Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 3 StR 239/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 1393

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Gegenstand

Strafverfahren: Richterablehnung mit einer völlig ungeeigneten Begründung; Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Verwerfung der Revision


Tenor

Das Ablehnungsgesuch gegen [X.] am [X.] Pfister wird verworfen.

Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 18. September 2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 18. September 2012 hat der [X.] die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22. Dezember 2011 gemäß § 349 Abs. 2 [X.] verworfen und auf die Rüge, der [X.] sei - infolge des Beschlusses des Präsidiums des [X.] vom 28. Juni 2012, mit dem dem Vorsitzenden des erkennenden [X.]s, Vorsitzenden [X.] am [X.] [X.], zusätzlich der Vorsitz des 2. Strafsenats übertragen worden ist - nicht ordnungsgemäß besetzt, unter Hinweis auf den Beschluss des [X.] vom 23. Mai 2012 (2 BvR 610/12 u.a., NJW 2012, 2334) zusätzlich ausgesprochen, dass der [X.] ordnungsgemäß besetzt ist. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Anhörungsrüge des Verurteilten, die in der Sache im Wesentlichen beanstandet, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei bei der Entscheidung über die Besetzungsrüge verletzt, da diese ohne weitere Begründung zurückgewiesen worden ist. Desweiteren sei ihm die (veränderte) Besetzung der zur Entscheidung über sein Rechtsmittel zuständigen Spruchgruppe des [X.]s nicht mitgeteilt worden.

2

Zugleich hat der Verurteilte im [X.] - wie schon im Revisionsverfahren - [X.] am [X.] [X.] wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er - wie ebenfalls bereits im Revisionsverfahren - im Wesentlichen geltend gemacht, dass wegen der Mitwirkung des abgelehnten [X.]s als Mitglied des Präsidiums an dessen - "offensichtlich rechtswidrigen" - Beschlüssen zur Geschäftsverteilung vom 15. Dezember 2011 und vom 28. Juni 2012 sowie infolge seiner Teilnahme an den - "von Anfang an rechtswidrigen" - Anhörungen von [X.]n des [X.] durch das Präsidium vom 15. Dezember 2011 und vom 18. Januar 2012 "ein vernünftiger Angeklagter" besorgen müsse, "dass Herr Ri[X.] [X.] auch in anderen Situationen, insbesondere in Beratungen im dritten [X.] ... über einen Besetzungseinwand gegen den doppelten Vorsitzenden, eine vergleichbare Haltung einnehmen und ein offensichtlich rechtswidriges Verhalten nicht unterbinden werde, sowie dass er unzulässigen Einflussnahmen auf die richterliche Entscheidungsfindung nicht hinreichend entgegentreten" werde. Der abgelehnte [X.] biete aus diesen Gründen auch keine ausreichende Gewähr dafür, "dass in dem Revisionsverfahren des Angeklagten auch hinsichtlich der Besetzungsfrage ausschließlich rechtmäßig gearbeitet" werde. Ein vernünftiger Angeklagter müsse besorgen, "dass - wenn bereits mit Kollegen ein derartiges Vorgehen akzeptiert und mit der eigenen Stimme zustimmend unterstützt" werde - "ein Angeklagter dann erst recht keinen fairen Umgang erwarten" dürfe.

II.

3

1. Die Ablehnung von [X.] am [X.] [X.] ist als unzulässig zu verwerfen.

4

Der [X.] braucht vorliegend nicht zu entscheiden, ob das Ablehnungsgesuch des Verurteilten verspätet und deshalb unstatthaft ist. Entscheidet das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung im [X.] - wie hier gemäß § 349 Abs. 2 [X.] -, so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 [X.] nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist (§ 26a Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Etwas anderes gilt grundsätzlich auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einer Anhörungsrüge gemäß § 356a [X.] verbunden wird, die sich jedoch - wie hier (s. unten 2.) - deswegen als unbegründet erweist, weil die gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vorliegt, so dass nicht mehr in eine erneute Sachprüfung einzutreten ist, ob der Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist. Denn § 356a [X.] verfolgt allein den Zweck, dem Revisionsgericht, das in der Sache entschieden hat, Gelegenheit zu geben, im Falle eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör diesem Mangel durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen, und hierdurch die Notwendigkeit eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu vermeiden. Dagegen dient er nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG doch noch Geltung zu verschaffen (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Februar 2007 - 3 [X.], [X.], 416, 417 mwN; [X.], Beschluss vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 746/07; [X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., § 26a Rn. 37). Ob Entsprechendes gilt, wenn - wie vorliegend - die Ablehnung im [X.] gegen einen [X.] angebracht wird, der - aus denselben Gründen - schon im Revisionsverfahren abgelehnt worden, indes (hier: wegen Urlaubs) nicht an der Revisionsentscheidung beteiligt gewesen ist, kann jedoch dahinstehen.

5

Denn das Ablehnungsgesuch des Verurteilten ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil in ihm entgegen § 26a Abs. 1 Nr. 2 [X.] kein Grund zur Ablehnung angegeben ist. Eine völlig ungeeignete Begründung steht dabei rechtlich einer fehlenden Begründung gleich (vgl. [X.], [X.], 55. Aufl., § 26a, Rn. 4a mwN; [X.], Beschlüsse vom 4. Januar 1989 - 3 [X.], vom 24. Oktober 1996 - 5 StR 474/96, [X.]R [X.] § 26a Unzulässigkeit 2 und 7 sowie vom 1. Februar 2005 - 4 StR 486/04, [X.], 173, 174). So verhält es sich hier: Die Tätigkeit des abgelehnten [X.]s in seiner Eigenschaft als Mitglied des Präsidiums des [X.] ist - auch bei Anlegen eines strengen Maßstabes und zugleich wohlwollender Auslegung des Vorbringens des Verurteilten - zur Begründung eines Ablehnungsgesuchs im vorliegenden Verfahren offensichtlich gänzlich ungeeignet. Ungeachtet der - auch mit Blick auf die Rechtsprechung des [X.] - unzutreffenden Bewertungen der herangezogenen Präsidiumstätigkeiten des [X.]s entbehrt der allein aus diesen gezogene Schluss auf seine Voreingenommenheit gegenüber dem Verurteilten jeden sachlichen Bezugs und ist in keiner Weise nachvollziehbar.

6

Den Anträgen des Verurteilten, ihm die zur Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch berufenen [X.] (vorab) namhaft zu machen sowie seiner Verteidigerin die dienstliche Erklärung des abgelehnten [X.] zuzuleiten und dieser vor einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu zu geben, war demgemäß nicht nachzukommen: § 24 Abs. 3 Satz 2 [X.] findet keine Anwendung, wenn das Ablehnungsgesuch ohne Ausscheiden der abgelehnten [X.] (§ 26a Abs. 2 Satz 1 [X.]) gemäß § 26a Abs. 1 [X.] als unzulässig zu verwerfen ist (vgl. [X.], [X.], 55. Aufl., § 24 Rn. 21; [X.], Beschluss vom 13. Februar 2007 - 3 [X.], [X.], 416, 417). Der senatsinterne Geschäftsverteilungsplan ist dem Verurteilten bekannt.

7

2. Die Anhörungsrüge (§ 356a [X.]) ist zurückzuweisen, weil der Anspruch des Verurteilten auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt worden ist.

8

Der [X.] hat bei seiner Entscheidung über die Revision zum Nachteil des Verurteilten weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem dieser nicht gehört worden ist, noch hat er Vorbringen des Verurteilten übergangen. Dem [X.] lagen bei seiner Entscheidung alle Schriftsätze der Verteidigerin vor und waren Gegenstand der Beratung. Der [X.] hat insbesondere die in der Revisionsbegründung, der Gegenerklärung sowie in allen anderen Schriftsätzen enthaltenen Ausführungen zur Kenntnis genommen, bei seiner Beratung umfassend erwogen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Dies gilt uneingeschränkt auch für die im Revisionsverfahren erhobene Besetzungsrüge. Aus dem Umstand, dass der [X.] deren Erfolglosigkeit nicht näher begründet hat, kann - entgegen der Ansicht des Verurteilten - nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs geschlossen werden; denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. [X.], Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94, [X.]E 96, 205, 216). So war es auch hier. Die bloße Mitteilung des [X.] steht im Übrigen in Einklang mit dem - auch verfassungsrechtlich unbedenklichen - Grundsatz, dass eine weitergehende Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidungen nicht besteht (vgl. [X.], [X.], 55. Aufl., § 34 Rn. 1 mwN; [X.], Beschluss vom 11. August 2009 - 3 [X.], [X.], 483, 484; [X.], Beschluss vom 17. Juli 2007 - 2 BvR 496/07, [X.], 463). Eine Ausnahme hiervon ist vorliegend nicht ersichtlich. Vielmehr liegt es auf der Hand, dass dies erst recht gilt, wenn - wie hier - das Vorbringen schon von seinem sachlichen und rechtlichen Gehalt her keinen Anlass bietet, die Entscheidung näher zu begründen. Zu einer Mitteilung der [X.]sbesetzung vor der Revisionsentscheidung bestand ebenfalls kein Anlass (vgl. [X.], Beschlüsse vom 5. April 2006 - 5 [X.], [X.], 538, 539 und vom 17. Juli 2012 - 5 StR 33/12). Die Geschäftsverteilung des [X.] und die des [X.]es waren dem Verurteilten im Übrigen bekannt.

[X.]                       [X.]                           Hubert

               Mayer                       Spaniol

Meta

3 StR 239/12

15.11.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 18. September 2012, Az: 3 StR 239/12, Beschluss

§ 24 StPO, § 26a Abs 1 Nr 2 StPO, § 356a StPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 3 StR 239/12 (REWIS RS 2012, 1393)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1393


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 239/12

Bundesgerichtshof, 3 StR 239/12, 15.11.2012.


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