Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.11.2014, Az. 4 StR 284/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 1228

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Gegenstand

Strafverfahren wegen schweren Bandendiebstahls: Abgrenzung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit bei Mittäterschaft an einer Deliktsserie; Annahme der Begehung einer Handlung bei fehlender Feststellbarkeit der Anzahl der die Taten fördernden Handlungen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. Januar 2014 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Schusswaffe, des Diebstahls und des schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen schuldig ist.

Die gegen den Angeklagten wegen versuchten schweren Bandendiebstahls zum Nachteil des Geschädigten A. verhängte [X.] entfällt.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Schusswaffe, wegen Diebstahls und wegen schweren Bandendiebstahls in 7 Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus dem [X.] ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und dem Wegfall einer Einzelstrafe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Annahme real konkurrierender Taten in den Fällen [X.] und [X.] der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

3

a) Nach den Feststellungen fuhren der Angeklagte und die anderweitig verurteilten [X.], [X.] und M. am 1. Februar 2013 nach D.              , um dort Wohnungseinbrüche zu begehen. In der Folge drangen mehrere Mitglieder der Gruppe durch eine aufgehebelte Tür in die Souterrainwohnung des Geschädigten A.     ein, während die übrigen Gruppenmitglieder die Umgebung absicherten (Fall [X.] der Urteilsgründe). Nachdem sie in der unmöblierten Wohnung nichts Stehlenswertes gefunden hatten, brachen sie von außen in die im ersten Obergeschoss desselben Hauses gelegene Wohnung des Geschädigten [X.]. ein und entwendeten daraus Gegenstände in einem Wert von 10.000 Euro (Fall [X.] der Urteilsgründe). Nähere Feststellungen dazu, wer aus der Tätergruppe in das Haus eingedrungen ist und wer die Umgebung abgesichert hat, vermochte das [X.] nicht zu treffen.

4

b) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten [X.]. Leistet ein Mittäter für alle oder einige [X.] einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der [X.], durch die alle oder mehrere [X.] seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 30. Juli 2013 - 4 StR 29/13, [X.], 641 m. Anm. Kämpfer; Beschluss vom 22. Dezember 2011 - 4 StR 514/11, [X.], 146, 147; Beschluss vom 7. Dezember 2010 - 3 [X.], StraFo 2011, 238; Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 [X.], [X.]St 49, 177, 182 f.). Lässt sich nicht feststellen, durch wieviele Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB der Angeklagte die festgestellten Taten gefördert hat, so ist im Zweifel zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er nur eine Handlung begangen hat ([X.], Beschluss vom 19. November 1996 - 1 StR 572/96, [X.]R StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 7; vgl. Beschluss vom 15. April 1987 - 3 [X.], [X.]R StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 1).

5

Da das [X.] die einzelnen [X.] nicht genauer feststellen konnte, ist nach dem [X.] zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass er nicht selbst in die Wohnungen der Geschädigten A.     und [X.].  eingedrungen ist, sondern an den von seinen Mittätern ausgeführten Einbrüchen durch das Absichern der Umgebung übergreifend mitgewirkt hat. Damit hat er in Bezug auf diese beiden Taten keinen individuellen, sondern nur einen einheitlichen Tatbeitrag erbracht, so dass insoweit (gleichartige) Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB gegeben ist (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Juli 2014 - 4 [X.], Rn. 5 mwN).

6

2. Der Senat ändert den Schuldspruch unter Verzicht auf eine ausdrückliche Kennzeichnung der gleichartigen Tateinheit entsprechend ab (vgl. [X.], Urteil vom 27. Juni 1996 - 4 StR 166/96, [X.], 493 f.). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

7

Infolge der Schuldspruchänderung entfällt die Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe im Fall [X.] der Urteilsgründe. Die Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe im Fall [X.] der Urteilsgründe bleibt als alleinige Einzelstrafe bestehen. Einer Aufhebung der Gesamtstrafe bedarf es nicht. Die bloße [X.]rrektur des [X.]nkurrenzverhältnisses hat keine Verringerung des Tatunrechts und des [X.] in seiner Gesamtheit zur Folge ([X.], Urteil vom 20. Februar 2014 - 3 [X.], Rn. 8; Beschluss vom 5. Juni 2013 - 2 StR 537/12, Rn. 12; Beschluss vom 30. Juli 2013 - 4 StR 29/13, [X.], 641; Beschluss vom 22. Dezember 2011 - 4 StR 514/11, [X.], 146, 147; Beschluss vom 7. Januar 2011 - 4 StR 409/10, [X.], 281, 282). Der Senat schließt deshalb aus, dass das [X.] vor dem Hintergrund der verbleibenden Einzelstrafen von drei Jahren, [X.] zwei Jahren und sechs Monaten, [X.] zwei Jahren und drei Monaten, [X.] zehn Monaten und [X.] sechs Monaten Freiheitsstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

[X.]Roggenbuck                                Cierniak

                          [X.]

Meta

4 StR 284/14

19.11.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 31. Januar 2014, Az: 52 KLs 50/13

§ 25 Abs 2 StGB, § 52 StGB, § 53 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.11.2014, Az. 4 StR 284/14 (REWIS RS 2014, 1228)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1228

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