Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2017, Az. AK 54/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 2797

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Gegenstand

Fortdauer von Untersuchungshaft: Dringender Tatverdacht der Beteiligung an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Jabhat Fath al-Sham"; Konkurrenzverhältnis zwischen Handlungen der mitgliedschaftlichen Beteiligung und der Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten: Haftgrund der Schwerstkriminalität


Tenor

Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe

I.

1

Der Beschuldigte wurde am 8. April 2017 festgenommen und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst auf Grund Haftbefehls der Ermittlungsrichterin des [X.] vom 9. Januar 2017 und sodann auf Grund Haftbefehls der Ermittlungsrichterin des [X.] vom 12. Mai 2017.

2

Gegenstand des aktuell vollzogenen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe als Heranwachsender

- sich an einer Vereinigung im Ausland, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 [X.]) oder Totschlag (§ 212 [X.]) oder Völkermord (§ 6 [X.]) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 [X.]) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11, 12 [X.]) zu begehen, als Mitglied beteiligt und

- durch dieselbe Handlung eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er eine andere Person unterwiesen habe oder sich habe unterweisen lassen in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat dienen,

3

strafbar gemäß § 89a Abs. 1, 2 Nr. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Satz 1, 2, § 52 [X.].

4

Der Beschuldigte sei am 4./5. September 2016 von [X.] aus in das syrische [X.] gereist und habe sich dort der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "[X.]" angeschlossen. Er habe sich einer mehrwöchigen Kampfausbildung unterzogen sowie anschließend von Ende Oktober bis Anfang November 2016 für die [X.] ausgeübt und sich an Kampfhandlungen in [X.] beteiligt. Außerdem habe er sich Anfang Oktober 2016 erfolglos darum bemüht, von seiner Familie Geldmittel für den Kauf einer Kriegswaffe und sonstiger militärischer Ausrüstung zu erlangen.

5

Gegen diesen Haftbefehl legte der Beschuldigte Beschwerde ein, die der 9. Strafsenat des [X.] mit Beschluss vom 27. Juni 2017 verwarf.

II.

6

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

7

1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl vom 12. Mai 2017 vorgeworfenen Tat dringend verdächtig.

8

a) Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Geschehen auszugehen:

9

aa) Die "[X.]"

Die "[X.]" ("Front zur Eroberung [X.]") ist identisch mit der [X.]", die Ende 2011 von [X.] und anderen [X.] Mitgliedern der seinerzeitigen [X.] im [X.]" ([X.]) im Auftrag deren Anführers [X.] in [X.] gegründet wurde und als Ableger der [X.] Organisation im Nachbarland operieren sollte. Die Gründung wurde im Januar 2012 in einem im [X.] veröffentlichten Video bekannt gegeben. Zwischen den beiden Gruppierungen kam es im April 2013 zum Bruch, als [X.] die [X.] [X.] und [X.] im neu ausgerufenen "[X.] im [X.] und Großsyrien" ([X.]G) verkündete. [X.] wies dies als Anführer der [X.] zurück, betonte die Eigenständigkeit seiner Gruppierung und legte den Treueeid auf [X.] der [X.], [X.], ab; sie fungierte danach als Regionalorganisation von [X.] in [X.]. In der Folge kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der [X.] und dem [X.]G.

Gemäß einer Videoverlautbarung von [X.] vom 28. Juli 2016 benannte sich die [X.] um in [X.] und löste sich einvernehmlich von der [X.]. Im Januar 2017 ging die [X.] wiederum in dem al-Quaida-nahen Bündnis "[X.]" ([X.] [X.]) auf, dessen militärische Führung [X.] übernahm.

Ziel der [X.] war der Sturz des [X.] in [X.], das sie durch einen [X.] Staat auf der Grundlage ihrer eigenen Interpretation der Sharia ersetzen wollte. Darüber hinaus erstrebte sie die "Befreiung" des historischen Großsyrien, das heißt [X.]s einschließlich von Teilen der südlichen [X.], des [X.], [X.], [X.] und der palästinensischen Gebiete. Diese Ziele verfolgte die Vereinigung mittels militärischer Operationen, aber auch durch Sprengstoffanschläge, Selbstmordattentate, Entführungen, gezielte Tötungen von Angehörigen des [X.] Militär- und Sicherheitsapparats und nicht am Konflikt beteiligten Zivilisten. Insgesamt werden der Gruppierung mehr als 2.000 Anschläge zugerechnet, bei denen mindestens 10.000 Menschen getötet wurden.

Die [X.] war militärisch-hierarchisch organisiert. Dem Anführer [X.] war ein aus fünf bis sechs Personen gebildeter [X.] zugeordnet. Unterhalb dieser Führungsebene standen die Kommandeure der kämpfenden Einheiten, die ihrerseits in die vor Ort agierenden Kampfgruppen untergliedert waren. Ihre militärische Ausbildung erhielten die Kämpfer in einem verzweigten Netz von Trainingslagern. Daneben gab es Hinweise auf sogenannte "[X.]" in den von der Organisation kontrollierten Gebieten, die religiöse Angelegenheiten regelten und den Aufbau eines eigenen Justiz- und Verwaltungssystems vorantrieben. Für ihre Öffentlichkeitsarbeit bediente sie sich einer eigenen Medienstelle, über die sie im [X.] Verlautbarungen, Operationsberichte und [X.] verbreitete. Darüber hinaus unterhielt sie ein Netzwerk von "Korrespondenten" in [X.], die ihre Berichte über Twitter-Kanäle veröffentlichten.

bb) Die Tathandlungen des Beschuldigten

Der Beschuldigte reiste am 4. September 2016 aus [X.] aus und gelangte am 5. September 2016 über die [X.] unter Inanspruchnahme von [X.] in das syrische [X.], wo er sich der [X.] anschloss. Er gliederte sich in die Organisation ein und identifizierte sich mit der Ideologie, den Zielen und der Tätigkeit der Vereinigung.

In der Folge durchlief der Beschuldigte ein mehrwöchiges zweistufiges paramilitärisches Training, während dessen er unter anderem an Schusswaffen ausgebildet wurde, um sich an bewaffneten Kämpfen gegen das Assad-Regime in [X.] zu beteiligen. Im [X.] daran nahm er für die [X.] von Ende Oktober bis Anfang November 2016 Wachdienste wahr und - wie beabsichtigt - an bewaffneten Kampfeinsätzen in [X.] teil.

Darüber hinaus bemühte sich der Beschuldigte am 9./10. Oktober 2016 mehrfach über den Messengerdienst "[X.]" erfolglos darum, von seiner Mutter Geldmittel zu erlangen, um sich davon militärische Ausrüstungsgegenstände einschließlich einer Kriegswaffe zu kaufen. Weiterhin rief er jedenfalls am 7. Oktober 2016 auf seinem [X.] andere ausreisewillige Kämpfer zur "Hijra" in das syrische [X.] auf; in einer [X.]-Chatnachricht vom 29. Oktober 2016 gab er seinem Kommunikationspartner Rat zu im Rahmen der Ausreise benötigten Geldmitteln und kündigte an, ihn zu diesem Zweck an eine andere Person zu vermitteln.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Haftbefehl vom 12. Mai 2017 und den auf die Haftbeschwerde ergangenen Beschluss vom 27. Juni 2017 verwiesen.

b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "[X.]" aus den "[X.]", die der [X.] zu dieser Organisation für das vorliegende Verfahren in der gleichnamigen Sachakte zusammengetragen hat, insbesondere dem Gutachten des islamwissenschaftlichen Sachverständigen Dr. S.     vom 11. Dezember 2014 sowie - vor allem die jüngeren Entwicklungen betreffend - dem Behördenzeugnis des [X.] vom 13. Oktober 2016, der Behördenerklärung des [X.] vom 6. Februar 2017 und dem Auswertebericht des [X.] ("Zwischenstand März 2017").

Hinsichtlich der Beweislage zu den Tathandlungen des - bislang zur Sache schweigenden - Beschuldigten nimmt der Senat zunächst Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss des [X.] vom 27. Juni 2017 ([X.] ff.).

Die weiteren kriminalpolizeilichen Ermittlungen haben den dringenden Tatverdacht noch verfestigt. So hat der Zeuge      Ö.    ausgesagt, der Beschuldigte habe ihm nach seiner Ausreise über den Messengerdienst "[X.]" mitgeteilt, dass er für die Terrorvereinigung "al-Nusra" kämpfe. Der Zeuge      [X.]hat bekundet, der Beschuldigte habe ihm vor der Abreise offenbart gehabt, dass er beabsichtige, sich an den bewaffneten Auseinandersetzungen in [X.] zu beteiligen; auf Grund vom Beschuldigten zuvor für die "[X.]" geäußerter Sympathien sei ihm - dem Zeugen - klar gewesen, dass jener einen [X.] an diese terroristische Vereinigung anstrebe. Ebenfalls erhärtet wird der dringende Tatverdacht durch die Auswertung der vom Beschuldigten über den Messengerdienst "[X.]" geführten Kommunikation. So bestätigte er etwa einem unbekannten Kommunikationspartner am 9. November 2016, drei Tage in [X.] gewesen zu sein. Auf [X.]-Profilbildern ist der Beschuldigte in Militärkleidung mit einer Kalaschnikow zu erkennen. Auch die Ermittlungsergebnisse zum Onlinedienst "[X.]" belegen den dem Beschuldigten angelasteten Sachverhalt. Sein ehemaliges dortiges Profil weist darauf hin, dass er Angehöriger der "[X.]" war; zudem ergibt sich aus den Ermittlungen, dass er über "[X.]" andere zur Ausreise in das syrische [X.] aufforderte. Bezüglich der weiteren Ermittlungen nach der Entscheidung über die Haftbeschwerde verweist der Senat ergänzend auf den "2. Sachstandsbericht" der [X.] vom 8. September 2017.

Soweit die Verteidigung im [X.] geltend gemacht hat, die im Haftbefehl verwerteten [X.]-Chatnachrichten an die Familie des Beschuldigten stammten nicht von ihm, sondern seien durch Dritte gefertigt und versandt worden, vermag dies unter den gegebenen Umständen den dringenden Tatverdacht nicht zu entkräften. Ungeachtet dessen, dass kein Anhalt dafür besteht, dass der Account des Beschuldigten ohne sein Wissen zu Falschmeldungen missbraucht worden wäre, wird - in Anbetracht der Beweislage im Übrigen - nach derzeitigem Sachstand in der Hauptverhandlung zu klären sein, inwieweit sich der zuständige Strafsenat des [X.] von der Authentizität der Chatnachrichten zu überzeugen vermag.

Entgegen der im Haftprüfungsverfahren geäußerten Auffassung der Verteidigung entkräftet auch die - nach Aktenlage dem Beschuldigten zuzurechnende - [X.]-Chatnachricht vom 5. Oktober 2016, er sei "in der nähe von [X.] (Stadt [X.]) bei junud [X.]", nicht den dringenden Tatverdacht hinsichtlich einer Mitgliedschaft in der [X.]. Denn zum einen ist eine solche Bekundung, soweit ersichtlich, vereinzelt geblieben. Zum anderen könnte der Inhalt der Nachricht im Sinne einer Ortsangabe zu verstehen sein. Schließlich deutet eine [X.]-Chatnachricht des Beschuldigten vom 29. Oktober 2016 darauf hin, dass jihadistische Gruppierungen, so auch die [X.], vereint unter dem Dach bzw. dem Kommando der [X.] an bewaffneten Konflikten teilnahmen.

c) In rechtlicher Hinsicht folgt aus alledem, dass sich der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1, 2 Nr. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, §§ 52, 53 [X.]) strafbar gemacht hat.

aa) Indem sich der Beschuldigte der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "[X.]" anschloss und sich auf verschiedene Weise, unter anderem als Kämpfer, für diese betätigte, beteiligte er sich an ihr als Mitglied.

(1) Soweit er sich dabei im Umgang mit Schusswaffen sowie in sonstigen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat dienlichen Fertigkeiten unterweisen ließ, verwirklichte er - idealkonkurrierend mit dieser mitgliedschaftlichen Beteiligung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 [X.]) - den Straftatbestand des § 89a Abs. 1, 2 Nr. 1 [X.]. Da nach den Ermittlungsergebnissen alles darauf hindeutet, dass sich die Kampfhandlungen, zu denen der Beschuldigte schon während seines paramilitärischen Trainings fest entschlossen war, (auch) gegen das Assad-Regime richten sollten, besteht kein Zweifel an der hinreichenden Konkretisierung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat (vgl. auch [X.], Beschluss vom 6. April 2017 - 3 [X.], NJW 2017, 2928, 2929 f.).

Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, wie es konkurrenzrechtlich zu bewerten ist, wenn der die schwere staatsgefährdende Gewalttat Vorbereitende diese später tatsächlich begeht und sich dadurch nach anderen Strafvorschriften, beispielsweise wegen Tötungsdelikten, strafbar macht. Einerseits könnte auf allgemeine Grundsätze zum Verhältnis von Beteiligungsversuch im Vorfeld der Tat (§ 30 [X.]), Versuch (§§ 22 ff. [X.]) und Vollendung zurückgegriffen werden, so dass die [X.] nach § 89a [X.] als weniger intensive Deliktsverwirklichung gegenüber der - zunächst nur geplanten, dann aber - ausgeführten Gewalttat wegen Subsidiarität zurückträte (so MüKo[X.]/[X.], 3. Aufl., § 89a Rn. 76 mwN; zu den für § 30 [X.] geltenden rechtlichen Maßstäben s. [X.], Urteil vom 15. Mai 1992 - 3 StR 419/91, [X.]R [X.] § 30 Abs. 1 Satz 1 Konkurrenzen 3; Beschluss vom 14. April 2010 - 2 StR 87/10, [X.], 296; MüKo[X.]/[X.], 3. Aufl., § 30 Rn. 73); andererseits könnte gegen die Annahme von Gesetzeseinheit eingewandt werden, dass die auf die Gewalttat selbst anzuwendenden Strafvorschriften regelmäßig andere Rechtsgüter schützen (so S/[X.], [X.], 29. Aufl., § 89a Rn. 24). Eine derartige Fallkonstellation ist hier allerdings nicht zu beurteilen; die Teilnahme des Beschuldigten an den Kampfhandlungen in [X.] lässt sich anhand der Ermittlungsergebnisse bislang nicht in dem Sinne näher bestimmen, dass sie sich unter eine andere Strafnorm subsumieren ließe.

(2) Soweit sich der Beschuldigte nach Aktenlage über das [X.] im Sinne von § 89a Abs. 1, 2 Nr. 1 [X.] hinaus als Mitglied für die [X.] betätigte, etwa indem er sich um Geldmittel für den Kauf von militärischer Ausrüstung bemühte oder zugunsten der [X.] in das syrische [X.] aufrief, erfüllt dieses Verhalten neben § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 [X.] keinen weiteren Straftatbestand. Diese [X.] werden durch das [X.] verklammert und treten in ihrer Gesamtheit als materiellrechtlich eigenständige Tat (§ 53 [X.]) zu den auch gegen ein anderes Strafgesetz verstoßenden Beteiligungshandlungen hinzu (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, [X.]St 60, 308, 311 f., 319 f.; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, [X.]R [X.] § 129a Konkurrenzen 6).

Die verbleibende tatbestandliche Handlungseinheit, in welche die ansonsten straflosen [X.] fallen, ist ebenfalls Gegenstand der Haftprüfung, weil sich der vollzogene und vorgelegte Haftbefehl vom 12. Mai 2017 in tatsächlicher Hinsicht auf einzelne dieser Handlungen bezieht (zu den rechtlichen Maßstäben s. [X.], Beschlüsse vom 28. Juli 2016 - AK 41/16, juris Rn. 8 f.; vom 11. Januar 2017 - AK 67/16, juris Rn. 22). So sind darin insbesondere auch die Bemühungen um Geldmittel angeführt.

bb) [X.] ist gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2, 4 [X.] und § 89a Abs. 3 Satz 2 Variante 1 [X.] anwendbar (zum Strafanwendungsrecht in den Fällen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung s. im Einzelnen [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.).

cc) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2, 3 [X.] erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern der [X.] - als Nachfolgerin der [X.] - liegt in der Fassung vom 26. November 2015 vor. Die gemäß § 89a Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 [X.] notwendige Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung des Beschuldigten wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat wurde am 13. Oktober 2016 erteilt.

2. Beim Beschuldigten ist der Haftgrund der [X.] gemäß § 112 Abs. 3 [X.], auch bei der gebotenen restriktiven Handhabung der Vorschrift (vgl. [X.]/[X.], [X.], 60. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN), gegeben.

Das [X.] hat sich in dem auf die Haftbeschwerde des Beschuldigten ergangenen Beschluss vom 27. Juni 2017 eingehend mit dem Haftgrund der [X.] befasst, dabei die hierfür geltenden rechtlichen Maßstäbe zutreffend wiedergegeben und die tatsächlichen Umstände überzeugend dargelegt, auf Grund derer eine Flucht des Beschuldigten - wenn er auf freien Fuß entlassen würde - nicht auszuschließen wäre. Der Senat schließt sich der Bewertung des [X.] an. Von besonderer Bedeutung ist dabei Folgendes:

Zwar kehrte der Beschuldigte am 8. April 2017 freiwillig mit dem Flugzeug nach [X.] zurück und ließ hierüber durch einen seiner Verteidiger den kriminalpolizeilichen Sachbearbeiter informieren, was die Festnahme des Beschuldigten bei seiner Ankunft am [X.] zur Folge hatte. Dies bietet jedoch keine hinreichende Gewähr dafür, dass er sich künftig dem Strafverfahren zuverlässig zur Verfügung stellt. Der Beschuldigte erwies sich in der Vergangenheit als charakterlich labil und einfach zu verleiten, was nicht zuletzt in den Tathandlungen aufscheint. Auch die Verteidigung charakterisiert ihn als "unselbständig, beinflussbar und leichtgläubig". Trotz einer intakten, ihm vertrauensvoll zugewandten familiären Umgebung und offenbar stabiler [X.] Verhältnisse verschwand der Beschuldigte mit nur drei bis vier Tagen Vorlauf, um sich - mit hoher Wahrscheinlichkeit - von Unbekannten nach [X.] schleusen zu lassen und dort auf der Seite einer islamistischen Terrororganisation an bewaffneten Kampfhandlungen teilzunehmen. Es spricht nichts dafür, dass er sich zwischenzeitlich von seiner extremistisch-[X.] Einstellung gelöst hätte.

Auch im Zusammenhang mit seiner Rückkehr nach [X.] verhielt sich der Beschuldigte nach Aktenlage wankelmütig: Zwischen dem Beschuldigten und seiner Mutter bestand wieder seit dem 18. Februar 2017 Kontakt mittels ihrer - später sichergestellten - Mobiltelefone. Zunächst zeigte er sich unbeeindruckt von deren Ansinnen, ihn zu einer Rückreise zu bewegen. Am 10. März 2017 war es der Mutter dann gelungen, ihn zu überzeugen; er erklärte, "gerettet" werden zu wollen, obgleich er befürchtete, inhaftiert zu werden. Bis zum 19. März 2017, nachdem sein Vater in die [X.] gereist war, hatte der Beschuldigte es sich allerdings wieder anders überlegt. Am 21. März 2017 war er dann - offenbar wieder rückkehrwillig - in der [X.] eingetroffen, wo er den Angaben seines Vaters zufolge in eine Art Polizeigewahrsam genommen wurde.

Gewichtige Gründe, die gegen die Annahme von Fluchtgefahr sprechen und somit hier den Haftgrund der [X.] als unverhältnismäßig erscheinen ließen (s. hierzu [X.], Beschluss vom 23. Dezember 2009 - StB 51/09, [X.]R [X.] § 112 Abs. 3 Fluchtgefahr 2), liegen demnach nicht vor. Dass die die Fluchtgefahr begründenden Umstände nur noch geringeres Gewicht haben, hindert die Aufrechterhaltung des auf § 112 Abs. 3 [X.] gestützten Haftbefehls nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 12. November 2002 - StB 17/02, [X.]R [X.] § 112 Abs. 3 Fluchtgefahr 1).

3. Eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 [X.] mögliche - Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 [X.]) ist unter diesen Umständen nicht erfolgversprechend.

4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

5. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 [X.] für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus sind gegeben; der besondere Umfang der Ermittlungen und ihre Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:

Die [X.] umfassen mittlerweile 14 Bände. Die Ermittlungen gestalteten sich bislang aufwendig. Die Ermittlungsbehörden hatten erhebliche Datenmengen auszuwerten. Allein die Erkenntnisse zu der über den Messengerdienst "[X.]" geführten Kommunikation, die in den vier Bänden der [X.] in der Form von - zwischen dem 30. Juni und dem 15. September 2017 erstellten - [X.] mit Anlagen niedergelegt sind, haben einen Umfang von mehr als 1.200 Blatt.

Im Hinblick auf die noch nicht hinreichend gesicherte Beweislage wurden Durchsuchungsmaßnahmen bei einer Mehrzahl von Kontaktpersonen des Beschuldigten zeitgleich am 4. August 2017 vollzogen. Erst anschließend konnten etliche der Personen als Zeugen vernommen werden. Bei den Durchsuchungen wurden weitere auszuwertende Daten gesichert. Darüber hinaus wurden - am 25. Juni 2017 angeordnete - Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchgeführt, insbesondere auch [X.]-Chatverkehr überwacht. Ferner wurde ein Rechtshilfeersuchen in die [X.] veranlasst, dessen Erledigung noch aussteht.

Nachdem die [X.] unter dem 8. September 2017 einen ausführlichen "2. Sachstandsbericht" gefertigt hatte, hat die [X.] in der [X.] vom 28. September 2017 angekündigt, "in Kürze" Anklage zu erheben. Angesichts des bereits weit fortgeschrittenen [X.] wird sich die Generalstaatsanwaltschaft um eine zügige Umsetzung ihrer Ankündigung zu bemühen haben.

[X.]

Meta

AK 54/17

08.11.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 53 StGB, § 89a Abs 1 StGB, § 89a Abs 2 Nr 1 StGB, § 129a Abs 1 Nr 1 StGB, § 129b Abs 1 S 1 StGB, § 112 Abs 3 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2017, Az. AK 54/17 (REWIS RS 2017, 2797)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2797

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3 StR 326/16

2 StR 87/10

3 StR 537/14

3 StR 355/16

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