Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.11.2016, Az. VI ZR 200/15

6. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 2792

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Gegenstand

Ausgleichsanspruch eines Gesamtschuldners: Entstehung und Verjährung des Ausgleichsanspruchs eines Haftpflichtversicherers


Leitsatz

1. Der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB entsteht bereits in dem Augenblick, in dem die mehreren Ersatzpflichtigen dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, d.h. mit der Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis.

2. Für den Beginn der Verjährung ist es nicht erforderlich, dass der Ausgleichsanspruch beziffert werden bzw. Gegenstand einer Leistungsklage sein kann.

3. Für die Beurteilung der Frage, wann der Ausgleichsanspruch eines zum Schadensersatz verpflichteten Gesamtschuldners gegen den anderen im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB in Hinblick auf Schäden entstanden ist, die erst nach der Verwirklichung des haftungsbegründenden Tatbestands eingetreten sind, ist der Grundsatz der Schadenseinheit heranzuziehen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 2. Februar 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin als Haftpflichtversicherer der Ärzte [X.] und Dr. S. nimmt die [X.] aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer auf Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB in Anspruch.

2

Am 3. Juni 1993 erlitt der Geschädigte [X.] einen Arbeitsunfall. Er fügte sich beim Wechsel eines Keilriemens durch den Ventilator der Lichtmaschine eine ca. 5 cm lange [X.] an der [X.] seines rechten Unterarms zu. Zur Versorgung begab er sich in die von Dr. S. betriebene [X.], wo der diensthabende Arzt [X.] eine Wunde am rechten Unterarm mit Beugesehnenverletzung diagnostizierte und versorgte. Hierbei unterliefen ihm Behandlungsfehler. Wegen anhaltender Beschwerden (taubes Gefühl, Schmerzen, etc.) trennte der Beklagte zu 1 in dem von der [X.] zu 2 betriebenen Krankenhaus am 22. November 1994 zum Zwecke der Schmerzausschaltung den Nervus Medianus und den Nervus [X.] durch und nähte die Nerven mittels interfaszikulärer mikroskopischer Nervennaht wieder zusammen. Hierdurch kam es zwar zu einer vorübergehenden Schmerzlinderung. Die rechte Hand war jedoch in ihrer Funktionsfähigkeit deutlich beeinträchtigt. Am 27. November 1995 wurde schließlich der rechte Unterarm des Geschädigten amputiert.

3

Mit rechtskräftigem Urteil des [X.] vom 29. November 2001 wurden [X.] und Dr. S. zur Leistung materiellen und immateriellen Schadensersatzes an den Geschädigten verurteilt. Darüber hinaus stellte das [X.] die Ersatzpflicht der [X.]. P. und S. für alle weiteren Schäden des Geschädigten fest. Nachdem die Klägerin als Haftpflichtversicherer der [X.]. P. und S. deren Zahlungsverpflichtungen aus dem Urteil des [X.] vom 29. November 2001 erfüllt hatte, nahm sie die [X.] auf Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch. Die [X.] wurden durch rechtskräftiges Urteil des [X.] vom 24. Oktober 2007 verurteilt, 50 % derjenigen Aufwendungen zu ersetzen, die die Klägerin zum Ersatz materieller Schäden des Geschädigten erbracht hatte, soweit diese ab dem 22. November 2004 (gemeint ist wohl 1994) eingetretene Gesundheitsbeeinträchtigungen betreffen. Das [X.] stellte darüber hinaus fest, dass die [X.] als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die [X.]. P. und S. von allen weiteren materiellen wie immateriellen Schadensersatzansprüchen des Geschädigten zu 50 % freizustellen, die diese aufgrund des Urteils des [X.] vom 29. November 2001 zum Ausgleich der ab dem 22. November 2004 (gemeint ist wohl 1994) eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigungen zu befriedigen haben. Das [X.] sah es als bewiesen an, dass die von dem [X.] zu 1 durchgeführte Nervdurchtrennung medizinisch nicht indiziert und deshalb [X.] gewesen sei.

4

Da es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt hatte, erbrachte die [X.]    erhebliche Leistungen an den Geschädigten, so u.a. [X.], Pflegegeld, Verletztenrente. Darüber hinaus übernahm sie die Kosten für ärztliche Behandlungen und Arzneimittel. Die Klägerin und die [X.] einigten sich im Frühjahr 2012 dahingehend, dass sämtliche Ansprüche der Berufsgenossenschaft durch Zahlung eines Betrages in Höhe von 800.000 € erfüllt sein sollten. Diesen Betrag zahlte die Klägerin an die Berufsgenossenschaft. Im vorliegenden Verfahren nimmt die Klägerin die [X.] wegen ihrer Zahlungen an die Berufsgenossenschaft für den Zeitraum ab 22. November 1994 auf Ausgleich im Innenverhältnis in Anspruch.

5

Das [X.] hat angenommen, dass die Klägerin gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1, 840 Abs. 1 BGB, § 86 Abs. 1 [X.] von den [X.] im Wege des [X.] Ersatz der Hälfte der Zahlungen verlangen könne, die die Klägerin an die [X.]    zum Ausgleich derjenigen Aufwendungen geleistet habe, die diese für den Geschädigten ab 1. Januar 2009 getätigt habe. Ansprüche für die Zeit davor seien hingegen verjährt. Das [X.] hat die gegen die entsprechende Verurteilung gerichtete Berufung der [X.] durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die [X.] ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

6

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin gegen die Beklagten gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1, § 840 Abs. 1 [X.], § 86 Abs. 1 Satz 1 [X.] Ausgleichsansprüche in Höhe der Hälfte des Betrags zu, den sie wegen der fehlerhaften ärztlichen Behandlung des Geschädigten durch ihre Versicherungsnehmer an die [X.] gezahlt hat. Diese Ansprüche seien insoweit noch nicht verjährt, als ihnen Leistungen auf die an die Berufsgenossenschaft übergegangenen Schadensersatzansprüche des Geschädigten zugrunde lägen, die erst nach dem 1. Januar 2009 fällig geworden seien. Gemäß § 199 Abs. 1 [X.] beginne die dreijährige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangt haben müsse. Entstanden sei ein Anspruch, soweit er erstmals vom Gläubiger geltend gemacht und mit einer Klage durchgesetzt werden könne. Dies setze grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs voraus. Zwar entstehe der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 [X.] bereits mit der Begründung des [X.]. Er bestehe als Mitwirkungs- und [X.]sanspruch und wandle sich nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch um. Auch soweit er auf Zahlung gerichtet sei, sei er mit der Begründung der Gesamtschuld entstanden. Es sei aber zu beachten, dass auch der Anspruch eines jeden Gesamtschuldners gegen die übrigen, ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitzuwirken, voraussetze, dass die Schuld, von der [X.] verlangt werde, bereits fällig sei. Solange der Gläubiger die Leistung nicht verlangen könne, sei für eine Pflicht der einzelnen Gesamtschuldner, untereinander an der Befriedigung des Gläubigers mitzuwirken, kein Raum. Aus diesem Grund sei eine Geltendmachung derjenigen Freistellungsansprüche, die sich aus erst im weiteren Verlauf nach Schädigung fällig werdenden [X.]en ergäben, grundsätzlich erst zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der Forderung des Geschädigten möglich, so dass der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 [X.] auch erst zu diesem Zeitpunkt im Sinne des § 199 Abs. 1 [X.] entstanden sei. In Fällen, in denen einzelne Schadenspositionen nicht bereits mit der Entstehung des Schadensersatzanspruchs des Gläubigers, sondern erst im weiteren Verlauf fällig würden, sei es nicht gerechtfertigt, von dem Grundsatz abzuweichen, dass der Verjährungsbeginn nach § 199 Abs. 1 [X.] die Fälligkeit der Forderung - hier des [X.] - voraussetze. Der vom [X.] zugesprochene Betrag von 229.262,71 € umfasse lediglich solche Schadenspositionen, hinsichtlich derer der Schadensersatzanspruch der Berufsgenossenschaft erst ab dem 1. Januar 2009 fällig geworden sei. Aus diesem Grund sei auch der sich auf Leistungen auf diese Schadenspositionen gründende Ausgleichsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten erst ab dem 1. Januar 2009 entstanden. Die Verjährung des ab 1. Januar 2009 entstandenen Ausgleichsanspruchs sei durch die am 21. Mai 2012 erfolgte Klageerhebung gehemmt worden.

II.

7

Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann eine Verjährung des von der Klägerin geltend gemachten Ausgleichsanspruchs aus § 426 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 86 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht verneint werden.

8

1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Versicherungsnehmer der Klägerin und die Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung des Geschädigten gegenüber der Berufsgenossenschaft als Gesamtschuldner hafteten, soweit diese nach dem 22. November 1994 mit den Ersatzansprüchen des Geschädigten kongruente Leistungen an den Geschädigten zu erbringen hatte (§ 823 Abs. 1, §§ 30, 31 bzw. § 831 [X.], § 840 Abs. 1 [X.], § 116 [X.]). Diese Beurteilung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Gleiches gilt für die Annahme des Berufungsgerichts, dass ein den Versicherungsnehmern der Klägerin gegen die Beklagten zustehender Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 [X.] gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf die Klägerin übergegangen ist, soweit diese wegen der fehlerhaften ärztlichen Behandlung des Geschädigten durch ihre Versicherungsnehmer im April 2012 Zahlungen an die Berufsgenossenschaft erbracht hat (vgl. [X.], Urteile vom 10. Juli 2014 - [X.], [X.], 587; vom 7. Mai 2015 - [X.], [X.], 1208; Prölss/[X.]/Armbrüster, [X.], 29. Aufl. § 86 Rn. 7).

9

2. Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 [X.] der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 [X.] unterliegt und diese Frist gemäß § 199 Abs. 1 [X.] mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Mai 2015 - [X.], [X.], 1208 Rn. 19; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2012, § 426 Rn. 10; [X.] [X.]/Gehrlein, [X.], § 426 Rn. 3a [Stand: 01.08.2016]). Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EG[X.] gilt dies im Grundsatz auch für am 1. Januar 2002 bestehende und noch nicht verjährte Ausgleichsansprüche aus § 426 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Denn ist die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung kürzer als nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, so wird die kürzere Frist von dem 1. Januar 2002 an berechnet (Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EG[X.]). Richtet sich die Verjährung dabei nach der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 [X.], so ist der Fristbeginn unter Einbeziehung der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zu berechnen (vgl. im Einzelnen [X.], Urteil vom 23. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 171, 1 Rn. 19 ff., 28).

3. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 [X.], soweit er sich auf im weiteren Verlauf nach der Schädigung fällig werdende Schadenspositionen beziehe, erst mit Fälligwerden der auf Ersatz dieser Positionen gerichteten Forderung entstehe.

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] entsteht der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 [X.] bereits in dem Augenblick, in dem die mehreren [X.] dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, d.h. mit der Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis. Er besteht zunächst als Mitwirkungs- und [X.]sanspruch und wandelt sich nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch um. Unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-, [X.]s- oder Zahlungsanspruch handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch, der einer einheitlichen Verjährung unterliegt und mit der Begründung der Gesamtschuld entstanden ist ([X.], Urteile vom 18. Juni 2009 - [X.], [X.]Z 181, 310 Rn. 12 ff.; vom 9. Juli 2009 - [X.], [X.], 396 Rn. 22; vom 18. Oktober 2012 - [X.], [X.]Z 195, 153 Rn. 13; vom 7. Mai 2015 - [X.], [X.], 1208 Rn. 19; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2012, § 426 Rn. 7; [X.] [X.]/Gehrlein, [X.], § 426 Rn. 3a [Stand: 01.08.2016]; [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., § 426 Rn. 4, jeweils mwN).

Für den Beginn der Verjährung ist es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht erforderlich, dass der Ausgleichsanspruch beziffert werden bzw. Gegenstand einer Leistungsklage sein kann. Denn ein Anspruch ist entstanden, sobald er geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Hierfür genügt die Möglichkeit, eine die Verjährung unterbrechende Feststellungsklage zu erheben (vgl. [X.], Urteile vom 23. März 1987 - [X.], [X.]Z 100, 228 Rn. 14; vom 22. Februar 1979 - [X.], [X.]Z 73, 363, 365; vom 18. Juni 2009 - [X.], [X.]Z 181, 310 Rn. 19 mwN; MüKo[X.]/[X.], 7. Aufl., § 199 Rn. 4; [X.] [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 199 Rn. 5 [Stand: 01.08.2016]).

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Ausgleichsanspruch der Versicherungsnehmer der Klägerin am 22. November 1994 entstanden. An diesem Tag ist das Gesamtschuldverhältnis zwischen den Versicherungsnehmern der Klägerin und den Beklagten begründet worden. Dem Geschädigten - bzw. gemäß § 116 Abs. 1 [X.] der [X.] H. - ist infolge der vom Beklagten zu 1 an diesem Tag behandlungsfehlerhaft vorgenommenen Stammnervendurchtrennung ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten erwachsen, der auf Ersatz desselben Schadens gerichtet ist, für den die Versicherungsnehmer der Klägerin aufgrund der fehlerhaften unfallchirurgischen Behandlung des Geschädigten haften (§§ 823, 31, 831, 840 [X.]).

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass dem Geschädigten am 22. November 1994 lediglich ein Teilschaden entstanden war und die Schäden, deren Ausgleich die Zahlung der Klägerin diente, erst in der Folgezeit eingetreten sind. Diese Schäden standen zwar im Zeitpunkt des Eintritts der ersten Vermögenseinbuße in ihrer konkreten Ausprägung noch nicht fest. Sie sind aber auf die Behandlungsfehler der Versicherungsnehmer der Klägerin einerseits sowie der Beklagten andererseits zurückzuführen und waren im Zeitpunkt des Eintritts der ersten Vermögenseinbuße als möglich vorhersehbar. Dies genügt für die Annahme, dass der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch hinsichtlich dieser Folgeschäden in dem Augenblick entstanden ist, in dem die Versicherungsnehmer der Klägerin und die Beklagten dem Geschädigten ersatzpflichtig geworden sind. Denn insoweit ist der gesamte, auf die jeweilige unerlaubte Handlung zurückzuführende Schaden verjährungsrechtlich als Einheit anzusehen.

aa) Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des [X.], dass sich der Schadenseintritt bei mehreren Schadensfolgen für die Zwecke des Verjährungsrechts anhand des Grundsatzes der Schadenseinheit bestimmt. Danach gilt der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, sofern mit den einzelnen Schadensfolgen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte. Die Verjährung des [X.] erfasst auch solche nachträglich eintretenden Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 1977 - [X.], [X.], 350 Rn. 13; vom 3. Juni 1997 - [X.], [X.], 1111 Rn. 15; vom 15. März 2011 - [X.], [X.], 682 Rn. 8; vom 5. April 2016 - [X.], [X.], 1058 Rn. 15; [X.], Urteile vom 15. Oktober 1992 - [X.], [X.], 251 Rn. 35; vom 21. Februar 2005 - [X.], [X.], 852 Rn. 9). Zur Hemmung der Verjährung, die mit dem früheren Schadenseintritt begonnen hat, ist die Erhebung einer Feststellungsklage erforderlich. Tritt eine als möglich voraussehbare Spätfolge ein, wird für sie keine selbständige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt (vgl. [X.], Urteile vom 22. Februar 1979 - [X.], [X.]Z 73, 363, 365; [X.], Urteil vom 23. März 1987 - [X.], [X.]Z 100, 228, 231; vom 21. Februar 2005 - [X.], [X.], 852 Rn. 9; vgl. auch Senatsurteil vom 24. April 2012 - [X.], [X.], 924 Rn. 19 zur subjektiven Kenntnis im Rahmen des § 852 Abs. 1 [X.] aF). Der Grundsatz der Schadenseinheit beruht auf den Geboten der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit (Senatsurteile vom 3. Juni 1997 - [X.], [X.], 1111 Rn. 13; vom 24. April 2012 - [X.], [X.], 924 Rn. 19). Er findet seine Rechtfertigung darüber hinaus darin, dass es dem Geschädigten in aller Regel zuzumuten ist, sich schon aufgrund der Kenntnis von der [X.] (Erst-) Schädigung durch eine Feststellungsklage bezüglich aller weiteren Schadensfolgen gegen Verjährung zu sichern (vgl. Senatsurteile vom 7. Juni 1983 - [X.], [X.], 735, 737; vom 19. Dezember 1989 - [X.], [X.], 497; vom 27. November 1990 - [X.], NJW 1991, 973 Rn. 14).

Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat am Grundsatz der Schadenseinheit nichts geändert. Auf Hinweis des Rechtsausschusses ist der ursprünglich im Regierungsentwurf enthaltene Begriff der Fälligkeit durch das bisherige Erfordernis - Entstehung der Forderung - ersetzt worden. Grund hierfür war der Umstand, dass der von der Rechtsprechung "namentlich im Deliktsrecht angewandte Grundsatz der Schadenseinheit" durch den Entwurf keine Änderung erfahren sollte, in den Fällen der Schadenseinheit aber nicht angenommen werden könne, der Ersatzanspruch werde mit Auftreten des ersten Schadens auch insoweit bereits fällig, als zwar vorhersehbare, in ihrer konkreten Ausprägung aber noch nicht feststehende Spätfolgen betroffen seien (vgl. Begr. [X.], [X.]. 14/6040 S. 108; Rechtsausschuss, [X.]. 14/7052, [X.]; MünchKomm-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 199 Rn. 4, 9).

bb) Der Senat hat den Grundsatz der Schadenseinheit bereits auf die Beurteilung der Frage übertragen, ob ein vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandener Schadensersatzanspruch hinsichtlich solcher Schadensfolgen der Restschuldbefreiung unterfällt, die nach dem Zeitpunkt entstanden sind, in dem die Forderung spätestens zur Insolvenztabelle hätte angemeldet werden müssen. Treten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens neue schädigende Folgen zu den bereits zuvor entstandenen hinzu, so ist für das Insolvenzverfahren eine einheitliche Behandlung geboten, soweit die Fortentwicklung des Schadens als möglich vorauszusehen war (vgl. Senatsurteil vom 5. April 2016 - [X.], [X.], 1058 Rn. 15).

cc) Der Grundsatz der Schadenseinheit ist auch für die Beurteilung der Frage heranzuziehen, wann der Ausgleichsanspruch eines zum Schadensersatz verpflichteten Gesamtschuldners gegen den anderen in Hinblick auf Schäden entstanden ist, die erst nach der Verwirklichung des [X.] Tatbestands eingetreten sind. Auch insoweit stellt sich der gesamte aus einer unerlaubten Handlung oder Vertragsverletzung entspringende Schaden als Einheit dar, die alle Folgezustände umfasst, die im Zeitpunkt der Erlangung allgemeinen Wissens um den Erstschaden als möglich voraussehbar waren. Die Ausgleichungspflicht ist eine Folge der Schadensersatzpflicht. Sie wurzelt in dem inneren Schuldverhältnis, das zwischen den [X.] besteht. Dementsprechend entsteht der Ausgleichsanspruch als einheitlicher Anspruch bereits in dem Augenblick, in dem die für denselben Schaden verantwortlichen [X.] dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, also regelmäßig im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses (vgl. Senatsurteil vom 21. November 1953 - [X.], [X.]Z 11, 170, 174; [X.], Urteil vom 18. Juni 2009 - [X.], [X.]Z 181, 310 Rn. 12 ff.; vom 9. Juli 2009 - [X.], [X.], 396 Rn. 22; vom 18. Oktober 2012 - [X.], [X.]Z 195, 153, Rn. 13, jeweils mwN). Mit diesem Wesen des Ausgleichsanspruchs als einheitlicher Anspruch ist die Auffassung des Berufungsgerichts nicht in Einklang zu bringen, "der Ausgleichsanspruch" entstehe erst mit jeder im weiteren Verlauf nach der Schädigung fällig werdenden [X.]. Diese Auffassung führte zu einer unbegrenzten Vielzahl von Ausgleichsansprüchen desselben [X.] aufgrund derselben Verletzungshandlung. Als Folge der Schadensersatzpflicht bezieht sich die Ausgleichungspflicht vielmehr von vornherein auf den gesamten, einer unerlaubten Handlung oder Vertragsverletzung entspringenden und im Zeitpunkt des Eintritts der ersten Vermögenseinbuße absehbaren Schaden. Ein solches Verständnis mit der Folge einer relativ frühzeitigen Verjährung des Ausgleichsanspruchs trägt den Geboten der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit Rechnung und belastet den [X.] nicht unbillig. Er ist hinreichend durch das zusätzliche - auch in [X.] nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EG[X.] zu berücksichtigende (vgl. [X.], Urteil vom 23. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 171, 1 Rn. 19 ff.) - Erfordernis des § 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.] geschützt (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juni 2009 - [X.], [X.]Z 181, 310 Rn. 17).

dd) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht diese Beurteilung nicht im Widerspruch zu den Urteilen des [X.] vom 7. November 1985 ([X.], [X.], 170) und vom 5. März 1981 ([X.], [X.] 1981, 594). Zwar hat der III. Zivilsenat in seinem Urteil vom 7. November 1985 ausgeführt, der bereits vor einer eigenen Leistung an den Gläubiger bestehende Anspruch eines Gesamtschuldners gegen die anderen Gesamtschuldner, ihren Anteilen entsprechend an einer Befriedigung des Gläubigers mitzuwirken und ihn in dieser Höhe von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger freizustellen, setze die Fälligkeit der Schuld voraus, von der [X.] verlangt werde. Diese Ausführungen beziehen sich aber nur auf die Möglichkeit eines Gesamtschuldners, den anderen Gesamtschuldner im Wege der Leistungsklage auf anteilige Mitwirkung bei der Befriedigung des Gläubigers in Anspruch zu nehmen ([X.], Urteil vom 7. November 1985 - [X.], [X.], 170 Rn. 13 f.). Entsprechendes gilt für die Ausführungen des [X.] in seinem Urteil vom 5. März 1981 ([X.], [X.] 1981, 594 Rn. 27), wonach der mithaftende Gesamtschuldner seine [X.] bei Fälligkeit der Schuld darauf in Anspruch nehmen könne, ihn von der Verbindlichkeit in der Höhe zu befreien, der der jeweiligen internen Ausgleichspflicht entspricht. Mit diesen Ausführungen hat der III. Zivilsenat begründet, warum sich ein Zurückbehaltungsrecht des mithaftenden Gesamtschuldners nicht ausschließen lässt. Ein Zurückbehaltungsrecht setzt aber einen fälligen Gegenanspruch voraus. Der Annahme, dass der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 [X.] bereits vor der Fälligkeit des Anspruchs auf Ersatz von - im Zeitpunkt des Eintritts der ersten Vermögenseinbuße vorhersehbarer, in ihrer konkreten Ausprägung aber noch nicht feststehender - Folgeschäden im Sinne des § 199 Abs. 1 [X.] entstanden ist und zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden kann, stehen die Erwägungen des [X.] nicht entgegen (vgl. auch [X.], Urteil vom 18. Oktober 2012 - [X.], [X.]Z 195, 153 Rn. 13).

III.

Der angefochtene Beschluss war aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da das Berufungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - keine Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.] und zum Einwand der Klägerin getroffen hat, die Berufung auf die Einrede der Verjährung verstoße gegen [X.] und Glauben.

[X.]                            von [X.]                            Offenloch

                 [X.]

Meta

VI ZR 200/15

08.11.2016

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 2. Februar 2016, Az: I-3 U 175/13

§ 199 Abs 1 BGB, § 426 Abs 1 S 1 BGB, § 86 Abs 1 VVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.11.2016, Az. VI ZR 200/15 (REWIS RS 2016, 2792)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2792


Verfahrensgang

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Az. VI ZR 200/15

Bundesgerichtshof, VI ZR 200/15, 08.11.2016.


Az. 3 U 175/13

Oberlandesgericht Hamm, 3 U 175/13, 02.02.2015.

Oberlandesgericht Hamm, 3 U 175/13, 10.12.2014.


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