Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2016, Az. V ZB 106/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 8600

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:BGH:2016:070716BVZB106.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

7. Juli 2016

in der Rücküberstellungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Dublin-III-VO Art. 2 Buchst. n, Art. 28 Abs. 2;
[X.] § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4

Auch vor Inkrafttreten von §
2 Abs. 15 [X.] konnte Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung nicht auf der [X.] von § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 [X.] angeordnet werden (Bestätigung von [X.], Beschluss vom 26.
Juni 2014 -
V [X.], NVwZ 2014,
1397 Rn.
31).
BGH, Beschluss vom 7. Juli 2016 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 7. Juli 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.] Czub, die Richterin Weinland, [X.] Kazele und die Richterin Haberkamp

beschlossen:

Dem Betroffenen wird im Rahmen der bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe Rechtsanwalt Dr. von [X.] beigeordnet.

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts
Hagenow vom 13.
Mai
2014 und des [X.] -
Zivilkammer 5 -
vom 2.
Juni 2014 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

-
3
-
Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste am 22.
März 2014 in die [X.] ein und stellte wenige Tage später einen Asylantrag. Auf ein entsprechendes Ersuchen erklärten die bulga-rischen Behörden am 1. April 2014 ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme des Betroffenen. Dessen Asylantrag lehnte das [X.] mit Bescheid vom 7. April 2014 als unzulässig ab und
ordnete die Abschiebung nach [X.] an.

Am 13. Mai 2014 sollte die Rücküberstellung nach [X.] erfolgen. Sie scheiterte daran, dass sich der Betroffene am [X.] völlig entkleidete und erklärte, nicht nach [X.] fliegen zu wollen. Gleichzeitig forderte er, nach [X.] abgeschoben zu werden. Auf Antrag der beteiligten Behörde ord-nete das Amtsgericht zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung Siche-rungshaft für den 13. Mai 2014 an.

Mit weiterem Beschluss vom 13. Mai 2014 hat das [X.] bis längstens 6. Juni 2014 angeordnet. Die Beschwerde hat das [X.] mit Beschluss vom 2. Juni 2014 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er -
nachdem er nach [X.] rücküberstellt
worden ist -
die Feststellung der Verletzung seiner Rechte durch das Amts-
und [X.] erreichen will.
1
2
3
-
4
-
II.

Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung von [X.] seien gegeben. Im Besonderen lägen die Haftgründe des
§
62 Abs. 3 Satz
1 Nrn. 4 und 5 [X.] in der damaligen Fassung vor. Der Beschwerdeführer habe sich mit seiner Weigerung, nach [X.] rücküber-stellt zu werden, in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen. Zugleich sei aufgrund dieses Verhaltens eine erhebliche Fluchtgefahr gegeben. Art. 28 der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist ([X.]. Nr. L 31 -
fortan Dublin-III-Verordnung),
stehe dem nicht entgegen. Bis zu einer Umsetzung dieser Verordnung gelte die bisherige gesetzliche Regelung, die auf eine Definition des Begriffs Fluchtgefahr verzichte und es dem Tatrichter überlasse, diesen Begriff auszufüllen.

III.

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG statthafte und auch im Übri-gen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Rechtsfehlerhaft geht das Berufungsgericht davon aus, dass auch un-ter Geltung des Art. 28 Dublin-III-Verordnung die Haft zur Sicherstellung einer Überstellung des Betroffenen in den für dessen Schutzantrag zuständigen Mit-gliedstaat nach der damals geltenden Fassung des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.] angeordnet werden durfte. Die Vorschrift entsprach nicht den Anfor-4
5
6
-
5
-
derungen von Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung, wonach die objektiven Kriterien, die Fluchtgefahr begründen, gesetzlich festgelegt sein müssen. In dem Zeitraum vom
1. Januar 2014 -
ab diesem Tag war die Dublin-III-Verordnung nach ihrem Art. 49 Abs. 2 Satz 1 für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme anwendbar (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Februar 2016 -
V [X.], juris Rn. 5 f.) -
bis zum 1. August 2015 -
dem [X.] vom 27. Juli 2015 ([X.] I 1386), mit dem der Haftgrund der Fluchtge-fahr neu geregelt wurde -
konnte
daher Haft zur Sicherung von Überstellungs-verfahren nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung nicht auf Fluchtgefahr oder eine Entziehungsabsicht des Betroffenen im Sinne des § 62
Abs. 3 Satz 1 Nr. 5
[X.] aF gestützt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Juni 2014
-
V
[X.], NVwZ 2014, 1397 Rn.
9 ff.; Beschluss vom 22. Oktober 2014
-
V
ZB 124/14, NVwZ 2015, 607 Rn. 10).

2. Nichts anderes gilt für den von dem
Beschwerdegericht weiter ange-nommenen Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 [X.].

Überstellungshaft nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung kann angeordnet werden, wenn die Haftgründe im nationalen Recht so ausgestaltet sind, dass sie nur bei Vorliegen von objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien verwirk-licht werden, welche die Annahme einer Fluchtgefahr begründen. Der [X.] hat -
zeitlich nach dem angegriffenen Beschluss des Beschwerdegerichts
-
ent-schieden, dass dies in [X.] allein bei den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nrn.
2 und 3 [X.] genannten [X.] (Wechsel des Aufenthaltsorts ohne Angabe einer Anschrift unter der der Ausländer erreichbar ist; vom Ausländer zu vertretendes Nichtantreffen an dem von der Behörde angegebenen Ort an dem für die Überstellung angekündigten Termin) der Fall ist ([X.], Beschluss 7
8
-
6
-
vom 26.
Juni 2014 -
V [X.], NVwZ 2014, 1397 Rn. 31). Der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 [X.] setzt demgegenüber lediglich voraus, dass sich der Ausländer in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat. Er ist damit im Sinne einer Generalklausel formuliert und enthält keine objektiven Kri-terien, die festlegen, in welchen Fällen von einer Entziehung in sonstiger Weise auszugehen ist. Damit genügt auch dieser Haftgrund nicht den unionsrechtli-chen Vorgaben.

-
7
-
III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs.
2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog. Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Stresemann RiBGH [X.] ist infolge

Weinland

Krankheit an der Unterschrift

gehindert.

[X.], den 17. August 2016

Die Vorsitzende

Stresemann

Kazele Haberkamp

Vorinstanzen:

[X.], Entscheidung vom 13.05.2014 -
2 [X.] 2/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 02.06.2014 -
5 [X.]/14 -

9

Meta

V ZB 106/14

07.07.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2016, Az. V ZB 106/14 (REWIS RS 2016, 8600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8600

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZB 106/14 (Bundesgerichtshof)

Anordnung von Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren: Fehlende gesetzliche Festlegung der objektiven Kriterien für die …


V ZB 124/14 (Bundesgerichtshof)

Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren im Anwendungsbereich der Dublin-III-Verordnung: Haftgrund der Fluchtgefahr nach unerlaubter Einreise …


V ZB 124/14 (Bundesgerichtshof)


V ZB 126/16 (Bundesgerichtshof)


V ZB 10/16 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZB 106/14

V ZB 31/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.