Bundessozialgericht, Urteil vom 27.02.2019, Az. B 8 SO 10/17 R

8. Senat | REWIS RS 2019, 9850

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Gegenstand

(Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten gegen den vorrangig verpflichteten Sozialhilfeträger - Umfang der Kostenerstattung - Anwendbarkeit des § 110 Abs 2 SGB 12)


Leitsatz

Der Anwendungsbereich der sozialhilferechtlichen Bagatellgrenze ist auf spezifische Erstattungsansprüche aus dem Sozialhilferecht begrenzt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 7. Juni 2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1500 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

[X.] steht die Erstattung von 1500 Euro, die der Kläger für Leistungen an [X.]. ([X.]) aufgewendet hat.

2

[X.] ist 1968 geboren und lebt in einer eigenen Wohnung. Er ist geistig behindert; ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 ist festgestellt.

3

Auf den Antrag des [X.], ihm ein persönliches Budget im Bereich Hauswirtschaft, Begleitung (Mobilität), Betreuung und ggf Pflege zu gewähren (Schreiben vom [X.]), fand am 22.4.2013 ein sog [X.] des Klägers mit [X.] statt. [X.]er Kläger bewilligte [X.] daraufhin, gestützt [X.] auf § 14 [X.] behinderter Menschen - ([X.]) ab [X.] ein persönliches Budget von monatlich 250 Euro (Bescheid vom [X.]) und meldete einen Erstattungsanspruch beim Beklagten an (Schreiben vom [X.]). [X.]iesen Anspruch lehnte der Beklagte ab (zuletzt mit Schreiben vom 25.11.2015).

4

[X.]ie Klage, gerichtet auf Erstattung von insgesamt 1500 Euro, ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des [X.] vom 12.4.2016; Urteil des [X.] <[X.]> vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] [X.] ausgeführt, einem unterstellten Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten stünde die sog Bagatellgrenze von 2560 Euro nach § 110 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]) entgegen. [X.]iese Grenze gelte auch für Erstattungsansprüche zwischen [X.] nach § 104 Zehntes [X.] - (SGB X).

5

[X.]agegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision und rügt eine Verletzung des § 110 Abs 2 [X.]. [X.]ie sog Bagatellgrenze finde auf Erstattungsansprüche außerhalb des [X.] des 13. Kapitels [X.] keine Anwendung. [X.]agegen spreche nicht nur die systematische Stellung der Norm im [X.], sondern auch, dass § 110 Satz 2 SGB X selbst eine Bagatellgrenze (50 Euro) für Erstattungsansprüche vorsehe. Jedenfalls aber sei die in § 110 Abs 2 Satz 1 [X.] enthaltene Ausnahmeregelung, die unmittelbar nur die Fälle der vorläufigen Leistungserbringung nach § 98 Abs 2 Satz 3 [X.] erfasse, analog auf die Leistungserbringung auf Grundlage des § 14 [X.] anzuwenden, weil auch hier der erstangegangene Träger nur vorläufig leiste.

6

[X.]er Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 7. Juni 2017 sowie den Gerichtsbescheid des [X.] vom 12. April 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 1500 Euro zu zahlen.

7

[X.]er Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

[X.]ie Revision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ). [X.]er Erstattungsanspruch des [X.] ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Höhe der geltend gemachten Erstattungsforderung 2560 Euro unterschreitet; doch fehlt es für eine abschließende Entscheidung an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) des [X.] dazu, wofür die [X.] an [X.] tatsächlich erbracht worden sind, sodass auch nicht beurteilt werden kann, ob der behauptete Erstattungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach tatsächlich besteht und zutreffend gegen den Beklagten gerichtet worden ist.

Gegenstand des Verfahrens ist die Erstattung der in der [X.] vom 1.3. bis 31.8.2013 erbrachten Zahlungen in Höhe von 1500 Euro, die der [X.]läger mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) geltend macht. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler liegen nicht vor; eine Beiladung des [X.] gemäß § 75 Abs 2 1. Alt SGG (echte notwendige Beiladung) war nicht erforderlich (stRspr; vgl nur [X.]-3500 § 106 [X.] Rd[X.]4; BSG Urteil vom [X.] [X.] 6/12 R - Rd[X.]0 mwN).

[X.]em [X.]läger kann ein Erstattungsanspruch nach § 104 [X.] (in der Fassung des [X.] im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften <4. [X.]> vom [X.], [X.] 1983) iVm § 14 Abs 1 [X.] (in der bis 31.12.2017 maßgeblichen Normfassung des [X.] schwerbehinderter Menschen vom 23.4.2004 - [X.] 606, alte Fassung ) zustehen, wenn er als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Rehabilitationsleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 [X.] vorliegen. In diesem Fall ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers [X.]enntnis erlangt hat (§ 104 Abs 1 Satz 1 [X.]). [X.] kommt aber auch ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten nach § 105 [X.] in Betracht, wenn die vom [X.]läger erbrachten Leistungen keine Rehabilitationsleistungen waren und der Beklagte der für diese Leistungen zuständige Leistungsträger war.

Wurden für rehabilitative Bedarfe Leistungen gezahlt, kommt der [X.]läger als nachrangig verpflichteter Träger iS des § 104 [X.] iVm § 14 [X.] aF in Betracht. Nach § 14 Abs 1 Satz 1 und 2 [X.] hat der mit einem Rehabilitationsantrag angegangene Rehabilitationsträger zu prüfen, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Leitet er den Antrag nicht weiter, wird er selbst umfassend für die erforderlichen Rehabilitationsleistungen zuständig (Abs 2 Satz 1).

[X.]er [X.]läger hat den Antrag des [X.], ihm Leistungen im Bereich Hauswirtschaft, Begleitung (Mobilität), Betreuung und ggf Pflege zu gewähren, also einen Antrag, der jedenfalls auch auf die Gewährung von Rehabilitationsleistungen (Teilhabe am Leben in der [X.]) gerichtet war (zur Anwendbarkeit des § 14 [X.] auch bei Unklarheiten darüber, ob Rehabilitationsleistungen oder zB Maßnahmen der [X.]rankenbehandlung erforderlich sind, vgl nur [X.] in [X.], 3. Aufl 2018, § 14 Rd[X.]7 mwN; [X.] in [X.], 2. Aufl 2015, § 14 Rd[X.] 60 mwN; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2010, § 14 [X.] Rd[X.] 2 ff, 23), nicht binnen der Frist von zwei Wochen nach § 14 Abs 1 Satz 1 [X.] aF an einen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet.

In solchen Fällen begründet § 14 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 und 2 [X.] aF für das [X.] zwischen den Trägern eine nachrangige Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers, wenn er außerhalb der durch § 14 [X.] geschaffenen Zuständigkeitsordnung unzuständig, ein anderer Träger aber eigentlich zuständig gewesen wäre (vgl dazu nur [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.] 9; [X.]-1750 § 524 [X.] Rd[X.]8). [X.]arauf, dass [X.]läger und Beklagter nach § 1 Abs 1 Satz 1 des [X.] zum [X.]II ( vom 20.12.2004 , geändert durch Gesetz vom 10.12.2013 - GVBl 675) als überörtlicher bzw örtlicher Träger der Sozialhilfe außerhalb des § 14 [X.] aF nicht in einem Verhältnis des Vor- oder Nachrangs zueinander stehen, kommt es nicht an; denn § 14 [X.] aF schafft gerade das von § 104 [X.] vorausgesetzte Verhältnis des Vor- und Nachrangs und lässt das von sonstigen Vorschriften bestimmte Verhältnis der Rehabilitationsträger zueinander, auch solcher, die unabhängig von § 14 [X.] aF in einem Vorrang-/Nachrangverhältnis stehen können (zum Verhältnis Sozialhilfe/Jugendhilfe und der Anwendbarkeit des § 14 [X.] auch in dieser [X.]onstellation: vgl [X.], 53 = [X.]-3500 § 54 [X.]3, Rd[X.] 21; [X.]-1750 § 524 [X.] Rd[X.]8), unberührt.

Ein Fall des § 103 [X.] liegt ebenso wenig vor wie eine zielgerichtete Zuständigkeitsanmaßung, die eine Erstattung nach § 104 [X.] ausschließen würde (vgl dazu [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.]; [X.]-3100 § 18c [X.] 2 Rd[X.] 30). Angesichts des von [X.] formulierten Leistungsbegehrens und der von 1998 bis 2006 vom [X.]läger bereits erbrachten Leistungen des ambulant betreuten [X.] war dessen örtliche und sachliche Zuständigkeit (§ 97 Abs 2 Satz 1 [X.]II iVm § 2a , § 2 und § 97 Abs 3 [X.] [X.]II, § 98 Abs 1 [X.]II) nicht von vornherein auszuschließen.

Ob der [X.]läger die Leistungen für [X.] als erstangegangener (und damit nachrangiger) Leistungsträger nach § 14 [X.] oder als unzuständiger Träger iS von § 105 [X.] erbracht hat und ob der Beklagte (eigentlich) zuständiger Leistungsträger war, kann der Senat nicht abschließend beurteilen, weil das [X.] keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen hat, welche Leistungen konkret erbracht wurden. Es fehlen auch Feststellungen dazu, welcher Bedarf bei [X.] überhaupt bestand und inwieweit die erbrachten Leistungen zur [X.]eckung dieses Bedarfs erforderlich gewesen sind, um beurteilen zu können, ob die Leistungen dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig waren.

[X.]iese Feststellungen sind auch nicht entbehrlich, weil ein möglicher Erstattungsanspruch des [X.] entgegen der Auffassung des [X.] nicht schon wegen Unterschreitens der sog Bagatellgrenze von 2560 Euro nach § 110 Abs 2 [X.]II ausgeschlossen ist. Nach § 110 Abs 1 Satz 1 [X.]II sind die aufgewendeten [X.]osten zu erstatten, soweit die Leistung dem [X.]II entspricht. [X.]osten unter 2560 Euro, bezogen auf einen [X.]raum der Leistungserbringung von bis zu zwölf Monaten, sind außer in den Fällen einer vorläufigen Leistungserbringung nach § 98 Abs 2 Satz 3 [X.]II nicht zu erstatten (§ 110 Abs 2 Satz 1 [X.]II in der Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom 24.3.2011, [X.] 453). [X.]iese Bagatellgrenze gilt nach der Systematik des Gesetzes unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Regelung sowie nach ihrem Sinn und Zweck nur für die Erstattungsansprüche, die im [X.]II selbst ihre Grundlage haben, also Erstattungsansprüche nach §§ 106 ff [X.]II (wie hier Schiefer in Oestreicher/[X.]ecker, [X.]/[X.]II, Stand 1/05, § 110 [X.]II Rd[X.] 8; [X.] in jurisP[X.]-[X.]II, 2. Aufl 2014, § 110 Rd[X.] 29; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]II, 19. Aufl 2015, § 110 Rd[X.] 23; [X.]linge in [X.]/[X.], [X.]II, Stand 2/13, [X.] § 110 Rd[X.] 8; unklar [X.] in Lehr- und Praxiskommentar, [X.]II, 11. Aufl 2018, § 110 Rd[X.] 22).

[X.]ie Regelung, überschrieben mit "Umfang der [X.]ostenerstattung", steht im [X.] Abschnitt des 13. [X.]apitels des [X.]II, der entsprechend seines Titels die "[X.]ostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe" regelt. In den §§ 106 bis 108 [X.]II sind spezifische und typischerweise nur bei [X.] anfallende [X.]ostenerstattungsansprüche geregelt. [X.]aran schließen sich allgemeine Regelungen für alle [X.]ostenerstattungsansprüche an, nämlich neben § 110 [X.]II die Regelung zur Verjährung von [X.]ostenerstattungsansprüchen (§ 111 [X.]II) und eine Ermächtigung der Länder (§ 112 [X.]II), Abweichendes über die [X.]ostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe in ihrem Bereich zu regeln. [X.]amit bilden die Vorschriften im [X.] Abschnitt des 13. [X.]apitels bereits nach der Gesetzessystematik typischerweise nur zwischen [X.] anfallende [X.]ostenerstattungsansprüche ab und kleiden diese in ein geschlossenes Regelungskonzept, in das die Bagatellgrenze des § 110 Abs 2 Satz 1 [X.]II eingebettet ist. In den dort aufgeführten Fällen sollen mithin Erstattungsansprüche nicht in Betracht kommen; ob es sich bei der sog Bagatellgrenze um einen Ausschlusstatbestand, der den Erstattungsanspruch erst gar nicht zum Entstehen bringt (BVerwG vom 13.5.2004 - 5 C 47/02 - Rd[X.]7; Schiefer in Oestreicher/[X.]ecker, [X.]/[X.]II, Stand 1/05, § 110 [X.]II Rd[X.] 7, 17; [X.] in jurisP[X.]-[X.]II, 2. Aufl 2014, § 110 Rd[X.] 28) oder - wofür wohl weniger spricht - um eine bloße Einrede des Erstattungspflichtigen handelt, die einem Erstattungsbegehren entgegengehalten werden kann (Leistungsverweigerungsrecht, so [X.] in Grube/[X.], [X.]II, 6. Aufl 2018, § 110 Rd[X.]5), kann hier dahinstehen. Wenn man der Auffassung folgt, es handele sich um eine Einrede, wäre diese jedenfalls erhoben worden.

[X.]as aufgezeigte systematische Verständnis wird durch die Gesetzeshistorie gestützt. Mit dem Gesetz über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit [X.]eutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte (Gesetz zur Umsetzung des Föderalen [X.]onsolidierungsprogramms vom [X.], [X.] 944 ) hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom [X.] die Vorgängerregelung des § 110 Abs 2 [X.]II, § 111 Abs 2 [X.] ([X.]), neu gefasst, die Bagatellgrenze in Abs 2 auf 5000 [X.]M erhöht, die Erstattungstatbestände der §§ 103 ff [X.] reduziert und eine Vereinfachung der "gebliebenen [X.]ostenerstattung und eine erste Angleichung an das [X.]" angestrebt (BT-[X.]rucks 12/4401 [X.] ff zu Nummer 17). Allerdings wurde trotz des erkennbaren Bezugs der im [X.] getroffenen Änderungen zum [X.] weder § 111 Abs 2 [X.] unter Verweis auf die vergleichbare Bagatellregelung im [X.] gestrichen noch, was an anderer Stelle bereits geschehen war, für die Sozial- und Jugendhilfeträger eine bereichsspezifische Sonderregelung in die §§ 103 ff [X.] aufgenommen (vgl damals wie heute § 103 Abs 3, § 104 Abs 1 Satz 4 oder § 105 Abs 3 [X.]); es ist mithin davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das "Nebeneinander" beider Bagatellregelungen gesehen hat und von einem unterschiedlichen Anwendungsbereich ausgegangen ist.

Sinn und Zweck der Bagatellgrenze des § 110 Abs 2 Satz 1 [X.]II bestätigen dieses Ergebnis. [X.]er Gesetzgeber hat - wie ausgeführt - im [X.] nur solche Erstattungsregelungen bestehen lassen und diese insoweit unverändert in das [X.]II übernommen, die allein das Binnenverhältnis von [X.] betreffen können, weil sie der im Sozialhilferecht maßgeblichen grundsätzlichen Leistungszuständigkeit des örtlichen Trägers am Ort des tatsächlichen Aufenthalts der hilfebedürftigen Person (vgl § 98 Abs 1 Satz 1 [X.]II, § 97 Abs 1 Satz 1 [X.]) geschuldet sind. In den vom Gesetzgeber in den §§ 106 ff [X.]II typisierend erfassten Fällen kann diese Zuständigkeitszuweisung im Ergebnis zu einer ungleichen Lastenverteilung zwischen den [X.] führen, die über die jeweiligen Erstattungsregelungen wieder ausgeglichen werden soll. [X.]ie §§ 106 ff [X.]II können deshalb auch als besondere Lastenausgleichsregelungen verstanden werden, die - anders als die §§ 102 ff [X.] - nicht der Wiederherstellung der materiell-rechtlichen [X.]ostentragungspflichten dienen ([X.]-5910 § 147 [X.] 2 Rd[X.]2 zu § 108 [X.]; [X.] in jurisP[X.]-[X.]II, 2. Aufl 2014, § 110 Rd[X.] 8 mwN). In einem Lastenausgleichssystem, das auf eine in der Gesamtschau ausgeglichene "Leistungsbilanz" zwischen den [X.] ausgelegt ist, ist deshalb auch eine im Vergleich zu § 110 Satz 2 [X.] höhere Bagatellgrenze zu rechtfertigen. [X.]er Gesetzgeber darf typisierend davon ausgehen, dass nicht jede "Last" ausgeglichen werden muss. [X.]iese Überlegungen sind nicht auf Fälle der Wiederherstellung der "eigentlichen" materiell-rechtlichen [X.]ostentragungspflicht übertragbar. § 110 Satz 2 [X.] ist folglich im Zusammenhang mit § 110 Satz 1 [X.] zu sehen, der praktikablen und kostensparenden Verwaltungsabläufen dient, und mit der (geringen) Bagatellgrenze von 50 Euro nur vermeidet, dass die Verwaltungskosten für die [X.]urchführung des [X.] außer Verhältnis zu der zu erstattenden Summe stehen.

§ 37 Sozialgesetzbuch [X.] - ([X.]), wonach ua das [X.] für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs gilt, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil nach dem oben Ausgeführten § 110 Abs 2 [X.]II die Regelung des § 110 Satz 2 [X.] nicht für Erstattungsansprüche zwischen [X.] nach §§ 102 ff [X.] modifizieren soll.

Angesichts der fehlenden Anwendbarkeit des § 110 Abs 2 Satz 1 [X.]II auf die im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden Erstattungsansprüche nach dem [X.] muss weder entschieden werden, ob die Ausnahmeregelung für Fälle vorläufiger Leistungserbringung nach § 98 Abs 2 Satz 3 [X.]II analog auf andere Fälle vorläufiger Leistungserbringung anzuwenden ist (offengelassen auch von BVerwGE 119, 356 Rd[X.] 21 = juris und OVG für das [X.] Urteil vom 19.12.2002 - 16 A 30/01 - Rd[X.]4 ff mwN zum damaligen Streitstand) noch, ob es sich bei der Leistungszuständigkeit nach § 14 [X.] aF überhaupt um eine vorläufige in diesem Sinne handelt (zum Verständnis der Vorläufigkeit im Anwendungsbereich des § 14 [X.] zuletzt ausführlich [X.], 10 = [X.]-3250 § 14 [X.] 26, Rd[X.] 24).

[X.]as [X.] wird ggf auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

[X.]ie Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz (G[X.]G).

Meta

B 8 SO 10/17 R

27.02.2019

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Kassel, 12. April 2016, Az: S 11 SO 137/15, Gerichtsbescheid

§ 104 Abs 1 S 1 SGB 10, § 14 Abs 1 S 1 SGB 9, § 14 Abs 1 S 2 SGB 9, § 14 Abs 2 S 1 SGB 9, § 110 Abs 2 S 1 SGB 12

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.02.2019, Az. B 8 SO 10/17 R (REWIS RS 2019, 9850)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9850

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