Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.08.2019, Az. 5 AZB 16/19

5. Senat | REWIS RS 2019, 4698

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Gegenstand

Überwachungspflichten bei Berufungseinlegung über das beA


Leitsatz

Versendet ein Rechtsanwalt fristwahrende Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Gericht, hat er in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend zu belehren, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 46c Abs. 5 Satz 2 ArbGG zu kontrollieren ist. Er hat zudem diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen.

Tenor

1. Die Revisionsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des [X.] vom 2. April 2019 - 16 [X.]/19 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Revisionsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.954,45 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die [X.]en streiten über vom Kläger geltend gemachte Überstundenvergütung und sog. Unterstützungszahlung.

2

Das Arbeitsgericht hat mit einem am 19. November 2018 verkündeten Urteil der Klage stattgegeben. Das Urteil wurde der [X.]eklagten, die erstinstanzlich anwaltlich nicht vertreten war, am 5. Dezember 2018 zugestellt. Am 8. Januar 2019 ging im elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (i[X.] EGVP) des [X.] eine aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach [X.]) übermittelte [X.]erufungsschrift ein. Nachdem das [X.] mit gerichtlichem Schreiben vom 22. Januar 2019 den Prozessbevollmächtigten der [X.]eklagten auf die verspätete Einlegung der [X.]erufung hingewiesen hatte, teilte dieser mit [X.] vom 26. Januar 2019 mit, die [X.]erufungsschrift sei per [X.] am 28. Dezember 2018 an das [X.] übermittelt worden. Hierzu legte er eine [X.] vor, wonach die [X.]erufungsschrift am angegebenen Datum um 10:34 Uhr gesendet wurde. Die weiteren in der [X.] enthaltenen Rubriken „Empfangen“ und „Zugegangen“ enthalten keine Einträge. Zugleich beantragte die [X.]eklagte für den [X.]all des nicht fristgerechten Zugangs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

3

Mit einem am 19. [X.]ebruar 2019 beim [X.] eingegangenen [X.] vom 14. [X.]ebruar 2019 hat die [X.]eklagte ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründet und unter Vorlage einer Versicherung an Eides statt ausgeführt, mit Einführung des [X.]-Systems seien folgende Arbeitsanweisungen an die Mitarbeiter der Kanzlei erteilt worden:

        

„-    

bei Versendung per [X.] ist durch die Mitarbeiterin zunächst zu prüfen, dass das entscheidende Dokument die Signatur enthält,

        

-       

sodann sind die Anlagen entsprechend auf Vollständigkeit und Inhalt zu prüfen,

                          
                          
        

-       

Versendung der [X.]-Nachricht mit den entsprechenden Anhängen an das Gericht,

        

-       

nach Versendung der [X.]-Nachricht wird die Nachricht selber und die Übermittlungsdatei automatisch zur Akte gespeichert,

        

-       

zur Prüfung des Empfangs ist die Nachricht aus dem „Gesendet“ - Ordner aufzurufen und im [X.] die erfolgreiche Übermittlung zu prüfen und per Mausklick ebenfalls zur Akte zu speichern.“

4

Diese Arbeitsanweisungen seien von der langjährig beschäftigten und zuverlässigen Mitarbeiterin [X.] offenbar nicht vollständig ausgeführt worden. Eine automatisierte [X.]estätigung über den Zeitpunkt des Eingangs des elektronischen Dokuments gemäß § 46c Abs. 5 Satz 2 ArbGG habe sie nicht erhalten. Die gesonderte Empfangsprüfung sei unterlassen worden, so dass die fehlerhafte Sendung nicht aufgefallen sei. Der nicht fristgerechte Eingang der [X.]erufungsschrift beruhe auf einer fahrlässigen Unachtsamkeit der im Übrigen zuverlässigen und auch in das [X.]-System eingeführten Mitarbeiterin.

5

Mit [X.]eschluss vom 2. April 2019 hat das [X.] die [X.]erufung der [X.]eklagten unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen. Diese sei erst nach Ablauf der [X.]rist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG und damit verspätet beim [X.] eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil das [X.]ristversäumnis auf einem Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe, das sich die [X.]eklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse. Hiergegen wendet sich die [X.]eklagte mit ihrer vom [X.] zugelassenen [X.].

6

II. Die zulässige ( § 77 Satz 1 und Satz 4 ArbGG iVm. § 575 ZPO ) [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat die [X.]erufung der [X.]eklagten zu Recht als unzulässig verworfen.

7

1. Die [X.]eklagte hat die [X.]rist zur Einlegung der [X.]erufung ( § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ) versäumt. Sie hätte gemäß § 64 Abs. 1, § 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG iVm. § 193 [X.]G[X.] gegen das ihr am 5. Dezember 2018 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts innerhalb eines Monats - also bis zum Ablauf des 7. Januar 2019 (Montag) - [X.]erufung beim [X.] einlegen müssen. Die [X.]erufungsschrift vom 28. Dezember 2018 ist jedoch erst am 8. Januar 2019 beim [X.] eingegangen.

8

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.]erufungseinlegungsfrist hat das [X.] der [X.]eklagten zu Recht versagt, § 233 iVm. § 85 Abs. 2 ZPO. Die [X.]eklagte hat nicht glaubhaft gemacht, sie sei ohne ihr Verschulden bzw. ohne ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der fristgemäßen Einreichung der [X.]erufung verhindert gewesen.

9

a) Eine Wiedersetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass die [X.] ohne ihr Verschulden verhindert war, die versäumte [X.]rist einzuhalten (§ 233 Satz 1 ZPO). Dabei steht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der [X.] gleich. Ist das [X.]ristversäumnis allerdings infolge eines [X.]ehlverhaltens von [X.]üropersonal des Prozessbevollmächtigten eingetreten, liegt kein der [X.] zuzurechnendes Verschulden vor, wenn der Prozessbevollmächtigte seine Kanzlei ordnungsgemäß organisiert, insbesondere zuverlässiges Personal ausgewählt und dieses ausreichend überwacht hat (vgl. [X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 18 mwN).

b) Die [X.] beträgt gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO im [X.]alle der Versäumung der [X.]rist zur Einlegung der [X.]erufung zwei Wochen. Die [X.]rist beginnt zu laufen, sobald die [X.] oder ihr Prozessbevollmächtigter erkannt hat oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass die Rechtsmittelfrist versäumt war. In diesem Zeitpunkt ist das Hindernis behoben, durch das die [X.] von der Einhaltung der [X.]rist abgehalten worden ist. Die [X.] beginnt deshalb spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können und müssen. Die [X.]rist läuft daher mit Kenntnisnahme einer gerichtlichen Mitteilung, aus der das Eingangsdatum der verspäteten [X.]erufung zu erkennen ist ([X.] 27. September 2018 - IX Z[X.] 67/17 - Rn. 23).

c) Innerhalb der [X.] des § 234 Abs. 1 ZPO ist der Antrag auf Wiedereinsetzung beim Gericht anzubringen. Der Antrag muss gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen das [X.]ristversäumnis beruht, und auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der [X.]rist gekommen ist ([X.] 11. November 2015 - XII Z[X.] 257/15 - Rn. 10). Die [X.] muss im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte [X.]rist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen ([X.] 8. November 2018 - I [X.] - Rn. 8). Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben dürfen noch nach [X.]ristablauf - auch im Rechtsbeschwerdeverfahren - erläutert oder vervollständigt werden ([X.] 14. September 2017 - IX Z[X.] 81/16 - Rn. 12).

d) Nach diesen Grundsätzen hat das [X.]erufungsgericht der [X.]eklagten zu Recht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und ihre [X.]erufung als unzulässig verworfen. Die Versäumung der [X.]rist zur Einlegung der [X.]erufung beruht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das der [X.]eklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Sie hat ihren Wiedereinsetzungsantrag bereits nicht fristgerecht begründet (dazu [X.]). Zudem sind die von ihr dargelegten Gründe nicht geeignet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu begründen. Nach ihrer Darlegung ist ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten nicht auszuschließen (dazu bb).

[X.]) Die [X.]eklagte hat den Wiedereinsetzungsantrag nicht fristgerecht begründet. Sie hätte bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt spätestens am 26. Januar 2019 erkennen können und müssen, dass die Rechtsmittelfrist versäumt war. Aufgrund des Hinweises des [X.]s vom 22. Januar 2019 und der von ihrem Prozessbevollmächtigten bis zum 26. Januar 2019 vorgenommenen Prüfung des [X.] hätte dieser ohne Weiteres bereits zu diesem Zeitpunkt erkennen können, dass die über das [X.] versandte [X.]erufungsbegründung nicht beim [X.] eingegangen ist. Er hatte deshalb bereits ab diesem Zeitpunkt allen Grund, innerhalb der [X.] von zwei Wochen der [X.]rage nachzugehen, warum dies seinen Mitarbeitern in der Kanzlei nicht aufgefallen war. Auf der Grundlage der hierbei gewonnenen Erkenntnisse hätte er seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen können. Eine [X.]egründung des Wiedereinsetzungsantrags ist indessen erst am 19. [X.]ebruar 2019 und damit nach Ablauf der Zwei-Wochen-[X.]rist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO beim [X.]erufungsgericht eingegangen.

(1) Der Prozessbevollmächtigte der [X.]eklagten wurde durch Schreiben des [X.]s vom 22. Januar 2019 davon in Kenntnis gesetzt, dass die [X.]erufungsschrift am 8. Januar 2019 und damit verspätet beim [X.] eingegangen ist. Dieses Schreiben hat er jedenfalls am 26. Januar 2019 erhalten, denn mit [X.] von diesem Tage hat er den Eingang des Hinweises bestätigt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Prozessbevollmächtigte der [X.]eklagten hat den Hinweis des [X.]s zum Anlass genommen, das Übermittlungs- und Prüfprotokoll für die elektronische Übermittlung der [X.]erufungsschrift zu prüfen und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 26. Januar 2019 beizufügen. [X.]ei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte der Prozessbevollmächtigte der [X.]eklagten bereits zu diesem Zeitpunkt selbst erkennen können, dass eine Empfangsbestätigung nach § 46c Abs. 5 Satz 2 ArbGG nicht erteilt worden ist, denn die entsprechenden [X.]elder in dem von ihm mit [X.] vom 26. Januar 2019 vorgelegten Übermittlungsprotokoll waren leer.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 26. Januar 2019 enthielt indessen nicht die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen. Die [X.]eklagte hat in diesem [X.] lediglich behauptet, die von ihrem Prozessbevollmächtigten am 28. Dezember 2018 an das [X.] übermittelte [X.]erufungsschrift sei von diesem nicht registriert oder bearbeitet worden. Erst nachdem das [X.] nochmals mit Schreiben vom 7. [X.]ebruar 2019 mitgeteilt hat, dass dort am 28. Dezember 2018 kein [X.]erufungsschriftsatz der [X.]eklagten eingegangen sei, hat der Prozessbevollmächtigte der [X.]eklagten die bereits am 26. Januar 2019 vorgelegte [X.] offenbar erstmals sorgfältig überprüft und hierbei festgestellt, dass darin der Empfang der Datei nicht bestätigt worden war. Dies nahm er zum Anlass, in dem am 19. [X.]ebruar 2019 beim [X.] eingegangenen [X.] vom 14. [X.]ebruar 2019 vorzutragen, seine Mitarbeiterin [X.] habe entgegen einer Arbeitsanweisung die Empfangsprüfung nicht vorgenommen. Da er dies jedoch bereits am 26. Januar 2019 hätte vortragen können, war er nicht gehindert, innerhalb von zwei Wochen ab diesem Zeitpunkt in dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Tatsachen anzugeben, die diesen Antrag seiner Auffassung nach begründen sollen. Das ist jedoch erst mit dem am 19. [X.]ebruar 2019 beim [X.] eingegangenen [X.] vom 14. [X.]ebruar 2019 und damit nach Ablauf dieser [X.]rist erfolgt. Dieses Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der [X.]eklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Es war auch kausal für die nicht fristgerechte [X.]egründung des Wiedereinsetzungsantrags.

bb) Die [X.]eklagte hat darüber hinaus auch nicht dargelegt, dass ihr Prozessbevollmächtigter in seiner Kanzlei über eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle verfügt.

(1) Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener [X.] rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der [X.]rist beim zuständigen Gericht eingeht ([X.] 4. September 2018 - [X.]/17 - Rn. 13). Zu diesem Zweck muss der Rechtsanwalt eine zuverlässige [X.]ristenkontrolle organisieren und insbesondere einen [X.]ristenkalender führen ([X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 20).

(a) Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstags durch eine dazu beauftragte [X.]ürokraft anhand des [X.]ristenkalenders nochmals selbständig überprüft wird (st. Rspr., vgl. nur [X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 22; [X.] 8. November 2018 - I [X.] - Rn. 13; 15. Dezember 2015 - VI Z[X.] 15/15 - Rn. 8). Diese allabendliche Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze mittels Abgleich mit dem [X.]ristenkalender dient nicht alleine dazu, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen im [X.]ristenkalender noch unerledigt gebliebene [X.]ristsachen ergeben, sondern vielmehr auch dazu, festzustellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten [X.]ristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht. Deshalb ist dabei, ggf. anhand der Akten, auch zu prüfen, ob die im [X.]ristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind ([X.] 8. November 2018 - I [X.] - Rn. 13; 15. Dezember 2015 - VI Z[X.] 15/15 - Rn. 8).

(b) Nach gefestigter Rechtsprechung genügt ein Rechtsanwalt bei einer Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax seiner Pflicht zur Ausgangskontrolle nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, anhand des [X.] zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die [X.]rist im [X.]ristenkalender gestrichen werden ([X.] 24. Januar 2019 - I Z[X.] 47/18 - Rn. 10 mwN). Die Überprüfung des [X.] kann lediglich dann entfallen, wenn der Rechtsanwalt seine Kanzleiangestellten angewiesen hat, die [X.]rist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger zu streichen (vgl. [X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 22; [X.] 25. [X.]ebruar 2016 - III Z[X.] 42/15 - Rn. 10).

(c) Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per [X.] entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax ([X.] 3. Januar 2018 - L 17 [X.] - Rn. 16; vgl. zum elektronischen Rechtsverkehr OVG Rheinland-Pfalz 27. August 2007 - 2 A 10492/07 - Rn. 24). Auch hier ist es unerlässlich, den [X.] selbst zu überprüfen. Dies kann ohne Weiteres durch eine Kontrolle der dem [X.] vergleichbaren automatisierten Eingangsbestätigung (§ 46c Abs. 5 Satz 2 ArbGG) erfolgen (vgl. [X.] 2019, 2, 5). Sobald eine an das Gericht versendete Nachricht auf dem in dessen Auftrag geführten Server eingegangen ist, schickt dieser automatisch dem Absender eine [X.]estätigung über den Eingang der Nachricht. Hieran hat sich mit Einführung des [X.] nichts geändert, die Eingangsbestätigung wird vom EGVP an das [X.] versandt. Die Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere [X.]emühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind ([X.]. 17/12634, S. 26 zum gleichlautenden § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO). Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung erhalten, besteht damit Sicherheit darüber, dass der [X.] erfolgreich war. Ihr Ausbleiben muss den Rechtsanwalt zur Überprüfung und ggf. zur erneuten Übermittlung veranlassen (vgl. hierzu [X.] NJW 2015, 2753, 2756).

(d) Diese Grundsätze gelten sowohl bei der manuellen als auch bei der elektronischen [X.]ührung eines [X.]ristenkalenders. Diese darf keine hinter der manuellen [X.]ührung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten ([X.] 3. Juli 2019 - 8 [X.]/19 - Rn. 6; [X.] 4. November 2014 - [X.]/14 - Rn. 10 mwN). Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt, der laufende [X.]risten in einem elektronischen [X.]ristenkalender erfasst, durch geeignete Organisationsmaßnahmen die Kontrolle der [X.]risteingabe gewährleisten muss. Das kann durch einen Ausdruck der eingegebenen Einzelvorgänge oder eines [X.]ehlerprotokolls erfolgen. In seiner ständigen Rechtsprechung verlangt der [X.], dass die Eingaben in den elektronischen Kalender durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines [X.]ehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert werden. [X.] dies, sei darin ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen ([X.] 28. [X.]ebruar 2019 - III Z[X.] 96/18 - Rn. 13 mwN; ebenso [X.] 3. Juli 2019 - 8 [X.]/19 - Rn. 8; [X.]SG 28. Juni 2018 - [X.] 1 [X.]- Rn. 9; krit. hierzu [X.] NJW 2019, 1456, 1458). Unabhängig davon ist jedoch den Anforderungen an eine ordnungsgemäße [X.]üroorganisation nicht genügt, wenn ein elektronischer [X.]ristenkalender so geführt wird, dass am Tag des [X.]ristablaufs zuvor als erledigt gekennzeichnete Sachen überhaupt nicht mehr in der [X.]ristenliste erscheinen und ein vorheriges versehentliches Löschen der [X.]rist daher bei der Endkontrolle am Abend des Tags nicht mehr erkannt werden kann (vgl. [X.] 11. Oktober 2000 - IV Z[X.] 17/00 - zu II 1 d der Gründe; vgl. auch OVG S[X.]rland 20. Mai 2014 - 1 A 458/13 - Rn. 9; [X.]/[X.] ZPO 32. Aufl. § 233 Rn. 23).

(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die [X.]eklagte die Einrichtung und Anwendung einer ordnungsgemäß gestalteten [X.]risten- und Ausgangskontrolle bereits nicht schlüssig dargelegt.

(a) Den Ausführungen der [X.]eklagten lässt sich nicht entnehmen, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine Anweisung bestand, wonach die [X.]rist zur [X.]erufungseinlegung im [X.]ristenkalender erst nach Überprüfung der erfolgreichen Übermittlung der [X.]erufungsschrift an das Gericht unter [X.]erücksichtigung der Eingangsbestätigung nach § 46c Abs. 5 Satz 2 ArbGG gestrichen werden darf. Der Prozessbevollmächtigte der [X.]eklagten hat im [X.] vom 14. [X.]ebruar 2019 lediglich allgemein behauptet, die Mitarbeiter seien angewiesen worden, zur Prüfung des Empfangs die Nachricht aus dem „[X.] aufzurufen und im [X.] die erfolgreiche Übermittlung zu prüfen und per Mausklick ebenfalls zur Akte zu speichern. Wie genau die Prüfung des Empfangs der Nachricht zu erfolgen hat, hat er indessen in seinem Wiedereinsetzungsantrag nicht vorgetragen. [X.]ei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte der Prozessbevollmächtigte der [X.]eklagten das für die [X.]erufungseinlegung per [X.] zuständige Personal jedoch dahingehend belehren müssen, dass bei Übermittlung von Daten per [X.] stets der Erhalt der Eingangsbestätigung zu kontrollieren ist, und er hätte diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchführen müssen (vgl. [X.] 3. Januar 2018 - L 17 [X.] - Rn. 14). Dieses Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten muss sich die [X.]eklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

(b) Die von der [X.]eklagten geschilderte [X.]ührung des elektronischen Kalenders in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten genügt gleichfalls nicht den gebotenen organisatorischen Sorgfaltsanforderungen. Dessen Darlegungen im [X.] vom 14. [X.]ebruar 2019 ist nicht ansatzweise zu entnehmen, wie bei der allabendlichen [X.]ristenkontrolle die ordnungsgemäße Versendung eines [X.]es über das [X.] und dessen Eingang bei Gericht kontrolliert werden können.

(c) Schließlich hat der Prozessbevollmächtigte der [X.]eklagten weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass eine Kanzleianweisung bestanden hat, bei der allabendlichen Kontrolle fristgebundener Sachen eine nochmalige, selbständige Prüfung der Übermittlung vorzunehmen. Entgegen der [X.] sind diese Anforderungen auch nicht „überzogen“, denn die erneute und abschließende Prüfung soll nach gefestigter Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.]undes dazu dienen, festzustellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten [X.]ristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht.

(d) Die unzureichende [X.] war ursächlich für die Versäumung der [X.]erufungsfrist. Hätte der Prozessbevollmächtigte der [X.]eklagten die entsprechenden Anweisungen erteilt, wäre seinen Mitarbeitern bereits am 28. Dezember 2018 aufgefallen, dass die [X.]erufungsschrift nicht beim [X.] eingegangen ist. Die [X.]eklagte hätte dann noch ohne Weiteres bis zum 7. Januar 2019 - ggf. auf anderem Wege - beim [X.] [X.]erufung einlegen können.

(e) Soweit die [X.] Darlegungen zu den tatsächlichen Verhältnissen in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der [X.]eklagten enthält, liegen diese außerhalb der [X.] des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO und sind bereits deshalb unbeachtlich. Zudem gelten im Verfahren der [X.] nach § 77 Satz 4 ArbGG die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Rechtsbeschwerde entsprechend. § 576 Abs. 1 ZPO beschränkt die Rechtsbeschwerde auf die Überprüfung von Rechtsverletzungen. Die möglichen Rechtsbeschwerdegründe entsprechen damit den Gründen für eine Revision (MüKoZPO/[X.] 5. Aufl. § 576 Rn. 1). Der Vortrag neuer Tatsachen ist damit grundsätzlich ausgeschlossen.

III. Die [X.]eklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des [X.]verfahrens zu tragen. Die [X.] beruht auf § 63 GKG.

        

    Linck    

        

    [X.]iebl    

        

    Volk    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

5 AZB 16/19

07.08.2019

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG Münster, 19. November 2018, Az: 4 Ca 1036/18, Urteil

§ 46c Abs 5 S 2 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.08.2019, Az. 5 AZB 16/19 (REWIS RS 2019, 4698)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 2793 REWIS RS 2019, 4698


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 16 Sa 28/19

Landesarbeitsgericht Hamm, 16 Sa 28/19, 02.04.2019.


Az. 5 AZB 16/19

Bundesarbeitsgericht, 5 AZB 16/19, 07.08.2019.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

B 2 U 1/23 R

7 U 78/22

VII ZR 94/21

29 K 1789/20.A

10 K 2469/21.A

XI ZB 14/22

11 CS 22.2308

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