Bundessozialgericht, Urteil vom 29.11.2012, Az. B 14 AS 33/12 R

14. Senat | REWIS RS 2012, 888

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Steuerrückerstattung - einmalige Einnahme - Zuflussprinzip - Berücksichtigung über den Bewilligungs- bzw Verteilzeitraum hinaus - vorzeitiger Verbrauch durch Schuldentilgung - Frage des Vorliegens bereiter Mittel zur Bedarfsdeckung - keine Berücksichtigung fiktiven Einkommens - verfassungskonforme Auslegung - Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten - keine Darlehensgewährung nach § 23 Abs 4 SGB 2)


Leitsatz

Eine einmalige Einnahme darf auch über einen Verteilzeitraum hinweg nur bedarfsmindernd berücksichtigt werden, soweit sie als bereites Mittel geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 11. Januar 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]) von Oktober 2009 bis Februar 2010 unter Berücksichtigung einer im vorangegangenen Bewilligungszeitraum zugeflossenen einmaligen Einnahme als Einkommen.

2

Die miteinander verheirateten, 1965 und 1970 geborenen Kläger zu 1 und 2 sowie deren im März 1994, im Juli 2000 und im August 2008 geborenen Kinder, die Kläger zu 3 bis 5, leben gemeinsam in einem Eigenheim. Sie bezogen vom Beklagten seit März 2009 Leistungen nach dem [X.]. Am 21.4.2009 ging auf dem Konto des [X.] zu 1 eine [X.] in Höhe von 8875,20 [X.] ein. Die Kläger nutzten den Betrag nach ihren Angaben noch im Monat April zur Rückzahlung eines Darlehens, das sie bei dem Schwager des [X.] zu 1 vor Leistungsbeginn zum Zwecke der Finanzierung ihres Eigenheims aufgenommen hatten.

3

Mit den Angaben im Antrag der Kläger vom [X.] für den Bewilligungszeitraum ab dem [X.] wurde dem Beklagten der Zufluss der [X.] bekannt. Er bewilligte daraufhin für den Zeitraum vom [X.] bis 28.2.2010 Leistungen unter Berücksichtigung der Steuererstattung mit einem Betrag von monatlich 739,60 [X.] als Einkommen des [X.] zu 1. Die Berücksichtigung des Einkommens erfolge ab Mai 2009; die Höhe des monatlich zu berücksichtigenden Betrages ergebe sich aus einer Verteilung des Gesamtbetrages auf 12 Monate (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 5.11.2009). Mit Änderungsbescheid vom 20.1.2010 berücksichtigte der Beklagte für diesen Zeitraum weitergehend an die Kläger gezahltes Kindergeld.

4

Die Klagen zum Sozialgericht (SG) [X.] gerichtet gegen den Bescheid vom [X.] in der Fassung des [X.] vom 20.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.11.2009 und die Berufungen zum [X.] ([X.]) [X.] blieben ohne Erfolg (Urteil des [X.]; Urteil des [X.] vom 11.1.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, dem monatlichen Gesamtbedarf der Kläger in Höhe von 1569,24 [X.] habe von September 2009 bis Januar 2010 Einkommen aus Kindergeld in Höhe von insgesamt 498 [X.] monatlich sowie monatlich ein Teilbetrag der im April 2009 zugeflossenen Einkommensteuerrückerstattung in Höhe von 739,60 [X.] gegenübergestanden. Im Februar 2010 habe sich das Kindereinkommen auf 618 [X.] und entsprechend das zu berücksichtigende Gesamteinkommen erhöht. Die Steuererstattung, die den Klägern im April 2009 zugeflossen sei, sei auch im folgenden Bewilligungsabschnitt als Einkommen iS von § 11 Abs 1 [X.] und nicht als Vermögen iS von § 12 [X.] zu berücksichtigen (Hinweis auf [X.] Urteil vom 28.10.2009 - [X.] AS 64/08 R - RdNr 14 ff). Die einmalige Einnahme sei auf einen Verteilzeitraum von 12 Monaten zu verteilen gewesen. Im Zeitpunkt der Auszahlung der Rückerstattung seien offene Schulden nicht vom Einkommen abzusetzen gewesen. Daraus, dass die Kläger den Erstattungsbetrag nach ihren Angaben unmittelbar nach dessen Erhalt zur Rückzahlung eines Darlehens verwendet hätten, folge nichts anderes. Der Leistungsberechtigte, der seine Selbsthilfeobliegenheit und die hieraus resultierende Verpflichtung, jegliches Einkommen zuvörderst zur Sicherung des Lebensunterhalts der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen, missachte und Einkommen entgegen dem Gebot, dieses zunächst für den Lebensunterhalt einzusetzen, für andere Belange verwende, könne nicht besser gestellt werden, als der Leistungsberechtigte, der vertraglichen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Dritten unterliege und diesen unter Beachtung seiner aus dem [X.] erwachsenden Obliegenheiten nicht nachkomme. Der [X.] Berücksichtigung einer Einmalzahlung stehe nicht entgegen, dass der Leistungsberechtigte den Betrag zur Schuldentilgung verwendet habe (Hinweis auf [X.], 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], RdNr 19).

5

Hiergegen richten sich die Revisionen der Kläger. Sie rügen die Verletzung von § 9 Abs 1 iVm § 11 Abs 1 [X.]. Die [X.] sei zwar im Zeitpunkt des Zuflusses zu berücksichtigendes Einkommen. Stelle sich bei erneuter Antragstellung aber heraus, dass das Einkommen verbraucht sei, habe eine nur fiktive Anrechnung zu unterbleiben. Diese gesetzgeberische Konzeption folge auch daraus, dass ein existenzsichernder Anspruch auf Leistungen im Grundsatz auch dann bestehe, wenn die Notlage etwa bei Verweigerung zumutbarer Arbeit, bei unwirtschaftlichem Verhalten oder mutwilliger Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit selbst herbeigeführt worden sei. Eine fiktive Einkommensberücksichtigung verletze das Sozialstaatsprinzip.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.]s [X.] vom 11. Januar 2012 und das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 9. September 2010 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 24. August 2009 in der Fassung des [X.] vom 20. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2009 abzuändern und den Klägern für den Zeitraum Oktober 2009 bis Februar 2010 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der [X.] an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des [X.] kann nicht beurteilt werden, ob sie im noch streitigen Zeitraum vom 1.10.2009 bis zum 28.2.2010 Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben. Zutreffend rügen die Kläger, dass weitergehende Hilfebedürftigkeit iS des § 9 Abs 1 [X.] nicht schon deshalb verneint werden darf, weil ihnen im vorangegangenen Zeitraum eine einmalige Einnahme zugeflossen ist.

9

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide vom [X.] und vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.11.2009, gegen die sich die Kläger mit ihren kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen 54 Abs 1 und 4 SGG) wenden. Nachdem sich die Beteiligten wegen der Höhe der Leistungen für September 2009, für den zusätzlich die Berücksichtigung einer Eigenheimzulage als Einkommen streitig war, in einem Vergleich geeinigt haben, sind nach entsprechender Beschränkung des [X.] durch die Kläger Streitgegenstand noch höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im Zeitraum von Oktober 2009 bis Februar 2010. Die Kläger machen mit ihrem Vorbringen, es sei die im April 2009 zugeflossene Steuererstattung nicht als Einkommen zu berücksichtigen, sowohl höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung an die minderjährige Klägerin zu 5 als auch (höhere) Regelleistungen an sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geltend. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf Regelleistungen einerseits und Kosten der Unterkunft und Heizung andererseits haben sie damit nicht vorgenommen, wovon auch die Vorinstanzen ausgegangen sind.

2. Die Kläger zu 1, 2 und 3 als erwerbsfähige Hilfebedürftige (vgl § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]) und die Kläger zu 4 und 5, die als gemeinsame, nicht erwerbsfähige Kinder der Kläger zu 1 und 2 mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben (vgl § 7 Abs 2, 3 [X.]), haben dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl §§ 19, 28 [X.] in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung). Wegen der Höhe ihrer Ansprüche ist zunächst der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft aus dem Bedarf jeder einzelnen Person zu ermitteln und sodann das zu berücksichtigende Einkommen (vgl § 9 Abs 1 iVm § 11 [X.]) im Verhältnis der Einzelbedarfe zum Gesamtbedarf zu verteilen (§ 9 Abs 2 Satz 3 [X.]). Entgegen der Auffassung des [X.] beträgt der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft vorliegend allerdings nicht 1569,24 [X.] zusammengesetzt aus einem Bedarf der Eltern in Höhe von jeweils 323 [X.], der Klägerin zu 3 in Höhe von 287 [X.], des [X.] zu 4 in Höhe von 251 [X.] und der Klägerin zu 5 in Höhe von 215 [X.] sowie den tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 170,24 [X.]. Das zugeflossene Kindergeld ist nämlich nach § 11 Abs 1 Satz 3 [X.] vorliegend ausschließlich zur Bedarfsdeckung der Kinder heranzuziehen und also vorab von ihren Bedarfen abzusetzen (vgl [X.]-4200 § 9 [X.] Rd[X.]4). Dies wird das [X.] bei der erneuten Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach Zurückverweisung des Rechtsstreits zu beachten haben.

Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach § 9 Abs 1 [X.] hat das [X.] die Höhe des (über das Kindergeld hinaus) nach § 11 [X.] zu berücksichtigenden Gesamteinkommens mit monatlich 739,60 [X.] (1/12 der im April 2009 zugeflossenen Einkommensteuererstattung) angenommen. Es hat offen gelassen, ob der Vortrag der Kläger zutreffend ist, die Einkommensteuererstattung sei bereits vor Beginn des Bewilligungsabschnitts verbraucht gewesen, sondern die Auffassung vertreten, ein Zwölftel der zugeflossenen Gesamtsumme sei aus rechtlichen Gründen monatlich als Einkommen zu berücksichtigen. Diese Auffassung hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.

3. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 [X.] sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem [X.], der Grundrente nach dem [X.] ([X.]) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des [X.] vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 [X.] nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (vgl nur [X.]-4200 § 11 [X.] Rd[X.]3; [X.], 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]). Zutreffend hat das [X.] ausgeführt, dass sich die einmalige Einnahme damit im Zeitpunkt des Zuflusses als Einkommen darstellte. Diesen Charakter als Einkommen verliert eine einmalige Einnahme auch nach erneuter Antragstellung im nachfolgenden Bewilligungszeitraum nicht. Die rechtliche Wirkung des "Zuflussprinzips" endet nicht mit dem Monat des Zuflusses, sondern erstreckt sich über den gesamten Zeitraum, auf den das Einkommen (vorliegend nach § 2 Abs 4 Arbeitslosengeld II/[X.] idF vom 17.12.2007; vgl jetzt § 11 Abs 3 Satz 3 [X.] idF des Art 2 des Gesetzes zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, [X.] 453 - neue Fassung ) aufgeteilt wird, den sog "[X.]" (vgl nur [X.] vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - [X.], 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]1 und - B 4 [X.]/07 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]8 sowie Urteil vom 28.10.2009 - [X.] AS 64/08 R -, juris Rd[X.]5). Auch insoweit entsprechen die Ausführungen des [X.] dieser Rechtsprechung uneingeschränkt.

Eine Festlegung, ob die Verteilung der einmaligen Einnahme nach § 2 Abs 4 Alg II-V vorliegend über 12 Monate zu erfolgen hatte oder ein kürzerer Zeitraum angezeigt war (vgl § 11 Abs 3 [X.] nF, der eine Verteilung über 6 Monate vorsieht; zur alten Rechtslage etwa [X.] vom 27.9.2011 - B 4 [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.]0 RdNr 32; Urteil vom 25.1.2012 - [X.] [X.]/11 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.]7 RdNr 30), braucht im derzeitigen Stand des Verfahrens nicht zu erfolgen. Die Feststellungen des [X.] im Übrigen lassen schon nicht den Schluss zu, der Bedarf der Kläger sei im Zeitraum von Oktober 2009 bis Februar 2010 jeweils monatlich in der von dem Beklagten angenommenen Höhe gedeckt. Wenn die einmalige Einnahme, was die Kläger vortragen, tatsächlich im [X.] nicht mehr (oder nur noch teilweise) zur Verfügung stand, kommt - entgegen der Auffassung des [X.] - schon von daher ein höherer Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Betracht. Es kommt nämlich bei Berücksichtigung einer Einnahme als Einkommen in einem abschließenden [X.] darauf an, ob [X.] Einkommen als "bereites Mittel" geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (vgl [X.] vom [X.] - [X.] AS 32/08 R - [X.] 4-4200 § 9 [X.] Rd[X.]0; Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - [X.], 144 = [X.] 4-5870 § 6a [X.], Rd[X.]1; Urteil vom [X.] AS 21/10 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]9). Dies gilt auch bei Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme über einen [X.] hinweg ohne Einschränkungen.

Zwar muss der Hilfebedürftige sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich verwenden, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen ([X.] vom 19.9.2008 - [X.]/7b [X.] - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]5). Dementsprechend ist er bei Zufluss einer einmaligen Einnahme gehalten, das Geld nicht zur Schuldendeckung zu verwenden, sondern über den [X.] hinweg zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen. Wenn die einmalige Einnahme, deren Berücksichtigung als Einkommen in Rede steht, tatsächlich aber nicht (mehr) uneingeschränkt zur Verfügung steht, ist ein Leistungsanspruch nicht ausgeschlossen. Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten - hier dem Verbrauch der einmaligen Einnahme in bestimmten monatlichen Teilbeträgen - (teilweise) abzuwenden gewesen wäre, ist mit Art 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 20 GG nicht vereinbar (vgl nur [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 = [X.] 2005, 803 = juris Rd[X.]8). Diesem Gedanken folgt das gesetzgeberische Grundprinzip, dass Einkommen nicht "fiktiv" berücksichtigt werden darf, sondern tatsächlich geeignet sein muss, Hilfebedürftigkeit zu beseitigen. Hierauf hat der 4. Senat am Beispiel der Berücksichtigung schwankender Einnahmen bereits hingewiesen (vgl Urteil vom [X.] AS 21/10 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]9). Damit ist auch bei der Berücksichtigung einmaliger Einnahmen über einen [X.] hinweg auf entsprechenden Vortrag des Leistungsberechtigten hin zu überprüfen, ob die auf diesen Zeitraum bezogene Durchschnittsbetrachtung die tatsächliche Einnahmesituation im [X.] zutreffend wiederspiegelt. Diese Prüfung wird das [X.] nach Zurückverweisung des Rechtsstreits nachzuholen haben.

Die vom [X.] in Bezug genommene Aussage des 4. Senats ([X.], 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]) in einem (nach dem dort mitgeteilten Sachverhalt) vergleichbaren Fall, dass "einer [X.] Berücksichtigung der Einkommensteuererstattung nicht (entgegenstehe), dass die Kläger die Steuererstattung zur Schuldentilgung verwendet haben" (aaO, RdNr 19), steht nicht im Widerspruch zur vorliegenden Entscheidung. Vorliegend ist nicht darüber zu entscheiden, welche Auswirkungen der Zufluss der einmaligen Einnahme im April 2009 bei Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bewilligung für den laufenden Bewilligungszeitraum nach dem Maßstab des § [X.] ([X.]) hatte. Allein hierauf bezieht sich aber die vom [X.] in Bezug genommene Aussage des 4. Senats. Weil bei Anwendung des § 48 [X.] mit Wirkung für die Vergangenheit in solchen Fällen nicht eine aktuelle Bedarfslage ungedeckt bleibt, sondern nach Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung (nur) künftig eine Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Grundsicherung entsteht, widerspricht dieses Ergebnis nicht dem Prinzip der Berücksichtigung von Einkommen als "bereiten Mitteln".

Wegen der erstmaligen Bewilligung von Leistungen für Bewilligungszeiträume, die dem Zufluss einer einmaligen Leistung folgen und über die hier allein zu entscheiden ist, mangelte es im vom 4. Senat entschiedenen Fall an hinreichenden Feststellungen zur Einkommens- und Bedarfslage im Folgezeitraum (aaO, Rd[X.]7), sodass der Rechtsstreit zu entsprechenden Ermittlungen zurückverwiesen worden ist. Gerade die Ausführungen zum notwendigen Prüfungsumfang wegen des folgenden Bewilligungsabschnitts (aaO, Rd[X.]8 ff) zeigen, dass die tatsächliche Mittellosigkeit im folgenden Bewilligungsabschnitt für den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (auch) nach der dort vertretenen Auffassung nicht unerheblich war. Weitergehende Ermittlungen hätten sich sonst erübrigt. Dass die vorliegende Entscheidung des Senats mit der Auffassung des 4. Senats übereinstimmt, ergibt sich im Übrigen aus der oben zitierten Rechtsprechung aus den Folgejahren.

4. Verwenden Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts im [X.] und führen sie so Hilfebedürftigkeit (ggf teilweise) herbei, kann solches Verhalten einen Ersatzanspruch nach § 34 [X.] auslösen. Insbesondere wenn dem Leistungsberechtigten aus vorangegangenen Bezugszeiträumen oder nach entsprechender Aufklärung durch den Träger der Grundsicherung, die insbesondere bei sog [X.] mit laufendem und einmaligen Erwerbseinkommen angezeigt erscheint, bekannt ist oder bekannt sein müsste, in welcher Weise der Einsatz einer einmaligen Einnahme von ihm erwartet wird, kann bei entgegenstehendem Verhalten ein solcher Anspruch entstehen (zu den Voraussetzungen des § 34 [X.] im Einzelnen [X.] vom 2.11.2012 - B 4 AS 39/12 R - zitiert nach der Pressemitteilung).

Der Anspruch nach § 34 [X.] (nunmehr in Verbindung mit den erleichterten Möglichkeiten seiner Realisierung, vgl § 43 Abs 1 [X.] nF) sichert das Bedürfnis der Allgemeinheit ausreichend, Steuermittel nicht dort aufzuwenden, wo die Abwendung von Hilfebedürftigkeit dem Hilfebedürftigen auch aus [X.] möglich gewesen wäre und die Notlage also schuldhaft herbeigeführt wird. Zutreffend verweisen die Kläger darauf, dass auch insoweit das Gesetz mit Sanktionsmöglichkeiten einerseits und dem Ersatzanspruch nach § 34 [X.] andererseits (seit dem 1.4.2011 im Gesetz ausdrücklich als "Ersatzanspruch wegen sozialwidrigen Verhaltens" bezeichnet) abschließend aufzeigt, inwieweit Leistungen trotz Bedürftigkeit nicht oder nur eingeschränkt oder mit einem Gegenanspruch des Trägers belastet gewährt werden sollen.

Demgegenüber scheidet die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs 1 [X.] (§ 24 Abs 1 [X.] nF) entgegen der Auffassung des [X.] von vornherein aus, weil die Norm ausdrücklich die Deckung einmaliger, nicht aber laufender Bedarfe in Bezug nimmt. Auch eine Darlehensgewährung gestützt auf § 23 Abs 4 [X.] (§ 24 Abs 4 [X.] nF), der die darlehensweise Gewährung von laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei zu erwartendem Zufluss von Einkommen in Bezug nimmt, kommt nicht in Betracht, weil auch § 23 Abs 4 [X.] (bzw § 24 Abs 4 [X.] nF) im Zeitpunkt der Darlehensbewilligung Hilfebedürftigkeit voraussetzt. Hilfebedürftigkeit würde aber bei einer "fiktiven" Berücksichtigung der einmaligen Einnahme, wie sie das [X.] vornehmen will, in Konsequenz seiner Entscheidung gerade nicht bestehen. Für den Fall einer durch "fehlerhaftes Ausgabeverhalten" (ggf schuldhaft) herbeigeführten Hilfebedürftigkeit seitens des Leistungsberechtigten sieht das [X.] keine nur darlehensweise Gewährung existenzsichernder Leistungen für die Regelbedarfe und Mehrbedarfe vor; die weitergehenden Voraussetzungen der § 23 Abs 1, 4 oder 5 [X.] müssen im Einzelfall erfüllt sein, damit ein Anspruch auf Zuschuss (ggf nach Ermessensentscheidung des Trägers) entfällt. Für [X.] sind solche Fälle in § 22 Abs 5 [X.] (§ 22 Abs 8 [X.] nF) abschließend geregelt. Ob die Auffassung des [X.] zutrifft, bei zweckwidrigem Verbrauch gewährter existenzsichernder Leistung und Mittellosigkeit komme eine erneute Gewährung von Leistungen für Regelbedarfe als Zuschuss nicht in Betracht, ist für die vorliegende Fallgestaltung ohne Belang (für den Fall der zweckwidrigen Verwendung von gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung vgl [X.] vom 17.6.2010 - [X.] [X.]/09 R - [X.], 90 = [X.] 4-4200 § 22 [X.]1, Rd[X.]).

Das [X.] wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 33/12 R

29.11.2012

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Duisburg, 9. September 2010, Az: S 36 AS 424/09, Urteil

§ 9 Abs 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 15.12.2006, § 2 Abs 4 AlgIIV 2008 vom 18.12.2008, § 23 Abs 4 SGB 2 vom 20.07.2006, § 34 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 24.12.2003, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.11.2012, Az. B 14 AS 33/12 R (REWIS RS 2012, 888)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 888

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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