Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.04.2010, Az. 9 AZR 36/09

9. Senat | REWIS RS 2010, 7733

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Arbeitsvertragliche Versetzungsklausel - anderer Arbeitsort - AGB-Kontrolle - Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 11. Dezember 2008 - 11 [X.] 817/08 - wird zurückgewiesen, soweit das [X.] die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15. April 2008 - 5 Ca 3435/07 - hinsichtlich der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen hat.

Im Übrigen wird die [X.]che zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des gesamten Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung sowie darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristlosen und hilfsweise fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten beendet worden ist.

2

Die Beklagte ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sie unterhält mehrere Niederlassungen innerhalb der [X.]. Darüber hinaus ist sie ein Unternehmen des international tätigen Konzerns P. Andere Konzernunternehmen sind außerhalb [X.] in verschiedenen [X.] tätig.

3

Die 1965 geborene Klägerin ist seit dem 1. Juli 2000 als Steuerberaterin/Managerin in der Niederlassung [X.] der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 23. Mai 2000 heißt es ua. wie folgt:

        

„§ 1 Beginn und Inhalt des Arbeitsverhältnisses

        

1.   

Sie werden ab 1. Juli 2000 als Manager für den Bereich [X.] in unserer Niederlassung [X.] eingestellt.

        

2.   

P behält sich das Recht vor, Sie im Bedarfsfall auch an einem anderen Arbeitsort und/oder bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns P entsprechend Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten für gleichwertige Tätigkeiten einzusetzen. Hierbei werden Ihre persönlichen Belange angemessen berücksichtigt.

        

...“

        

4

Im Oktober 2007 fanden Gespräche zwischen den Parteien über einen zukünftigen Einsatz der Klägerin in [X.] statt. Am 19. Oktober 2007 unterrichtete die Beklagte den in ihrer Niederlassung [X.] bestehenden Betriebsrat „gem. § 99 [X.]“ über die beabsichtigte Versetzung der Klägerin zur Niederlassung [X.]. Sie bat um Stellungnahme. Dem Betriebsrat wurde weiter mitgeteilt, die Klägerin solle ab dem 1. Dezember 2007 als „Managerin im Bereich [X.]“ zur Niederlassung [X.] versetzt werden. Am 25. Oktober 2007 teilte der Betriebsrat der Niederlassung [X.] der Beklagten mit, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit identischem Formblatt und identischer Information unterrichtete die Beklagte unter dem 26. Oktober 2007 den Betriebsrat ihrer Niederlassung [X.]. Dieser erklärte mit Datum vom 31. Oktober 2007, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit Schreiben vom 1. November 2007 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 1. Dezember 2007 zur Niederlassung [X.] als „Manager in dem Bereich [X.]“. Unter dem 29. November 2007 kündigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten an, die Klägerin werde die Stelle in [X.] nicht antreten. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 30. November 2007 darauf hin, dass sie in diesem Fall arbeitsrechtliche Schritte einleiten werde. Sie werte das Verhalten der Klägerin als Arbeitsverweigerung. Am 3. Dezember 2007 bot die Klägerin ihre Arbeitskraft in der Niederlassung [X.] tatsächlich an. Sie wurde aufgefordert, die Niederlassung zu verlassen und ihre Gebäudezutrittskarte herauszugeben. Die Arbeit in [X.] nahm die Klägerin nicht auf. Mit Datum vom 4. Dezember 2007 hörte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung [X.] zu einer beabsichtigten außerordentlichen sowie [X.] ordentlichen Kündigung der Klägerin wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung an. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.

5

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2008 wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung.

6

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin zuletzt gegen die Versetzung sowie die Kündigungen.

7

Sie hat die Auffassung vertreten, die Versetzung und die Kündigungen seien unwirksam. Die Beklagte könne sich nicht auf eine fehlende Auslastung in [X.] berufen. Die Niederlassung [X.] sei seit Jahren nicht voll ausgelastet. Zudem sei die Klägerin eine der dienstältesten Mitarbeiterinnen dieser Niederlassung. Die Beklagte habe auch zum 1. September 2007 neue Mitarbeiter eingestellt. So sei die Mitarbeiterin W mit einer vergleichbaren Arbeitstätigkeit in der Niederlassung [X.] noch im September 2007 eingestellt worden. Weiterhin sei im Jahr 2007 in der Steuerabteilung [X.] eine neue [X.] geschaffen worden. Dort sei seit dem 1. Juni 2000 Herr S tätig. Er übe dieselbe Tätigkeit aus wie die anderen Steuerberater der Steuerabteilung [X.]. Die Beklagte habe zudem über offene Stellen verfügt, die deutlich näher am Wohnort der Klägerin gelegen seien als der Versetzungsort [X.].

8

Da die Versetzung nicht wirksam sei, habe sie keine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen. Zudem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihre Versetzung vom 1. Dezember 2007 als Managerin in den Bereich [X.] nach München unwirksam ist;

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 11. Dezember 2007 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versetzung sei wirksam. Für die Klägerin sei in [X.] kein [X.] mehr gegeben. Soweit sie neue Mitarbeiter eingestellt habe, seien diese mit der Klägerin nicht vergleichbar. Wegen eines Großkunden sei es erforderlich gewesen, die Stelle in [X.] kurzfristig zu besetzen. Soweit offene Stellen ausgewiesen seien, erfülle die Klägerin die Voraussetzungen teilweise nicht.

Die Kündigungen seien deshalb wirksam, weil die Klägerin eine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen habe. Der [X.]er Betriebsrat sei auch ordnungsgemäß beteiligt worden. Er habe mit Datum vom 10. Dezember 2007, 18:35 Uhr, per E-Mail mitgeteilt, dass er keine Stellungnahme abgebe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nur hinsichtlich der Versetzung begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom [X.] gegebenen Begründung durfte der Klage nicht stattgegeben werden. Wegen fehlender Feststellungen des [X.]s kann der Senat nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung unwirksam ist. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

A. Das [X.] hat angenommen, die [X.] im Arbeitsvertrag benachteilige die Klägerin unangemessen. Sie sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] intransparent, da sie der [X.] das Recht einräume, die Klägerin ohne weitere Einschränkungen eines zulässigen [X.] und ohne Ankündigungsfrist zu allen Betrieben des [X.]s und darüber hinaus zu den international tätigen Konzernunternehmen zu versetzen. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

I. Entgegen der Auffassung des [X.]s genügt die [X.] in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags den Erfordernissen einer Kontrolle am Maßstab der §§ 307 ff. [X.]. Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, den Ort der Arbeitsleistung der Klägerin innerhalb des [X.]s nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Die Klausel ist auch nicht intransparent.

1. Die arbeitsvertragliche [X.] unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Sie ist nur auf Unklarheit(§ 305c Abs. 2 [X.]) und Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 [X.]) zu untersuchen.

2. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 23. Mai 2000 stellte die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Sätze 1 und 2 [X.] auf. Sie bot der Klägerin nach den Feststellungen des [X.]s die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen in dieser Form an. Die Parteien handelten die Vertragsbedingungen nicht nach § 305 Abs. 1 Satz 3 [X.] aus.

Die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes finden [X.] in § 310 Abs. 4 [X.] auch auf das Arbeitsrecht Anwendung. Für sie gilt die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EG[X.]. Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EG[X.] ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das bis zu diesem [X.]punkt geltende Recht weiter anzuwenden. Das gilt nach Art. 229 § 5 Satz 2 EG[X.] auch für „Dauerschuldverhältnisse” mit der Maßgabe, dass ab dem 1. Januar 2003 das neue Recht Anwendung findet. Seitdem sind die neu gefassten §§ 305 bis 310 [X.] anzuwenden. Vertrauensschutz hat der Gesetzgeber damit nur bis zum 31. Dezember 2002 eingeräumt(Senat 13. März 2007 - 9 [X.]/06 - Rn. 34, [X.] [X.] § 307 Nr. 26).

3. Es kann dahinstehen, ob die der [X.] eingeräumte Befugnis, die Klägerin auch bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns einzusetzen, der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. [X.] standhielte. Die davon abtrennbare Befugnis, die Klägerin zu einem anderen Arbeitsort im [X.] zu versetzen, ist jedenfalls nicht unwirksam.

a) Eine Unwirksamkeit der [X.] würde nicht zur Gesamtunwirksamkeit der [X.] in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags führen. Die Beklagte beruft sich im vorliegenden Fall nicht auf eine „Versetzungsbefugnis“ zu einer anderen Konzerngesellschaft, sondern nur auf die zu ihrer eigenen Niederlassung in [X.].

aa) § 306 Abs. 1 [X.] enthält eine kodifizierte Abweichung von der [X.] des § 139 [X.] und bestimmt, dass bei [X.] grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Anwendung dieses Grundsatzes entspricht der Interessenlage beider Arbeitsvertragsparteien([X.]/Preis 10. Aufl. § 611 [X.] Rn. 342 mwN) . Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 [X.] das Gesetz. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. blue-pencil-tests durch Streichung des unwirksamen Teils mit einem „blauen Stift” zu ermitteln ([X.] 6. Mai 2009 - 10 [X.]/08 - Rn. 11, [X.] [X.] § 307 Nr. 43 = EzA [X.] 2002 § 307 Nr. 44; 12. März 2008 - 10 [X.]/07 - Rn. 28, [X.] [X.] § 305 Nr. 10 = EzA [X.] 2002 § 307 Nr. 33 ) . Ist die verbleibende Restregelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist also, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene Vertragsbedingungen ([X.] 11. April 2006 - 9 [X.] - Rn. 32, [X.]E 118, 36).

bb) Die Befugnis zur Versetzung zu anderen Konzerngesellschaften und die Befugnis zur Versetzung an einen anderen Arbeitsort sind inhaltlich abtrennbar. Dies kommt sprachlich darin zum Ausdruck, dass § 1 Nr. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags zwischen beiden Befugnissen(„und/oder“) unterscheidet. Die [X.] kann problemlos vollständig gestrichen werden. Trotzdem bleibt die übrige [X.] äußerlich und inhaltlich unverändert und behält ihre Selbständigkeit und ihren spezifischen Zweck. Eine etwaige Unwirksamkeit der [X.] berührt deshalb nicht die verbleibende Regelung.

b) Die in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags geregelte Befugnis der [X.], die Klägerin auch an einen anderen Arbeitsort zu versetzen, unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Sie stellt keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 [X.] dar und unterliegt deshalb nicht der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, §§ 308 und 309 [X.].

aa) Die arbeitsvertragliche [X.] entspricht materiell der Regelung in § 106 Satz 1 [X.]. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und [X.] der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.

bb) Nichts anderes bestimmt die Klausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags. Danach steht das Direktionsrecht der [X.] nur unter dem Vorbehalt auch der Beachtung der persönlichen Belange der Klägerin zu. Die Zuweisung darf zudem nur für gleichwertige Tätigkeiten erfolgen. Somit kann sich die Beklagte, wie es auch § 106 Satz 1 [X.] verlangt, bei der Ausübung ihres Direktionsrechts aufgrund der arbeitsvertraglichen [X.] nicht allein von ihren Interessen leiten lassen. Sie hat einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Die Klausel entspricht damit der Regelung in § 106 [X.].

cc) Die Befugnis der [X.], die Klägerin an einen anderen Ort des Unternehmens gemäß § 106 [X.] versetzen zu dürfen, wird nicht dadurch eingeschränkt, dass sie nach § 1 Nr. 1 des Arbeitsvertrags in der Niederlassung [X.] eingestellt wurde. Die Festlegung eines bestimmten Orts in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort(vgl. Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es wird klargestellt, dass weiter § 106 Satz 1 [X.] und damit die Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte gilt.

c) Entgegen der Auffassung des [X.]s ist die Klausel nicht intransparent. Das Berufungsgericht meint zu Unrecht, die Klausel sei intransparent, weil weder der zulässige [X.] noch eine Ankündigungsfrist für die Versetzung bestimmt sei. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

aa) Die [X.] unterliegt als kontrollfreie Hauptabrede(§ 307 Abs. 3 Satz 1 [X.]) sowohl der Unklarheitenregelung des § 305 Abs. 2 [X.] als auch der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Sie ist jedoch weder unklar noch intransparent.

bb) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen insoweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben(Senat 11. April 2006 - 9 [X.] - Rn. 40, [X.]E 118, 22) .

cc) Nach diesen Grundsätzen war es nicht zwingend notwendig, Ankündigungsfristen oder den zulässigen [X.] in die Vertragsklauseln aufzunehmen. § 106 [X.] sowie entsprechende [X.]n tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung. Der Arbeitsvertrag bedarf als Dauerschuldverhältnis einer ständigen, bei Vertragsschluss gedanklich nicht vorwegnehmbaren Anpassung. Die Einflussfaktoren sind im Arbeitsrecht so zahlreich und vielgestaltig, dass gesicherte Prognosen kaum möglich sind(Senat 11. April 2006 - 9 [X.] - Rn. 35, [X.]E 118, 22; zustimmend [X.] NZA 2007, 19). Eine Konkretisierungsverpflichtung würde nicht dem Bedürfnis des Arbeitgebers gerecht, auf im [X.]punkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Veränderungen reagieren zu können. Zudem wird ein Zwang zur Konkretisierung entweder zu Leerformeln wie „sachlicher Grund“ oder zu einer ausufernden Aufzählung aller in einer möglicherweise fernen Zukunft einmal in Betracht kommenden Sachverhalte führen. Das trägt nicht notwendigerweise zur Erhöhung der Transparenz bei. Demgegenüber ist aus der hier verwandten Klausel für jeden Arbeitnehmer zweifelsfrei erkennbar, dass eine Versetzung an alle Arbeitsorte des Unternehmens in Betracht kommt. Das entspricht dem weitgehenden Bestimmungsrecht, das das Gesetz dem Arbeitgeber einräumt. Nach § 106 Satz 1 [X.] kann er Inhalt, Ort und [X.] der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Die Regelung in § 106 Satz 1 [X.] trägt damit der Gegebenheit Rechnung, dass Arbeitsverträge nur eine rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht festlegen können.

dd) Wie im Schrifttum vorgeschlagen(vgl. [X.] NZA 2007, 19, 22), kann eine Klausel, in der sich der Arbeitgeber die Änderung des [X.] vorbehält, dem Arbeitnehmer durch Vorgaben hinsichtlich der Regionen, des [X.] und der Mindestkündigungsfristen Klarheit verschaffen, innerhalb welcher Grenzen und Fristen der Arbeitgeber von seiner örtlichen Versetzungsbefugnis Gebrauch machen will. Derartige Festlegungen sind wünschenswert, jedoch nicht zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] erforderlich. Der Arbeitnehmer wird durch die vom Gericht nach § 106 [X.], § 315 [X.] durchzuführende Ausübungskontrolle vor unbilliger Überforderung geschützt. Das betrifft sowohl die Frage der zulässigen Entfernung als auch die Berücksichtigung von Ankündigungsfristen. Hinzu kommen noch die nach der Betriebsverfassung zugunsten des Arbeitnehmers eingreifenden Bestimmungen, die den Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts beschränken. Dazu gehören insbesondere das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 [X.] mit dem Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats aus § 99 Abs. 2 Nr. 2 und 4 [X.] sowie das Recht des Betriebsrats aus § 95 Abs. 2 [X.], die Aufstellung von Richtlinien für Versetzungen auch im Hinblick auf einzuhaltende [X.] Gesichtspunkte zu verlangen. Der Umstand, dass der Gesetzgeber den Betriebspartnern einen derartigen weiten Regelungs- und Beurteilungsspielraum eingeräumt hat, spricht dafür, dass § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.] keine zwingenden Vorgaben für eine [X.] enthalten muss. Unter Berücksichtigung der in § 106 [X.] und §§ 9599 [X.] geregelten Besonderheiten ist die hier zu beurteilende weite örtliche unternehmensinterne [X.] nicht als unangemessene Benachteiligung anzusehen.

II. Das [X.] hat aus seiner Sicht konsequent keine Ausübungskontrolle vorgenommen. Für die Prüfung, ob die Versetzung der Klägerin von [X.] nach [X.] billigem Ermessen entspricht(§ 106 Satz 1 [X.], § 315 Abs. 1 [X.]), bedarf es weiterer Feststellungen.

1. Der Ort, an dem die Klägerin ihre Arbeitsleistungen erbringen muss, hat sich nicht auf die Niederlassung [X.] konkretisiert. Das Weisungsrecht der [X.] ist deshalb nicht auf [X.] als Arbeitsort beschränkt.

a) Arbeitspflichten können sich nach längerer [X.] auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße [X.]ablauf. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll(Senat 13. März 2007 -  9 [X.]/06 - Rn. 50, [X.] [X.] § 307 Nr. 26).

b) Zwar ist die Klägerin bereits langjährig in der Niederlassung [X.] beschäftigt worden. Es fehlt jedoch an besonderen Umständen, denen sie hätte entnehmen können, dass sie künftig nicht an einem anderen Arbeitsort eingesetzt würde. Dass ein Arbeitnehmer sich im Lauf der [X.] bezüglich der Gestaltung seines persönlichen Umfelds an der ausgeübten Tätigkeit und insbesondere am Ort seiner Arbeitsleistung ausrichtet, ist nur eine Folge der langjährigen Tätigkeit und begründet, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, keine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsort.

2. Der Senat kann nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung von [X.] nach [X.] billigem Ermessen entspricht.

a) Nach § 106 Satz 1 [X.] hat der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Auch wenn die Versetzung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, muss die Ausübung des Direktionsrechts gemäß § 106 Satz 1 [X.] billigem Ermessen entsprechen. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.

aa) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den [X.] vorbehalten. Eine Entscheidung des [X.] ist dann geboten, wenn die maßgeblichen Tatsachen feststehen und nur eine bestimmte Entscheidung dem Maßstab der Billigkeit entspricht(vgl. Senat 15. September 2009 - 9 [X.] - Rn. 29 mwN, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = [X.] § 4 Altersteilzeit Nr. 31).

bb) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie [X.] Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen(Senat 21. Juli 2009 - 9 [X.]/08 - Rn. 22, [X.] § 4 Luftfahrt Nr. 18; [X.] 28. November 1989 - 3 [X.] - zu II 1 a der Gründe, [X.]E 63, 267).

b) Hier sind die für die Kontrolle der Ermessensausübung wesentlichen Tatsachen zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hat sich insbesondere darauf berufen, der Arbeitsplatz der Klägerin in [X.] sei ersatzlos weggefallen. Sie werde in der Niederlassung [X.] wegen eines Großkunden dringend benötigt. Die Klägerin hat sich darauf gestützt, sie sei die dienstälteste Mitarbeiterin in der Niederlassung [X.], es gebe Beschäftigungsmöglichkeiten in Niederlassungen, die näher an ihrem Wohnort lägen, und sie erfülle nicht das Stellenprofil der übertragenen Tätigkeit in der Niederlassung [X.]. Das [X.] wird diese Umstände aufzuklären haben.

B. Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 erklärte außerordentliche und die hilfsweise ordentliche Kündigung unwirksam sind. Dies folgt entweder aus § 102 Abs. 1 Satz 3 [X.] wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats in [X.] oder aus dem Fehlen der die Kündigungen rechtfertigenden Gründe gemäß § 1 Abs. 2 [X.] und § 626 Abs. 1 [X.]. Sollte die Versetzung unwirksam sein, musste die Klägerin nicht in [X.] arbeiten. Sollte die Versetzung wirksam sein, hätte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung [X.] zu den Kündigungen anhören müssen.

I. Welcher Betriebsrat nach § 102 [X.] zu beteiligen ist, richtet sich nach der Wirksamkeit der Versetzung.

1. Beteiligt der Arbeitgeber einen nicht zuständigen Betriebsrat an einer beabsichtigten Kündigung, so fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung iSv. § 102 Abs. 1 Satz 3 [X.]. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat desjenigen Betriebs anhören, zu dessen Belegschaft der zu kündigende Arbeitnehmer gehört([X.] 12. Mai 2005 - 2 [X.] [X.] der Gründe, [X.] [X.] 1972 § 102 Nr. 145 = EzA [X.] 2001 § 102 Nr. 13).

2. Das [X.] hat angenommen, der Betriebsrat der Niederlassung [X.] sei als zuständiger Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigungen vom 11. Dezember 2007 anzuhören gewesen. Aufgrund der ausgesprochenen Versetzung sei die Klägerin der Niederlassung [X.] betrieblich zugeordnet worden. Unabhängig von der Wirksamkeit der Versetzung sei der Betriebsrat der Niederlassung [X.] damit zuständig für eine nach der Zuordnung auszusprechende Kündigung geworden. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] gelten als Betriebsangehörige im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Betriebs stehen und innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringen([X.] 22. März 2000 - 7 [X.] - zu [X.] 2 a aa der Gründe mwN, [X.]E 94, 144). Es kann dahinstehen, ob hierzu die Eingliederung in die [X.] genügt (so [X.]/[X.] in [X.]/Kittner/[X.]/[X.] [X.] 12. Aufl. § 7 Rn. 5). Fehlt, wie hier, eine solche tatsächliche Eingliederung, kommt es auf die Zuordnung an.

b) Die Klägerin war weder in die Niederlassung [X.] noch in die Niederlassung [X.] tatsächlich eingegliedert. Die Beklagte hat der Klägerin in [X.] keine Arbeit zugewiesen. Die Klägerin hat die Erfüllung der ihr in [X.] zugewiesenen Arbeitsaufgaben dauerhaft verweigert. Bei einer solchen fehlenden tatsächlichen Eingliederung in einen Betrieb verliert der Arbeitnehmer nicht seine Betriebszugehörigkeit. Diese ist nicht von einer steten Eingliederung in einen Betrieb abhängig. So wird sie nicht durch Abwesenheitszeiten wie Erholungsurlaub, Arbeitsunfähigkeit oder Elternzeit unterbrochen([X.]/[X.] in GK-[X.] 9. Aufl. § 7 Rn. 22). Entscheidend ist allein, ob noch eine spätere Wiederaufnahme der Arbeit vorgesehen ist (vgl. [X.] 16. April 2003 - 7 [X.] - zu II 2 b der Gründe, [X.]E 106, 64). Das ist bei der Klägerin der Fall. Die Parteien haben zum [X.]punkt der Anhörung des Betriebsrats in [X.] gemäß § 102 [X.] nicht darüber gestritten, ob die Klägerin tatsächlich arbeiten soll, sondern nur darüber, in welchem Betrieb. Für die Beantwortung dieser Frage ist maßgeblich, in welcher Niederlassung eine Arbeitspflicht der Klägerin bestand und damit, ob die Versetzung nach [X.] wirksam war. Deshalb hängt die Zuordnung der Klägerin zu einer bestimmten Niederlassung und damit die Zuständigkeit eines Betriebsrats zur Anhörung nach § 102 [X.] entgegen der Auffassung des [X.]s von der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Versetzung ab.

II. Demnach könnte der Betriebsrat in der Niederlassung [X.] nur zuständig gewesen sein, wenn die Klägerin der Niederlassung [X.] nicht wirksam zugeordnet worden wäre. In diesem Fall stellte die Weigerung der Klägerin, die Arbeit in [X.] aufzunehmen, keine Vertragspflichtverletzung dar. Sollte die Klägerin demgegenüber der Niederlassung [X.] wirksam zugeordnet gewesen sein, so fehlte es an der ordnungsgemäßen Anhörung des für das Verfahren nach § 102 [X.] zuständigen Betriebsrats der Niederlassung [X.].

        

    Düwell    

        

    Gallner    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Jungermann    

        

    Pfelzer    

                 

Meta

9 AZR 36/09

13.04.2010

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Bielefeld, 15. April 2008, Az: 5 Ca 3435/07, Urteil

§ 139 BGB, § 305 Abs 1 BGB, § 305c Abs 2 BGB, § 306 Abs 1 BGB, § 306 Abs 2 BGB, § 307 Abs 1 BGB, § 307 Abs 3 BGB, § 315 Abs 1 BGB, § 626 BGB, § 102 BetrVG, § 106 S 1 GewO, § 1 Abs 2 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.04.2010, Az. 9 AZR 36/09 (REWIS RS 2010, 7733)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7733

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

11 Sa 817/08 (Landesarbeitsgericht Hamm)


10 AZR 296/11 (Bundesarbeitsgericht)

Wirksamkeit einer Versetzung - Stationierung einer Purserette bei einer Fluggesellschaft


10 AZR 275/09 (Bundesarbeitsgericht)

Wirksamkeit einer Versetzung - AGB-Kontrolle einer Versetzungsklausel


10 AZR 311/11 (Bundesarbeitsgericht)

Wirksamkeit einer Versetzung - Stationierung einer Flugbegleiterin


10 AZR 330/16 (Bundesarbeitsgericht)

Versetzung - unbillige Weisung - Verbindlichkeit für den Arbeitnehmer


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.