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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Strafverfahren: Anforderungen an die Ablehnung des Beweisantrages eines Nebenklägers wegen Bedeutungslosigkeit
1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 16. Juli 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
I.
Der Nebenkläger beanstandet mit seiner hiergegen gerichteten Revision die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts und erstrebt die Verurteilung des Angeklagten wegen eines Tötungsdelikts, zumindest wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte in seiner Wohnung nach einem zunächst verbal ausgetragenen Streit dem Nebenkläger zwei Schläge mit einem [X.] gegen den Kopf. Anschließend verließ er die Wohnung bis kurz vor deren Tür, kehrte jedoch um und schlug im Laufe des sich fortsetzenden Kampfgeschehens auf den Nebenkläger mit einer Haschischpfeife und einer Schwarzlichtröhre so heftig ein, dass beide Gegen-stände zersplitterten und das Gehäuse der Röhre verbogen wurde.
Der Nebenkläger hat bekundet, er habe auf dem Sofa des Angeklagten geschlafen, als dieser mit dem Hammer auf ihn eingeschlagen habe. Durch die Schläge sei er erwacht und in Richtung der Wohnungstür geflüchtet. Dort habe der Angeklagte ihm weitere Schläge versetzt. Das [X.] hat diese Angaben für widerlegt erachtet und seine Überzeugung auf die mit weiteren Beweisergebnissen in Einklang stehende Einlassung des Angeklagten gestützt.
Vor diesem Hintergrund beanstandet der Nebenkläger zu Recht, das [X.] habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 [X.]).
1. Der Nebenkläger hat die Vernehmung des ihn behandelnden Arztes Dr. S. zum Beweis dafür beantragt, er habe diesem bereits am Tattag berichtet, er habe geschlafen; als er aufgewacht sei, habe ein Freund vor ihm gestanden und mit einem Hammer auf ihn eingeschlagen.
Die [X.] hat diesen Antrag durch Beschluss mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellte Tatsache sei für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Es könne dahinstehen, ob der Nebenkläger gegenüber dem behandelnden Arzt die behauptete Äußerung gemacht habe. Dies bedeute nicht zwingend, dass das Geschehen sich so abgespielt habe; denn "aufgrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme geht die Kammer, wie auch in der Erklärung nach § 257b [X.] dargestellt, nicht davon aus, dass der Angeklagte den [X.] im Schlaf mit den Hammerschlägen überrascht hat."
Die in Bezug genommene Erklärung nach § 257b [X.] lautet - soweit hier von Relevanz - wie folgt: "Es wird nicht davon ausgegangen, dass der Angeklagte den [X.] mit Hammerschlägen im Schlaf überrascht hat."
2. Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Beweisantrags nicht.
a) Zwar ist es dem Tatgericht grundsätzlich nicht verwehrt, Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Jedoch hat der Beschluss, mit dem das Tatgericht die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der [X.] ablehnt, zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Gerichts zu unterrichten, dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und gegebenenfalls noch in der Hauptverhandlung das Gericht von der Erheblichkeit der [X.] überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können; zum anderen muss er dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist und ob die Feststellungen und Erwägungen des Ablehnungsbeschlusses mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Deshalb ist u.a. mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der [X.] keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss blieb (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, [X.], 267, 268; vom 3. Dezember 2004 - 2 [X.], [X.]R [X.] § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 26).
b) Diese Grundsätze gelten auch für Beschlüsse, mit denen Beweisanträge des [X.] zurückgewiesen werden. Zwar hat der 5. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 28. April 2010 (5 [X.], [X.], 714) - nicht tragend - angemerkt, ungeachtet des auch dem Nebenkläger nach § 397 Abs. 1 Satz 3 [X.] zugebilligten Beweisantragsrechts erscheine eine weniger restriktive Anwendung der gesetzlich vorgesehenen Ablehnungsgründe auf Beweisanträge des [X.] als beim Angeklagten vertretbar. Dem kann der Senat jedoch nicht folgen.
Gegen die vom 5. Strafsenat erwogene Auffassung sprechen bereits der eindeutige Wortlaut und die Systematik der Strafprozessordnung. § 397 Abs. 1 Satz 3 [X.] bestimmt, dass dem Nebenkläger das Beweisantragsrecht zusteht, und verweist auf § 244 Abs. 3 bis 6 [X.]. Dieser Regelung sind Einschränkungen nicht zu entnehmen; der Gesetzgeber hat - im Gegensatz etwa zu der Normierung der Rechtsmittelbefugnis des [X.] in § 400 Abs. 1 [X.] - darauf verzichtet, Reichweite und Grenzen der dem Nebenkläger eingeräumten Befugnis zur Stellung von Beweisanträgen gesondert auszugestalten (vgl. Bock, [X.] 2011, 119, 120). Auch den Materialien zum [X.] vom 18. Dezember 1986 ([X.] I S. 2496), mit dem das Beweisantragsrecht in § 397 Abs. 1 [X.] ausdrücklich aufgenommen wurde, kann ein entsprechender Wille nicht entnommen werden; vielmehr ist der Gesetzgeber bewusst dem Bundesrat nicht gefolgt, der sich gegen das Beweisantragsrecht des [X.] gewandt hatte (BT-Drucks. 10/5305, [X.], 33; vgl. hierzu auch [X.], [X.], 26. Aufl., § 397 Rn. 8 mwN). Zuletzt hat der Gesetzgeber mit dem [X.] vom 29. Juli 2009 ([X.] [X.]) u.a. den § 397 [X.] redaktionell umgestaltet. Dabei hat er allerdings das Beweisantragsrecht von [X.] nicht etwa eingeschränkt, sondern deren Verfahrensrechte insgesamt noch weiter gestärkt (vgl. BT-Drucks. 16/12098, S. 1 f.). Schließlich führt die Berücksichtigung von Sinn und Zweck des [X.] nicht zu einem anderen Ergebnis. Dem 5. Strafsenat ist zwar dahin zuzustimmen, dass das Beweisantragsrecht für den Angeklagten mit Blick auf seine Stellung im Strafverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Dies gilt indes in ähnlicher Weise für den Nebenkläger, dessen Interesse an der Wahrheitsfindung nicht von vornherein geringer zu bewerten ist. Eine gegen den Wortlaut und den gesetzgeberischen Willen restriktive Auslegung des § 397 Abs. 1 Satz 3 [X.], die dazu führen könnte, die wirksame Wahrnehmung der berechtigten Interessen durch den Nebenkläger zu beeinträchtigen, ist deshalb nicht veranlasst.
c) Nach dem aufgezeigten Maßstab genügen die Ausführungen des [X.]s in dem genannten Beschluss nicht. Dieser enthält ausschließlich einen pauschalen Hinweis auf das "Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme", der auch durch die in Bezug genommene Erklärung nach § 257b [X.] nicht näher konkretisiert wird. Damit ließ er zum einen den Antragsteller über die konkrete Einschätzung der [X.] über die Beweislage und die insoweit bestehende Verfahrenssituation im Ungewissen. Zum anderen ist dem Senat die rechtliche Nachprüfung dahin verwehrt, ob das [X.] die Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 [X.] rechtsfehlerfrei angenommen und ohne Rechtsfehler von der Vernehmung des [X.] in der Hauptverhandlung abgesehen hat.
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 [X.]). Weder vermag der Senat zu prüfen, ob das [X.] im Rahmen seiner antizipierenden Würdigung der unter Beweis gestellten Behauptung rechtsfehlerfrei keine Bedeutung zugemessen hat, noch kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller sein Prozessverhalten auf eine den Anforderungen entsprechende Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den Schuldspruch erheblichen Weise hätte einrichten können.
II.
Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].
Becker Pfister von Lienen
Schäfer [X.]
Meta
07.04.2011
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Urteil
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 16. Juli 2010, Az: 5 Ks 4/10, Urteil
§ 244 Abs 3 S 2 StPO, § 397 Abs 1 S 3 StPO
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.04.2011, Az. 3 StR 497/10 (REWIS RS 2011, 7798)
Papierfundstellen: REWIS RS 2011, 7798
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
3 StR 497/10 (Bundesgerichtshof)
5 StR 255/24 (Bundesgerichtshof)
5 StR 550/22, 5 StR 39/23 (Bundesgerichtshof)
Anforderungen an den Ablehnungsbeschluss hinsichtlich Beweisanträgen wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit; qualifizierte Konnexität
2 StR 283/13 (Bundesgerichtshof)
Strafverfahren: Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines molekularbiologische Sachverständigengutachtens wegen Bedeutungslosigkeit
5 StR 38/08 (Bundesgerichtshof)