Bundessozialgericht, Urteil vom 25.08.2011, Az. B 8 SO 7/10 R

8. Senat | REWIS RS 2011, 3748

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Gegenstand

(Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander - Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Umzug eines Hilfebedürftigen - örtliche Zuständigkeit - ambulant betreute Wohnmöglichkeit iS des § 98 Abs 5 SGB 12 - Eintritt des Leistungsfalles - keine Koppelung von Wohnungsgewährung und Betreuung - sozialgerichtliches Verfahren - Zulässigkeit - Sprungrevision)


Leitsatz

1. Die örtliche Zuständigkeit von Sozialhilfeträgern für Leistungen ambulant betreuter Wohnformen richtet sich bei nach dem 31.12.2004 eintretenden Leistungsfällen nach der Zuständigkeit vor Eintritt in die Wohnform als solche; für vor dem 1.1.2005 eingetretene Leistungsfälle gelten die Zuständigkeitsregelungen des Bundessozialhilfegesetzes fort.

2. Leistungen ambulant betreuter Wohnformen setzen keine Koppelung von Wohnungsgewährung und Betreuung voraus.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Dezember 2009 - [X.] [X.] 16/07 - aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen, soweit das Sozialgericht die Beklagte zur Leistung verurteilt hat.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 25 194,33 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

[X.] ist (noch) die Erstattung von Kosten für Sozialhilfeleistungen in Höhe von 20 194,33 Euro, die der Kläger für die [X.] vom 15.10.2005 bis [X.] an [X.] ([X.]) erbracht hat.

2

Nachdem die 1977 geborene [X.] vom Kläger zunächst bis 31.3.2006 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem [X.] - ([X.]) in Form der Übernahme der Kosten für Aufwendungen des [X.] erhalten hatte (Bescheid vom 10.5.2005), stellte der Kläger die Leistung ab 1.4.2006 nach einem Umzug der [X.] aus D ([X.]) in eine von [X.] selbst in [X.] angemietete Wohnung ein, weil er sich wegen des Umzugs nicht mehr für zuständig erachtete (Bescheid vom [X.]). In der gesamten [X.] wurde die ambulante Betreuung wie auch zuvor durch das [X.] aus [X.] durchgeführt. Im Rahmen eines Verfahrens der einstweiligen Anordnung vor dem [X.] wurde der Kläger verpflichtet, Leistungen der Eingliederungshilfe vorläufig zu erbringen.

3

Die nach Ablehnung einer Kostenerstattung durch die Beklagte erhobene Klage auf Zahlung von 20 194,33 Euro hatte beim Sozialgericht ([X.]) Stade Erfolg (Urteil vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung, mit der das [X.] außerdem festgestellt hat, dass die Beklagte "zuständiger Träger für Leistungen nach dem [X.] für [X.]" sei, hat das [X.] ausgeführt, dem Kläger stehe ein Erstattungsanspruch gemäß § 102 [X.] - ([X.]B X) zu, weil die Beklagte nach dem Umzug gemäß § 98 Abs 1 Satz 1 [X.] aufgrund des neuen tatsächlichen Aufenthalts örtlich zuständig geworden sei. § 98 Abs 5 Satz 1 [X.], wonach für Leistungen nach dem [X.] an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel in Form ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhielten, abweichend davon der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig sei (bzw bleibe), der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig gewesen sei oder gewesen wäre, finde keine Anwendung. Es fehle an der nach dieser Regelung notwendigen Verknüpfung zwischen Wohnungsgewährung und ambulanter Pflege; eine ambulant betreute Wohnmöglichkeit liege nur vor, wenn die Betreuung in einer Wohnung stattfinde, die vom Betreuungsdienst auch organisiert worden sei bzw werde.

4

Mit der Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 98 Abs 5 Satz 1 [X.]. Danach setze entgegen der Ansicht des [X.] ein Betreutes-Wohnen nicht die Gewährung der Wohnung durch den Anbieter der ambulanten Betreuung voraus. Es sei deshalb bei der örtlichen Zuständigkeit des Klägers trotz des Umzugs verblieben, weil der Kläger vor dem Bezug der Wohnung in [X.] für die Leistung zuständig gewesen sei.

5

Die Beklagte beantragt, nachdem der Kläger die Feststellungsklage zurückgenommen hat,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit das [X.] die Beklagte zur Leistung verurteilt hat.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die Entscheidung des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

[X.]ie Sprungrevision der Beklagten ist zulässig. Zwar ist sie vorliegend nachträglich durch Beschluss des [X.] vom [X.] ohne Beteiligung [X.] zugelassen worden; gleichwohl ist der Senat an die Zulassung der Sprungrevision gebunden (B[X.], Urteil vom 11.12.2007 - [X.]/9b [X.] - RdNr 9). [X.] ist, dass der [X.]läger in seiner Erklärung vom [X.] nicht ausdrücklich der Einlegung einer Sprungrevision, sondern nur pauschal einer Sprungrevision zugestimmt hat. [X.]enn eine derartige Erklärung ist jedenfalls dann als Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision zu verstehen, wenn - wie vorliegend - im [X.]punkt der Abgabe der Zustimmungserklärung Tenor und schriftliche Entscheidungsgründe des [X.]-Urteils dem Erklärenden bekannt waren (B[X.] [X.] 3-1500 § 161 [X.] mwN).

9

[X.]ie Revision der Beklagten war nach der [X.] des [X.]lägers, die den zuvor noch gestellten Feststellungsantrag betrifft, im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 4 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>), weil für eine endgültige Entscheidung durch den Senat erforderliche Tatsachenfeststellungen (§ 163 [X.]G) fehlen.

Auf welche Anspruchsgrundlage ein eventueller Erstattungsanspruch gestützt werden kann, bedarf derart vieler weiterer, je nach Anspruchsgrundlage unterschiedlicher tatsächlicher Feststellungen, dass eine genauere Auseinandersetzung mit den einzelnen Anspruchsnormen untunlich ist. Abgesehen davon, dass das [X.] keine Feststellungen zur Existenz und zum Inhalt eventuell von § 97 Abs 3 [X.]B XII (gültig ab 1.1.2007) bzw von (bis 31.12.2006) § 100 [X.] ([X.]) abweichenden Landesrechts gemacht hat, fehlt es für die [X.] an Feststellungen zu Art und Inhalt der Leistung, die die Zuständigkeit (mit)bestimmen. Für die [X.] bis 31.3.2006 existiert zwar ein bindender (§ 77 [X.]G) Bewilligungsbescheid über "[X.]"; nicht beurteilbar ist jedoch für diese und die Folgezeit, ob die Leistungen zu Recht erbracht worden sind. [X.]ies aber ist Voraussetzung für alle Erstattungsansprüche (vgl nur [X.] in Lehr- und Praxiskommentar [X.]B X, 3. Aufl 2011, § 102 RdNr 28, § 103 RdNr 45, § 104 RdNr 14 und § 105 RdNr 14, jeweils mwN). Es ist zudem nicht tatsächlich nachvollziehbar, ob die vom [X.] angenommene Anspruchsgrundlage des § 102 [X.]B X iVm § 43 Sozialgesetzbuch [X.] - ([X.]B I) Anwendung findet; denn es ist bereits nicht festgestellt, ob zwischen den beteiligten Leistungsträgern Streit bestand (vgl zu dieser Voraussetzung nur Wagner in juris [X.] [X.]B I, § 43 RdNr 25 ff), bzw bei wem zu welchem [X.]punkt ein Antrag gestellt worden ist.

Im Übrigen liegen (zumindest für die [X.]) möglicherweise die Voraussetzungen des § [X.] behinderter Menschen - ([X.]B IX) für eine vorläufige Zuständigkeit vor, sodass sich gegenüber § 43 [X.]B I iVm § 102 [X.]B X vorrangige Erstattungsansprüche (vgl nur [X.] in jurisP[X.]-[X.]B IX, § 14 Rd[X.] ff mwN) nach §§ 102, 104 [X.]B X ergeben können (vgl dazu nur: [X.], aaO, RdNr 103 ff mwN).

Während § 106 Abs 3 Satz 1 [X.]B XII wohl wegen Abs 3 Satz 3 als Anspruchsgrundlage ausscheiden dürfte, obwohl sich aus der Akte Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich [X.] vor der Aufnahme in die betreute Wohnform in [X.] in einer stationären Einrichtung befand, für die Sozialhilfeleistungen gewährt worden sind, ist die Anwendung des § 105 [X.]B X nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn keine vorläufige Zuständigkeit nach § 14 [X.]B IX eingetreten ist und kein Fall des § 102 [X.]B X vorliegt. Insoweit ist ggf auch an die Anwendung des § 2 Abs 3 [X.]B X zu denken (vgl zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift allgemein: [X.] in Grube/[X.], [X.]B XII, 3. Aufl 2010, § 98 [X.]B XII Rd[X.]7 mwN; Söhngen in jurisP[X.]-[X.]B XII, § 98 [X.]B XII RdNr 7 mwN; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]B XII, 18. Aufl 2010, § 98 [X.]B XII RdNr 134; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B XII, [X.] § 98 RdNr 17 mwN, Stand [X.]ezember 2010). Eine endgültige Stellungnahme zu den denkbaren Anspruchsgrundlagen ist insbesondere deshalb untunlich, weil sich für die [X.] bis 31.3.2006 eine Zuständigkeit des [X.]lägers selbst aus dem gegenüber § 98 Abs 5 Satz 1 [X.]B XII nachrangigen § 98 Abs 1 Satz 3 [X.]B XII oder für die gesamte streitbefangene [X.] aus § 98 Abs 5 [X.]B XII ergeben könnte; möglich ist aber auch unter Anwendung des § 98 Abs 5 [X.]B XII iVm § 97 [X.] die Zuständigkeit eines [X.]ritten (dazu später).

Eine Zuständigkeit des [X.]lägers selbst oder eines anderen Sozialhilfeträgers könnte sich aus § 98 Abs 5 Satz 1 [X.]B XII ergeben (ab 1.1.2005 idF des [X.] vom 21.3.2005 - [X.] 818 - bzw ab [X.] idF des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - [X.] 2670), und zwar nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht nur für die streitbefangenen [X.]osten der Eingliederungshilfe, sondern aller Sozialhilfeleistungen ([X.], aaO, § 98 [X.]B XII Rd[X.]6; Söhngen, aaO, § 98 [X.]B XII RdNr 50; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B XII, 4. Aufl 2009, § 98 Rd[X.]7; [X.] in [X.]/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 98 [X.]B XII RdNr 88, Stand August 2008; [X.], aaO, [X.] § 98 RdNr 98; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II/[X.]B XII/ [X.], § 98 [X.]B XII RdNr 72, Stand März 2008). [X.]anach ist in Fällen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten die Zuständigkeit vor Eintritt in diese Wohnform maßgeblich. Vorliegend könnte § 97 Abs 2 [X.] zur Anwendung kommen, wenn an [X.] vor Aufnahme in die betreute Wohnform stationäre Leistungen erbracht worden sind. [X.]azu fehlen die erforderlichen Feststellungen.

Ob § 98 Abs 5 Satz 1 [X.]B XII anwendbar ist, kann andererseits schon deshalb nicht beurteilt werden, weil aus tatsächlichen Gründen nicht nachvollziehbar ist, ob es sich um [X.] gehandelt hat. [X.]ie reine Rechtsbehauptung des [X.] hierzu ermöglicht dem Senat nicht die erforderliche Nachprüfung. Für die [X.] bis 31.3.2006 ersetzt auch die Bezeichnung im bindenden Bescheid des [X.]lägers nicht eine erforderliche materiellrechtliche Prüfung; denn die Zuständigkeit kann nicht davon abhängig sein, wie die Leistung im Bescheid bezeichnet worden ist. Sollte allerdings inhaltlich eine Leistung in Form des [X.] vorgelegen haben, ist die Ansicht des [X.], die Anwendung des Satzes 1 scheitere daran, dass sich [X.] die Wohnung selbst gesucht und angemietet habe, also keine institutionelle Verknüpfung mit der ambulanten Betreuung selbst vorliege, rechtlich nicht nachvollziehbar.

[X.]ie vom [X.]läger erbrachten (möglichen) Eingliederungshilfeleistungen aufgrund der §§ 53, 54 [X.]B XII iVm § 55 Abs 2 Nr 6 [X.]B IX können ohne Rücksicht auf diese vom [X.] geforderte Verbindung Leistungen iS des § 98 Abs 5 Satz 1 [X.]B XII sein. Für die Beurteilung der Frage, ob es sich um eine betreute Wohnmöglichkeit im Sinne dieser Vorschrift handelt, kommt es - entgegen der Ansicht des [X.] - also nicht darauf an, ob die betreffende Wohnung/Wohnmöglichkeit nur gekoppelt mit der Betreuungsleistung zur Verfügung gestellt wird (so auch: L[X.] Nordrhein-Westfalen, Urteil vom [X.] SO 15/09; [X.], Beschluss vom 26.6.2006 - [X.]/06). [X.]er Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten wird im Gesetz nicht näher definiert, hat sich allerdings über den Verweis in § 54 Abs 1 [X.]B XII an § 55 Abs 2 Nr 6 [X.]B IX zu orientieren (BT-[X.]rucks 15/1514, [X.] zu § 93). [X.]ie Eingrenzung der von dieser Leistungsform umfassten Hilfen hat deshalb in erster Linie anhand des Zwecks der Hilfen zu erfolgen. Sinn der Betreuungsleistungen beim [X.] ist aber nicht die gegenständliche Zurverfügungstellung der Wohnung, sondern (nur) die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich ([X.] in jurisP[X.]-[X.]B IX § 55 RdNr 44; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handkommentar zum [X.]B IX, 3. Aufl 2010, § 55 RdNr 65a) in Form einer kontinuierlichen Betreuung (Josef/[X.], N[X.]V 2007, 85, 89). [X.]er Art nach darf es sich bei der Betreuung aber nicht um eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung handeln, sondern Hauptzielrichtung der Leistungen muss die Teilhabe am Leben in der [X.] sein ([X.], aaO, § 55 RdNr 45); auch hierzu fehlen Feststellungen des [X.].

[X.]ie von § 55 Abs 2 Nr 6 [X.]B IX erfassten Leistungen sind ihrer Art nach äußerst vielfältig und erfassen unterschiedlichste Betreuungsleistungen sowohl in der eigenen Wohnung, in Wohngruppen oder Wohngemeinschaften ([X.] in Grube/[X.], [X.]B XII, 3. Aufl 2010, § 98 [X.]B XII Rd[X.]5 mwN; [X.], aaO, RdNr 43), wobei im [X.] des § 98 Abs 5 [X.]B XII anders als bei § 55 Abs 2 Nr 6 [X.]B IX allerdings voll- bzw teilstationäre Erbringungsformen ausgeschlossen sind. Hilfen in betreuten Wohnmöglichkeiten auf solche Wohnformen zu begrenzen, bei denen Betreuung und Wohnen institutionell verknüpft sind, wäre mit dem Regelungszweck des § 55 [X.]B IX unvereinbar ([X.] in [X.]/[X.], [X.]B XII, 4. Aufl 2009, § 98 Rd[X.]6 mwN; Söhngen in jurisP[X.]-[X.]B XII, § 98 [X.]B XII RdNr 49). [X.]enn auch in der selbst angemieteten Wohnung kann Bedarf an regelmäßigen ambulanten Teilhabeleistungen mit dem Ziel eines selbstbestimmten Lebens bestehen. [X.]ie vom [X.] geforderte Beschränkung der Hilfeleistung des [X.] widerspräche dem Ziel der Verselbstständigung der nachfragenden Personen, das letztlich gerade darauf ausgerichtet ist, das Wohnen in der eigenen Häuslichkeit möglichst selbstbestimmt bewältigen zu können ([X.], aaO; [X.], [X.], 1, 6).

Bei der Anwendung des § 98 Abs 5 Satz 1 [X.]B XII ist nach einem Umzug weiterhin grundsätzlich auf den Eintritt in die Wohnform als solche, nicht auf den Beginn der Betreuung in der neuen Wohnung, abzustellen ([X.], aaO, [X.]). Anders als § 98 Abs 2 Satz 2 [X.]B XII (betreffend stationäre Leistungen) regelt § 98 Abs 5 [X.]B XII zwar die örtliche Zuständigkeit im Falle eines Umzugs von einer betreuten Wohnmöglichkeit in eine andere nicht ausdrücklich; die Grundsätze des § 98 Abs 2 Satz 2 [X.]B XII, wonach sich die örtliche Zuständigkeit in Fällen einer - beliebig langen - stationären [X.] allein nach dem gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in die erste Einrichtung richtet, ist auf die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs 5 Satz 1 [X.]B XII zu übertragen, sodass es auch bei [X.] im Falle des [X.] bei der für die erste betreute Wohnmöglichkeit begründeten Zuständigkeit verbleibt ([X.] in [X.]/[X.], [X.]B XII, [X.] § 98 RdNr 95a und 96b, Stand [X.]ezember 2010; Söhngen, aaO, [X.]; [X.] aaO). Für diese Auslegung spricht zum einen der Wortlaut der Norm, der nicht auf eine bestimmte Wohnung, sondern die "Wohnform" abstellt. Zum anderen soll § 98 Abs 5 Satz 1 [X.]B XII diejenigen Leistungsorte schützen, die Formen des betreuten [X.] anbieten und finanziell durch den dadurch bedingten Zuzug hilfebedürftiger Personen überproportional belastet würden ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]B XII, 18. Aufl 2010, § 98 [X.]B XII RdNr 126; [X.] aaO; Josef/[X.], N[X.]V 2007, 85, 87; [X.], [X.], 1, 2 f). [X.]ieser Schutzgedanke greift nicht nur zugunsten desjenigen Ortes, an dem erstmals in eine betreute Wohnform eingetreten wird, sondern auch zugunsten derjenigen Orte, in die der Hilfebedürftige umzieht. Zuständig für die Leistung ist demnach auch beim Wohnungswechsel derjenige Träger der Leistung, der vor Beginn der Leistung des betreuten [X.] zuständig war oder - soweit vor Eintritt in die betreute Wohnform keine Sozialhilfe geleistet wurde - hypothetisch zuständig gewesen wäre (Letzteres nur im Sinne einer [X.]larstellung dessen, was gewollt war - BT-[X.]rucks 16/2711, [X.] zu [X.] -, eingefügt durch das [X.] - aaO - mit Wirkung ab [X.]).

Wie zu entscheiden ist, wenn sich eine Unterbrechung des [X.] ergibt (vgl dazu nur: [X.], aaO, RdNr 96b; [X.], aaO, Rd[X.]8), bedarf nach Aktenlage keiner Entscheidung. [X.]a der mögliche Leistungsfall des [X.] wohl bereits vor dem 1.1.2005 eingetreten ist, dürfte § 98 Abs 5 Satz 1 [X.]B XII wegen der Regelung des § 98 Abs 5 Satz 2 [X.]B XII aber keine Anwendung finden. [X.]as [X.] wird dies nach der Zurückverweisung der Sache in tatsächlicher Hinsicht zu verifizieren haben. Nach § 98 Abs 5 Satz 2 [X.]B XII bleiben vor Inkrafttreten dieses Buches begründete Zuständigkeiten hiervon (gemeint ist Satz 1) unberührt. In der Beschlussempfehlung des [X.] (13. Ausschuss) zum Entwurf des [X.] ist dazu ausgeführt (BT-[X.]rucks 15/4751, [X.] zu [X.]), zur Verwaltungsvereinfachung entsprechend den Wünschen der Länder werde die neue Zuständigkeitsregelung auf neue Fälle ab Inkrafttreten des [X.] am 1.1.2005 beschränkt. [X.]ieses Gesetzesziel kommt zwar in der gesetzlichen Formulierung des Satzes 2 nur unvollkommen zum Ausdruck; jedoch kann die Vorschrift nach dem, was der Gesetzgeber gewollt hat, nur so verstanden werden, dass in Fällen eines fortbestehenden [X.] die vor dem 1.1.2005 geltenden Regelungen des [X.] über die örtliche Zuständigkeit weitergelten sollten, nach dessen § 97 Abs 1 bei einem Umzug in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Sozialhilfeträgers dessen örtliche Zuständigkeit begründet wurde. [X.]ie Neuregelung ab 1.1.2005 dient aber - wie bereits ausgeführt - dem Schutz der Leistungsorte, die Formen des betreuten [X.] anbieten und finanziell durch den dadurch bedingten Zuzug hilfebedürftiger Menschen überproportional belastet werden. Wollte man § 98 Abs 5 Satz 2 [X.]B XII nun dahin auslegen, dass bei [X.] nach einem Umzug die letzte vor dem 1.1.2005 eingetretene Zuständigkeit für Leistungen des [X.] erhalten bliebe, würde dies der bezeichneten Gesetzesteleologie gänzlich widersprechen, weil die Zufälligkeit des Umzugszeitpunktes die finanzielle Belastung des Sozialhilfeträgers für den gesamten [X.]raum des [X.] perpetuieren würde, also nicht einmal die Zuständigkeit wie nach altem Recht wieder entfallen könnte. Gelten müssen mithin im Rahmen des § 98 Abs 5 [X.]B XII entweder bei einem fortbestehenden Leistungsfall die Zuständigkeitsregelungen des [X.] oder bei einem neuen Leistungsfall § 98 Abs 5 Satz 1 [X.]B XII.

Ggf wird das [X.] [X.] notwendig beizuladen haben (§ 75 Abs 2 [X.]G), wenn diese einem Erstattungsanspruch des [X.]lägers ausgesetzt sein kann (vgl dazu: B[X.] [X.] 4-1300 § 111 [X.] Rd[X.]; [X.] 3-2200 § 1237a [X.] f), und über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

[X.]ie [X.] beruht auf § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 2, § 39 Abs 1, § 40 Gerichtskostengesetz. [X.]abei ist für die im Revisionsverfahren zunächst noch rechtshängige Feststellungsklage der Regelstreitwert von 5000 Euro angesetzt worden, weil keinerlei Anhaltspunkte für den Wert dieser Feststellungsklage für die [X.] vorhanden waren, die nicht bereits von der Leistungsklage erfasst ist.

Meta

B 8 SO 7/10 R

25.08.2011

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Stade, 21. Dezember 2009, Az: S 33 SO 16/07, Urteil

§ 53 SGB 12, § 54 Abs 1 S 1 SGB 12, § 98 Abs 1 S 3 SGB 12 vom 02.12.2006, § 98 Abs 1 S 3 SGB 12 vom 21.03.2005, § 98 Abs 2 S 2 SGB 12 vom 21.03.2005, § 98 Abs 2 S 2 SGB 12 vom 02.12.2006, § 98 Abs 5 S 1 SGB 12 vom 21.03.2005, § 98 Abs 5 S 2 SGB 12 vom 21.03.2005, § 98 Abs 5 S 1 SGB 12 vom 02.12.2006, § 98 Abs 5 S 2 SGB 12 vom 02.12.2006, § 97 Abs 3 SGB 12, § 43 Abs 1 S 1 SGB 1, § 14 SGB 9, § 55 Abs 2 Nr 6 SGB 9, § 102 SGB 10, § 104 SGB 10, § 105 SGB 10, § 97 Abs 2 BSHG, § 100 BSHG vom 27.12.2003, § 161 Abs 1 S 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 25.08.2011, Az. B 8 SO 7/10 R (REWIS RS 2011, 3748)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3748

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