Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 2 C 74/10

2. Senat | REWIS RS 2012, 2796

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Gegenstand

Zulässigkeit von Mindestaltersgrenze und Mindestdienstzeit für die Zulassung zum Verwendungsaufstieg; Leistungsgrundsatz


Leitsatz

1. Der Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG beansprucht Geltung bereits für den Zugang zu einer Ausbildung, deren erfolgreicher Abschluss (erst) die Voraussetzung für die Zulassung zu einem Laufbahnaufstieg ist.

2. Es verstößt gegen Art. 33 Abs. 2 GG, Aufstiegsmöglichkeiten zur Laufbahn des gehobenen Dienstes von einem Mindestalter von 40 Jahren oder einer Mindestverweildauer von zwölf Jahren in dem Verwaltungszweig abhängig zu machen.

Tatbestand

1

Die 1972 geborene Klägerin steht als Steuerhauptsekretärin (BesGr A 8 [X.]) im Dienste des [X.]. Sie bewarb sich um die Zulassung zum Aufstieg in die Laufbahn des gehobenen Dienstes. Ihre Bewerbung wurde nicht berücksichtigt, weil sie das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Ein hiergegen gerichtetes Eilverfahren blieb ebenso erfolglos wie das anschließende Klageverfahren. Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

2

Die durch Gesetz in die [X.] Laufbahnverordnung eingefügte Mindestaltersregelung sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Das Lebensalter gehöre zu den für eine sachgerechte Personalplanung erheblichen Kriterien, dessen Berücksichtigung durch die Verfassung nicht ausgeschlossen werde und insbesondere auch mit dem [X.] vereinbar sei. Auch mit den vorrangigen Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes stehe die Regelung im Einklang. Die Aufsteiger sollten im gehobenen Dienst Aufgaben mit Leitungsfunktionen wahrnehmen, die Führungsqualitäten erforderten. Hierfür sei die Annahme gerechtfertigt, dass [X.] im Sinne von "gestandenen" Männern und Frauen mit einer verfestigten Persönlichkeit eher als Vorgesetzte akzeptiert würden als [X.]. Insofern bewege sich der Gesetzgeber durch die Festlegung eines Mindestalters von 40 Jahren im Rahmen seines Gestaltungsspielraums. Zudem seien nur [X.] - anders als [X.] - umfassend einsetzbar.

3

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Sie beantragt sinngemäß,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts des [X.] vom 29. September 2010 und des Verwaltungsgerichts des [X.] vom 11. August 2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 6. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 3. Dezember 2008 aufzuheben und festzustellen, dass ihre Nichtberücksichtigung bei den unter dem 18. Juli 2008 ausgeschriebenen Stellen wegen Nichterreichens der Altersgrenze rechtswidrig war.

4

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 141 Satz 1 VwGO), ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 191 VwGO i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Beklagte war nicht berechtigt, die Bewerbung der Klägerin um die Zulassung zur Ausbildung für den [X.] in die Laufbahn des gehobenen Dienstes nach § 28b Abs. 1  3. Spiegelstrich der Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im [X.] ([X.] Laufbahnverordnung - [X.] -) in der seinerzeit maßgeblichen Fassung des [X.] ([X.] 1062) wegen ihres zu geringen Alters abzulehnen. Das dort als Voraussetzung für den Laufbahnwechsel verlangte Mindestalter von 40 Jahren verstößt ebenso wie die in § 28b Abs. 1  7. Spiegelstrich [X.] geforderte Mindestdienstzeit in der Finanzverwaltung von zwölf Jahren gegen Art. 33 Abs. 2 GG. Dies hat die Teilnichtigkeit des § 28b [X.] zur Folge.

6

1. Das ursprüngliche Klagebegehren, über die Bewerbung für den Aufstieg in den gehobenen Dienst erneut zu entscheiden, hat sich mit dem Beginn der späteren praxisbegleitenden [X.] erledigt (vgl. Urteil vom 25. Februar 2010 - BVerwG 2 [X.] 22.09 - BVerwGE 136, 140 <144 f.> = [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45 jeweils Rn. 19). Die Klägerin war deshalb bereits in den Vorinstanzen auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag übergegangen.

7

Die Klägerin hat - obwohl sie mittlerweile das 40. Lebensjahr überschritten hat - weiterhin ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. An das [X.] sind insoweit keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. Urteil vom 30. Juni 2011 - BVerwG 2 [X.] 19.10 - BVerwGE 140, 83 = [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 49 jeweils Rn. 12). Es folgt hier bereits aus dem Umstand, dass die Klägerin Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG, deren Verfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist, geltend macht (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG; zu § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG vgl. auch Urteil vom 3. März 2011 - BVerwG 5 [X.] 16.10 - BVerwGE 139, 135 = [X.] 436.62 § 82 SGB IX Nr. 1).

8

2. Bei der 2008 nur für Steuerbeamte eingeführten Aufstiegsmöglichkeit nach § 28b [X.] handelt es sich um einen [X.] für Beamte des mittleren Dienstes (mittlerweile abgelöst durch § 29 der [X.]n Laufbahnverordnung in der Fassung vom 27. September 2011, [X.] 312). Diese können gemäß § 28b Abs. 1 [X.] zur Laufbahn des gehobenen Dienstes in der Steuerverwaltung zugelassen werden, wenn sie - wie von der Norm in sieben mit [X.] aufgelisteten Kriterien gefordert wird - an einem Auswahlverfahren teilgenommen haben, nach ihren fachlichen Leistungen, ihren Fähigkeiten und ihrer Persönlichkeit für den Aufstieg geeignet erscheinen, mindestens das zweite Beförderungsamt inne haben, über eine überdurchschnittliche Beurteilung verfügen und in einer sechsmonatigen praxisbegleitenden [X.] mit abschließender Prüfung die Befähigung zum gehobenen Dienst in der Steuerverwaltung nachgewiesen haben. Außerdem ist Voraussetzung, dass sie das 40. Lebensjahr vollendet haben und eine Mindestdienstzeit in der Finanzverwaltung von zwölf Jahren nachweisen können. Den Beamten konnten anschließend Ämter bis zur [X.] 12 [X.] verliehen werden (§ 28b Abs. 2 [X.]).

9

a) Zwar ist § 286 [X.] durch Art. 3 Nr. 2 des [X.] 1646 zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften vom 14. Mai 2008 ([X.] 1062) und damit durch ein formelles Gesetz, das eine "[X.]" nicht enthält, in die [X.] Laufbahnverordnung eingefügt worden. Gleichwohl handelt es sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts um [X.] und nicht etwa um Gesetzesrecht, sodass die Feststellung eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht vom Senat selbst getroffen werden kann (Art. 100 GG).

Nach der Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 13. September 2005 - 2 [X.] - [X.] 114, 196 <240>) kommt einer [X.] nur klarstellende Bedeutung zu. Aus Gründen der [X.] und damit der Rechtssicherheit handelt es sich auch bei den im Verfahren förmlicher Gesetzgebung in eine Verordnung eingefügten Teilen um Recht im Range einer Verordnung. Die Ermächtigung der Exekutive, den betreffenden Gegenstand selbst zu regeln, wird durch den Gesetzgeber nicht aufgehoben oder ausgesetzt. Es bedarf deshalb weder einer Herabstufung der durch eine Änderung eingefügten Verordnungsteile noch einer besonderen, weiteren Ermächtigung der Exekutive, diese Teile erneut zu ändern.

§ 28b Abs. 1  3. Spiegelstrich [X.] verstößt nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes. Nach diesem Verfassungsgrundsatz, der sich aus dem rechtsstaatlichen und [X.] System des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3, Art. 80 Abs. 1 GG) ergibt, sind die grundlegenden Entscheidungen in wesentlichen Regelungsbereichen durch Parlamentsgesetz zu treffen. Dies gilt aufgrund des [X.] gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch für die Landesgesetzgebung, für die Art. 80 Abs. 1 GG nicht unmittelbar anwendbar ist ([X.], Beschluss vom 27. Januar 1976 - 1 BvR 2325/73 - [X.] 41, 251 <266> und Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 - [X.] 90, 60 <84 ff.>; vgl. zum Ganzen: Urteil vom 20. März 2008 - BVerwG 2 [X.] 49.07 - BVerwGE 131, 20 = [X.] 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, jeweils Rn. 10 m.w.N.).

Der Vorbehalt des Gesetzes gilt auch bei der Einfügung von Altersgrenzen und sonstigen Wartezeiten für die Zulassung zu einem [X.] in eine höhere Laufbahn. Ebenso wie bei der Einstellung in die Beamtenlaufbahn (Urteil vom 19. Februar 2009 - BVerwG 2 [X.] 18.07 - BVerwGE 133, 143 <145> = [X.] 237.7 § 15 [X.] Nr. 6 jeweils [X.] und Rn. 9) schränken Altersgrenzen und Wartezeiten auch bei einem Laufbahnwechsel den [X.] ein, dessen Geltung durch Art. 33 Abs. 2 GG für den Zugang zu jedem öffentlichen Amt unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet wird.

Die Einfügung einer Mindestaltersgrenze in § 28b Abs. 1  3. Spiegelstrich [X.] und einer Mindestdienstzeit von zwölf Jahren in der Finanzverwaltung in § 28b Abs. 1  7. Spiegelstrich [X.] genügen dem Gesetzesvorbehalt, obwohl es sich um [X.] handelt. Denn der Gesetzgeber selbst hat für den Inhalt der Vorschrift die volle Verantwortung übernommen. § 28b [X.] wurde durch Art. 3 Nr. 2 des [X.] 1646 zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften vom 14. Mai 2008 mit Wirkung vom 1. April 2008, und damit durch formelles Gesetzesrecht, in die [X.] Laufbahnverordnung eingefügt.

Auch sind die Voraussetzungen erfüllt, die sich aus dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) für den Erlass von [X.] durch den Gesetzgeber ergeben (vgl. [X.], Beschluss vom 13. September 2005 a.a.[X.] 238 f.; BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 a.a.[X.] Rn. 16 ff.).

Zum einen besteht der erforderliche sachliche Zusammenhang mit weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen. Hierfür genügt es, wenn der Gesetzgeber im Rahmen einer Änderung eines Sachbereichs [X.] schafft; er darf dies nur nicht unabhängig von sonstigen gesetzgeberischen Maßnahmen tun (vgl. [X.], Beschluss vom 13. September 2005 a.a.[X.]). Die Artikel des [X.] 1646 zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften vom 14. Mai 2008 dienten der Anpassung verschiedener dienstrechtlicher Vorschriften an zwischenzeitlich eingetretene Rechtsänderungen.

Zum anderen beruhen die Einfügung einer Mindestaltersgrenze und einer Mindestdienstzeit in § 28b Abs. 1 [X.] auf einer formellen gesetzlichen Grundlage, nämlich auf § 20 Abs. 1 des [X.]n Beamtengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Dezember 1996 ([X.]). Danach erlässt die Landesregierung durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Laufbahnen der Beamten nach Maßgabe näher bestimmter Grundsätze. Die Verordnungsermächtigung muss die Befugnis zur Regelung von Altersgrenzen oder sonstigen [X.] nicht ausdrücklich erwähnen, weil eine Ermächtigung zum Erlass von Vorschriften über die Laufbahnen der Beamten den Verordnungsgeber zum Erlass derjenigen Vorschriften befugt, durch die herkömmlicherweise das Laufbahnwesen der Beamten gestaltet wird. Hierzu gehören auch Altersgrenzen und sonstige [X.] (zum Ganzen: Urteil vom 19. Februar 2009 a.a.[X.] Rn. 11).

b) Die Einfügung von [X.], wie hier eines Mindestalters und einer Mindestdienstzeit in § 28b Abs. 1 [X.], muss sich am [X.] des Art. 33 Abs. 2 GG messen lassen. Mit [X.] wird Bewerbern mit niedrigerem Lebensalter oder geringerer Dienstzeit der nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG eröffnete Zugang zum Beamtenverhältnis verwehrt (vgl. Urteil vom 25. Februar 2010 a.a.[X.] Rn. 13 und 16).

Art. 33 Abs. 2 GG beansprucht Geltung bereits für den Zugang zu einer Ausbildung, deren erfolgreicher Abschluss (erst) die Voraussetzung für die Zulassung von einem Laufbahnaufstieg ist. Bei dem Zugang zum Aufstieg in eine höhere Laufbahn geht es zwar nicht unmittelbar um die Vergabe eines Amtes im statusrechtlichen Sinn. Jedoch sind die Teilnahme an der [X.] und deren erfolgreicher Abschluss Voraussetzung dafür, dass ein Laufbahnbeamter aufsteigen, d.h. Ämter erreichen kann, die einer höheren Laufbahn zugeordnet sind. Erfüllt er die normativen Voraussetzungen für den Aufstieg nicht, ist seine Bewerbung um ein statusrechtliches Amt der höheren Laufbahn von vornherein aussichtslos (vgl. zur Besetzung von Beförderungsdienstposten, deren Innehabung Voraussetzung für eine spätere Beförderung ist: [X.], [X.] vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 2457/04 - [X.]K 12, 265; BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 2 A 9.07 - BVerwGE 132, 110 <113>, stRspr, vgl. zuletzt Beschluss vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 2 VR 4.11 - [X.] 2012, 2 juris Rn. 11 f.; zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, juris Rn. 11 f.; sowie zur Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Probe, das laufbahnrechtliche Voraussetzung für die Verleihung des späteren [X.] ist: Urteile vom 25. Februar 2010 a.a.[X.] Rn. 16 und zuletzt vom 23. Februar 2012 - BVerwG 2 [X.] 76.10 - NVwZ 2012, 880 <881>, zum Abdruck in BVerwGE vorgesehen).

Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sie ihrerseits Verfassungsrang haben oder aber sich aus dem Vergleich anhand von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt (stRspr, vgl. nur Urteile vom 25. Februar 2010 a.a.[X.] jeweils Rn. 14, vom 19. Februar 2009 a.a.[X.] Rn. 9 m.w.N. und vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 [X.] 23.03 - BVerwGE 122, 147 <150> = [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30 S. 17).

Der Begriff der fachlichen Leistung im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG zielt auf die Arbeitsergebnisse des Beamten bei Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben, auf Fachwissen und Fachkönnen ab. Mit dem Begriff der Befähigung werden die allgemein für die dienstliche Verwendung bedeutsamen Eigenschaften wie Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung und allgemeine Ausbildung umschrieben. Der Begriff der Eignung im engeren Sinne erfasst Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften. Nur solche Merkmale weisen den von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Leistungsbezug auf, die darüber Aufschluss geben können, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines Amtes genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird. Die Gewichtung der einzelnen Gesichtspunkte obliegt der - gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren - Beurteilung des Dienstherrn (stRspr, vgl. Urteil vom 28. Oktober 2004 a.a.[X.] 150 f.).

§ 28b Abs. 1 [X.] nennt neben dem Mindestalter und der Mindestdienstzeit Kriterien, die für die Zulassung zur [X.] eine unmittelbar leistungsbezogene Auswahl im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG ermöglichen, indem der Bewerber mindestens das zweite Beförderungsamt innehaben (4. Spiegelstrich) sowie über eine überdurchschnittliche Beurteilung verfügen (5. Spiegelstrich) muss; der so (vor)eingeschränkte [X.] wird einem Leistungsvergleich (Auswahlverfahren, 1. Spiegelstrich) unterzogen.

Die daneben aufgestellten Voraussetzungen eines Mindestalters von 40 Jahren und einer Mindestdienstzeit von zwölf Jahren gehören hingegen nicht zu den unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten, die der Bewerberauswahl für einen Laufbahnwechsel gemäß Art. 33 Abs. 2 GG zugrunde gelegt werden können. Diese Voraussetzungen ermöglichen keine Rückschlüsse auf die Eignung als [X.]. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass von einem höheren Dienstalter - und erst recht nicht von einem höheren Lebensalter - auf einen höheren Leistungsstand und bessere Bewährungsvoraussetzungen geschlossen werden kann (stRspr, vgl. Urteile vom 28. Oktober 2004 a.a.[X.] 151 m.w.N. und vom 19. Februar 2009 a.a.[X.] Rn. 9).

An das Lebens- oder Dienstalter anknüpfende [X.] sind aber nur dann mit dem [X.] des Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar, wenn mit ihnen die praktische Bewährung des Bewerbers in der bisherigen Laufbahn festgestellt werden soll. Dies setzt zugleich dem zeitlichen Umfang solcher Regelungen Grenzen. Sie dürfen nicht länger bemessen sein, als es typischerweise erforderlich ist, um die tatsächlichen Grundlagen für eine Beurteilung und Prognose der Bewährung in einem höheren Amt bzw. einer höheren Laufbahn zu schaffen. Danach hängt die Dauer von Wartezeiten entscheidend vom Inhalt der Ämter der jeweiligen Laufbahn ab. Der für eine Regelbeurteilung vorgesehene Zeitraum wird in aller Regel die Obergrenze darstellen (so für die Laufbahn des mittleren Dienstes: Urteil vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 [X.] 23.03 - BVerwGE 122, 147 <151 f.> = [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30 S. 18 und Beschluss vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 2 VR 4.11 - juris Rn. 35). Hieran gemessen ist die in § 28b Abs. 1  7. Spiegelstrich [X.] vorausgesetzte Mindestdienstzeit von zwölf Jahren deutlich zu lang. Ihr kann ebenso wie dem Mindestalter neben den weiteren Kriterien des § 28b Abs. 1 [X.] keine Bedeutung für eine Bewährungsfeststellung zukommen.

Die Annahme des Berufungsgerichts, das Mindestalter sei gerechtfertigt, weil "gestandene Männer und Frauen mit Führungsqualitäten" gesucht worden seien, ist nicht mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar. Zum einen werden aus dem Zuschnitt bestimmter Dienstposten Anforderungen an den Zugang zum Statusamt hergeleitet, obwohl das höhere Statusamt nach dem Laufbahnprinzip grundsätzlich dazu befähigt, jeden Dienstposten wahrzunehmen, der diesem höheren Amt zugeordnet ist. Zum anderen ist ein Schluss von einem höheren Lebensalter auf eine Vorgesetzteneignung nicht möglich. Dies gilt selbst dann, wenn in den dienstlichen Beurteilungen von Beamten des mittleren [X.] keine Aussagen über die Vorgesetzteneignung getroffen sein sollten. Das [X.] kann bei anderer Ausbildung - ggf. auch bei einem Aufstieg nach § 28 [X.] - von anderen Bewerbern in der Regel deutlich vor Vollendung des 40. Lebensjahres erreicht werden. Der Umstand, dass die Aufsteiger Vorgesetzte ehemals gleichrangiger Beamter werden können, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies ist auch bei Beförderungen nach dem [X.] vielfach der Fall.

Auch das vom Berufungsgericht angeführte Argument, dass die Mindestaltersgrenze sich in die bestehenden Aufstiegsmöglichkeiten konsequent einfüge, vermag diese Regelung nicht im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG zu rechtfertigen. Aus der Kohärenz von [X.] lässt sich nicht auf deren Verfassungsmäßigkeit schließen. Dies gilt erst recht, wenn die anderen - hier nicht zu beurteilenden - Vorschriften ebenso Zweifeln an ihrer Verfassungsmäßigkeit unterliegen, weil sie ebenfalls Altersgrenzen enthalten.

Die Mindestaltersgrenze lässt sich auch nicht mit dem weiteren Argument des Berufungsgerichts rechtfertigen, jüngere und leistungsstarke Steuerbeamte des mittleren Dienstes bis zu einem bestimmten Alter auf die Möglichkeit des Regelaufstiegs zu beschränken, da [X.] nicht umfassend einsetzbar seien. Diese Argumentation steht nicht nur im Widerspruch zu Art. 33 Abs. 2 GG, sondern auch zur Gesetzesbegründung. Danach wurde § 28b [X.] gerade eingefügt, um möglichst schnell [X.] zur Leitung der neuen Großbezirke zu erhalten (vgl. [X.]/1890 [X.]). Im Übrigen enthält die Neufassung der [X.]n Laufbahnverordnung vom 27. September 2011 ([X.] 312) nicht mehr die früher in § 28b Abs. 2 [X.] enthaltene Einschränkung, dass den [X.]n nur Ämter bis zur [X.] 12 [X.] verliehen werden dürfen (vgl. § 29 Abs. 3 in der Neufassung).

c) Die Verfassungswidrigkeit der Altersgrenze in § 28b Abs. 1  3. Spiegelstrich [X.] führt nicht dazu, dass die Vorschrift insgesamt nichtig wäre und es deshalb an einer Grundlage für eine Zulassung der Klägerin zu einem Aufstiegslehrgang fehlte.

Trotz der Nichtigkeit der Altersgrenzenregelung des § 28b Abs. 1  3. Spiegelstrich [X.] sind die verbleibenden Regelungen des § 28 Abs. 1 [X.] rechtswirksam, weil sie in ihrer Gesamtheit ein inhaltlich sinnvolles, anwendbares Regelungswerk darstellen, der Verordnungsgeber dieses Regelwerk ohne den nichtigen Teil erlassen hätte und er schließlich das verbleibende Regelwerk auch ohne den nichtigen Teil hätte erlassen können (vgl. [X.], Beschluss vom 7. September 2010 - 2 [X.] - [X.] 127, 165 <223>). Zwar ist auch § 28b Abs. 1  7. Spiegelstrich [X.] mit höherrangigem Recht unvereinbar. Dies führt aber aus denselben Gründen ebenfalls nur zur Nichtigkeit auch dieser Voraussetzung.

Die Nichtigkeit der Altersregelung im dritten Spiegelstrich und der Mindestdienstzeit im siebten Spiegelstrich erfassen zwei von mehreren Zulassungsvoraussetzungen und damit abgrenzbare Teile des Regelwerks des § 28b [X.]. Entfallen diese beiden Anforderungen, so bleiben genügend Zulassungskriterien in § 28b [X.] für eine sinnvolle und zuverlässige Auswahlentscheidung erhalten. Angesichts des starken Interesses des Beklagten an einer vereinfachten Aufstiegsmöglichkeit für Steuerbeamte des mittleren Dienstes (vgl. [X.]/1890 [X.]) ist nicht anzunehmen, dass auf diese Möglichkeit insgesamt verzichtet worden wäre, nur weil ein pauschaler Schluss vom Lebensalter auf die persönliche Eignung als Vorgesetzter nicht möglich ist und auch bereits deutlich vor Ableistung der Mindestdienstzeit von zwölf Jahren eine gesicherte Prognose für die Bewährung in der Laufbahn des gehobenen Dienstes möglich ist.

d) Aufgrund des Verstoßes der [X.] gegen Art. 33 Abs. 2 GG kommt es nicht mehr darauf an, ob diese Regelung mit den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Einklang steht.

Meta

2 C 74/10

26.09.2012

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, 29. September 2010, Az: 1 A 156/10, Urteil

Art 33 Abs 2 GG, § 28b Abs 1 LbV SL vom 14.05.2008

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 2 C 74/10 (REWIS RS 2012, 2796)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2796

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