Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.09.2022, Az. 5 StR 191/22

5. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5359

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Gegenstand

Akteneinsicht in Strafsachen: Unzulässige Beschränkung der Verteidigung durch Nichtüberlassung von "Originaldaten" des Bundeskriminalamts


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. November 2021 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Der [X.] bemerkt ergänzend:

Soweit der Beschwerdeführer eine „unzulässige Beschränkung der Verteidigung durch Ablehnung der Akteneinsicht in die Originaldaten (§ 338 Nr. 8 iVm § 147 Abs. 1 [X.])“ rügt, entspricht das [X.] neben den vom [X.] in seiner Antragsschrift aufgezeigten Gesichtspunkten auch aus folgenden Gründen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]: Nachdem das [X.] die von der Verteidigung beantragte Beiziehung der „Rohdaten“ zu den – bei den Akten befindlichen – ([X.] abgelehnt hatte, hat der Beschwerdeführer eine Gegenvorstellung hierzu erhoben und darin ein Protokoll des [X.] in Bezug genommen. Ausweislich der Revisionsbegründung sollen darin „Erkenntnisse(n) aus den Vernehmungen“ eines [X.] und eines [X.] Beamten enthalten sein, wonach die (Original-)Daten „in besonderer Weise bearbeitet und selektiert worden“ seien. Das Protokoll selbst oder dessen Inhalt hat er indes nicht mitgeteilt. Dazu war er aber verpflichtet. Denn ohne Kenntnis des Protokolls kann der [X.] nicht prüfen, ob das Tatgericht durch die Ablehnung der Beiziehung der „Originaldaten“ den Beschwerdeführer in seiner Verteidigung unzulässig beschränkt haben (§ 338 Nr. 8 [X.]) oder seinen Aufklärungspflichten (§ 244 Abs. 2 [X.]) nicht nachgekommen sein könnte. Sollte dem Revisionsführer der Vortrag nicht möglich gewesen sein, weil ihm das Protokoll nicht vorlag, hätte er sich – damit die Ausnahme von der an sich nach § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] bestehenden Vortragspflicht gerechtfertigt und belegt wird – jedenfalls bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge um dessen Erhalt bemühen und die entsprechenden Anstrengungen dartun müssen (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Februar 2010 – 4 StR 599/09, [X.], 530 mwN; [X.], 8. Aufl., § 338 Rn. 101).

Die Rüge wäre aber auch unbegründet.

Ein Verstoß gegen das Akteneinsichts- oder das Besichtigungsrecht von Beweisstücken nach § 147 Abs. 1 [X.] liegt auf der Grundlage des [X.]s nicht vor. Denn der Anspruch bezieht sich nur auf die dem Gericht tatsächlich vorliegenden Akten und auf die in diesem Verfahren verwahrten Beweisstücke (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Januar 1983 – 2 BvR 864/81, [X.]E 63, 45, 60; [X.], Beschluss vom 11. November 2004 – 5 [X.], [X.]St 49, 317, 327; [X.]/[X.], [X.], 65. Aufl., § 147 Rn. 13, 19). Diese Eigenschaft hätten die „Originaldaten“ aber erst durch ihre – von der Verteidigung indes erfolglos beantragte – Beiziehung erlangt.

Die Ablehnung der Beiziehung der „Originaldaten“ begegnet auf der Grundlage des [X.] keinen rechtlichen Bedenken. Denn ausweislich der Ablehnungsbegründung lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass einzelne für das Verfahren relevante Chats aus den „Originaldaten“ zurückgehalten oder inhaltlich verändert worden seien.

Soweit die Rüge auch mit der Stoßrichtung der Verletzung von Art. 6 Abs. 1 [X.] erhoben worden sein sollte, bliebe sie schon deshalb ohne Erfolg, weil der Beschwerdeführer ausweislich des [X.]s nicht beim [X.] um Einsicht in die „Rohdaten“ ersucht hat. Sein Hinweis auf die Entscheidung des [X.] betreffend den Zugang zu den [X.] bei Geschwindigkeitsübertretungen geht daher fehl. Denn der dortige Beschwerdeführer hatte sich vor dem gerichtlichen Verfahren (erfolglos) bei der Verwaltungsbehörde darum bemüht, die nicht bei der [X.] befindlichen [X.] zu erhalten (vgl. [X.], Beschluss vom 21. November 2021 – 2 BvR 1616/18, NJW 2021, 455, 460; siehe auch [X.], Beschluss vom 12. Januar 1983 – 2 BvR 864/81, [X.]E 63, 45, 66).

[X.]     

      

[X.]     

      

Köhler

      

Resch     

      

von Häfen     

      

Meta

5 StR 191/22

28.09.2022

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hamburg, 19. November 2021, Az: 606 KLs 1/21

§ 147 Abs 1 StPO, § 338 Nr 8 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.09.2022, Az. 5 StR 191/22 (REWIS RS 2022, 5359)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5359

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Referenzen
Wird zitiert von

6 StR 256/22

5 StR 412/22

6 StR 509/22

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