Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2011, Az. II ZR 262/09

II. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5583

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 262/09
Verkündet am:
21. Juni 2011
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 140
Ist im Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft bestimmt, dass ein Gesell-schafter ausscheidet, wenn die übrigen Gesellschafter -
aus wichtigem Grund
-
sein Ausscheiden durch Erklärung ihm gegenüber verlangen, so ist diese Klausel regel-mäßig dahin auszulegen, dass die Gesellschafter über die Ausschließung eines [X.] einen Beschluss zu fassen und darauf gegründet eine Ausschlie-ßungserklärung
ihm gegenüber abzugeben haben.
[X.], Urteil vom 21. Juni 2011 -
II ZR 262/09 -
[X.]

LG Hagen

-
2
-
Der II. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2011 durch [X.]
[X.],
[X.]
Strohn, die Richterinnen [X.] und
Dr.
[X.] und den Richter Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 8. Zivil-senats des [X.] vom 5. Oktober 2009 auf-gehoben und das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 12. November 2008 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger und der Beklagte zu
1 waren neben weiteren Personen Kommanditisten der D.

GmbH
&
Co. [X.]. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Ausschließungsbeschlus-ses.
Nach §
13 Abs.
1 Buchst.
c des Gesellschaftsvertrags scheidet ein Ge-sellschafter
aus der Gesellschaft aus,
1
2

-
3
-
wenn er den übrigen Gesellschaftern Anlass gibt, nach § 133 [X.] die [X.] und nach § 140 [X.] seine Ausschließung zu ver-langen, und wenn die übrigen Gesellschafter deshalb durch schriftliche Er-klärung ihm gegenüber sein Ausscheiden verlangen, mit dem Zugang die-; eine Gestaltungsklage ist zur Ausübung dieses Rechts nicht erforderlich.
In § 8 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags heißt es:
[X.] können als gegen das Gesetz oder den [X.] verstoßend nur binnen zwei Monaten durch Klage beim zu-ständigen Gericht angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem der Gesellschafter Kenntnis von dem Beschluss [X.].
Die Gesellschafter beschlossen in einer Versammlung vom 31.
März 2000, den Kläger aus der Kommanditgesellschaft auszuschließen. Der Kläger erhob gegen seine Mitgesellschafter zunächst Klage auf Feststellung der Nich-tigkeit dieses Beschlusses
und nahm die Klage
dann
zurück, nachdem die [X.] ihre Streitigkeiten vergleichsweise beigelegt hatten. Die Gesellschaft erklärte später die Anfechtung ihrer Erklärungen im Rahmen dieser Vergleichs-vereinbarung
wegen arglistiger Täuschung. In einem Vorprozess
wurde durch Urteil des [X.]s
Hamm vom 27.
September 2006 (8
U
159/05, juris; s.
dazu [X.], Urteil vom 20.
Juni 2005 -
II
ZR
232/04, ZIP
2005, 1593) einer Vollstreckungsabwehrklage der Gesellschaft mit der Begründung stattge-geben, die Anfechtung des Vergleichs sei wirksam.
Am 28.
Oktober 2005 beschloss
die Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft vorsorglich für den Fall, dass der Kläger noch Gesell-schafter sein sollte,
von ihm schriftlich sein Ausscheiden aus der Gesellschaft gemäß §
13 Abs.
1 Buchst.
c des Gesellschaftsvertrags zu
verlangen. Die da-gegen vom Kläger
gegen den
Beklagten
zu
1 und den mittlerweile der Gesell-3
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5

-
4
-
schaft anstelle der früheren Mitgesellschafter beigetretenen Beklagten zu
2
er-hobene Klage auf Feststellung, dass der Beschluss vom 28.
Oktober 2005 nich-tig
und er nicht mit Zugang des [X.] aus der Gesellschaft ausgeschieden sei, wurde rechtskräftig abgewiesen ([X.],
Urteil
vom 17.
September 2007
-
8
U
187/06).
Mit seiner am 27.
Dezember 2006 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger erneut beantragt, die Nichtigkeit des [X.] vom 31.
März 2000 festzustellen.
Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom er-kennenden [X.] zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.
I.
Das Berufungsgericht ([X.], Urteil vom 5.
Oktober 2009
-
8
U
11/09, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
Der Ausschließungsbeschluss sei gemäß §
134 BGB nichtig. Nach dem Gesellschaftsvertrag sei eine Ausschließung aus wichtigem Grund nur möglich durch ein schriftliches [X.] der übrigen Gesellschafter. [X.] fehle es hier. Die Gesellschafter hätten in der Gesellschafterversammlung vom 31.
März 2000 einen als konstitutiv gemeinten Ausschließungsbeschluss gefasst. Das sei im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen.
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10

-
5
-
Die Klage sei auch nicht wegen Fristablaufs unbegründet. Die im [X.] vorgesehene Anfechtungsfrist gelte nicht für Beschlüsse, die die Gesellschafter nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags gar nicht hätten
fas-sen dürfen.
II.
Diese Ausführungen
halten revisionsrechtlicher Überprüfung
nicht in allen Punkten stand.
1.
Die Klage ist allerdings, wie das Berufungsgericht zutreffend ange-nommen
hat, zulässig. Insbesondere hat der Kläger angesichts seines noch nicht bezifferten
Abfindungsanspruchs ein rechtliches Interesse im Sinne des §
256 Abs.
1 ZPO
an der Feststellung, dass er nicht bereits durch den Be-schluss der Gesellschafterversammlung vom 31.
März 2000 aus der Gesell-schaft ausgeschieden ist.
2.
Die Klage ist aber -
schon wegen Versäumung der im [X.] vorgesehenen zweimonatigen Klagefrist
-
unbegründet.
Auf die übrigen zwischen den Parteien streitigen Fragen kommt es damit nicht an.
a)
Im Gesellschaftsvertrag
einer Kommanditgesellschaft
kann vereinbart werden, dass anstelle der in §
140 Abs.
1, §
161 Abs.
2 [X.]
vorgesehenen Ausschließung aus wichtigem Grund durch gerichtliche Entscheidung eine Aus-schließung durch Beschluss der Gesellschafter erfolgen kann. Dieser Be-schluss wird mit Zugang der darauf gegründeten Ausschließungserklärung dem auszuschließenden Gesellschafter gegenüber wirksam ([X.], Urteil vom 17.
Dezember 1959 -
II
ZR
32/59, [X.]Z
31, 295, 301; Urteil vom 5.
Juni 1989 -
II
ZR
227/88, [X.]Z
107, 351, 356; Urteil vom 9.
Mai 2005 -
II
ZR
29/03, ZIP
2005, 1318, 1322; [X.]/[X.], [X.], 34.
Aufl., §
140 Rn.
30; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, [X.], 2.
Aufl., §
140 Rn.
45).
Hält der [X.] Gesellschafter den Beschluss für nichtig, kann
er das mit einer gegen seine Mitgesellschafter zu richtenden Feststellungsklage geltend machen. Für diese 11
12
13
14
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-
6
-
Klage kann im Gesellschaftsvertrag eine Frist bestimmt werden ([X.], Urteil vom 15.
Juni 1987 -
II
ZR
261/86, ZIP
1987, 1178, 1179
f.; Urteil vom
13.
Februar 1995 -
II
ZR
15/94, ZIP
1995, 460; Urteil vom 1.
März 2011 -
II
ZR
83/09, ZIP
2011, 806 Rn.
19, 21).
Hier ist in §
8 Abs.
5 des [X.]s geregelt, dass
[X.] binnen zwei Monaten ab Kenntnis von dem jeweiligen Beschluss durch Klage anzufechten
sind. [X.] die Länge der Frist ist nichts zu erinnern.
b)
Das Berufungsgericht hat allerdings
angenommen, die Klagefrist nach §
8 Abs.
5 des Gesellschaftsvertrags sei im vorliegenden Fall nicht einzuhalten, weil der Gesellschaftsvertrag einen Ausschließungsbeschluss nicht vorsehe. Es hat sich dabei auf
die Rechtsprechung
des erkennenden [X.]s bezogen, nach der angesichts der schwerwiegenden Rechtsbeeinträchtigung, die mit dem [X.] der Gesellschafterstellung verbunden ist, eine im Gesellschaftsvertrag [X.] Klagefrist einschränkend auszulegen ist, soweit sie für [X.] gelten soll ([X.], Urteil vom 20.
Januar 1977 -
II
ZR
217/75, [X.]Z
68, 212, 216). Danach ist im Rahmen der Auslegung des [X.]s im Zweifel anzunehmen, dass sich die Bestimmung einer Klagefrist
nicht auf [X.] bezieht,
die die [X.] nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags gar nicht hätte fassen dürfen, dass heißt, die von vornherein unzulässig sind.
Diese Voraussetzung ist hier jedoch -
wie die Revision zu Recht geltend macht und wie der [X.] selbst feststellen kann
-
nicht erfüllt.
Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] die Auslegung einer Indivi-dualvereinbarung
-
wie hier des Gesellschaftsvertrags
-
grundsätzlich Sache des Tatrichters; sie kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, [X.], Erfahrungssätze
oder Verfahrensvorschriften verletzt oder wesentli-chen [X.] außer [X.] gelassen hat (st.Rspr., siehe nur [X.], Urteil 16
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-
7
-
vom 8.
Februar 2011 -
II
ZR
243/09, ZIP
2011, 914 Rn.
23 m.w.N.).
Danach
ist aber die Auslegung des Berufungsgerichts, für eine Ausschließung bedürfe es nach dem Gesellschaftsvertrag keines Beschlusses, sondern nur eines (schrift-lichen) [X.],
rechtsfehlerhaft.
Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass ein "Ausscheidungsver-langen" der übrigen Gesellschafter notwendigerweise eine Meinungsbildung voraussetzt. Zu einem derartigen Verlangen kann es nur kommen, wenn die Gesellschafter
zuvor Einigkeit darüber erzielt haben, dass der Mitgesellschafter ausgeschlossen werden soll. Das aber ist ein Beschluss der Gesellschafter und hat nicht nur -
wie das Berufungsgericht gemeint hat
-
einen unverbindlichen vorbereitenden Charakter. Das "[X.]" ist demgegenüber
lediglich die Umsetzung
dieses Beschlusses, nämlich die Mitteilung des [X.] an den auszuschließenden Gesellschafter. Diese Auslegung steht im
Einklang mit dem Wortlaut des Gesellschaftsvertrags und entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.]s, dass
das Klageerfordernis des §
140 [X.] durch eine im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Ausschließung durch Gesellschafterbeschluss ersetzt werden kann.
c)
Die damit geltende zweimonatige Klagefrist hat der Kläger versäumt.
Die Frist begann nach dem Gesellschaftsvertrag in dem Zeitpunkt
zu lau-fen, in dem der Kläger von dem Ausschließungsbeschluss Kenntnis erhielt. Das war die
Gesellschafterversammlung vom 31.
März 2000, an der
der Kläger teil-genommen hat. Die
Frist lief damit am 31.
Mai 2000 ab. Die vorliegende Klage ist erst am 27. Dezember 2006 und damit verspätet eingereicht worden.
Ob die erste Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des [X.] rechtzeitig erhoben worden ist, kann offen bleiben. Der Kläger hat diese Klage zurückgenommen. Damit gilt der erste Rechtsstreit gemäß §
269 Abs.
3 Satz
1 ZPO als nicht anhängig geworden.
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19
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-
8
-
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die [X.] beruhte, der später wegen arglistiger Täuschung an-gefochten worden ist. Denn der Kläger hat die arglistige Täuschung verübt. Er ist deshalb nach §
142 Abs.
2 BGB so zu behandeln, als hätte er die Nichtigkeit des Vergleichs von vornherein gekannt.
Dann aber besteht kein Anlass, den Fristbeginn zu seinen Gunsten auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen.
III.
Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, kann der [X.] gemäß §
563 Abs.
3 ZPO selbst in der Sache entscheiden und die Klage ab-weisen.

[X.]

Strohn

[X.]

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.11.2008 -
22 [X.]/06 -

[X.], Entscheidung vom 05.10.2009 -
I-8 U 11/09 -

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Meta

II ZR 262/09

21.06.2011

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2011, Az. II ZR 262/09 (REWIS RS 2011, 5583)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5583

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 262/09

8 U 11/09

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