Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2009, Az. VI ZB 89/08

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 4351

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[X.] vom 24. März 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 519 Abs. 2 Zur Auslegung eines mit "Berufung und [X.]" überschrie-benen Schriftsatzes.
[X.], Beschluss vom 24. März 2009 - [X.]/08 - O[X.]

[X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 24. März 2009 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.], Pauge und [X.] und die Rich-terin von [X.] beschlossen: Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats des [X.] vom 1. September 2008 ge-währt. Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss des 18. Zivilsenats des [X.] vom 1. September 2008 auf-gehoben. Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Frist zur [X.] der Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 29. Februar 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Sache wird an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des [X.] und des [X.] zu entscheiden haben wird. Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 24.279,19 • festgesetzt. - 3 - Gründe: [X.] 1 1. Die Klägerin, die am 19. Juli 2001 beim Besuch der Zentrale für [X.] und [X.] der Beklagten in [X.] einen Unfall erlitt, als auf dem Frei-gelände ein dreibeiniger Eisenständer umfiel und sie am Kopf traf, nimmt die Beklagte auf Ersatz weiteren materiellen und immateriellen Schadens in [X.]. Ihr ist in erster Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Das [X.] hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 6. März 2008 zugestellt [X.]. Am 4. April 2008 haben die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin einen mit "Berufung und [X.]" überschriebe-nen anwaltlichen Schriftsatz eingereicht. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21. April 2008, bei Gericht eingegangen am 23. April 2008, hat die Klägerin den [X.] begründet. Gleichzeitig hat sie ein Formblatt mit der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst eini-gen Belegen eingereicht. Auf Nachfrage des Gerichts hat die Klägerin mit [X.] vom 30. April 2008 erklärt, das Rechtsmittel solle erst nach [X.] und nur im Umfang der Bewilligung durchge-führt werden. Zugleich hat sie vorsorglich die Verlängerung der Berufungsbe-gründungsfrist um einen Monat beantragt, die ihr mit Verfügung vom 5. Mai 2008 bis einschließlich 6. Juni 2008 gewährt worden ist. Durch Beschluss vom 27. Juni 2008, der den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. Juli 2008 zugestellt worden ist, hat das Berufungsgericht den [X.] zurückgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Am 21. Juli 2008 hat die Klägerin Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] beantragt. Zur Begründung hat sie auf den Schriftsatz vom 21. April 2008 Bezug genommen. 2 Mit Beschluss vom 1. September 2008 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung sei [X.], weil das Rechtsmittel nicht innerhalb der Monatsfrist gemäß § 517 ZPO eingelegt worden sei. Die Berufungsfrist sei am 7. April 2008 abgelaufen. Sie sei durch den am 4. April 2008 eingegangenen Schriftsatz nicht gewahrt worden, weil eine an die Gewährung von Prozesskostenhilfe geknüpfte [X.] unzulässig sei. Diese Voraussetzungen lägen hier vor, da die Klägerin klargestellt habe, dass die Berufung erst nach Bewilligung der Pro-zesskostenhilfe und nur im Umfang der Bewilligung durchgeführt werden solle. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei der Klägerin nicht zu gewähren, denn sie sei nicht ohne ihr Verschulden gehindert gewesen, die Berufungsfrist einzuhalten. Die Klägerin habe innerhalb der Rechtsmittelfrist weder das For-mular über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausgefüllt und zu den Akten gereicht noch irgendwelche Belege vorgelegt. Sie habe auch nicht erklärt, dass sich ihre Verhältnisse gegenüber der Prozesskostenhilfebewilli-gung in erster Instanz nicht oder nicht wesentlich geändert hätten. Diese Anga-ben habe die Klägerin auch nicht für entbehrlich halten dürfen, zumal ihre in erster Instanz eingereichte Erklärung bereits mehr als zwei Jahre zurückgele-gen habe. Der Beschluss vom 1. September 2008 ist den [X.] der Klägerin am 5. September 2008 zugestellt worden. Auf ihren am 2. Oktober 2008 beim [X.] eingegangenen Antrag hat der Senat der Klägerin Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss bewilligt und ihr mit Beschluss vom 16. Dezember 2008, zugestellt am 19. Dezember 2008, die Verfahrensbevollmächtigte beige-3 - 5 - ordnet. Diese hat am selben Tag Rechtsbeschwerde eingelegt und Wiederein-setzung in den vorigen Stand beantragt und die Rechtsbeschwerde mit einem am 19. Januar 2009 eingegangenen Schriftsatz begründet. I[X.] 4 1. Der Klägerin ist auf ihren rechtzeitig und formgerecht gestellten Antrag (§§ 236, 575 ZPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäu-mung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren. 2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zuläs-sig, weil nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (vgl. [X.] 79, 372, 376 f. = NJW 1989, 1147; [X.] NJW-RR 2002, 1004). 5 3. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht [X.] die Berufung nicht mit der Begründung als unzulässig verwerfen, die [X.] sei verspätet eingegangen. 6 Der Schriftsatz der Klägerin vom 4. April 2008 erfüllt die Anforderungen, die das Gesetz in § 519 ZPO an eine Berufungsschrift stellt. In diesem Fall kommt nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] die Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufung bestimmt war, nur dann in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünfti-gen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt ([X.], Beschlüsse vom [X.] 1985 - [X.] - [X.], 40, 41; vom 16. Dezember 1987 - [X.] - NJW 1988, 2046, 2047 f.; vom 10. Januar 1990 - [X.] - 6 - 134/89 - FamRZ 1990, 995; [X.], Urteil vom 31. Mai 1995 - [X.]II ZR 267/94 - NJW 1995, 2563, 2564; Senatsbeschlüsse vom 22. Januar 2002 - [X.] ZB 51/01 - [X.], 1256, 1257 und vom 7. November 2006 - [X.] ZB 70/05 - VersR 2007, 662, 663). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. 8 Ob eine Berufung eingelegt ist, ist im Wege der Auslegung der [X.]sschrift und der sonst vorliegenden Unterlagen zu entscheiden. Dabei sind - wie auch sonst bei der Auslegung von [X.] - alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Auslegung von [X.], die auch der Senat als Revisionsgericht selbst vornehmen kann (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 1996 - [X.] ZR 325/95 - NJW-RR 1996, 1210, 1211; [X.] [X.] 4, 328, 334), hat den Willen des Erklärenden zu be-achten, wie er den äußerlich in Erscheinung getretenen Umständen üblicher-weise zu entnehmen ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1998 - [X.] ZR 316/97 - [X.], 900, 901 und Senatsbeschluss vom 22. Januar 2002 - [X.] ZB 51/01 - aaO, jeweils m.w.[X.]). Bei Beachtung dieser Grundsätze hat die Klägerin wirksam Berufung eingelegt. Für die Auslegung des Schriftsatzes vom 4. April 2008 sind dessen Inhalt und die Begleitumstände heranzuziehen. Maßgebend ist der objektiv zum Aus-druck gekommene Wille des Erklärenden. Entgegen der Auffassung des [X.]sgerichts kommt es dabei allerdings nicht darauf an, ob der Schriftsatz vom Gericht als Berufungsschrift gewertet und behandelt worden ist. Nicht zu be-rücksichtigen sind auch die Begleitumstände, von denen das Gericht und der [X.] erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist Kenntnis erlangt ha-ben (vgl. [X.], Urteile vom 27. Juni 1984 - [X.]II ZR 213/83 - [X.], 870 und vom 31. Mai 1995 - [X.]II ZR 267/94 - aaO). Deshalb kommt es vorliegend nicht darauf an, welche Erklärung die Klägerin auf den nach Ablauf der [X.]sfrist ergangenen gerichtlichen Hinweis vom 23. April 2008 abgegeben hat. 9 - 7 - Ebenso unerheblich ist, dass die Klägerin mit Schriftsatz vom 21. Juli 2008 er-neut "Berufung" eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt hat. 10 Der Inhalt des Schriftsatzes vom 4. April 2008 spricht nicht mit der erfor-derlichen Deutlichkeit dafür, dass die Klägerin zunächst lediglich einen Pro-zesskostenhilfeantrag stellen und noch keine Berufung einlegen wollte. Für eine unbedingte Berufungseinlegung sprechen hier schon die Verwendung des Be- [X.] "Berufung" in der Überschrift und die Bezeichnung der Parteien als "[X.]sklägerin" und "[X.]" im Rubrum. Mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer bedingten und [X.] unzulässigen Berufungseinlegung ist für die Annahme einer derartigen Be-dingung eine ausdrückliche zweifelsfreie Erklärung erforderlich, die [X.] darin gesehen werden kann, dass der Schriftsatz als "Entwurf einer [X.]sschrift" bezeichnet wird, oder von einer "beabsichtigten Berufung" die Re-de ist oder angekündigt wird, dass "nach Gewährung der Prozesskostenhilfe" Berufung eingelegt werde (vgl. [X.], Urteil vom 31. Mai 1995 - [X.]II ZR 267/94 - aaO; Beschluss vom 19. Mai 2004 - [X.]/04 - FamRZ 2004, 1553, 1554; Senatsbeschluss vom 7. November 2006 - [X.] ZB 70/05 - aaO). Daran fehlt es hier. 11 4. Hiernach ist die Berufung fristgerecht eingelegt worden. Das [X.] ist auch im Übrigen zulässig. Zwar ist die Berufungsbegründung nicht in-nerhalb der Begründungsfrist bei Gericht eingegangen, doch ist der Klägerin insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie diese Frist ohne ihr Verschulden versäumt und die Berufung innerhalb der Wiederein-setzungsfrist (§ 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 1 ZPO) begründet hat. Die [X.]sbegründung, die nach § 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO entweder bereits in der 12 - 8 - Berufungsschrift selbst oder in einem weiteren Schriftsatz beim Berufungsge-richt einzureichen ist, kann auch dadurch erfolgen, dass auf andere Schriftsätze Bezug genommen wird, die von einem bei dem Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sind und inhaltlich den Anforderungen der [X.]sbegründung gerecht werden ([X.], Beschluss vom 5. März 2008 - [X.] 182/04 - NJW 2008, 1740). Dies ist hier der Fall, denn die Klägerin hat in ihrer Berufungsschrift vom 21. Juli 2008 zur Begründung der Berufung ausdrücklich auf den Schriftsatz vom 21. April 2008 Bezug genommen. Dieser erfüllt die An-forderungen einer Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO). [X.] [X.] Pauge
[X.] von [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 29.02.2008 - 4c [X.] - O[X.], Entscheidung vom 01.09.2008 - I-18 U 102/08 -

Meta

VI ZB 89/08

24.03.2009

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2009, Az. VI ZB 89/08 (REWIS RS 2009, 4351)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 4351

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18 U 102/08

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