Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.06.2011, Az. II ZR 262/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5600

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Gegenstand

Ausschließung von Gesellschaftern: Auslegung des Gesellschaftsvertrages einer KG hinsichtlich des Erfordernisses der Beschlussfassung über die Ausschließung eines Mitgesellschafters


Leitsatz

Ist im Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft bestimmt, dass ein Gesellschafter ausscheidet, wenn die übrigen Gesellschafter - aus wichtigem Grund - sein Ausscheiden durch Erklärung ihm gegenüber verlangen, so ist diese Klausel regelmäßig dahin auszulegen, dass die Gesellschafter über die Ausschließung eines Mitgesellschafters einen Beschluss zu fassen und darauf gegründet eine Ausschließungserklärung ihm gegenüber abzugeben haben .

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 5. Oktober 2009 aufgehoben und das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 12. November 2008 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger und der Beklagte zu 1 waren neben weiteren Personen Kommanditisten der [X.]. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines [X.].

2

Nach § 13 Abs. 1 Buchst. c des [X.]svertrags scheidet ein [X.]er aus der [X.] aus,

wenn er den übrigen [X.]ern Anlass gibt, nach § 133 HGB die Auflösung der [X.] und nach § 140 HGB seine Ausschließung zu verlangen, und wenn die übrigen [X.]er deshalb durch schriftliche Erklärung ihm gegenüber sein Ausscheiden verlangen, mit dem Zugang dieser Erklärung …; eine Gestaltungsklage ist zur Ausübung dieses Rechts nicht erforderlich.

3

In § 8 Abs. 5 des [X.]svertrags heißt es:

[X.]erbeschlüsse können als gegen das Gesetz oder den [X.]svertrag verstoßend nur binnen zwei Monaten durch Klage beim zuständigen Gericht angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem der [X.]er Kenntnis von dem Beschluss erlangt.

4

Die [X.]er beschlossen in einer Versammlung vom 31. März 2000, den Kläger aus der Kommanditgesellschaft auszuschließen. Der Kläger erhob gegen seine Mitgesellschafter zunächst Klage auf Feststellung der Nichtigkeit dieses Beschlusses und nahm die Klage dann zurück, nachdem die Beteiligten ihre Streitigkeiten vergleichsweise beigelegt hatten. Die [X.] erklärte später die Anfechtung ihrer Erklärungen im Rahmen dieser Vergleichsvereinbarung wegen arglistiger Täuschung. In einem Vorprozess wurde durch Urteil des [X.] vom 27. September 2006 (8 [X.], juris; s. dazu [X.], Urteil vom 20. Juni 2005 - [X.], [X.], 1593) einer Vollstreckungsabwehrklage der [X.] mit der Begründung stattgegeben, die Anfechtung des Vergleichs sei wirksam.

5

Am 28. Oktober 2005 beschloss die [X.]erversammlung der Kommanditgesellschaft vorsorglich für den Fall, dass der Kläger noch [X.]er sein sollte, von ihm schriftlich sein Ausscheiden aus der [X.] gemäß § 13 Abs. 1 Buchst. c des [X.]svertrags zu verlangen. Die dagegen vom Kläger gegen den Beklagten zu 1 und den mittlerweile der [X.] anstelle der früheren Mitgesellschafter beigetretenen Beklagten zu 2 erhobene Klage auf Feststellung, dass der Beschluss vom 28. Oktober 2005 nichtig und er nicht mit Zugang des Ausscheidungsverlangens aus der [X.] ausgeschieden sei, wurde rechtskräftig abgewiesen ([X.], Urteil vom 17. September 2007 - 8 U 187/06).

6

Mit seiner am 27. Dezember 2006 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger erneut beantragt, die Nichtigkeit des [X.] vom 31. März 2000 festzustellen.

7

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.

9

I. Das Berufungsgericht ([X.], Urteil vom 5. Oktober 2009 - 8 U 11/09, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Ausschließungsbeschluss sei gemäß § 134 BGB nichtig. Nach dem [X.]svertrag sei eine Ausschließung aus wichtigem Grund nur möglich durch ein schriftliches Ausscheidungsverlangen der übrigen [X.]er. Daran fehle es hier. Die [X.]er hätten in der [X.]erversammlung vom 31. März 2000 einen als konstitutiv gemeinten Ausschließungsbeschluss gefasst. Das sei im [X.]svertrag nicht vorgesehen.

Die Klage sei auch nicht wegen Fristablaufs unbegründet. Die im [X.]svertrag vorgesehene Anfechtungsfrist gelte nicht für Beschlüsse, die die [X.]er nach dem Inhalt des [X.]svertrags gar nicht hätten fassen dürfen.

II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Die Klage ist allerdings, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, zulässig. Insbesondere hat der Kläger angesichts seines noch nicht bezifferten Abfindungsanspruchs ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung, dass er nicht bereits durch den Beschluss der [X.]erversammlung vom 31. März 2000 aus der [X.] ausgeschieden ist.

2. Die Klage ist aber - schon wegen Versäumung der im [X.]svertrag vorgesehenen zweimonatigen Klagefrist - unbegründet. Auf die übrigen zwischen den Parteien streitigen Fragen kommt es damit nicht an.

a) Im [X.]svertrag einer Kommanditgesellschaft kann vereinbart werden, dass anstelle der in § 140 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB vorgesehenen Ausschließung aus wichtigem Grund durch gerichtliche Entscheidung eine Ausschließung durch Beschluss der [X.]er erfolgen kann. Dieser Beschluss wird mit Zugang der darauf gegründeten Ausschließungserklärung dem auszuschließenden [X.]er gegenüber wirksam ([X.], Urteil vom 17. Dezember 1959 - [X.], [X.]Z 31, 295, 301; Urteil vom 5. Juni 1989 - [X.], [X.]Z 107, 351, 356; Urteil vom 9. Mai 2005 - [X.], [X.], 1318, 1322; [X.]/[X.], HGB, 34. Aufl., § 140 Rn. 30; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 140 Rn. 45). Hält der betroffene [X.]er den Beschluss für nichtig, kann er das mit einer gegen seine Mitgesellschafter zu richtenden Feststellungsklage geltend machen. Für diese Klage kann im [X.]svertrag eine Frist bestimmt werden ([X.], Urteil vom 15. Juni 1987 - [X.], [X.], 1178, 1179 f.; Urteil vom13. Februar 1995 - [X.], [X.], 460; Urteil vom 1. März 2011 - [X.], [X.], 806 Rn. 19, 21). Hier ist in § 8 Abs. 5 des [X.]svertrags geregelt, dass [X.]erbeschlüsse binnen zwei Monaten ab Kenntnis von dem jeweiligen Beschluss durch Klage anzufechten sind. Gegen die Länge der Frist ist nichts zu erinnern.

b) Das Berufungsgericht hat allerdings angenommen, die Klagefrist nach § 8 Abs. 5 des [X.]svertrags sei im vorliegenden Fall nicht einzuhalten, weil der [X.]svertrag einen Ausschließungsbeschluss nicht vorsehe. Es hat sich dabei auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats bezogen, nach der angesichts der schwerwiegenden Rechtsbeeinträchtigung, die mit dem Entzug der [X.]erstellung verbunden ist, eine im [X.]svertrag festgelegte Klagefrist einschränkend auszulegen ist, soweit sie für [X.] gelten soll ([X.], Urteil vom 20. Januar 1977 - [X.], [X.]Z 68, 212, 216). Danach ist im Rahmen der Auslegung des [X.]svertrags im Zweifel anzunehmen, dass sich die Bestimmung einer Klagefrist nicht auf [X.] bezieht, die die [X.]erversammlung nach dem Inhalt des [X.]svertrags gar nicht hätte fassen dürfen, das heißt, die von vornherein unzulässig sind.

Diese Voraussetzung ist hier jedoch - wie die Revision zu Recht geltend macht und wie der Senat selbst feststellen kann - nicht erfüllt. Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] die Auslegung einer Individualvereinbarung - wie hier des [X.]svertrags - grundsätzlich Sache des Tatrichters; sie kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt oder wesentlichen Auslegungsstoff außer Acht gelassen hat (st.Rspr., siehe nur [X.], Urteil vom 8. Februar 2011 - [X.], [X.], 914 Rn. 23 m.w.[X.]). Danach ist aber die Auslegung des Berufungsgerichts, für eine Ausschließung bedürfe es nach dem [X.]svertrag keines Beschlusses, sondern nur eines (schriftlichen) Ausscheidungsverlangens, rechtsfehlerhaft.

Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass ein "Ausscheidungsverlangen" der übrigen [X.]er notwendigerweise eine Meinungsbildung voraussetzt. Zu einem derartigen Verlangen kann es nur kommen, wenn die [X.]er zuvor Einigkeit darüber erzielt haben, dass der Mitgesellschafter ausgeschlossen werden soll. Das aber ist ein Beschluss der [X.]er und hat nicht nur - wie das Berufungsgericht gemeint hat - einen unverbindlichen vorbereitenden Charakter. Das "Ausscheidungsverlangen" ist demgegenüber lediglich die Umsetzung dieses Beschlusses, nämlich die Mitteilung des Beschlussinhalts an den auszuschließenden [X.]er. Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Wortlaut des [X.]svertrags und entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass das Klageerfordernis des § 140 HGB durch eine im [X.]svertrag vorgesehene Ausschließung durch [X.]erbeschluss ersetzt werden kann.

c) Die damit geltende zweimonatige Klagefrist hat der Kläger versäumt.

Die Frist begann nach dem [X.]svertrag in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Kläger von dem Ausschließungsbeschluss Kenntnis erhielt. Das war die [X.]erversammlung vom 31. März 2000, an der der Kläger teilgenommen hat. Die Frist lief damit am 31. Mai 2000 ab. Die vorliegende Klage ist erst am 27. Dezember 2006 und damit verspätet eingereicht worden.

Ob die erste Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des [X.] rechtzeitig erhoben worden ist, kann offen bleiben. Der Kläger hat diese Klage zurückgenommen. Damit gilt der erste Rechtsstreit gemäß § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO als nicht anhängig geworden.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Klagerücknahme auf dem Vergleich beruhte, der später wegen arglistiger Täuschung angefochten worden ist. Denn der Kläger hat die arglistige Täuschung verübt. Er ist deshalb nach § 142 Abs. 2 BGB so zu behandeln, als hätte er die Nichtigkeit des Vergleichs von vornherein gekannt. Dann aber besteht kein Anlass, den Fristbeginn zu seinen Gunsten auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen.

III. Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, kann der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst in der Sache entscheiden und die Klage abweisen.

Bergmann                                       Strohn                                     Caliebe

                         [X.]

Meta

II ZR 262/09

21.06.2011

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 5. Oktober 2009, Az: I-8 U 11/09, Urteil

§ 140 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.06.2011, Az. II ZR 262/09 (REWIS RS 2011, 5600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5600


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX ZR 156/10

Bundesgerichtshof, IX ZR 156/10, 19.04.2012.


Az. II ZR 262/09

Bundesgerichtshof, II ZR 262/09, 21.06.2011.


Az. 8 U 11/09

Oberlandesgericht Hamm, 8 U 11/09, 05.10.2009.


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