Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.04.2023, Az. B 9 SB 1/23 B

9. Senat | REWIS RS 2023, 2276

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde - spätere Begründung der Beschwerde mit ausdrücklichem Antrag der Revisionszulassung - Auslegung als unbedingte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde unabhängig vom PKH-Antrag - Divergenz - Darlegungsanforderungen


Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die [X.]ichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 29. [X.]ovember 2022 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin [X.] aus V zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die [X.]ichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache noch die Feststellung des Merkzeichens aG (außergewöhnliche Gehbehinderung).

2

Das [X.] hat den geltend gemachten Anspruch unter Bezugnahme auf den vorangegangenen Gerichtsbescheid des [X.] vom [X.] verneint, weil die ursprüngliche Klage nach dem Teilanerkenntnis des Beklagten vom [X.] hinsichtlich des auch begehrten Merkzeichens G in Bezug auf das [X.] unzulässig gewesen sei. Insoweit fehle es an einer gerichtlich überprüfbaren Verwaltungsentscheidung. Zwar habe die Klägerin das [X.] im Widerspruchsverfahren ergänzend beantragt. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 11.8.2020 sei aber allein zum [X.] ergangen. Für das ergänzend beantragte [X.], das einen eigenständigen Streitgegenstand darstelle, wäre zunächst ein rechtsmittelfähiger Ausgangsbescheid erforderlich gewesen (Urteil vom 29.11.2022).

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom [X.] Beschwerde zum B[X.] eingelegt. Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolge zunächst rein fristwahrend und werde abhängig gemacht von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Mit Schriftsatz vom 1[X.] hat sie PKH unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten beantragt und mit weiterem Schriftsatz vom [X.] ihre Beschwerde verbunden mit dem Antrag, die Revision zuzulassen, damit begründet, dass das [X.] von der Rechtsprechung des B[X.] im Urteil vom [X.] ([X.] SB 6/12 R - [X.] 4-1300 § 48 [X.] 26) abgewichen sei.

4

II. 1. Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen.

5

Gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem B[X.] nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier (dazu unter 3.). Schon aus diesem Grund kommt die Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigen nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 121 Abs 1 ZPO).

6

2. Der Senat geht nicht davon aus, dass von der Klägerin ausschließlich eine Prüfung von PKH für das [X.] beabsichtigt war mit dem Ziel, nur im Falle ihrer Bewilligung eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen zu wollen. Zwar hat sie mit Schriftsatz vom [X.] noch mitgeteilt, dass die "zunächst rein fristwahrend" eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde abhängig gemacht werde von der Bewilligung von PKH. Im Folgenden hat die Klägerin aber über ihre Prozessbevollmächtigte nach der mit Schriftsatz vom 1[X.] erfolgten [X.] mit weiterem Schriftsatz vom [X.] die Beschwerde verbunden mit dem ausdrücklichen Antrag, die Revision zuzulassen, begründet.

7

3. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] 2 [X.]G) nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G).

8

a) Die Beschwerde lässt bereits die geordnete aus sich heraus verständliche Wiedergabe des entscheidungserheblichen Sachverhalts als unverzichtbare Grundlage für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens des geltend gemachten [X.] durch das B[X.] als Beschwerdegericht vermissen (vgl stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 18.1.2023 - [X.] V 29/22 B - juris Rd[X.] 7; B[X.] Beschluss vom 15.6.2022 - [X.] SB 10/22 B - juris Rd[X.] 5; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] V 30/21 B - juris Rd[X.] 7). Die Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerdebegründung muss das B[X.] in die Lage versetzen, sich ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des Beschwerdevortrags ein Bild über den Streitgegenstand sowie seine tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkte zu machen (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 30.11.2017 - [X.] V 36/17 B - juris Rd[X.] 10 mwN). Es ist nicht Aufgabe des B[X.], sich im [X.] selbst die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil oder den Akten herauszusuchen (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] V 14/19 B - juris Rd[X.] 4 f mwN).

9

Eine solche als alleinige Beurteilungsgrundlage für den Senat geeignete Wiedergabe des Sachverhalts fehlt in der Beschwerdebegründung. Die Klägerin beschränkt sich auf eine bruchstückhafte und erkennbar selektive Darstellung des Sachverhalts im Zusammenhang mit ihren Rechtsausführungen zum Vorliegen des Merkzeichens aG. Ohne die notwendige Schilderung des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts kann der Senat aber von vornherein schon nicht beurteilen, ob die von der Klägerin gerügte Argumentation des [X.] zur Zulässigkeit der Klage auf Feststellung der Voraussetzungen für das [X.] überhaupt entscheidungserheblich im Sinne von § 160 Abs 2 [X.] 2 [X.]G von dem zitierten Urteil des B[X.] abgewichen sein könnte. Soweit die Klägerin mit ihrem Vorbringen zum Ausdruck bringen will, dass die Entscheidung des [X.] fehlerhaft sei, übersieht sie, dass das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde keine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne erlaubt, ob das [X.] in der Sache richtig entschieden hat (vgl stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 18.1.2023 - [X.] V 29/22 B - juris Rd[X.] 13; B[X.] Beschluss vom 27.8.2018 - [X.] SB 24/18 B - juris Rd[X.] 7).

b) Unabhängig davon hat die Klägerin aber auch keine divergierenden tragenden Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] und der benannten Entscheidung des B[X.] bezeichnet (vgl allgemein zu den [X.] an eine Divergenzrüge zB B[X.] Beschluss vom 25.10.2018 - [X.] V 27/18 B - juris Rd[X.] 8 mwN). Überdies verkennt sie auch den Inhalt und den Kontext der in dem genannten Urteil des B[X.] getroffenen Aussagen. Denn das B[X.] hat sich dort im Wesentlichen mit Rechtsfragen zur bestandskräftigen Feststellung eines überhöhten Grades der Behinderung befasst, nicht aber mit solchen zu der von der Klägerin begehrten Feststellung des Merkzeichens aG.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

4. Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G).

5. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

 Kaltenstein

Ch. [X.]

Othmer

Meta

B 9 SB 1/23 B

04.04.2023

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Oldenburg (Oldenburg), 26. April 2022, Az: S 12 SB 367/20, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 114 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.04.2023, Az. B 9 SB 1/23 B (REWIS RS 2023, 2276)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2276

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