Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.02.2014, Az. XI B 140/13

11. Senat | REWIS RS 2014, 7837

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Zur Beschwerde im Rahmen eines AdV-Verfahrens und zur Umdeutung dieses Rechtsmittels in einen anderen Rechtsbehelf


Leitsatz

1. NV: Eine Beschwerde gegen einen AdV-Beschluss ist nur statthaft, wenn das FG die Beschwerde zugelassen hat.

2. NV: Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Beschwerde ist im Rahmen des AdV-Verfahrens nicht statthaft.

3. NV: Eine außerordentliche Beschwerde ist seit dem Inkrafttreten des § 133a FGO zum 1. Januar 2005 nicht mehr statthaft.

4. NV: Eine Umdeutung des von einem fachkundigen Prozessvertreter ausdrücklich als Beschwerde bezeichneten Rechtsmittels in eine gesetzlich nicht geregelte Gegenvorstellung, in einen Antrag auf Änderung oder Aufhebung des FG-Beschlusses über die AdV oder in eine subsidiäre Anhörungsrüge kommt nicht in Betracht.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) betrieb im Streitjahr 2006 einen Schrotthandel. Die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr erfolgte zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

2

Im [X.] an eine Steuerfahndungsprüfung änderte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) mit Bescheid vom 18. Oktober 2012 die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr, weil die Antragstellerin insgesamt … € Vorsteuern aus an sog. Schreiber --zur Verschleierung der tatsächlichen Herkunft des Schrotts als Lieferer vorgeschobene [X.] erteilte Gutschriften zu Unrecht in Abzug gebracht habe.

3

Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheids für 2006. Das [X.] lehnte den [X.] der Antragstellerin mit Bescheid vom 21. Mai 2013 ab und wies ihren gegen diesen Ablehnungsbescheid gerichteten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 2013 als unbegründet zurück.

4

Die daraufhin beim [X.] ([X.]) beantragte AdV des angefochtenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheids vom 18. Oktober 2012 hatte keinen Erfolg. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2013 lehnte das [X.] diesen Antrag ab. Es ließ die Beschwerde an den [X.] ([X.]) nicht zu.

5

Die Antragstellerin wendet sich mit der "Beschwerde" gegen den Beschluss des [X.].

6

Sie bringt im Wesentlichen vor, das [X.] habe entgegen der ihr gewährten Frist, bis zum 11. Dezember 2013 Stellung zu nehmen, bereits am 5. Dezember 2013 ihren [X.] abgelehnt; zudem habe das [X.] ihr, der Antragstellerin, die Stellungnahme des [X.] nicht übermittelt. Mithin habe sie, die Antragstellerin, --was ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletze-- nicht fristgerecht auf die weiteren Einwände des [X.] entgegnen können.

7

Ferner lehnt die Antragstellerin die am angefochtenen Beschluss mitwirkenden Richter des [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Entscheidungsgründe

8

II. 1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen.

9

a) Die Beschwerde gegen den [X.] des [X.] ist nicht statthaft.

aa) Gegen die Entscheidung eines [X.] über die AdV nach § 69 Abs. 3 und 5 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) ist die Beschwerde --gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 [X.]O-- nur statthaft, wenn sie vom [X.] zugelassen worden ist (vgl. dazu [X.] vom 28. Februar 2007 V B 33/07, [X.], 1171; vom 10. Februar 2011 [X.] (PKH), [X.], 827; vom 14. August 2013 III B 49/13, [X.], 1797, jeweils m.w.N.). Das [X.] hat ausweislich der Rechtsmittelbelehrung ([X.]-Beschluss, S. 11) die Beschwerde nicht zugelassen; die Rechtsmittelbelehrung lautet: "Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 3 [X.]O)."

bb) Hat --wie hier-- das [X.] die Beschwerde nicht zugelassen, ist hiergegen keine Beschwerde gegeben. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Beschwerde ist im Rahmen des Verfahrens auf Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung ebenso wenig statthaft; sie ist nicht vorgesehen (vgl. dazu [X.] vom 30. Juli 2003 I B 16/03, [X.] 2003, 1601; in [X.], 1171; in [X.], 827; ferner Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 128 Rz 14, jeweils m.w.N.).

Gegenteiliges folgt nicht daraus, dass § 128 Abs. 3 Satz 2 [X.]O die entsprechende Anwendung von § 115 Abs. 2 [X.]O anordnet. Denn diese Bestimmung bringt lediglich zum Ausdruck, dass die dort genannten Kriterien für die Zulassung der Beschwerde durch das [X.] maßgebend sind. Hingegen verweist die Vorschrift gerade nicht auf § 116 Abs. 1 [X.]O, der die Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision regelt (vgl. dazu [X.] in [X.] 2003, 1601; vom 18. Januar 2006 XI B 135/05, [X.] 2006, 959; in [X.], 1171; in [X.], 827, jeweils m.w.N.).

cc) Der Antragstellerin steht auch keine außerordentliche Beschwerde wegen sog. greifbarer Gesetzeswidrigkeit zu. Seit Inkrafttreten des § 133a [X.]O zum 1. Januar 2005 ist diese Beschwerde als außerordentlicher, gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelf nicht mehr statthaft (vgl. dazu [X.] vom 30. November 2005 VIII B 181/05, [X.]E 211, 37, [X.], 188; vom 13. September 2006 VII B 150/06, [X.], 78; in [X.], 827, jeweils m.w.N.).

b) Der Senat kann über die vorliegende Beschwerde entscheiden, obwohl das [X.] nicht zuvor gemäß § 130 Abs. 1 [X.]O durch förmlichen Beschluss über deren Abhilfe entschieden hat. Da wegen der Unzulässigkeit der Beschwerde keine Abhilfe möglich ist, steht der Abgabe an das [X.] und einer nochmaligen Vorlage an den [X.] der Grundsatz der [X.] entgegen (vgl. dazu [X.] vom 3. Mai 1984 VII B 84/83, [X.]E 141, 116, [X.] 1984, 562; vom 1. Juni 1995 VII B 95/95, [X.] 1996, 60; vom 29. Januar 1997 XI B 199/96, [X.] 1999, 517, jeweils m.w.N.).

2. Die Beschwerde der Antragstellerin kann nicht umgedeutet werden.

a) Eine Umdeutung des als Beschwerde bezeichneten Rechtsmittels in eine gesetzlich nicht geregelte Gegenvorstellung --für deren Entscheidung ohnehin das [X.] zuständig wäre-- kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Umdeutung der --wie hier-- von einem fachkundigen [X.] ausdrücklich als solche erhobenen Beschwerde ausscheidet (vgl. dazu z.B. [X.] vom 4. November 2008 V B 114/08, [X.] 2009, 400; in [X.], 827, jeweils m.w.N.). Es kann deshalb dahinstehen, ob nach Inkrafttreten des § 133a [X.]O eine Gegenvorstellung überhaupt noch zulässig ist (vgl. dazu [X.] vom 6. Oktober 2010 [X.], [X.], 276; vom 11. Februar 2011 XI S 1/11, [X.], 829).

b) Aus gleichem Grund kommt auch eine Umdeutung weder in einen Antrag i.S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 [X.]O auf Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen veränderter oder wegen im ursprünglichen Verfahren --in Folge der von der Antragstellerin behaupteten Verletzung des rechtlichen [X.] unverschuldet nicht geltend gemachter Umstände noch in eine dagegen subsidiäre Anhörungsrüge i.S. des § 133a Abs. 1 [X.]O in Betracht (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 133a Rz 7, m.w.N.). Zudem wäre sowohl für die Entscheidung über einen Antrag i.S. des § 69 Abs. 6 Satz 1 [X.]O als auch für die über eine Anhörungsrüge i.S. des § 133a [X.]O gleichfalls das [X.] als Gericht der Hauptsache bzw. als Gericht, dem der gerügte Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör unterlaufen ist, zuständig.

3. Soweit in der Beschwerdeschrift die Befangenheit von [X.]-Richtern angesprochen wird, wäre diese (zunächst) beim betreffenden Senat des [X.] gemäß § 51 [X.]O Abs. 1 [X.]O i.V.m. § 44 Abs. 1 der Zivilprozessordnung geltend zu machen (vgl. dazu [X.]-Beschluss vom 24. Juli 2003 IX B 24/03, [X.] 2004, 55).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI B 140/13

18.02.2014

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 5. Dezember 2013, Az: 3 V 1882/13, Beschluss

§ 51 Abs 1 FGO, § 69 Abs 3 FGO, § 69 Abs 5 FGO, § 69 Abs 6 S 2 FGO, § 115 Abs 2 FGO, § 116 Abs 1 FGO, § 128 Abs 3 S 1 FGO, § 130 Abs 1 FGO, § 133a Abs 1 FGO, § 44 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.02.2014, Az. XI B 140/13 (REWIS RS 2014, 7837)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7837

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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