist (BFH-Urteil vom 30.08.2012 - IV R 48/09, [X.], 187, Rz 22 ff.).

Ob begünstigte Schuldzinsen i.S. von § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG vorliegen, bestimmt sich nicht nach dem vereinbarten Darlehenszweck oder der Mittelverwendungsabsicht des Darlehensnehmers, sondern allein nach der tatsächlichen Verwendung der [X.] für eine entsprechend privilegierte Investition (BFH-Urteil in [X.], 347, [X.], 837, Rz 21). Die objektive Beweislast ([X.]) für eine solche Verwendung trifft den Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 23.02.2012 - IV R 19/08, [X.], 48, [X.], 151, Rz 14, m.w.N.).

bb) Der [X.] kann nicht erkennen, inwiefern die in den Streitjahren angefallenen Schuldzinsen konkret im sachlichen Zusammenhang mit Investitionen in Anlagevermögen des Besitzunternehmens der Klägerin standen. Die hierfür erforderlichen Feststellungen obliegen dem [X.] als Tatsacheninstanz; die [X.] trifft die Kläger (BFH-Urteil in [X.], 48, [X.], 151, Rz 14).

Der [X.] weist allerdings darauf hin, dass die im ersten Rechtsgang von den Klägern eingereichte chronologische Investitionsliste den von ihnen behaupteten [X.] nicht hinreichend belegen dürfte. Jener Liste ist nicht zu entnehmen, ob die Darlehen --und hierbei insbesondere die aus stehen gelassenen Gewinnanteils- und Verzinsungsansprüchen resultierenden Kapitalüberlassungen der stillen Gesellschafter-- tatsächlich für den Erwerb der dort bezeichneten Wirtschaftsgüter eingesetzt wurden. Zum einen könnten die Investitionen ebenso aus freien Finanzmitteln erbracht worden sein. Zum anderen wird zu berücksichtigen sein, dass sich ausweislich der Anlage 5 des Außenprüfungsberichts vom 13.07.2007 jedenfalls für die Streitjahre 2002 und 2003 Zinsen für Investitionskredite in Höhe von 17.674 € (2002) sowie 5.700 € (2003) in Abzug gebracht wurden, die womöglich in Zusammenhang mit dem Erwerb bestimmter Sachanlagegüter stehen.

Der Einwand der Kläger, infolge der besonderen Betriebsstruktur des Unternehmens der Klägerin müssten sämtliche fremdfinanzierte Investitionen zwangsläufig als solche ins Anlagevermögen anzusehen sein, dürfte nicht verfangen. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass der vorliegend maßgebliche Zinsaufwand ganz oder zumindest durch das Entnahmeverhalten der Klägerin veranlasst wurde. Wenn die Kläger vorbringen, die Klägerin habe ihre Entnahmen durch "positive Bankguthaben" finanziert, verkennen sie, dass diese Guthaben zumindest auch durch die darlehensweise zur Verfügung gestellten Gewinnanteils- und Verzinsungsansprüche ("Darlehen II") der stillen Gesellschafter gespeist worden sein dürften.

d) Sollten die Feststellungen im zweiten Rechtsgang dazu führen, dass weitergehend als bisher begünstigte Zinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG zu berücksichtigen wären, könnte das [X.] zudem erwägen, ob [X.] hierzu jeweils ein höherer Schuldzinsenaufwand für Zwecke der Höchstbetragsberechnung gemäß Satz 4 der Vorschrift in Ansatz zu bringen wäre. Nicht als Schuldzinsen i.S. des Gesetzes erfasst wurden die zu Lasten des Gewinns der Klägerin gebuchten Gewinnanteile der stillen Gesellschafter von jährlich (...). Ob die Gewinnanteile eines typisch still beteiligten Gesellschafters überhaupt in die Berechnung der nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen --über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinaus-- einzubeziehen sind, wurde durch die höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings noch nicht entschieden (bejahend allerdings [X.] Köln, Urteil vom 21.08.2013 - 14 K 3754/11, E[X.] 2014, 173, rkr.).

e) Schließlich sollte das [X.] prüfen, ob die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2006 nach der Außenprüfung hinsichtlich der Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG verfahrensrechtlich überhaupt noch geändert werden konnte. Der Bescheid vom 30.04.2010 weist als Änderungsnorm § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung aus. Dies könnte --was für den [X.] nach Aktenlage allerdings nicht überprüfbar [X.] dafür sprechen, dass die Kläger jedenfalls für das Streitjahr 2006 zuvor bestandskräftig veranlagt worden waren. In diesem Fall wäre zu beurteilen, welche insoweit rechtserheblichen Tatsachen oder Beweismittel dem [X.] nachträglich bekannt geworden sein sollten.

3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 40-41/18, X R 40/18, X R 41/18

05.11.2019

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 9. August 2018, Az: 5 K 1375/16, Urteil

§ 4 Abs 4a S 1 EStG 2002, § 4 Abs 4a S 5 EStG 2002, § 52 Abs 11 S 2 EStG 2002 vom 20.12.2001, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.11.2019, Az. X R 40-41/18, X R 40/18, X R 41/18 (REWIS RS 2019, 1945)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1945


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X R 40-41/18, X R 40/18, X R 41/18

Bundesfinanzhof, X R 40-41/18, X R 40/18, X R 41/18, 05.11.2019.


Az. 5 K 1375/16

Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 5 K 1375/16, 09.08.2018.


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