Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2017, Az. IX ZB 63/16

9. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 7674

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Gegenstand

Insolvenzverfahren: Beurteilung der Pfändbarkeit einer ausländischen Rente nach deutschem Insolvenzrecht


Leitsatz

Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rentenberechtigten im Inland ist die Frage, ob eine ausländische Rente pfändbar ist und damit zur Masse gehört, nach dem (deutschen) Insolvenzstatut zu beurteilen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 12. Juli 2016 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 9.293,76 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Über das Vermögen des Schuldners wurde am 21. Mai 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der weitere Beteiligte zu 2 wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner bezieht jeweils monatlich eine "ordentliche Altersrente" von der [X.]in Höhe von 205 [X.] sowie eine Altersrente der weiteren Beteiligten zu 1 in Höhe von 1.204,32 €.

2

Auf Antrag des weiteren Beteiligten zu 2 hat das Insolvenzgericht die Zusammenrechnung der beiden Renten mit der Maßgabe angeordnet, dass der unpfändbare Grundbetrag zunächst der Rente der S.                          zu entnehmen sei. Die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die weitere Beteiligte zu 1 weiterhin die Ablehnung des Antrags auf Zusammenrechnung der Renten erreichen.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Das Insolvenzgericht könne gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 [X.], § 850e Nr. 2a ZPO auf Antrag die Zusammenrechnung mehrerer Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch anordnen, soweit diese der Pfändung unterworfen seien. Dies gelte nach der Rechtsprechung des [X.] auch für ausländische Renten. Die Altersrente des [X.] Rententrägers sei zwar nach den einschlägigen Vorschriften des [X.] Rechts unpfändbar. Sie falle jedoch nach dem insolvenzrechtlichen [X.] in die Insolvenzmasse. Die Frage ihrer Pfändbarkeit sei folglich nach dem Recht des Staates des Insolvenzverfahrens zu beurteilen (lex fori concursus; § 335 [X.]). Die Vorschrift des § 850e ZPO, die nur über die Verweisung gemäß § 36 [X.] Anwendung finde, sei dem Insolvenzrecht zuzuordnen und damit anwendbar. In ausländische Hoheitsrechte werde nicht eingegriffen, weil der pfändbare Betrag der inländischen Rente entnommen werde, eine Vollstreckung im Ausland also nicht erforderlich sei.

5

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

6

a) Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist die Vorschrift des § 850e Nr. 2a ZPO, nach welcher Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch auf Antrag zusammengerechnet werden, im Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar. Entsprechend § 850e Nr. 2, Nr. 2a ZPO werden auch Ansprüche auf unterschiedliche laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch zusammengerechnet, soweit sie pfändbar sind ([X.], Beschluss vom 20. Oktober 2016 - [X.], [X.], 2317 Rn. 6). Antragsberechtigt ist der Insolvenzverwalter; zuständig für die Entscheidung über den Antrag ist das Insolvenzgericht (§ 36 Abs. 4 [X.]). Der Drittschuldner, der aufgrund der Entscheidung des Insolvenzgerichts pfändbare Beträge an den Insolvenzverwalter abzuführen hat, kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde und Rechtsbeschwerde einlegen ([X.], Beschluss vom 18. September 2014 - [X.], [X.], 2094 Rn. 6).

7

b) Die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung gemäß oder entsprechend § 850e Nr. 2a ZPO sind erfüllt.

8

aa) Wie der Senat bereits entschieden hat, können bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens ausländische gesetzliche Renten mit inländischen gesetzlichen Renten zusammengerechnet werden ([X.], Beschluss vom 18. September 2014 - [X.], [X.], 2094 Rn. 12 ff). Dies gilt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung allerdings nur für solche Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die grundsätzlich der Pfändung unterworfen sind. Sowohl § 850e Nr. 2a ZPO als auch § 54 Abs. 4 SGB I schließen es aus, unpfändbare Ansprüche zusammenzurechnen ([X.], Beschluss vom 5. April 2005 - [X.], [X.], 1369, 1370).

9

bb) Außerhalb eines Insolvenzverfahrens richtet sich die Pfändbarkeit eines Gegenstandes nach dem Recht des Ortes, an welchem sich der Gegenstand befindet und an welchem die Zwangsvollstreckung betrieben werden müsste (lex loci executionis). Eine Forderung ist beim Drittschuldner belegen ([X.], Urteil vom 20. Dezember 2012 - [X.], [X.], 333 Rn. 18 mwN). Ob die Rente, welche der Schuldner von der S.                    erhält, pfändbar ist, wäre außerhalb eines Insolvenzverfahrens nach [X.] Recht zu beurteilen. Gemäß Art. 92 Abs. 1 Nr. 9a des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) vom 11. April 1889 sind Altersrenten nach Art. 20 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung ([X.]) vom 20. Dezember 1946 der Zwangsvollstreckung entzogen (vgl. hierzu BGE 134 III S. 608, 611 f). Das gilt auch für diejenigen Gläubiger eines Rentenempfängers, deren Forderungen nicht dem [X.] Recht unterfallen.

cc) Ist im Inland ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.] eröffnet worden, gelten jedoch nicht die [X.] des [X.], sondern diejenigen des [X.] Rechts.

(1) Nach § 335 [X.] unterliegen das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist. Diese Vorschrift bildet die Grundnorm des [X.] Internationalen Insolvenzrechts. Sowohl für das Verfahrensrecht als auch für die materiell-rechtlichen Wirkungen des Insolvenzrechts gilt grundsätzlich das Recht desjenigen Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist. Dieser Ansatz liegt auch Art. 4 EuInsVO a.[X.] (seit dem 26. Juni 2017: Art. 7 EuInsVO) zugrunde. Der Gesetzgeber des [X.] [X.] ([X.] I S. 345), mit welchem die Vorschrift des § 335 [X.] in die [X.] eingefügt wurde, hat im Interesse einer möglichst prägnanten Regelung davon abgesehen, die in Art. 4 EuInsVO a.[X.] genannten Beispiele in die Vorschrift des § 335 [X.] aufzunehmen; als Interpretationshilfe sollen die Beispiele jedoch herangezogen werden können (BT-Drucks. 15/16, S. 18 zu § 335).

(2) Ob die Vorschriften über die Pfändbarkeit von Vermögensgegenständen einschließlich der [X.] die Wirkungen des Insolvenzverfahrens betreffen und damit dem [X.] unterfallen, ist umstritten.

Die veröffentlichte instanzgerichtliche Rechtsprechung ist uneinheitlich. Das [X.] ([X.], 818), das [X.] ([X.], 1019), das [X.] ([X.] 2014, 70) und das [X.] ([X.] 2017, 163,164) haben das [X.] für maßgeblich gehalten, während das [X.] ([X.], 820), das [X.] ([X.], 664) und das [X.] ([X.] 2010 Nr. 343b) das Recht des [X.] angewandt haben. Auch in der Kommentar- und Aufsatzliteratur sind die Ansichten geteilt. Eine selbständige Anknüpfung der Frage der Pfändbarkeit befürworten [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 335 Rn. 11; [X.] 7 EuInsVO 2017 Rn. 17; [X.] in Festschrift für [X.], [X.], 324 ff, HambKomm-[X.]/[X.], 6. Aufl., Art. 4 EuInsVO Rn. 6; HK-[X.]/[X.], 8. Aufl., Art. 4 EuInsVO Rn. 5; [X.] in [X.], [X.] 2010, Art. 4EuInsVO Rn. 11; [X.] in [X.], [X.] 2013, § 335 Rn. 31; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 335 Rn. 14. Für eine Geltung des [X.]s haben sich FK-[X.]/[X.]/[X.], 8. Aufl., § 335 Rn. 12; Art. 4 EuInsVO Rn. 6; [X.]/Kolmann/[X.], Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 132 Rn. 45 f; [X.], [X.] 2009, 309, 316 f; [X.], [X.], 19. Aufl., Art. 4 EuInsVO Rn. 21; [X.], [X.], 785, 786 ff; [X.], [X.], 1020; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], EuInsVO 2015, Art. 13 EuInsVO 2017 Rn. 23 f; [X.], [X.] 16/2009, [X.]. 4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], EuInsVO 2015, Art. 21 EuInsVO 2017 Rn. 35; [X.]/[X.], 6. Aufl., Art. 4 EuInsVO Rn. 18, Art. 18 EuInsVO Rn. 13; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 335 Rn. 45; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., Art. 18 EuInsVO 2000 Rn. 20; [X.], [X.] 2009, 49, 53; Pannen/[X.], EuInsVO, Art. 4 Rn. 44; [X.]/[X.], Z[X.] 2009, 1933, 1936 ff; [X.], [X.], 505, 510; Riegel, Grenzüberschreitende Konkurswirkungen zwischen der [X.], [X.] und den [X.], 1991, [X.] f; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, [X.] ff; [X.] in [X.]/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 9. Aufl., [X.]. 20 Rn. 291; [X.], [X.] 2012, 367 ausgesprochen.

Der Senat hat sich mit der Frage, welches Recht im Rahmen des § 335 [X.] und des Art. 4 Abs. 2 lit. b EuInsVO a.[X.] über die Pfändbarkeit bestimmt, noch nicht befasst. Das Urteil vom 30. April 1992 ([X.], [X.]Z 118, 151, 159) hat unter der Geltung der Konkursordnung ohne nähere Begründung das Recht des [X.] für maßgeblich gehalten. Der Beschluss vom 5. Juni 2012 ([X.], [X.], 1444 Rn. 4 f), in welchem es um die Massezugehörigkeit von in der [X.] erzieltem Arbeitseinkommen ging, verhält sich nicht ausdrücklich über das insoweit anwendbare Recht, bezeichnet jedoch die Entscheidung des [X.], welches [X.] [X.] angewandt hat, als im Ergebnis richtig. Im Urteil vom 20. Dezember 2012 ([X.], [X.], 333 Rn. 17 f) heißt es demgegenüber, die Frage der Pfändbarkeit einer Rente sei nach dem Recht des [X.] zu beurteilen. Da das Insolvenzverfahren im Inland eröffnet worden war und der Drittschuldner im Inland ansässig war, kam es auf die selbständige oder unselbständige Anknüpfung der Vorschriften über die Pfändbarkeit einer Forderung nicht entscheidend an. Der Beschluss vom 18. September 2014 ([X.], [X.], 2094 Rn. 24 f) erklärt die Zusammenrechnung einer inländischen und einer ausländischen Rente für zulässig, wenn die ausländische Rente ihrem Grundsatz nach pfändbar ist. Da die in Frage stehende [X.] Rente nach [X.]m Recht pfändbar war, war die Frage der selbständigen oder unselbständigen Anknüpfung ebenfalls nicht entscheidungserheblich.

(3) Der Senat entscheidet die aufgeworfene Frage nach dem anwendbaren Recht dahin, dass gemäß § 335 [X.], Art. 4 Abs. 2 lit. b EuInsVO a.[X.] das [X.] gilt.

Dieses Ergebnis folgt unmittelbar aus § 335 [X.], bei dessen Auslegung die Beispiele des Art. 4 Abs. 2 EuInsVO a.[X.] ergänzend herangezogen werden können. Gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. b EuInsVO a.[X.] regelt das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung, welche Vermögenswerte zur Masse gehören. Das [X.] bestimmt also den Umfang und die Grenzen der Insolvenzmasse. [X.] ist hier das [X.] (Sach-)Recht. Nach § 35 Abs. 1 [X.] erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Ausgenommen sind gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur solche Gegenstände, die nicht der Masse unterliegen. Wegen der Einzelheiten verweist die [X.] unter anderem auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen, darunter diejenige des § 850e Nr. 2 ZPO. Die genannten Vorschriften bestimmen damit den Umfang der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswerte.

Weder die [X.] noch die Verordnung ([X.]) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 29. Mai 2000 (seit dem 26. Juni 2017: Verordnung ([X.]) 2015/848 des [X.] und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren, ABl. [X.] vom 5. Juni 2015, [X.]) enthalten spezielle Vorschriften über den Pfändungsschutz. Insbesondere erfasst die Vorschrift des Art. 18 Abs. 3 EuInsVO a.[X.] (jetzt: Art. 21 Abs. 3 EuInsVO) nicht die nationalen Pfändungsvorschriften. Gemäß Art. 18 Abs. 3 EuInsVO a.[X.] richtet sich die Art und Weise der Verwertung nach dem Recht des Staates, in welchem der jeweilige Vermögensgegenstand belegen ist. Geregelt ist das "Wie" der Verwertung. Der Pfändungsschutz betrifft die hiervon zu unterscheidende Frage, ob ein Vermögensgegenstand verwertet werden darf. Das "Ob" der Verwertung ist in Art. 18 Abs. 3 EuInsVO a.[X.] nicht geregelt ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], EuInsVO 2015, Art. 13 EuInsVO 2017 Rn. 23 f; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], EuInsVO 2015, Art. 21 EuInsVO 2017 Rn. 35; [X.]/[X.], 6. Aufl., Art. 18 EuInsVO Rn. 13).

(4) Die Geltung des [X.]s wird dem Sinn der [X.] einerseits, demjenigen des Insolvenzrechts andererseits am ehesten gerecht. Das [X.] Insolvenzrecht folgt dem [X.]. Es dient der gemeinsamen Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch Verwertung des [X.] (§ 1 Satz 1 [X.]) und bestimmt daher auch die Grenzen, innerhalb derer sich die Verwertung zu bewegen hat. Diese Grenzen entsprechen im Wesentlichen denjenigen, welche die Zivilprozessordnung der Pfändung von Arbeitseinkommen setzt. Nach dem Schutzgedanken des Sozialstaatsprinzips muss dem Schuldner, in dessen Arbeitseinkommen vollstreckt wird, mindestens ein Betrag verbleiben, der ihm und gegebenenfalls seiner Familie ein menschenwürdiges Leben ermöglicht (vgl. etwa die Begründung des Entwurfs eines [X.] zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen vom 28. Juni 1977, BT-Drucks. 8/693, [X.]). In der Einzel- wie in der Gesamtvollstreckung sind dem Vollstreckungs- oder Insolvenzschuldner und dessen Familie die Mittel für ein menschenwürdiges Leben zu belassen. [X.] hat die [X.] dieses Ziel durch eine Verweisung auf bestimmte (nicht alle) [X.] der Zivilprozessordnung verwirklicht (§ 36 [X.]). Da das Insolvenzverfahren am Ort des allgemeinen Gerichtsstands des Schuldners (§ 3 [X.]), gegebenenfalls am Ort des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen des Schuldners (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO a.[X.], Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO) eröffnet wird, wird dieses Ziel in der Regel auch erreicht. Der in [X.] wohnhafte Schuldner genießt den Schutz der inländischen [X.], die den hiesigen Verhältnissen Rechnung tragen (vgl. etwa [X.], [X.], 818, 819; [X.], [X.] 2009, 309, 316 f; [X.], [X.], 785, 787; [X.], [X.] 16/2009, [X.]. 4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], EuInsVO 2015, Art. 21 EuInsVO 2017 Rn. 35).

Für die [X.] anderer Länder und Rechtsordnungen gilt dies nicht unbedingt. Sie setzen die Verhältnisse ihres jeweils eigenen Landes voraus, können also - bezogen auf den abweichenden Wohnsitz des Insolvenzschuldners - unangemessen hoch oder unangemessen niedrig sein. Die Sicherung des Mindesteinkommens eines Insolvenzschuldners kann überdies im Insolvenzverfahren anders als im Rahmen der [X.] geregelt sein. Schon das [X.] Insolvenzrecht verweist in § 36 Abs. 1 [X.] nur auf ausgewählte Vollstreckungsschutzvorschriften. § 36 Abs. 2 [X.] ordnet ausdrücklich an, dass die von der Einzelpfändung ausgenommenen Geschäftsbücher des Schuldners sowie die außerhalb des Insolvenzverfahrens ebenfalls unpfändbaren zum Betrieb einer Landwirtschaft erforderlichen Gegenstände nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Masse gehören. Bei isolierter Anknüpfung an [X.] [X.] im Rahmen eines ausländischen Insolvenzverfahrens käme diese Besonderheit, für die es gute Gründe gibt, nicht zum Tragen. Ausländische Rechtsordnungen können ähnliche Abweichungen enthalten. Die isolierte Anwendung des Rechts der [X.] würde dann den Schuldner begünstigen und die Gläubiger benachteiligen.

Der notwendige Schutz des Insolvenzschuldners vor einem übermäßigen Zugriff seiner Gläubiger braucht schließlich nicht notwendig durch den Verweis auf die [X.] des Rechts der [X.] geregelt zu werden. Das ausländische [X.] kann im Insolvenzverfahren die vollständige Beschlagnahme von Arbeitseinkommen zulassen, dem Schuldner aber einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt aus der Masse zubilligen (vgl. Riegel, Grenzüberschreitende Konkurswirkungen zwischen der [X.], [X.] und den [X.], 1991, [X.]). In einem solchen Fall könnte die Einzelanknüpfung des Pfändungsschutzes dazu führen, dass dem Schuldner nach dem [X.] kein pfändungsfreies Einkommen verbleibt, er nach dem [X.] aber auch keinen Unterhaltsanspruch gegen die Masse hat. Die Anwendung des [X.] [X.]s auf den Pfändungsschutz garantiert einen in sich stimmigen Schuldnerschutz und ermöglicht zugleich den Gläubigern den Zugriff auf die nicht geschützten Vermögenswerte des Schuldners.

(5) Praktische Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens stellen sich unabhängig von der Frage des anwendbaren Rechts. Gegen die Geltung des [X.]s wird insbesondere eingewandt, dass die Pfändung im Ausland nur nach den Vorschriften des [X.] durchgeführt werden kann, dass der Verwalter also eine nach dem Recht des [X.] unpfändbare Forderung rein tatsächlich gar nicht zur Masse ziehen kann. Dieser Einwand ist berechtigt. Er spricht aber nicht zwingend gegen die Geltung des [X.]s, denn dem Verwalter bleibt jedenfalls die Möglichkeit, den Schuldner zur Auskehrung des nach dem [X.] pfändbaren Teils der Forderung anzuhalten. Geht es nur um die Berechnung des pfändbaren Teils der Forderung, welcher im [X.] von demjenigen des [X.] differieren kann, ist es Sache des Verwalters, dem ausländischen Drittschuldner die nach dem [X.] pfändbaren Beträge mitzuteilen ([X.], [X.], 818, 819). Darüber hinaus führte auch die Anwendung der jeweiligen lex loci executionis zu Problemen. Wäre das Recht des jeweiligen [X.] anwendbar, müsste der Verwalter nämlich die [X.] sämtlicher [X.] prüfen, in welchem Vermögen des Insolvenzschuldners belegen ist ([X.], [X.], 785, 787; [X.] in [X.]/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 9. Aufl., [X.]. 20 Rn. 291). Im vorliegenden Fall stellen sich alle diese Probleme nicht. Die [X.] Rente stellt nur eine Rechengröße dar. Das Insolvenzgericht hat angeordnet, dass der unpfändbare Grundbetrag der [X.] Rente zu entnehmen ist. Er übersteigt die Rente, welche der Schuldner bezieht. Zahlungen hat nur die weitere Beteiligte zu 1 zu leisten. Nachdem der [X.] Rententräger es abgelehnt hat, einem aus seiner Sicht unbeteiligten [X.] über die Höhe der jeweils gezahlten Rente zu erteilen, ist es Sache des Verwalters und des Schuldners, die jeweils aktuellen Zahlen an die weitere Beteiligte zu 1 zu übermitteln.

Kayser     

      

Lohmann     

      

Grupp 

      

Schoppmeyer     

      

Meyberg     

      

Meta

IX ZB 63/16

20.07.2017

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 3. Mai 2017, Az: IX ZB 63/16, Beschluss

§ 36 Abs 1 S 2 InsO, § 335 InsO, Art 4 Abs 2 Buchst b EGV 1346/2000 vom 29.05.2000, § 850e Nr 2 ZPO, § 850e Nr 2a ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2017, Az. IX ZB 63/16 (REWIS RS 2017, 7674)

Papier­fundstellen: MDR 2017, 1267-1268 WM2017,1564 REWIS RS 2017, 7674


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX ZB 63/16

Bundesgerichtshof, IX ZB 63/16, 20.07.2017.

Bundesgerichtshof, IX ZB 63/16, 03.05.2017.


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