Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2011, Az. VIII ZB 81/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1222

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BUNDES[X.]RI[X.]HTSHOF

BES[X.]HLUSS
VIII ZB 81/11
vom

22. November
2011

in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 114, 568, 574 Abs. 1 Nr. 2; GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
a)
Misst ein Einzelrichter in einem Beschwerdeverfahren einer Sache rechts-grundsätzliche Bedeutung zu und lässt deswegen die Rechtsbeschwerde zu, ist die Zulassung zwar wirksam, seine Entscheidung unterliegt jedoch auf Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die von Amts wegen zu berücksichtigende fehlerhafte Besetzung des Beschwerdegerichts der Aufhebung (Bestätigung von [X.], Beschluss vom 13.
März 2003 -
IX [X.], [X.]Z
154, 200; Senatsbeschlüsse vom 27. April 2010 -
VIII ZB 81/09, [X.], 385; vom 21.
September 2010 -
VIII [X.], WuM
2011, 61; vom 8.
März 2011 -
VIII
ZB 65/10, WuM
2011, 242).
b)
Die Rechtsbeschwerde kann im Verfahren über die Bewilligung von [X.] nur wegen solcher Fragen zugelassen werden, die das Verfahren oder die persönlichen Voraussetzungen betreffen (Bestätigung von [X.], Beschlüsse vom 21.
November 2002 -
V
[X.], NJW
2003, 1126; vom 4.
August 2004 -
XII
ZA 6/04, FamRZ
2004, 1633; vom 18.
Juli 2007 -
XII
ZA 11/07, NJW-RR 2008, 144).
[X.], Beschluss vom 22. November 2011 -
VIII ZB 81/11 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der VIII. Zivilsenat des [X.] hat am 22. November
2011
durch den Vorsitzenden [X.], den Richter [X.], die Richterinnen Dr.
Milger und [X.] sowie den Richter Dr. Bünger

beschlossen:

Der
Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 8. April 2011
gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde der
Beklagten wird der vorbezeichnete Beschluss der
3. Zivilkammer des [X.] auf-gehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die im [X.] entstandenen außergerichtlichen Auslagen hat die Klägerin zu tragen.
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde:
bis
3.500

-
3
-

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat
die Beklagte mit Versäumnisurteil vom 11.
Januar 2011
verurteilt,
die von ihr bewohnte Mietwohnung geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Die
Beklagte hat ihren hiergegen rechtzeitig mit Anwaltsschrift-satz vom 19. Januar 2011 eingelegten Einspruch damit begründet, dass das
Sozialamt innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB die angelaufe-nen Mietrückstände begleichen
werde. Zugleich hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das Amtsgericht hat den [X.] mit Beschluss vom 24. Januar 2011 wegen fehlender Erfolgsaussicht ab-gewiesen.

Mit Anwaltsschreiben vom 4. Februar 2011 hat die Beklagte unter Vorla-ge eines Schreibens der Landeshauptstadt [X.]

, in dem die Bereitschaft zur Übernahme eines zum 24. Januar 2011 bestehenden [X.] von n-gekündigt worden ist, erneut die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt er-klärt.
Dieser Erklärung hat sich die Beklagte unter Anerkennung ihrer Kosten-tragungspflicht angeschlossen. Mit Beschlüssen
vom 4.
März 2011 hat das Amtsgericht der Beklagten gemäß § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits auf-erlegt und den erneuten Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten mangels [X.] abgewiesen.

Die gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe
gerichtete sofortige Be-schwerde der Beklagten hat das Landgericht mit Beschluss des Einzelrichters vom 8. April 2011 unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. 1
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-
4
-

Nach Erhalt des ihr nur formlos übermittelten Beschlusses
hat die
Beklagte
mit am 11. Mai 2011 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz die [X.] für eine hiergegen beabsichtigte Rechtsbe-schwerde beantragt. Nach der am 19. September 2011 erfolgten Zustellung
des Bewilligungsbeschlusses hat sie
mit am 26. September 2011 beim [X.] eingegangenem Anwaltsschriftsatz Rechtsbeschwerde eingelegt und Antrag auf Wiedereinsetzung gegen
die
Versäumung der Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde gestellt.
Mit am 12. Oktober 2011 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz hat sie die Rechtsbeschwerde begründet und zudem Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beantragt.

II.
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Fristen
zur Einlegung und zur Begründung einer Rechtsbeschwerde gegen den angefochtenen Beschluss des [X.] sind vorliegend erfüllt.
1. Einer bedürftigen Partei, die ein Rechtsmittel einlegen will, ist grund-sätzlich
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Fristver-säumung (§§
233
ff. ZPO) zu gewähren, wenn sie bis zum Ablauf der [X.] ein Prozesskostenhilfegesuch eingereicht hat und sie vernünftiger-weise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender [X.] rechnen musste (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschluss vom 16. No-vember 2010 -
VIII
ZB 55/10, NJW 2011, 230 Rn. 7 mwN).
Dies setzt allerdings voraus, dass dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine ord-nungsgemäß ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den erforderlichen Belegen beigefügt worden ist (vgl. Se-4
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natsbeschluss vom 16. November 2010 -
VIII
ZB 55/10, aaO mwN). Diesen An-forderungen ist die
Beklagte im Rechtsbeschwerdeverfahren gerecht geworden. Da der Beschluss des [X.] vom 8. April 2011 dem Beklagtenvertreter nur formlos übermittelt worden ist, ist davon auszugehen, dass dieser von der Entscheidung nicht vor dem 11. April 2011 Kenntnis erlangt hat (§
189 ZPO), so dass
der beim [X.] am 11. Mai 2011 eingegangene Antrag und die diesem beigefügten Unterlagen innerhalb der Monatsfrist des §
575 Abs. 1 ZPO eingereicht worden sind. Die Beklagte war damit ohne Verschulden an der rechtzeitigen Einlegung und Begründung der von ihr
beabsichtigten Rechtsbe-schwerde gehindert.
2. Nach Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe hat die
Beklagte fristgerecht (vgl. §
234 Abs.
1 Satz 1, 2
ZPO) Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde (§
575 Abs. 1, 2 ZPO) beantragt. Zudem hat sie
die ver-säumten Rechtshandlungen binnen der in §
236 Abs. 2 Satz 2, §
234 Abs.
1 ZPO geregelten Fristen nachgeholt.
III.

Die Rechtsbeschwerde hat auch Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des an-gefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Be-schwerdegericht.
1. Das Rechtsmittel
ist statthaft. Die Entscheidung des [X.], die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist für den Senat bindend (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Darauf, ob das Beschwerdegericht die Voraussetzungen des § 574 Abs.
2 ZPO zutreffend beurteilt hat, kommt es hierbei nicht an (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 21. November 2002 -
V [X.], NJW 2003, 1126 unter [X.]). Auch der Umstand, dass die Zulassungsentscheidung durch den Einzelrichter 6
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unter Missachtung des Verfahrens nach § 568 Satz 2 ZPO (Übertragung auf die mit drei Mitgliedern besetzte Kammer) erfolgt ist, ändert an der Wirksamkeit der Zulassung nichts (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. März 2011 -
VIII ZB 65/10, [X.], 242 Rn. 3 mwN; vom 21. September 2010 -
VIII [X.], [X.], 61 Rn. 4; vom 27. April 2010 -
VIII ZB 81/09, [X.], 385 Rn. 5; [X.], Beschluss vom 14. September 2009 -
V [X.], [X.] 2009, 1311).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Der
Beschluss des Land-gerichts unterliegt -
wie die Beklagte zu Recht geltend macht
-
bereits deswe-gen der Aufhebung, weil er unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Ge-bots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, in denen er einen Zulassungsgrund bejaht, zwingend das Verfahren dem
Kollegium zu übertragen (§ 568 Satz 2 ZPO). [X.] er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die -
im Sinne aller in § 574 Abs. 2 ZPO
genannten Zulassungsgründe zu verstehende (Senatsbeschluss vom 8. März 2011 -
VIII ZB 65/10, aaO; [X.], Beschlüsse vom 13. März 2003 -
IX [X.], [X.]Z 154, 200, 202; vom 9. März 2006 -
V [X.], [X.], 697 unter III [2] a; vom 22. Januar 2008 -
X [X.], [X.], 159 Rn. 5)
-
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters. Dieser Verstoß ist vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen (st.
Rspr.; [X.], Beschluss vom 13. März 2003 -
IX [X.], aaO [X.] ff.; Senatsbeschlüsse vom 27. April 2010 -
VIII
ZB 81/09, aaO Rn.
6; vom 21. September 2010 -
VIII
[X.], aaO Rn. 5; vom 8. März 2011 -
VIII ZB 65/10, aaO).

3. Die Sache ist deshalb
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlus-ses an das Beschwerdegericht -
Einzelrichter
-
zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Rechtsbeschwerde im 9
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Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur wegen solcher Fra-gen zugelassen werden kann, die das Verfahren oder die persönlichen Voraus-setzungen betreffen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 21. November 2002 -
V [X.], aaO; vom 4. August 2004 -
XII ZA 6/04, [X.], 1633 unter [X.], 2; vom 18. Juli 2007 -
XII ZA 11/07, NJW-RR 2008, 144 Rn. 6). Eine Zulassung kommt daher nicht in Betracht, wenn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe -
wie hier
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allein von der Frage abhängt, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Aussicht auf Erfolg hat (vgl.
[X.], Beschluss vom 21. No-vember 2002
-
V [X.], aaO). Da das Prozesskostenhilfeverfahren nicht dazu dient, zweifelhafte Rechtsfragen vorab zu entscheiden, ist in den Fällen, in denen die aufgeworfenen Rechtsfragen der höchstrichterlichen Klärung bedür-fen, die Erfolgsaussicht der beabsichtigen Rechtsverfolgung
oder -vertei-
digung zu bejahen und der bedürftigen Partei Prozesskostenhilfe
zu
bewilligen,
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8
-

nicht aber von einer Bewilligung abzusehen und hiergegen die Rechtsbe-schwerde zuzulassen
(vgl. [X.], Beschluss vom 21. November 2002 -
V [X.], aaO).

Ball

[X.]

Dr. Milger

[X.]

Dr. Bünger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.03.2011 -
93 [X.] 6798/10 (31) -

LG [X.], Entscheidung vom 08.04.2011 -
3 T 12/11 -

Meta

VIII ZB 81/11

22.11.2011

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2011, Az. VIII ZB 81/11 (REWIS RS 2011, 1222)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1222

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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