Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.10.2017, Az. B 8 SO 28/17 BH

8. Senat | REWIS RS 2017, 3523

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung des rechtlichen Gehörs - mündliche Verhandlung - Terminverlegungsantrag - Kostenerstattung durch das Gericht - Verhandlung und Entscheidung unter Mitwirkung von abgelehnten Richtern - offensichtliche Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 5. April 2017 Prozesskostenhilfe zu gewähren und einen Prozessbevollmächtigten beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Übernahme der Kosten für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem [X.] - ([X.]), insbesondere für eine Begleitperson.

2

Der Kläger ist behindert ([X.]rad der Behinderung 100); die Merkzeichen "[X.]", "[X.]", "[X.]" und "[X.]" sind zuerkannt. Den Antrag auf Übernahme von Kosten für eine Begleitperson lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 23.11.2012; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ([X.]erichtsbescheid des [X.] vom 26.5.2014; Urteil des [X.] vom 5.4.2017). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LS[X.] ausgeführt, hinsichtlich der beanspruchten Kosten für eine Begleitperson habe das [X.]ericht nicht die volle Überzeugung davon gewinnen können, dass der Kläger einen derartigen Bedarf überhaupt habe. Der Kläger habe sich jedoch geweigert, sich hinsichtlich seiner Sehfähigkeit begutachten zu lassen und damit die Zweifel des [X.]erichts auszuräumen. Soweit der Kläger erstmals im Klageverfahren weitere Ansprüche geltend gemacht habe, ua für Kosten eines Behindertenfahrdienstes oder die Ausstattung mit [X.]ilfsmitteln, habe der Beklagte darüber nicht mit dem angefochtenen Bescheid entschieden; die Klage sei unzulässig.

3

Der Kläger hat die [X.]ewährung von Prozesskostenhilfe (PK[X.]) für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LS[X.] und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

4

II. Der Antrag auf Bewilligung von PK[X.] ist nicht begründet. PK[X.] ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung ua hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 S[X.][X.] iVm § 114 Zivilprozessordnung ). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. [X.]inreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 S[X.][X.] abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 S[X.][X.]) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese [X.]ründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.]), das Urteil von einer Entscheidung des [X.], des [X.]emeinsamen Senats der obersten [X.]erichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.]) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.]). Von diesen Zulassungsgründen kann nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vortrags des [X.] keiner mit Erfolg im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden.

5

Das LS[X.] hat insbesondere nicht den Anspruch des [X.] auf [X.]ewährung rechtlichen [X.]ehörs (§ 62 S[X.][X.]; Art 103 [X.]rundgesetz <[X.][X.]>) dadurch verletzt, dass es den am [X.] gestellten Vertagungsantrag des [X.] abgelehnt und am 5.4.2017 in seiner Abwesenheit mündlich verhandelt und entschieden hat. Die schriftlich und telefonisch am [X.] erfolgte Ablehnung des [X.] war rechtmäßig; denn der Kläger war darüber informiert, dass trotz [X.] und Befangenheitsantrags (dazu unten) die mündliche Verhandlung vor dem LS[X.] stattfinden würde, und war nicht gehindert, hieran teilzunehmen. Das LS[X.] hatte mit der Ladung des [X.] vom 16.3.2017 sein persönliches Erscheinen angeordnet, um ihm "die kostenfreie Teilnahme am [X.]erichtstermin zu ermöglichen". In der Ladung heißt es hierzu: "Ihre Anreise kann per Taxi mit Begleitperson erfolgen", sodass die Übernahme entsprechender Kosten gesichert war. Auf entsprechende Anfrage des [X.] hat das LS[X.] zudem das Abrechnungsverfahren bezüglich zu erstattender Kosten erläutert (28.3.2017). Den überzogenen Forderungen des [X.] (insbesondere konkrete Bezifferung von Kosten für die Begleitperson ausgehend von 12 Euro pro Stunde bei einem Zeitaufwand von 8 Stunden) konnte und musste das LS[X.] nicht nachkommen. Erforderlich, aber auch ausreichend zur Sicherstellung des rechtlichen [X.]ehörs ist es lediglich, dass der Kläger - wie geschehen - die [X.]ewähr dafür erhält, die für seine Teilnahme anfallenden Kosten erstattet zu bekommen.

6

Das LS[X.] durfte auch unter Mitwirkung der abgelehnten [X.] verhandeln und entscheiden, ohne gegen das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen [X.] zu verstoßen (Art 101 Abs 1 Satz 2 [X.][X.]). Erfolgt die Ablehnung eines Befangenheitsantrags nicht durch Zwischenentscheidung (dazu BS[X.] SozR 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 9 f), sondern - wie hier - in den Urteilsgründen unter Mitwirkung der abgelehnten [X.], kann zwar ein Verfahrensfehler vorliegen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl BS[X.] SozR 4-1500 § 60 [X.] 4); das LS[X.] durfte vorliegend aber ohne Verstoß gegen § 60 S[X.][X.] iVm § 45 Abs 1 ZPO das Ablehnungsgesuch in dem angegriffenen Urteil unter Mitwirkung der abgelehnten [X.] als unbeachtlich werten, weil es in nicht zu beanstandender Weise einen Rechtsmissbrauch angenommen hat (vgl hierzu BS[X.], Beschluss vom [X.] [X.] 13/09 B - mwN). Ein Ablehnungsgesuch, das keine Begründung oder lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist unzulässig. Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten [X.]s; dieser ist auch bei der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl BVerf[X.]K 8, 59, 60). So liegt der Fall hier. Der Kläger hat sein Ablehnungsgesuch gegen die abgelehnten [X.] mit ihrer Mitwirkung an der Ablehnung seines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begründet. Diese Begründung des Befangenheitsgesuchs ist - worauf das LS[X.] zu Recht verweist - offensichtlich ungeeignet, einen Ausschluss des abgelehnten [X.]s zu rechtfertigen (vgl dazu auch BVerf[X.]E 131, 239, juris Rd[X.] 45). Die übrigen Ausführungen (massive Verfahrensverzögerung, falsche Angaben, üble Nachrede, Außerkraftsetzung der [X.]esetzgebung) sind erkennbar aus der Luft gegriffen und zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet.

7

Da das LS[X.] danach unter Mitwirkung der abgelehnten [X.] das Ablehnungsgesuch als unbeachtlich werten und in der Sache verhandeln und entscheiden durfte, musste auch nicht wegen des kurz vor dem Verhandlungstermin am [X.] angebrachten [X.] eine Vertagung erfolgen.

8

Der vom Kläger schließlich mit der Begründung behauptete Verstoß gegen ein faires Verfahren, die Verfahren seien überwiegend auf Diskriminierung und Beleidigung aufgebaut, ist nicht erkennbar. Das LS[X.] hat sich im [X.]egenteil über seine Fürsorgepflicht hinaus erkennbar bemüht, den Wünschen und Vorstellungen des [X.] gerecht zu werden. Es war aber nicht verpflichtet, das Verfahren quasi nach Weisung des [X.] zu führen.

9

Mit der Ablehnung der PK[X.] entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PK[X.] (§ 73a Abs 1 S[X.][X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

Meta

B 8 SO 28/17 BH

23.10.2017

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Bayreuth, 26. Mai 2014, Az: S 4 SO 117/13, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 60 Abs 1 SGG, § 62 SGG, § 202 S 1 SGG, § 42 Abs 1 ZPO, § 42 Abs 2 ZPO, § 45 Abs 1 ZPO, § 227 Abs 1 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.10.2017, Az. B 8 SO 28/17 BH (REWIS RS 2017, 3523)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3523

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