Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.02.2012, Az. 9 AZR 486/10

9. Senat | REWIS RS 2012, 8961

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Gegenstand

Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs - Anwendbarkeit von tariflichen Ausschlussfristen - Schadensersatzanspruch wegen Verstoß des Arbeitgebers gegen die im NachwG normierten Nachweispflichten


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 24. Juni 2010 - 4 Sa 1029/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der [X.], den gesetzlichen Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 abzugelten. Hilfsweise begehrt er Schadensersatz.

2

Der Kläger war bei der [X.], einem Unternehmen des Großhandels, vom 1. Juli 1984 bis zum 31. März 2008 als kaufmännischer Angestellter tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den [X.] Betrieben des Groß- und Außenhandels idF vom 23. Juni 1997 ([X.]) Anwendung. In diesem heißt es auszugsweise:

        

„§ 18 Geltendmachung von Ansprüchen, Gerichtsstand

        

1.    

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind gegenüber der Geschäftsleitung oder der von ihr bezeichneten Stelle zunächst mündlich, bei Erfolglosigkeit schriftlich innerhalb der folgenden Fristen geltend zu machen:

                 

...     

                 

d)    

im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses: 2 Monate nach dem Ausscheiden.

        

...     

                 
        

3.    

Die Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht vor Ablauf der in Ziff. 1b - d genannten Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind (Ausschlussfristen).

        

...“   

        

3

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 1. Juli 1984 enthielt keinen Hinweis auf den [X.].

4

Der Kläger war vom 6. Juni 2007 bis mindestens 1. August 2008 krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Die Beklagte gewährte ihm weder für das [X.] noch für das Folgejahr Urlaub. Nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte schlossen die Parteien am 24. Oktober 2007 im Kündigungsrechtsstreit einen gerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis am 31. März 2008 endete. In einem an die Beklagte gerichteten Schreiben des Prozessbevollmächtigten des [X.] vom 30. Oktober 2007 heißt es ua.:

        

„Darüber hinaus ist … darauf hinzuweisen, dass mein Mandant noch 25 Tage Resturlaub für das Jahr 2007 hat und sodann noch weitergehenden Urlaub für 2008 für die verbleibenden 3 Monate von 6 Tagen besteht. Ob und inwieweit dieser dann abzugelten sein wird, bleibt abzuwarten. Sofern mein Mandant bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt, wird der Urlaub in natura eingebracht.“

5

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigen vom 23. Februar 2009 verlangte der Kläger von der [X.] ohne Erfolg, ua. den gesetzlichen Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 abzugelten.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung unter Beachtung der manteltariflichen Ausschlussfristen gegenüber der [X.] geltend gemacht. Der Anspruch sei nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern erst zu dem Zeitpunkt entstanden und fällig geworden, in dem das [X.] seine Rechtsprechung zur Befristung von Urlaubsansprüchen aufgegeben habe. Zudem verhalte sich die Beklagte treuwidrig, wenn sie sich auf die Ausschlussfrist berufe. Im Übrigen sei ihm Vertrauensschutz zu gewähren. Schließlich sei die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet, da sie ihm entgegen den Vorgaben des [X.] nicht mitgeteilt habe, dass § 18 [X.] auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.192,30 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. März 2009 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der im Jahr 2007 entstandene Urlaubsanspruch sei nicht auf das Folgejahr übertragen worden. Der Kläger habe die tarifvertragliche Ausschlussfrist weder mit dem Schreiben vom 30. Oktober 2007 noch mit dem Schreiben vom 23. Februar 2009 gewahrt. Sie sei dem Kläger gegenüber nicht zum Schadensersatz verpflichtet, da die tariflichen Regelungen über Ausschlussfristen bereits zu dem Zeitpunkt gegolten hätten, zu dem das Nachweisgesetz in [X.] getreten sei.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Dieser verfolgt mit der vom [X.] zugelassenen Revision sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das klageabweisende Urteil des [X.]s zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Die [X.] ist weder verpflichtet, den Urlaubsanspruch des [X.] abzugelten, noch hat sie ihm Schadensersatz zu leisten.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die [X.] seinen gesetzlichen Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 abgilt. Das [X.] hat mit Recht angenommen, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch, der dem Kläger nach § 7 Abs. 4 [X.] mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustand, gemäß § 18 Ziff. 1 Buchst. d iVm. § 18 Ziff. 3 [X.] verfallen ist.

1. Gemäß § 7 Abs. 4 [X.] hat der Arbeitgeber Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2008 hatte der Kläger Anspruch auf 25 Arbeitstage Urlaub.

a) Der zwischen den Parteien unstreitige Anspruch auf 20 Arbeitstage Mindesturlaub aus dem Jahre 2007 (§§ 1, 3 Abs. 1 [X.]) wurde gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 [X.] infolge der vom 6. Juni 2007 bis mindestens 1. August 2008 währenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des [X.] in das Jahr 2008 übertragen. Ist es dem Arbeitnehmer aufgrund einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unmöglich, seinen Urlaub am Jahresende zu nehmen, liegt ein Übertragungsgrund in der Person des Arbeitnehmers vor. Denn der Arbeitgeber ist aus Rechtsgründen gehindert, dem aufgrund seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit von der [X.] bereits befreiten Arbeitnehmer Urlaub zu erteilen. Urlaub und Arbeitsunfähigkeit schließen sich gegenseitig aus (vgl. [X.] 29. Juli 2003 - 9 [X.] - zu [X.] 2 b bb (1) der Gründe, [X.]E 107, 124). Die Übertragung erfolgt ipso iure. Rechtsgeschäftliche Handlungen der Arbeitsvertragsparteien sind somit nicht erforderlich (vgl. [X.] 24. März 2009 -  9 [X.]  - Rn. 52, [X.]E 130, 119 ).

b) Zu diesem übertragenen Urlaub trat am 1. Januar 2008 der gesetzliche Mindesturlaub im Umfang von 20 Tagen (§ 3 Abs. 1 [X.]). Der Umstand, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, ist im Hinblick auf das Entstehen des Urlaubsanspruchs zu Beginn des Urlaubsjahres ohne rechtliche Bedeutung (vgl. [X.] 28. Januar 1982 -  6 [X.]  - zu II 2 der Gründe, [X.]E 37, 382). Der aus dem Jahr 2008 resultierende Anspruch auf [X.] wandelte sich am 31. März 2008 von Gesetzes wegen nachträglich in einen Anspruch auf Teilurlaub im Umfang von fünf Arbeitstagen um (§ 5 Abs. 1 Buchst. c [X.]).

c) Die [X.] schuldete die Abgeltung des Urlaubs unabhängig davon, ob und zu welchem Zeitpunkt der Kläger nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt hat. Der Mindesturlaub ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig von der Erfüllbarkeit des [X.] in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis nach § 7 Abs. 4 [X.] abzugelten. Seine entgegenstehende Rechtsprechung hat der [X.] im Nachgang zu der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 20. Januar 2009 (- [X.]/06 und [X.]/06 - [[X.]] Slg. 2009, [X.]) aufgegeben (vgl. [X.] 24. März 2009 - 9 [X.] - Rn. 47 ff., [X.]E 130, 119).

2. Der Anspruch des [X.] auf Urlaubsabgeltung ist gemäß § 18 Ziff. 1 Buchst. d iVm. § 18 Ziff. 3 [X.] verfallen.

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden gemäß § 5 Abs. 4 [X.] die Regelungen des allgemeinverbindlichen [X.] Anwendung. Ist das Arbeitsverhältnis beendet, obliegt es nach § 18 Ziff. 1 Buchst. d [X.] dem Arbeitnehmer, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen einer Frist von zwei Monaten gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen. Versäumt er diese Frist, erlöschen die Ansprüche (§ 18 Ziff. 3 [X.]).

b) Ansprüche auf Urlaubsabgeltung unterfallen als Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis der Ausschlussfrist des § 18 Ziff. 1 Buchst. d [X.]. Der in § 18 Ziff. 3 [X.] angeordnete Verfall ist wirksam. Dem stehen weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] noch die vom Gerichtshof der [X.] vorgenommene und für den [X.] verbindliche Auslegung der Richtlinie 2003/88/[X.] und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ([X.]EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) entgegen.

aa) Nach der früheren [X.]srechtsprechung ließen tarifvertragliche Ausschlussfristen den Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs unberührt. Dies galt selbst in den Fällen, in denen die [X.] alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis befristete (vgl. zuletzt [X.] 20. Januar 2009 -  9 [X.]/07  - Rn. 21). In seiner Entscheidung vom 9. August 2011 (- 9 [X.] - Rn. 16 ff., [X.] 2011, 1421 ) hat der [X.] die Aufgabe dieser Rechtsprechung eingehend begründet. Er geht seitdem davon aus, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch denselben tariflichen Bedingungen unterfällt wie alle übrigen Zahlungsansprüche der Arbeitsvertragsparteien. Dies gilt auch für die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs (vgl. [X.] 9. August 2011 - 9 [X.] - Rn. 34, [X.] 2012 , 166; 9. August 2011 - 9 [X.] - Rn. 26, [X.] 2012, 14). Die Revision hat keinerlei Gesichtspunkte aufgezeigt, die den [X.] veranlassen könnten, diese Rechtsprechung zu revidieren.

bb) Die Rechtsprechung des [X.]s steht im Einklang mit den Vorgaben des Europarechts, insbesondere mit Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie und den hierzu vom Gerichtshof der [X.] aufgestellten Grundsätzen (vgl. [X.] 9. August 2011 - 9 [X.] - Rn. 25, [X.] 2011, 1421). Mit der Bestimmung einer zweimonatigen Frist zur mündlichen bzw. schriftlichen Geltendmachung haben die Tarifvertragsparteien den Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität (siehe hierzu [X.] 8. Juli 2010 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 25, [X.] § 15 Nr. 8; 18. September 2003 - [X.]/01 - [[X.]] Rn. 34, Slg. 2003, [X.]) ausreichend Rechnung getragen (vgl. [X.] 13. Dezember 2011 - 9 [X.] - Rn. 26).

c) Der Kläger hat den Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht binnen der in § 18 Ziff. 1 Buchst. d [X.] bestimmten Frist von zwei Monaten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Dieser Anspruch war mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2008 fällig. Der Kläger hätte ihn deshalb spätestens bis zum 31. Mai 2008 gegenüber der [X.]n geltend machen müssen. Diese Frist hat er nicht gewahrt.

aa) Der Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub abzugelten, entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Soweit die Revision geltend macht, der Anspruch des [X.] sei erst in dem Zeitpunkt entstanden, in dem der [X.] den Vorgaben des Gerichtshofs der [X.] in dem Urteil vom 20. Januar 2009 (- [X.]/06 und [X.]/06 - [[X.]] Slg. 2009, [X.]) im nationalen Recht Geltung verschafft habe, rechtfertigt dies nicht eine abweichende Entscheidung. Das [X.] hat in dem Urteil vom 24. März 2009 (- 9 [X.] - [X.]E 130, 119) die bestehende Rechtslage mit bindender Wirkung für die Parteien des damaligen Rechtsstreits festgestellt, diese jedoch nicht mit Verkündung des Urteils geschaffen.

bb) Vorbehaltlich abweichender Regelungen wird der Urlaubsabgeltungsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig (vgl. [X.] 11. Oktober 2010 - 9 [X.] - Rn. 20, [X.] 1979 § 72a Nr. 75 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 125 ). Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist (vgl. ausführlich [X.] 9. August 2011 - 9 [X.] - Rn. 19 ff., [X.] 2012, 14). Die Fälligkeit des Anspruchs ist nicht erst mit Verkündung der Leitentscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 20. Januar 2009 (- [X.]/06 und [X.]/06 - [[X.]] Slg. 2009, [X.]) oder der nachfolgenden Entscheidung des [X.]s vom 24. März 2009 (9 [X.] - [X.]E 130, 119) eingetreten. Für den Verfall eines Anspruchs kommt es regelmäßig nicht auf die Kenntnis des Gläubigers von dem Anspruch an (vgl. [X.] 13. Dezember 2007 - 6 [X.] - Rn. 19, [X.]E 125, 216; 26. April 1978 - 5 [X.] - zu II der Gründe, AP [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 64 = EzA [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 35). Ein Auseinanderfallen von Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt kann nur unter besonderen Umständen angenommen werden (vgl. hierzu [X.] 9. August 2011 - 9 [X.] - Rn. 37, [X.] 2012, 166). Solche besonderen Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen. Ihm war es möglich, den nunmehr erhobenen Anspruch fristgerecht gegenüber der [X.]n mündlich und schriftlich geltend zu machen.

cc) Mit der Erhebung der [X.] hat der Kläger den Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht geltend gemacht. Erhebt ein Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage, kann darin zwar grundsätzlich eine schriftliche Geltendmachung der Ansprüche liegen, die vom Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängen (vgl. [X.] 11. Februar 2009 - 5 [X.]/08 - Rn. 17, AP [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 192 = EzA [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 195 ; 14. Dezember 2005 - 10 [X.] - Rn. 24, [X.]E 116, 307; 10. Juli 2003 -  6 [X.]  - zu 6 der Gründe, EzA [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 168). Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung knüpft jedoch nicht an den Erfolg der Kündigungsschutzklage, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, an, sondern setzt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade das Gegenteil voraus. [X.] der Arbeitnehmer den tariflichen Verfall solcher Ansprüche verhindern, reicht die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht aus (vgl. zur Karenzentschädigung: [X.] 18. Dezember 1984 - 3 [X.] - zu II 2 a der Gründe, AP [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 87 = EzA [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 61).

dd) Auch mit dem Schreiben vom 30. Oktober 2007 hat der Kläger die tarifliche Ausschlussfrist nicht gewahrt.

(1) Das [X.] hat das Schreiben so ausgelegt, dass der Prozessbevollmächtigte des [X.] lediglich auf einen in der Zukunft möglicherweise entstehenden [X.] hingewiesen hat. Dieses Auslegungsergebnis ist in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt zu kontrollieren. Die Auslegung nichttypischer Erklärungen und rechtsgeschäftsähnlicher Handlungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Das Revisionsgericht kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht von den gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) ausgegangen ist, den gesamten Auslegungsstoff berücksichtigt hat und weder gegen Denk- noch gegen Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. [X.] 19. Mai 2009 - 9 [X.]/08 - Rn. 19, [X.]E 131, 30).

(2) An diesen Maßstäben gemessen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] dem Schreiben nicht den Inhalt einer Geltendmachung iSd. § 18 Ziff. 1 [X.] beigemessen hat. Das [X.] hat sowohl den Wortlaut des Schreibens als auch die Umstände, unter denen der Kläger das Schreiben an die [X.] richtete, berücksichtigt. Gegen das Auslegungsergebnis des [X.]s richtet sich auch kein Angriff der Revision. Vielmehr hat der Kläger in der Revisionsbegründung zu erkennen gegeben, er habe zum damaligen Zeitpunkt von einer Geltendmachung Abstand genommen, weil er auf der Grundlage der damaligen Rechtsprechung des [X.]s davon ausgegangen sei, dass die [X.] zur Abgeltung des Urlaubs nicht verpflichtet sei.

3. Die [X.] hat das Recht, sich auf die tarifliche Ausschlussfrist zu berufen, nicht verwirkt (§ 242 BGB).

a) Beruft sich ein Arbeitgeber auf eine Ausschlussfrist, verstößt dies gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und ist damit gemäß § 242 BGB unzulässig, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Arbeitnehmers durch ein Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden ist (vgl. [X.] 18. November 2004 - 6 [X.] - zu 6 a der Gründe, [X.]E 112, 351). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die [X.] hat bei dem Kläger nicht den Eindruck erweckt, er brauche die tariflichen Fristen zur Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht einzuhalten.

b) Allein der mögliche Verstoß der [X.]n gegen die ihr obliegenden Pflichten aus dem [X.] begründet nicht den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist der Arbeitgeber verpflichtet, spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Gemäß § 3 Satz 1 [X.] ist dem Arbeitnehmer eine Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen spätestens einen Monat nach der Änderung schriftlich mitzuteilen. Hat das Arbeitsverhältnis bereits bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestanden, so ist dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen innerhalb von zwei Monaten eine Niederschrift auszuhändigen (§ 4 Satz 1 [X.]). In die Niederschrift ist ua. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, aufzunehmen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 [X.]). Selbst wenn zugunsten des [X.] unterstellt würde, die [X.] sei ihren Verpflichtungen aus dem [X.] nicht nachgekommen, lägen die Voraussetzungen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht vor. Verstößt ein Arbeitgeber gegen die in § 2 oder § 3 Satz 1 [X.] normierten Nachweispflichten, hindert ihn dies nicht, die Erfüllung eines von dem Arbeitnehmer erhobenen Anspruchs unter Berufung auf die Ausschlussfrist abzulehnen (vgl. [X.] 5. November 2003 - 5 [X.] - zu I 5 b der Gründe, [X.]E 108, 256; 17. April 2002 -  5 [X.]  - zu [X.] der Gründe, [X.]E 101, 75).

4. Der Kläger nimmt ohne Erfolg Vertrauensschutz für sich in Anspruch. Der [X.] braucht nicht darüber zu befinden, ob seine frühere Rechtsprechung, wonach Ausschlussfristen den Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht berührten, geeignet war, ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer zu begründen. Spätestens nach Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des [X.]s Düsseldorf in der Sache [X.] vom 2. August 2006 (- 12 [X.]/06 - LAGE [X.] § 7 Nr. 43) konnten Arbeitnehmer nicht mehr davon ausgehen, dass die Rechtsprechung des [X.]s unverändert fortgeführt würde. Durch dieses Vorabentscheidungsersuchen wurde nicht nur ein einzelner Aspekt, wie das Erlöschen von Urlaubsabgeltungsansprüchen bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit, sondern die Rechtsprechung zur Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach der Surrogatstheorie infrage gestellt. Davon waren auch die Grundsätze betroffen, die der [X.] unter dem Regime der Surrogatstheorie zum Nichteingreifen von tariflichen Ausschlussfristen entwickelt hatte (vgl. [X.] 9. August 2011 - 9 [X.] - Rn. 48, [X.] 2012, 166).

5. Höhere Gewalt stand einer fristgerechten Geltendmachung des erhobenen Anspruchs nicht entgegen. Der in § 206 BGB normierte [X.] hinderte nicht den Verfall des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs. Nach § 206 BGB ist die Verjährung gehemmt, solange der Berechtigte innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Diese Vorschrift wird als allgemeingültiges Rechtsprinzip auch auf Ausschlussfristen angewandt. Der [X.] braucht nicht zu entscheiden, ob § 206 BGB über seinen Wortlaut hinaus auf die Fälle einer sog. „gefestigten anspruchsfeindlichen Rechtsprechung“ anzuwenden ist (vgl. hierzu [X.] 7. November 2002 - 2 [X.]/01 - zu [X.] 4 b dd der Gründe, [X.]E 103, 290). Denn die Vorschrift des § 18 Ziff. 1 Buchst. d [X.] verlangte vom Kläger nicht die Erhebung einer Klage vor dem [X.], sondern lediglich die fristgerechte mündliche und gegebenenfalls schriftliche Geltendmachung gegenüber der [X.]n. Dies war ihm unabhängig von der damaligen Rechtsprechung möglich und zumutbar. Im Übrigen hätte eine Hemmung der Ausschlussfrist spätestens mit Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des [X.]s Düsseldorf in der Sache [X.] vom 2. August 2006 (- 12 [X.]/06 - LAGE [X.] § 7 Nr. 43) geendet. Ab diesem Zeitpunkt konnte der Kläger nicht mehr davon ausgehen, dass der [X.] seine bisherige Rechtsprechung zur Surrogatstheorie aufrechterhalten werde (vgl. [X.] 9. August 2011 - 9 [X.] - Rn. 50, [X.] 2012, 166).

II. Der [X.] ist auch nicht unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten begründet. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10, § 3 Satz 1 [X.] liegen nicht vor. Selbst wenn der [X.] zugunsten des [X.] davon ausginge, die [X.] habe gegen die ihr obliegenden Pflichten aus dem [X.] verstoßen, fehlte es an der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem vom Kläger geltend gemachten Schaden. Davon ist das [X.] zu Recht ausgegangen.

1. Befindet sich ein Arbeitgeber mit der Aushändigung der nach § 2 [X.] geschuldeten Niederschrift oder der ihm nach § 3 [X.] obliegenden Mitteilung in Verzug, hat er gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB den durch den eingetretenen Verzug adäquat verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadensersatzanspruch ist auf Naturalrestitution gerichtet (§ 249 Abs. 1 BGB). Deshalb kann ein Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber verlangen, so gestellt zu werden, als wäre sein Zahlungsanspruch nicht untergegangen, wenn ein solcher Anspruch nur wegen Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers bestehen würde (vgl. [X.] 5. November 2003 - 5 [X.] - zu [X.] 3 a der Gründe, AP [X.] § 2 Nr. 7 = EzA [X.] § 2 Nr. 6 ).

a) Bei der Prüfung der adäquaten Verursachung kommt dem Arbeitnehmer die Vermutung eines aufklärungsgemäßen Verhaltens zugute. Danach ist grundsätzlich davon auszugehen, dass jedermann bei ausreichender Information seine Eigeninteressen in vernünftiger Weise wahrt. Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 [X.] ist zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die tarifliche Ausschlussfrist beachtet hätte, wenn der Arbeitgeber ihn auf die Geltung des Tarifvertrags hingewiesen hätte. Dem Arbeitgeber bleibt die Möglichkeit, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen (vgl. [X.] 5. November 2003 - 5 [X.] - zu [X.] 3 a der Gründe, AP [X.] § 2 Nr. 7 = EzA [X.] § 2 Nr. 6).

b) Ein möglicher Verstoß der [X.]n gegen ihre nachweisrechtlichen Pflichten war nicht dafür ursächlich, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 18 Ziff. 1 Buchst. d iVm. § 18 Ziff. 3 [X.] erloschen ist. Nach den von der Revision mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit für den [X.] bindenden (§ 559 ZPO) Feststellungen des [X.]s hätte der Kläger auch bei Kenntnis der Ausschlussfrist von einer fristgerechten Geltendmachung gegenüber der [X.]n abgesehen. Denn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ausschlussfrist auslief, ging der Kläger auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung davon aus, es stehe ihm infolge seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Abgeltung des bis zum 31. März 2008 nicht genommenen Urlaubs nicht zu.

2. Der Kläger vermag das Klagebegehren nicht mit Erfolg auf deliktsrechtliche Vorschriften zu stützen. Insbesondere ist die [X.] nicht nach § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB iVm. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10, § 3 Satz 1 [X.] zum Schadensersatz verpflichtet. § 3 Satz 1 [X.] ist ebenso wenig Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB wie § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 [X.] (vgl. [X.] 5. November 2003 - 5 [X.] - zu I 5 c cc der Gründe, [X.]E 108, 256).

[X.]. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Brühler    

        

    Klose    

        

    [X.]    

        

        

        

    Ropertz    

        

    Pielenz    

                 

Meta

9 AZR 486/10

21.02.2012

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Regensburg, 12. Oktober 2009, Az: 3 Ca 861/09, Urteil

§ 7 Abs 4 BUrlG, § 7 Abs 3 S 2 BUrlG, § 280 Abs 1 S 1 BGB, § 2 Abs 1 S 2 Nr 10 NachwG, § 3 S 1 NachwG, § 1 Abs 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.02.2012, Az. 9 AZR 486/10 (REWIS RS 2012, 8961)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8961

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