Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.12.2017, Az. III ZR 117/17

3. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 564

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Gegenstand

Verjährter unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch bei unionsrechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit: Anwendbarkeit des deutschrechtlichen Herausgabeanspruchs nach Eintritt der Verjährung eines Schadensersatzanspruchs


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 10. März 2017 - 7 U 79/16 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 27.208,97 €

Gründe

1

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

2

Der Kläger begehrt - im [X.] an einen verjährten unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch - aus § 852 Satz 1 BGB einen finanziellen Ausgleich für zu viel geleisteten Dienst. Dies setzt einen (verjährten) Schadensersatzanspruch und damit einen Schaden voraus. Zu viel geleistete Arbeit ist jedoch, wie sich aus der Rechtsprechung des [X.], des [X.] und des [X.] ergibt, kein Schaden im Sinne des [X.] Schadensersatzrechts (vgl. [X.], Urteile vom 29. April 1977 - [X.], [X.]Z 69, 34, 36 und vom 22. November 1988 - [X.], [X.]Z 106, 28, 32; Senatsbeschluss vom 13. Juli 1993 - [X.], juris Rn. 4; [X.], 381 Rn. 25; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28/02, juris Rn. 17; [X.], Beschluss vom 26. August 2016 - [X.]/15, juris Rn. 16).

3

Das Recht der [X.] gebietet nicht, bei der Anwendung des § 852 BGB einen von der [X.] Rechtslage abweichenden Schadensbegriff zugrunde zu legen. Zwar geht der Gerichtshof der [X.] bei unionsrechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit (eines [X.] Feuerwehrbeamten) von einem - einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch auslösenden - "Schaden" aus, dessen "Ersatz" der im öffentlichen Sektor beschäftigte Arbeitnehmer beanspruchen könne (Urteil vom 25. November 2010 - [X.]/09 - Fuß II, [X.], 53 Rn. 59, 61, 63, 90). Der Gerichtshof betont indes, dass im Falle des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs der Staat die Folgen des entstandenen Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben habe (aaO Rn. 62). In Ermangelung entsprechender unionsrechtlicher Bestimmungen sei es Sache der Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen festzulegen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollten, sofern dabei der Äquivalenz- und [X.] beachtet werde (aaO Rn. 72, 93). Es sei Sache des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten, den Umfang des Ausgleichs festzulegen (aaO Rn. 93) und zu bestimmen, ob der - dem erlittenen "Schaden" angemessene - Ersatz in Form von Freizeitausgleich oder in Form einer finanziellen Entschädigung zu gewähren sei (aaO Rn. 94).

4

Solange mithin das nationale Haftungsrecht, auf das der Gerichtshof zur Behebung der Folgen des entstandenen "Schadens" verweist, einen angemessenen und dem Äquivalenz- und [X.] genügenden Ausgleich zur Verfügung stellt, ergeben sich aus dem Recht der [X.] keine weiteren Vorgaben für die "Form" des Ausgleichs. Insbesondere folgt aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht, dass der im Fall von Zuvielarbeit als solcher erlittene Nachteil zwingend als Schaden im Sinne des [X.] Deliktsrechts (§§ 823 ff, §§ 249 ff BGB) anzusehen ist. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass der Gerichtshof es dem nationalen Recht überlässt, den Ersatz im Wege eines Freizeitausgleichs oder einer finanziellen Entschädigung zu gewähren. Dabei bezieht er sich ausdrücklich auf den nach [X.] Recht bestehenden Anspruch auf Freizeitausgleich, bei dem es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch nach [X.] Deliktsrecht, sondern um einen sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergebenden beamtenrechtlichen Anspruch handelt ([X.] aaO Rn. 71; vgl. auch [X.], 381 Rn. 26) und hinsichtlich dessen der Gerichtshof lediglich das Antragserfordernis, nicht aber die Rechtsnatur beanstandet hat ([X.] aaO Rn. 71 ff).

5

Der Verweisung des Gerichtshofs auf das nationale Haftungsrecht entspricht es, dass das [X.] zur Ausfüllung des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs bei Zuvielarbeit - mangels eines Schadens nach nationalem Recht - nicht auf die §§ 249 ff BGB, sondern auf die Rechtsfolgen aus dem nationalrechtlichen Billigkeitsanspruch zurückgreift und einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich erkennt, der sich unter bestimmten Voraussetzungen in einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich umwandelt ([X.], 381 Rn. 25, 34). Dieser Ausgleich ist - mangels Schadens - kein Schadensersatz im Sinne der §§ 823 ff BGB, sondern eine Gegenleistung für zu viel geleistete Dienste ([X.] aaO).

6

Die daraus folgende Unanwendbarkeit von § 852 BGB verstößt nicht gegen die unionsrechtlichen Grundsätze der Effektivität und Äquivalenz. Weder die Gewährung eines Freizeitausgleichs noch die einer finanziellen Entschädigung lässt erwarten, dass der Ersatz des Schadens praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird ([X.] aaO Rn. 95). Der [X.] gebietet auch nicht, dass bereits verjährte unionsrechtliche Ansprüche (teilweise) weiterhin ausgeübt werden können. Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch wird bei Nichtanwendung von § 852 BGB schließlich nicht ungünstiger behandelt als Forderungen wegen rechtswidriger Zuvielarbeit nach [X.] Recht. Klagen, die auf solche Forderungen gerichtet sind, bliebe, soweit sie auf § 852 BGB gestützt würden, mangels Schadens ebenfalls der Erfolg versagt. Einen Vergleich mit auf [X.] Deliktsrecht gestützten Schadensersatzklagen, denen ein anderer, einen Schaden auch im Sinne des [X.] Rechts begründender Sachverhalt zugrunde liegt, gebietet der Äquivalenzgrundsatz nicht.

7

Die Revision ist nicht deshalb wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil im Revisionsverfahren eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] gemäß Art. 267 AEUV notwendig wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Oktober 2015 - 1 BvR 1320/14, juris Rn. 13 mwN). Die Erwägungen des Senats zum Europarecht ergeben sich ohne weiteres aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zur Anwendbarkeit des nationalen Haftungsrechts zwecks Behebung der Folgen eines - einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch auslösenden - Verstoßes gegen das Unionsrecht. Die richtige Anwendung des Europarechts ist daher derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum mehr bleibt (acte clair; vgl. Senat, Urteil vom 17. April 2014 - [X.]/13, [X.]Z 201, 11, Rn. 29 mwN).

8

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Herrmann      

        

Hucke      

        

Tombrink

        

Remmert      

        

Arend      

        

Meta

III ZR 117/17

14.12.2017

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 10. März 2017, Az: 7 U 79/16

§ 195 BGB, § 242 BGB, § 249 BGB, § 823 BGB, § 852 S 1 BGB, § 839 Abs 1 S 1 BGB, Art 34 GG, EGRL 104/93, EWGRL 391/89

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.12.2017, Az. III ZR 117/17 (REWIS RS 2017, 564)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 564


Verfahrensgang

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Az. III ZR 117/17

Bundesgerichtshof, III ZR 117/17, 14.12.2017.


Az. 7 U 79/16

Oberlandesgericht Köln, 7 U 79/16, 25.07.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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