Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2006, Az. VI ZB 70/05

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 988

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[X.] vom 7. November 2006 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 7. November 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] vom 26. September 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 367.062,36 •. Gründe: [X.] Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines behaupteten ärztlichen Be-handlungsfehlers auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in [X.]. Das [X.] hat die Klage mit Urteil vom 12. Januar 2005 abgewie-sen. Dieses Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des [X.] am 18. Januar 2005 zugestellt worden. Am 14. Februar 2005 ist beim [X.] ein 1 - 3 - Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des [X.] eingegangen, der mit "[X.] und Berufung" überschrieben ist. Mit Beschluss vom 11. Juli 2005 hat das [X.] dem Kläger hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz materiellen Schadens Prozesskostenhilfe bewilligt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten des [X.] am 15. Juli 2005 zugestellt worden. Sei-ne vom [X.] als Gegenvorstellung gewertete Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit Schriftsatz vom 11. August 2005, beim [X.] eingegangen am 16. August 2005, hat der Kläger beantragt, "ihm hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist ... Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren". Beigefügt war ein mit "Berufung" überschriebener Schrift-satz vom selben Tag. Mit Schriftsatz vom 26. August 2005 hat der Kläger hilfs-weise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der [X.] hinsichtlich des Wiedereinsetzungsantrags begehrt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das [X.] beide [X.] zurückgewiesen und die Berufung des [X.] als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung sei nicht innerhalb der am 18. Februar 2005 abgelaufenen Berufungsfrist eingelegt [X.]. Aus dem mit "[X.] und Berufung" überschriebenen Schriftsatz vom 11. Februar 2005 gehe deutlich hervor, dass der Kläger [X.] noch keine Berufung einlegen, sondern diese Entscheidung von der [X.] von Prozesskostenhilfe abhängig machen wollte. Dafür sprächen auch die Begleitumstände, insbesondere der mit "Berufung" überschriebene Schrift-satz vom 11. August 2005 und der Inhalt seines Schriftsatzes vom 26. August 2005, in dem es heiße, der Kläger sei aufgrund unverschuldeter Fristversäu-mung, nämlich der Mittellosigkeit, daran gehindert gewesen, noch vor [X.] Berufung einzulegen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist könne dem Kläger 2 - 4 - nicht gewährt werden, weil er innerhalb der zweiwöchigen Frist nach Zustellung der [X.] die versäumte Prozesshandlung ([X.] der Berufung) nicht nachgeholt habe. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der [X.] seien nicht dargetan. 3 Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Rechtsbe-schwerde. I[X.] 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (vgl. [X.] 79, 372, 376 f. = NJW 1989, 1147; [X.] NJW-RR 2002, 1004). 4 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht [X.] die Berufung nicht mit der Begründung als unzulässig verwerfen, die [X.] sei verspätet eingegangen. 5 Der Schriftsatz des [X.] vom 11. Februar 2005 erfüllt die Anforderun-gen, die das Gesetz in § 519 ZPO an eine Berufungsschrift stellt. In diesem Fall kommt nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] die Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufung bestimmt war, nur dann in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünfti-gen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt ([X.], Beschlüsse vom 2. Oktober 1985 - [X.] - [X.], 40, 41; vom 16. Dezember 1987 - [X.] - NJW 1988, 2046, 2047 f.; vom 10. Januar 1990 6 - 5 - - [X.] 134/89 - FamRZ 1990, 995; [X.], Urteil vom 31. Mai 1995 - [X.]II ZR 267/94 - NJW 1995, 2563, 2564; Senatsbeschluss vom 22. Januar 2002 - [X.] ZB 51/01 - [X.], 1256, 1257). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. 7 Ob eine Berufung eingelegt ist, ist im Wege der Auslegung der [X.]sschrift und der sonst vorliegenden Unterlagen zu entscheiden. Dabei sind - wie auch sonst bei der Auslegung von [X.] - alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Auslegung von [X.], die auch der Senat als Revisionsgericht selbst vornehmen kann (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 1996 - [X.] ZR 325/95 - NJW-RR 1996, 1210, 1211; [X.] [X.]Z 4, 328, 334), hat den Willen des Erklärenden zu be-achten, wie er den äußerlich in Erscheinung getretenen Umständen üblicher-weise zu entnehmen ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1998 - [X.] ZR 316/97 - [X.], 900, 901 und Senatsbeschluss vom 22. Januar 2002 - [X.] ZB 51/01 - aaO, jeweils [X.]). Bei Beachtung dieser Grundsätze hat der Kläger wirksam Berufung eingelegt. Für die Auslegung des Schriftsatzes vom 11. Februar 2005 sind dessen Inhalt und die Begleitumstände heranzuziehen. Maßgebend ist der objektiv zum Ausdruck gekommene Wille des Erklärenden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es dabei allerdings nicht darauf an, ob der Schriftsatz vom Gericht als Berufungsschrift gewertet und behandelt worden ist. Nicht zu berücksichtigen sind auch die Begleitumstände, von denen das Gericht und der [X.] erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist Kenntnis erlangt ha-ben (vgl. [X.], Urteile vom 27. Juni 1984 - [X.]II ZR 213/83 - [X.], 870 und vom 31. Mai 1995 - [X.]II ZR 267/94 - aaO). 8 - 6 - Der Inhalt des Schriftsatzes spricht nicht mit der erforderlichen Deutlich-keit dafür, dass der Kläger zunächst lediglich einen Prozesskostenhilfeantrag stellen und noch keine Berufung einlegen wollte. Für eine unbedingte [X.]seinlegung sprechen hier schon die Verwendung des Begriffs "Berufung" in der Überschrift und die Bezeichnung der Parteien als "Berufungskläger" und "[X.]" im Rubrum. Gegenteiliges lässt sich entgegen der [X.] des Berufungsgerichts auch nicht der Formulierung entnehmen, nach Bei-ordnung des Prozessbevollmächtigten werde der Antrag verlesen, dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs-frist zu gewähren. Diese Erklärung besagt nicht zweifelsfrei, dass der Prozess-bevollmächtigte seinerzeit selbst davon ausging, mit diesem innerhalb der [X.]sfrist eingereichten Schriftsatz nicht wirksam Berufung einzulegen. Zwar wäre, wenn er das Rechtsmittel schon mit diesem Schriftsatz einlegen wollte, ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist nicht erforderlich gewesen. Es kann aber nicht völlig ausge-schlossen werden, dass er diesen Antrag nur rein vorsorglich für den Fall einer etwaigen Fristversäumung angekündigt hat. Diese Zweifel werden entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch nicht durch die am Ende des [X.] befindliche Bezugnahme auf den vorgenannten Antrag und die in diesem Zusammenhang erfolgte Erläuterung ausgeräumt, der Kläger müsse, sollte das Gericht zur Bejahung der Prozesskostenhilfe kommen, wegen des Zeitablaufs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. 9 Soweit sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt unterscheidet, der dem Senatsbeschluss vom 22. Januar 2002 ([X.] ZB 51/01 - aaO) zugrunde lag, rechtfertigt dies im Ergebnis keine anderweitige Beurteilung. In jenem Fall hatte der Beklagte zunächst einen mit "Berufung" überschriebenen und unterzeichne-ten Schriftsatz eingereicht und am selben Tag unter Hinweis auf einen angeb-lich beigefügten, in Wirklichkeit aber fehlenden Entwurf einer [X.] - 7 - dung Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung beantragt. Bei dieser Sachlage ergab sich aus dem zweiten Schriftsatz nicht hinreichend deutlich, dass mit dem früheren Schriftsatz entgegen dessen Bezeichnung keine [X.] eingelegt werden sollte. Es blieb vielmehr die Möglichkeit offen, dass der spätere Schriftsatz einen zusätzlich zur Berufung eingereichten Antrag auf Pro-zesskostenhilfe enthielt und lediglich ohne die in Bezug genommenen Anlagen geblieben war. Derartige Zweifel sind angesichts der Überschrift und der [X.] im Rubrum auch im vorliegenden Fall gegeben. Mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer bedingten und [X.] unzulässigen Berufungseinlegung ist für die Annahme einer derartigen Be-dingung eine ausdrückliche zweifelsfreie Erklärung erforderlich, die [X.] darin gesehen werden kann, dass der Schriftsatz als "Entwurf einer [X.]sschrift" bezeichnet wird, oder von einer "beabsichtigten Berufung" die Re-de ist oder angekündigt wird, dass "nach Gewährung der Prozesskostenhilfe" Berufung eingelegt werde (vgl. [X.], Urteil vom 31. Mai 1995 - [X.]II ZR 267/94 - [X.]R ZPO § 518 Abs. 1 Einlegung 5; Beschluss vom 19. Mai 2004 - [X.] 25/04 - FamRZ 2004, 1553, 1554). Daran fehlt es hier. Demgegenüber ist die Rechtsprechung von einer bestimmt eingelegten und unbedingten [X.] selbst dann ausgegangen, wenn dem Prozesskostenhilfeantrag eine [X.]sschrift mit der Bitte beigelegt war, sie "zunächst zu den Akten zu nehmen und erst über das [X.] zu entscheiden" ([X.], Beschluss vom 16. Dezember 1987 - [X.] - aaO), oder wenn die Bitte ausge-sprochen wurde, die Berufung erst nach Bewilligung des [X.] "in den Geschäftsgang zu nehmen" ([X.], Beschluss vom 29. Mai 1952 - [X.]/51 - NJW 1952, 880). Auch die einen Schriftsatz, der den gesetzli-chen Anforderungen an eine Berufungsschrift entspricht, abschließende [X.], "im übrigen gestatte ich [X.] den Hinweis, dass die Berufung nur dann als eingelegt gelten soll, wenn dem Kläger das Armenrecht für die Anfechtung des 11 - 8 - erstinstanzlichen Urteils bewilligt wird", ist angesichts einer vorhergehenden einschränkungslosen Erklärung, dass Berufung eingelegt und um Bewilligung des [X.] gebeten werde, aus dem Gesamtzusammenhang heraus nicht als Bedingung bewertet worden ([X.], Beschluss vom 22. September 1977 - [X.]/77 - VersR 1978, 181). Eine derartige Beurteilung ist auch im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt. 3. Da die Berufung hiernach fristgerecht eingelegt worden ist, ist der an-gefochtene Beschluss des Berufungsgerichts insgesamt aufzuheben. Das [X.] ist gegenstandslos (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Februar 1995 - [X.] 7/95 - NJW 1995, 2112, 2113). 12 [X.] [X.] [X.] Pauge Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 12.01.2005 - 9 O 7210/02 - [X.], Entscheidung vom 26.09.2005 - 1 U 1946/05 -

Meta

VI ZB 70/05

07.11.2006

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2006, Az. VI ZB 70/05 (REWIS RS 2006, 988)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 988

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